Walter Jens, ein bedeutender deutscher Intellektueller, erkrankte an Demenz. Sein Sohn Tilman Jens beschreibt in seinem Buch "Demenz. Abschied von meinem Vater" den Verlauf dieser Erkrankung und die damit verbundenen Herausforderungen. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen der Demenz von Walter Jens und geht auf allgemeine Aspekte dieser Krankheit ein.
Der Beginn der Erkrankung
Ende 2003, nach seinem 80. Geburtstag, zeigten sich erste Anzeichen der Demenz bei Walter Jens. Er wurde zunehmend unruhig, irrte ziellos im Haus umher und schwankte zwischen Aggression und Apathie. Seine Körperpflege vernachlässigte er, klagte und forderte ständige Aufmerksamkeit von seiner Frau.
Medikamentenmissbrauch als möglicher Faktor
Um seine Angstzustände zu bekämpfen, griff Walter Jens zu immer mehr Psychopharmaka, sogenannten "Benzos". Er erhielt diese Medikamente, wie Tavor, bei Bedarf auch ohne Rezept, was in Tübingen aufgrund seiner Prominenz kaum auffiel. Der Entzug von diesen Benzodiazepinen in einer Freiburger Klinik gestaltete sich schwierig. Seine Frau fand Tablettendepots im ganzen Haus versteckt.
Die Rolle der Ärzte und die Diagnose
Obwohl die Symptome wie der Verlust der Mitte, Getriebenheit, Wut, Ohnmacht, Traurigkeit, Verwahrlosung und Klammern am Partner eindeutig waren, wurde die Diagnose Demenz erst spät gestellt. Die Ärzte sprachen von einer atypischen Depression und bagatellisierten die Situation. Möglicherweise scheuten sie sich, die Diagnose Demenz offen auszusprechen, da sie mit Scham und Stigma behaftet ist.
Vaskuläre Demenz und Alzheimer
Letztendlich wurde bei Walter Jens eine vaskuläre Demenz diagnostiziert, verursacht durch eine Vielzahl kleiner, unbemerkter Schlaganfälle, sowie ein Anteil Alzheimer. Alzheimer ist durch Proteinablagerungen im Gehirn gekennzeichnet, die den Verstand auslöschen und den Abbau von Erinnerung und Sprache vorantreiben.
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Kritik an der Behandlung und Pflege
Tilman Jens kritisiert in seinem Buch die Zustände in manchen Kliniken und Pflegeeinrichtungen als unwürdig. Er bemängelt den Mangel an ausgebildetem Personal, das auf die Bedürfnisse von Demenzkranken eingehen kann. Seine Mutter, Inge Jens, beschreibt ebenfalls die Schwierigkeiten im Alltag mit einem Demenzkranken und den Lernprozess, das Menschsein nicht an geistige Kräfte zu binden.
Weitere mögliche Ursachen und Risikofaktoren für Demenz
Neben den bereits genannten Faktoren gibt es weitere mögliche Ursachen und Risikofaktoren für Demenz:
- Altershirndruck: Ein Überdruck im Gehirn kann ähnliche Symptome wie Alzheimer verursachen.
- Medikamente: Über 130 Medikamente können demenzähnliche Symptome hervorrufen, darunter Schmerzmittel, Psychopharmaka, Antibiotika und Herzmittel.
- Durchblutungsstörungen: Mangelnde Durchblutung des Gehirns kann zu Demenz führen.
- Mangelnde Flüssigkeitszufuhr: Dehydration kann die Gehirnfunktion beeinträchtigen.
- Falsche Ernährung: Eine unausgewogene Ernährung kann das Risiko für Demenz erhöhen.
- Erbliche Veranlagung: Die Bedeutung der Gene für die Entstehung von Demenz wird kontrovers diskutiert.
- Lebensstil: Schlechte Angewohnheiten wie Rauchen, Trinken, mangelnde Bewegung und Stress können das Demenzrisiko erhöhen.
- Biographische Traumata: Hirnforscher vermuten, dass Demenz nach traumatischen Erlebnissen ausbrechen kann.
Die Rolle von Plaques und Tau-Bündeln
Lange Zeit wurden Plaques im Gehirn als Hauptursache für Alzheimer angesehen. Inzwischen weiß man jedoch, dass viele normal alternde Menschen ebenfalls Plaques im Gehirn haben, ohne an Demenz zu erkranken. Einige Forscher vermuten, dass stattdessen Tau-Bündel eine größere Rolle spielen.
Umgang mit der Diagnose und Patientenverfügung
Inge Jens betont, wie wichtig es ist, sich als gesunder Mensch Gedanken über die eigene Versorgung im Krankheitsfall zu machen und eine Patientenverfügung zu verfassen. Sie selbst konnte den Wunsch ihres Mannes nach einem selbstbestimmten Lebensende nicht erfüllen, da er in seiner Krankheit auch Glücksmomente hatte.
Das Leben mit Demenz: Perspektiven und Herausforderungen
Inge Jens beschreibt das Leben mit einem Demenzkranken als einen Lernprozess. Sie betont, dass Menschsein nicht an geistige Kräfte gebunden ist. Ihr Mann, der früher in seiner geistigen Welt lebte, entdeckte durch die Krankheit eine neue Seite an sich und fand Freude im Umgang mit Tieren. Sie rät Angehörigen, sich auf ihr eigenes Gefühl zu verlassen, herauszufinden, was dem kranken Partner Freude bereitet, und keine Rücksicht auf Konventionen zu nehmen.
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