Bewegung gegen Alzheimer-Forschung: Ein aktiver Lebensstil als Schutzschild für das Gehirn

Die Alzheimer-Krankheit, von der in Deutschland Hunderttausende Menschen betroffen sind, ist durch das fortschreitende Absterben von Nervenzellen gekennzeichnet. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Die Forschung zeigt jedoch zunehmend, dass ein aktiver Lebensstil eine entscheidende Rolle bei der Verlangsamung des Krankheitsverlaufs spielen kann. Eine aktuelle Studie im Fachjournal "Nature Medicine" legt nahe, dass bereits wenige tausend Schritte täglich dazu beitragen können, das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung zu verlangsamen.

Der Zusammenhang zwischen Bewegung und Alzheimer: Aktuelle Forschungsergebnisse

Eine Langzeitstudie der Harvard Aging Brain Study (HABS) unter der Leitung von Forschern des Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School untersuchte den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und dem Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit. Über einen Zeitraum von bis zu 14 Jahren wurden 296 Erwachsene im Alter von 50 bis 90 Jahren begleitet. Zu Beginn der Studie waren alle Teilnehmer geistig gesund. Durch Hirnscans zeigten sich jedoch bei 88 Personen vermehrt Beta-Amyloid-Plaques, die als frühes Alzheimer-Risiko gelten.

Die Teilnehmer trugen zu Beginn der Studie sieben Tage lang einen Schrittzähler. Entsprechend ihrer Aktivität wurden sie in vier Gruppen eingeteilt: inaktiv (≤ 3000 Schritte/Tag), niedrig aktiv (3001-5000), moderat aktiv (5001-7500) und aktiv (> 7500). Das Forschungsteam prüfte jährlich die Gedächtnisleistung der Probanden mit kognitiven Tests. Zudem ermittelte es zu Beginn sowie nach drei, fünf, acht und elf Jahren die Beta-Amyloid- und Tau-Ablagerungen im Gehirn mithilfe der Positronenemissionstomografie (PET).

Die Ergebnisse: Jeder Schritt zählt

Die Ergebnisse der Studie waren eindeutig: Aktivere Teilnehmer schnitten in den Gedächtnis- und Alltagstests über die Jahre hinweg besser ab. Zudem wiesen sie weniger Ansammlungen von Tau-Proteinen im Temporallappen auf, einer Hirnregion, die von dem voranschreitenden Alzheimer-Prozess schon früh betroffen ist. Besonders stark von körperlicher Bewegung profitierten Menschen, die bereits anfangs erhöhte Amyloid-Werte aufgewiesen hatten. Für Amyloid selbst fand die Studie dagegen keinen Zusammenhang mit der Schrittzahl.

Schon bei Personen, die als »niedrig aktiv« eingestuft wurden, verringerte sich der Rückgang der Gedächtnisleistung und Alltagskompetenz deutlich. Der größte Schutz zeigte sich jedoch bei Teilnehmern, die mit 5001 bis 7500 Schritten pro Tag »moderat aktiv« waren. Höhere Schrittzahlen brachten keinen zusätzlichen Effekt. Die Forscher berechneten mit Modellen, dass kognitiv gesund erscheinende Teilnehmer mit erhöhten Beta-Amyloid-Werten bei inaktiver Lebensweise nach etwa 6,5 Jahren deutliche kognitive Einbußen erreichen würden, bei niedriger Aktivität nach rund 9,6 Jahren und bei moderater Aktivität erst nach etwa 12 bis 14 Jahren.

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Bewegung verlangsamt die Ausbreitung von Tau-Proteinen

Personen, die viel saßen und weniger als 3.000 Schritte täglich gingen, entwickelten im Studienverlauf am meisten und schnellsten Verklumpungen von Tau-Proteinen im Gehirn und bauten auch hinsichtlich ihrer geistigen Fitness am schnellsten ab. Im Gegensatz dazu verzögerte sich der kognitive Verfall bei Menschen, die sich mehr bewegten. Insgesamt schritten der kognitive Verfall und der Plaque-Aufbau umso langsamer voran, je mehr Schritte die Teilnehmenden täglich absolvierten. In der Gruppe über 7.500 Schritte wurde jedoch ein Plateau erreicht und die zusätzliche körperliche Aktivität bewirkte keinen zusätzlichen Benefit für die geistige Gesundheit. Demnach reicht schon ein geringes bis moderates Maß an Bewegung im Alltag aus, um das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz in Schach zu halten, schließen die Forschenden.

Allerdings ergaben die Auswertungen auch, dass dieser Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und geistiger Fitness nur bei Personen gilt, die zu Studienbeginn bereits einige Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn aufwiesen. Bei Teilnehmenden, die per se mit niedrigen Amyloid-Beta-Ausgangswerten starteten und daher insgesamt ein geringeres Alzheimer-Risiko hatten, sammelten sich im Laufe der Zeit nur sehr wenige Tau-Proteinen an. Diese Personen wiesen auch einen geringen kognitiven Verfall auf.

Die Bedeutung der Ergebnisse

Die Ergebnisse bestätigen, dass Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Alzheimer ist. Generell könnten körperlich aktive ältere Menschen ihre Hirnsubstanz besser erhalten als körperlich inaktive. Die Analyse zeige erstmals Effekte bei Menschen, die bereits Alzheimer-typische Veränderungen im Gehirn haben. Hier scheint körperliche Aktivität die Ausbreitung dieser Veränderungen über Jahre hinweg zu verlangsamen und in Verbindung damit die mentale Leistungsfähigkeit zu schützen.

Die Studie zeige, dass es möglich ist, kognitive Resilienz und Resistenz gegen die Tau-Pathologie im Rahmen der präklinischen Alzheimer-Krankheit aufzubauen. Körperliche Aktivität ist wichtig, um die Gehirngesundheit zu erhalten, und vor allem zu Beginn zählt jeder Schritt.

Warum Bewegung das Gehirn schützt: Mögliche Mechanismen

Warum Bewegung den kognitiven Abbau verlangsamen könnte, ist noch unklar. Das Forschungsteam vermutet, dass sie die Durchblutung des Gehirns verbessert, Entzündungen dämpft und die Ausschüttung schützender Botenstoffe anregt. Regelmäßiges Gehen trainiert die Kognition, indem die Personen navigieren, sich orientieren und mit ihrer Umgebung interagieren müssen. Trainiert werde zudem die kardiovaskuläre Gesundheit. Schließlich würden bei erhöhter körperlicher Aktivität eine Reihe blutgebundener Wachstums- und Schutzfaktoren freigesetzt, die sich positiv auf das Gehirn auswirken und die Ausbreitung von Tau verlangsamen könnten.

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Wie man Bewegung in den Alltag integriert: Tipps und Empfehlungen

Bewegung hält das Gehirn gesund. Es gibt keine „beste“ Sportart - wichtig ist, dass sie Spaß macht und regelmäßig ausgeübt wird. Gut geeignet sind:

  • Ausdauersportarten wie Gehen, Radfahren oder Schwimmen für Herz und Kreislauf.
  • Ganzkörpertrainings wie Yoga oder Pilates zur Förderung von Beweglichkeit und Balance.
  • Tanzen oder Tai-Chi zur Stärkung der Koordination und des Gedächtnisses.
  • Krafttraining zur Vorbeugung von Muskelabbau und Stürzen.

Neben gezieltem Sport hält auch Bewegung im Alltag Körper und Geist fit. Ein Spaziergang, Treppensteigen oder Gartenarbeit - jede Bewegung bringt den Kreislauf in Schwung, versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und stärkt die geistige Fitness.

So bringen Sie mehr Aktivität in Ihren Alltag:

  • Öfter zu Fuß gehen oder das Rad nehmen - kurze Strecken aktiv zurücklegen hält in Schwung.
  • Die Treppe nehmen statt den Aufzug - das kräftigt Muskeln und verbessert das Gleichgewicht.
  • Freizeit aktiv gestalten - mit Freunden spazieren, im Garten werkeln oder draußen Zeit verbringen.

Der Einstieg fällt leichter mit kleinen Schritten. Bewegung hält das Gehirn aktiv und kann helfen, den Krankheitsverlauf von Menschen mit Demenz zu verlangsamen. Auch depressive Symptome, die oft als Begleiterscheinung einer Demenz auftreten, können durch Bewegung positiv beeinflusst werden. Wer sich bewegt, fühlt sich sicherer, spürt seinen Körper und bleibt besser in Kontakt mit seiner Umgebung. Besonders in Gruppen kann Aktivität Lebensfreude schenken und das Gefühl stärken, dazuzugehören.

Menschen mit Demenz müssen keine neuen Sportarten erlernen - wer schon immer gerne spazieren gegangen ist, sollte dies auch weiterhin tun. Knüpfen Sie an alte Gewohnheiten und Leidenschaften an: Jemand hat früher gern getanzt oder Gymnastik gemacht? Dann kann er oder sie auch mit Demenz davon profitieren.

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Es muss nicht perfekt sein - Hauptsache, es fühlt sich gut an. Ein kurzer Spaziergang, ein paar Tanzschritte in der Küche oder gemeinsames Gärtnern: Oft sind es die vertrauten Bewegungen, die Sicherheit geben und Freude machen.

Weitere Faktoren für die Gehirngesundheit: Ein ganzheitlicher Ansatz

Neben körperlicher Aktivität spielen weitere Lebensstilfaktoren eine Rolle für die Gehirngesundheit: geistige und soziale Aktivität, gesunde Ernährung und wenig Alkoholkonsum. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich vor Alzheimer zu schützen.

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