Bewegung bei Nervenschmerzen: Ein umfassender Leitfaden

Chronische Schmerzen stellen eine erhebliche Belastung für viele Menschen dar. Bewegung spielt eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung verschiedener Erkrankungen, einschließlich chronischer Schmerzen. Als Mitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. profitieren Sie von zahlreichen Vorteilen, darunter evidenzbasierte Informationen und Ressourcen zur Schmerzbehandlung. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung von Bewegung bei Nervenschmerzen und stellt verschiedene Ansätze vor, die helfen können, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Die Bedeutung von Bewegung in der Schmerzmedizin

"Bewegung ist das Wichtigste in der Schmerzmedizin", betont der Schmerzmediziner Jan-Peter Jansen. Bei Schmerzen entsteht im Gehirn ein Schmerzgedächtnis, das durch Bewegung abgelenkt werden soll. Sport und Bewegung sind die wichtigsten nicht-medikamentösen Maßnahmen gegen chronische Schmerzen. Körperliche Aktivität beeinflusst das Gehirn positiv, indem beispielsweise Glückshormone ausgeschüttet werden. Bewegung lenkt das Gehirn vom Schmerz ab und sorgt dafür, dass wichtige Substanzen in die Muskeln und Gelenke gelangen. Zwei von drei Betroffenen fühlen sich besser, wenn sie sich mehr bewegen.

Endorphine und Endocannabinoide

Beim Sport produziert der Körper verstärkt Endorphine, auch "körpereigenes Morphin" genannt. Diese werden von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet, docken an Nervenzellen-Rezeptoren an und hemmen die Schmerzweiterleitung. Zudem werden Endocannabinoide produziert, die ebenfalls schmerzhemmend wirken.

Auswirkungen auf die Muskulatur

Bewegung wirkt nicht nur im Kopf schmerzhemmend, sondern auch direkt auf die Muskulatur. Viele chronische Schmerzpatienten bewegen ihre Muskulatur nicht ausreichend, was zu Problemen in der Ansteuerung, Krämpfen, Blockaden und Verhärtungen führen kann. Bewegung verbessert die Durchblutung der Muskulatur und transportiert Stoffwechselprodukte ab, während gleichzeitig immunaktive Substanzen in den Muskel gelangen.

Überwindung der Schmerzgrenze

Um Schmerzen zu lindern, kann es sinnvoll sein, vorsichtig über die Schmerzgrenze hinaus zu trainieren, besonders bei Dehnübungen. Physiotherapeutin Katja Schulze erklärt, dass der Kreislauf von "Ich habe Schmerzen, ich kann nichts mehr machen" durchbrochen werden muss. Patienten müssen lernen, wieder anzufangen und Vertrauen in ihren Körper zu haben.

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Arten von Schmerzen und geeignete Bewegungsformen

Die Wahl der geeigneten körperlichen Aktivität hängt von den jeweiligen Ursachen der Schmerzen ab.

  • Kopfschmerzen: Spaziergänge im Freien lenken das Gehirn vom Schmerz ab.
  • Rückenschmerzen: Dehnungsübungen in Abstimmung mit einem Physiotherapeuten.
  • Gelenkschmerzen: Bewegung des betroffenen Gelenks, um es zu erhalten und Schmerzen auf Dauer zu reduzieren.

Myofasziales Schmerzsyndrom

Eine weitere Ursache für Schmerzen ist das myofasziale Schmerzsyndrom, bei dem sich Muskeln und Bindegewebe so stark verhärten, dass Nervenwurzeln im Rückenmark gereizt werden. Medikamente oder Botox-Spritzen helfen hier oft nicht.

Vermeidung von Schonhaltungen

Wer Schmerzen hat, neigt oft unbewusst zu Schonhaltungen, um die betroffene Stelle zu entlasten. Diese unnatürlichen Körperhaltungen können jedoch zu Fehlbelastungen führen und langfristig Reparatur- und Erneuerungsprozesse im Körper verzögern. Bewegung ist wichtig, um den Körper gesund und belastbar zu halten.

Bewegungstherapien und ihre Wirkung

Regelmäßige körperliche Aktivität hat zahlreiche positive Auswirkungen bei chronischen Schmerzen:

  • Bessere Durchblutung der Muskeln: Ein trainierter Muskel wird besser durchblutet und kann seine Funktion besser erfüllen.
  • Koordination und Stabilität: Bewegungen können gut koordiniert werden, und das Skelett wird gestützt. Dies ist wichtig für die Stabilität der Wirbelsäule und für den Schutz und die Belastbarkeit der Gelenke.
  • Geringere Neigung zu Verkrampfungen: Ein schwacher Muskel neigt eher zu Verkrampfungen als ein trainierter Muskel.
  • Nährstoffversorgung der Bandscheiben: Die Bandscheiben werden nur durch den Wechsel von Be- und Entlastung mit Nährstoffen versorgt und behalten so ihre Elastizität.
  • Ausschüttung von Glückshormonen: Körperliche Betätigung führt zur Ausschüttung von Glückshormonen, was die Stimmung hebt.
  • Soziale Interaktion: Bewegung in Gruppen schafft Gemeinschaft und Zufriedenheit.
  • Positiver Einfluss auf das vegetative Nervensystem: Das vegetative Nervensystem, das auch die Verdauung und den Schlaf reguliert, wird durch körperliche Aktivität positiv beeinflusst und im Gleichgewicht gehalten.

Meditative Bewegungsverfahren

Viele wissenschaftliche Studien haben die positive Wirkung von meditativen Bewegungsverfahren auf verschiedene chronische Schmerzerkrankungen untersucht, darunter Kopfschmerzen, Fibromyalgie, Rückenschmerzen und Gelenkschmerzen. Diese Verfahren verbessern das körperliche und seelische Wohlbefinden.

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Tai Chi

Tai Chi, auch Taiji geschrieben, ist eine seit Jahrhunderten im asiatischen Raum praktizierte Bewegungstherapie. Regelmäßiges Üben verbessert Körpergefühl, Beweglichkeit und Koordination. Tai Chi verbindet ruhige, tiefe, gleichmäßige Atmung mit sanften Bewegungsübungen. Die besondere Beachtung der Atmung beruhigt das vegetative Nervensystem, was Entspannung und Regeneration auch in Bewegung ermöglicht.

Qigong

Qigong hat gemeinsame Wurzeln mit Tai Chi in China, die über 2000 Jahre zurückreichen. Beide Bewegungsarten haben sich in vielerlei Strömungen entwickelt, von rein meditativen Praktiken bis hin zu Kampfkünsten. Qigong bedeutet übersetzt "Arbeit/Umgang mit dem Qi", wobei Qi am ehesten mit "Lebenskraft" umschrieben werden kann. Im Verständnis der traditionellen chinesischen Medizin führen Blockierungen des Qi zu Schmerzen. Die "Arbeit mit dem Qi" kann entsprechende Blockaden auflösen und Schmerzen behandeln.

Qigong-Übungen verbinden Körperhaltungen, Bewegungen, Atemtechniken und meditative Konzentration. Sie werden weich fließend, kontinuierlich und langsam ausgeführt, wie gegen einen leichten Widerstand. Dies hilft bei der Konzentration auf die bewegten Körperareale und verhindert Fehl- und Überlastung. Die Übungen entsprechen leichten Dehnungen des Bewegungsapparates, die die Beweglichkeit verbessern.

Yoga

Yoga stammt aus Indien und ist ebenfalls eine meditative Bewegungstherapie. Es beinhaltet körperliche Übungen, Atemübungen und Meditation. Im Yoga nimmt die Atmung einen sehr großen Stellenwert ein, denn der yogischen Philosophie wird mit der Atmung "Prana", also Lebensenergie, aufgenommen. Ein wichtiger Unterschied zu Qigong/Tai Chi ist das Halten der Endposition für einige Atemzüge und das vorsichtige Herantasten an die eigene Belastungsgrenze mit dem Ziel, diese zu erweitern. Auch im Yoga verbessert sich die allgemeine Beweglichkeit, verkürzte Muskelgruppen werden wieder gedehnt und gelockert.

Gemeinsames Wirkungsprinzip

Allen drei meditativen Bewegungsverfahren gemeinsam ist eine weiche, gelenkschonende Bewegung, die besonders im Qigong vom Atemrhythmus bestimmt wird. Die Bewegungen sind immer weich, fließend und nie ruckartig und gewaltsam. Ein rücksichtsvoller Umgang mit den eigenen Belastungsgrenzen ist immer Bestandteil der Übungen. Der meditative Anteil besteht in der fokussierten Ausführung der Übung und macht den Unterschied zwischen "Gymnastik" und "meditativer Bewegung".

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Vorteile meditativer Bewegungsverfahren

Meditative Bewegungsverfahren verbinden schmerzfreie Bewegung mit psychischer Entspannung und sind dadurch besonders für Menschen geeignet, die mit klassischen Entspannungsverfahren weniger gut zurechtkommen. Sie ermöglichen das dosierte Erweitern der Belastungsgrenzen, fördern ein positives Körpergefühl und regen die Selbstheilung an.

Vorsichtsmaßnahmen

Alle meditativen Bewegungsverfahren sind gelenkschonend. Richtig und unter Beachtung der eigenen Belastungsgrenzen ausgeführt, ist das Verletzungsrisiko extrem gering. Menschen mit Schmerzen in Hüft-, Knie- oder Sprunggelenken können bei Schmerzverstärkung im Stehen die Übungen auch im Sitzen ausführen. Menschen mit Überbeweglichkeit der Gelenke sollten bei Yoga besonders auf eine physiologisch korrekte Gelenkstellung achten.

Wie und wo man meditative Bewegungsverfahren lernen kann

Es empfiehlt sich dringend, meditative Bewegungsverfahren nicht auf eigene Faust aus Büchern oder Online-Videos zu erlernen, sondern sich die korrekte Ausführung von einem ausgebildeten Therapeuten vermitteln zu lassen. Krankenkassen und Volkshochschulen bieten Kurse an, die von zertifizierten Therapeutinnen geleitet werden und sich vor allem zum Ausprobieren der verschiedenen Verfahren eignen. Ausbildungsinstitute von Qigong/Taiji-oder Yoga-Lehrern bieten qualitativ hochwertige Kurse an, die gerade für diejenigen geeignet sind, die ihre Kenntnisse vertiefen wollen. Eine (teil-)weise Erstattung durch Krankenkassen ist meist möglich.

Neuralgie: Wenn Nerven schmerzen

Nerven können nicht nur Schmerzsignale weiterleiten, sie können auch selbst Schmerzen verursachen. In der Medizin spricht man dann von einer Neuralgie, also Nervenschmerzen. Neuralgien breiten sich im Versorgungsgebiet eines oder mehrerer Nerven aus und werden durch dauerhafte Reizung oder Schädigung von Nerven ausgelöst.

Ursachen von Nervenschädigungen

Nervenschädigungen haben vielfältige Ursachen: Entzündungen, Viren, Diabetes mellitus, Operationen oder auch mechanische Einflüsse können das Nervengewebe zerstören. Auch wenn die Schädigung des Nervs bereits abgeheilt ist, können weiterhin Schmerzen auftreten, da Nervenzellen ein Schmerzgedächtnis bilden können.

Diagnose von Neuralgien

Viele Neuralgie-Betroffene quälen sich lange, bevor sie eine Diagnose erhalten, da sich Nervenschmerzen sehr unterschiedlich äußern können. Für die Diagnose benötigt der Arzt ein genaues Bild vom Charakter der Schmerzen: Wann treten sie auf, wo treten sie auf, wie lange dauern sie, wie stark sind sie? Außerdem muss er der Schmerzursache auf den Grund gehen.

Was Sie bei Nervenschmerzen tun können

  • Für Entspannung sorgen: Wärme kann bei muskulären Verspannungen wahre Wunder bewirken. Massagen durch fachkundige Hände lösen angespannte Muskeln und fördern die Durchblutung.
  • In Bewegung bleiben: Bewegung kann Verspannungen lösen, die Muskulatur stärken und Schmerzen lindern. Beginnen Sie sanft mit einem Spaziergang oder behutsamen Dehnübungen.
  • Den Geist anregen: Beschäftigungen, die guttun und uns ein Stück herausfordern, helfen dabei, vom Schmerz abzulenken.
  • Schmerzmittel verwenden: Eine frühzeitige Behandlung des Nervenschmerzes ist notwendig und sinnvoll, um eine Chronifizierung und damit die Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses zu verhindern.

Neurodynamik: Die Bewegung des Nervensystems

Ein verspannter Muskel kann dafür verantwortlich sein, dass die Beweglichkeit eines Nervens eingeschränkt ist. Die Neurodynamik ist eine therapeutische Technik, bei der ein spezieller Teilbereich des Nervensystems oder auch nur ein einzelner Nerv rhythmisch mobilisiert wird. Parallel zur Therapie des Nervensystems behandelt der Physiotherapeut auch evtl. vorliegende Dysfunktionen des umliegenden Gewebes.

"Motion is Lotion"

Das Nervensystem liebt und braucht Bewegung. Vermeiden Sie unter allen Umständen Stillstand, auch wenn Sie Bewegungen während einer Schmerzepisode als unangenehm empfinden.

Tipps für mehr Bewegung im Alltag

  • Sport und Bewegung: Sport und Bewegung sind die wichtigsten nicht-medikamentösen Maßnahmen gegen chronische Schmerzen.
  • Muskulatur stärken: Regelmäßige Bewegung stärkt die Muskulatur, besonders im Rücken und Bauch.
  • Stress abbauen: Stress kann Schmerzen verstärken. Durch Bewegung kann Stress abgebaut werden.
  • Schmerzverarbeitung im Gehirn verbessern: Durch regelmäßige Bewegung reagiert der Körper weniger empfindlich auf Schmerzen.
  • Bewegung in Gruppen: Bewegung in Gruppen kann motivierend sein und Spaß machen.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann bei chronischen Schmerzen helfen, indem sie gezielt die Muskulatur kräftigt, die Beweglichkeit verbessert und Entspannung und Stressabbau fördert.
  • Wärme- und Kältetherapie: Wärme- und Kältetherapie können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
  • Gesundheitliche Risiken abklären: Wenn Sie neu oder nach längerer Pause mit Sport beginnen, sollten Sie zuvor gesundheitliche Risiken abklären.

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