Ein Schlaganfall ist ein plötzliches Ereignis, das zu Funktionsstörungen des Gehirns führt. Ursachen sind meist Mangeldurchblutungen (Hirnembolie, Hirninfarkt) oder Hirnblutungen, die die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Gehirnzellen beeinträchtigen. Dies kann zu dauerhaften Folgeschäden führen. Bewegung und Sport spielen eine zentrale Rolle in der Therapie und Rehabilitation nach einem Schlaganfall, um die Mobilität wiederherzustellen, die Lebensqualität zu verbessern und einem erneuten Schlaganfall vorzubeugen.
Bedeutung von Bewegung nach Schlaganfall
Regelmäßiger Sport nach einem Schlaganfall trägt dazu bei, die Mobilität wiederzuerlangen und langfristig Fitness, Kraft und Lebensqualität zu erhalten. Oftmals treten vorübergehende oder dauerhafte Lähmungen bestimmter Körperregionen auf, was viele Betroffene davon abhält, Sport zu treiben. Es besteht die Tendenz, sich zu schonen oder die eigene Leistungsfähigkeit zu unterschätzen. Dies führt jedoch zu einem Teufelskreis, bei dem mangelnde Bewegung die Fitness weiter reduziert, die Aktivität im Alltag abnimmt und die Lebensqualität sinkt.
Durch Sport und Bewegung können verloren gegangene Fähigkeiten teilweise wiedererlangt werden, da das Gehirn eine hohe Lernfähigkeit besitzt. Sport bietet folgende Vorteile:
- Erhöhung der Ausdauer
- Training von Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit
- Verbesserung von Körpergefühl und Wahrnehmung
- Abfederung neurologischer Folgen
- Kräftigung der Muskeln für mehr Aktivität im Alltag, was die Lebensqualität erhält und das Sturzrisiko verringert
Sport als Prävention
Bewegung hat einen positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System, senkt den Blutdruck und unterstützt die Regulierung des Zucker- und Fettstoffwechsels. Dadurch wird der Arterienverkalkung (Arteriosklerose) vorgebeugt bzw. deren Fortschreiten verlangsamt, was das Risiko für Blutgerinnsel erheblich senkt. Gleichzeitig bleibt die Elastizität der Gefäße erhalten. Daher ist Sport eine wichtige Maßnahme, um erneute Herz-Kreislauf-Probleme zu vermeiden. Körperlich träge Patienten haben ein fünffach höheres Risiko für erneute Gefäßverschlüsse oder Durchblutungsstörungen im Gehirn als körperlich aktive Menschen. Bereits moderate körperliche Aktivität ist effektiver als die Einnahme von Blutdrucksenkern.
Geeignete Sportarten und Aktivitäten
Es ist ratsam, vor Beginn sportlicher Aktivitäten nach einem Schlaganfall ärztlichen Rat einzuholen. In der Regel ist Rehabilitationssport (Rehasport) ein guter Einstieg. Rehasport wird von einem Arzt verschrieben und umfasst spezielle Rehasportgruppen. Die genaue Gestaltung hängt von den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmenden ab. Gymnastikübungen, Bewegungsspiele und Schwimmen können Bestandteile sein.
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Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, das Herz-Kreislauf-System nicht zu stark zu belasten. Ein Pulsmesser kann beim Sport hilfreich sein. Geeignete Ausdauersportarten sind:
- Schwimmen
- Walking
- Nordic Walking
- Radfahren
- Schnelles Spazierengehen
Es ist empfehlenswert, mit wenigen Minuten Sport zu beginnen und die Intensität nach und nach zu steigern. Starke Hitze und direkte Sonneneinstrahlung sollten vermieden werden.
Gymnastik und Physiotherapie
Eine umfangreiche Physiotherapie gehört in der Regel zu den Rehabilitationsmaßnahmen nach einem Schlaganfall. Dabei sollte man sich nicht zu stark belasten und regelmäßig den Puls messen. Plötzliche Drehbewegungen des Kopfes sowie Übungen mit nach unten geneigtem Kopf sollten vermieden werden. Geräte sollten mit niedriger Intensität bzw. mit wenigen Gewichten verwendet werden.
Bewegung im Alltag integrieren
Ein leichtes Sportprogramm kann durch mehr Bewegung im Alltag ergänzt werden:
- Häufiger zu Fuß gehen
- Treppen statt Fahrstuhl nehmen
- Beim Telefonieren auf und ab gehen
- Geschirr und Lebensmittel mehrmals zum Esstisch tragen, statt ein Tablett zu benutzen
Bewegungstherapie in der Rehabilitation
Die Bewegungstherapie nach einem Schlaganfall umfasst etwa 60 Prozent der Therapiemaßnahmen der stationären Rehabilitation. Die Mobilisation wird in verschiedene Phasen aufgeteilt:
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- Mobilisation aus dem Bett
- Wiedererlernen des Gehens
- Wiederherstellung des alltagstauglichen, schnellen und sicheren Gehens
Die frühe Bewegungstherapie verbessert die körperliche Erholung und verringert das Risiko für Komplikationen wie Lungenentzündung, Muskelschwund und Kontrakturen.
Wirkung von Herz-Kreislauf-, Kraft- und Gleichgewichtstraining
Grundsätzlich ist jede Bewegung förderlich für die Gesundheit und wird von Ärzten unterstützt. Sofern keine medizinischen Gründe gegen sportliche Aktivität sprechen, ist ein Fitnesstraining ratsam.
- Herz-Kreislauf-Training: Verbessert die Bewegungsfähigkeit und die Herz-Kreislauf-Funktion. Regelmäßiges Ausdauertraining steigert die Beweglichkeit und Ausdauer bei Alltagsaktivitäten, erhöht die Gehstrecke und Gehgeschwindigkeit. Experten empfehlen 20 bis 60 Minuten moderates Ausdauertraining drei bis fünf Mal pro Woche.
- Krafttraining: Kann die Muskelarbeit deutlich verbessern. Studien zeigen, dass Kraftübungen für die großen Muskelgruppen zwei bis drei Mal wöchentlich die Muskelkraft verbessern und sich positiv auf die Gehfähigkeit auswirken können.
- Gleichgewichtstraining: Wichtig für sturzgefährdete Menschen. Regelmäßige Übungen scheinen sich positiv auf den Gleichgewichtssinn und die Gehfähigkeit auszuwirken.
Rehasport in der Gruppe
Rehabilitationssportgruppen bieten die Möglichkeit, unter professioneller Anleitung mit ausgebildeten Übungsleitern zu trainieren. Ziele des Rehasports sind:
- Verbesserung der Bewegungsfähigkeit
- Mobilisierung der Gelenke
- Austausch mit anderen Betroffenen
- Stärkung des Körper- und Selbstwertgefühls
- Reduzierung von Schlaganfall-Risikofaktoren
Rehasportgruppen bestehen aus maximal 15 Teilnehmern, und die Trainingseinheiten umfassen meist 45 Minuten. Angeboten werden Sportarten wie Gymnastik, Bewegungsspiele, Wassergymnastik oder Schwimmen. Auch Menschen mit stärkeren körperlichen Einschränkungen sind willkommen.
Armrehabilitation
Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung nach einem Schlaganfall. Die Ausprägung der Armlähmung kann variieren und erfordert individuelle Therapieansätze. Bei schweren Armlähmungen ist die willentliche Bewegungsfähigkeit stark beeinträchtigt, oft begleitet von erhöhter Muskelanspannung (Spastik). Leichte Armlähmungen beeinträchtigen die Bewegungen und die Geschicklichkeit.
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Im Gehirn steuern Gebiete im motorischen Kortex die Bewegungen. Eine Lähmung entsteht, wenn entweder der motorische Kortex selbst oder die Nervenleitbahnen zum Rückenmark geschädigt sind. Die Therapieziele werden gemeinsam mit dem Arzt festgelegt, und der Therapieerfolg wird mithilfe standardisierter klinischer Beurteilungsmethoden (Assessment-Verfahren) festgehalten.
Therapeutische Ansätze in der Armrehabilitation
Es gibt verschiedene Therapieformen ohne technische Geräte, um den betroffenen Arm aktiv zu trainieren. Die Rehabilitation der Armmotorik sollte früh nach dem Schlaganfall beginnen. Empfohlen wird eine zusätzliche spezifische Armrehabilitation für mindestens 30 Minuten jeden Werktag in der frühen Phase nach dem Schlaganfall. In der späten Krankheitsphase können spezifische Maßnahmen der Armrehabilitation empfehlenswert sein, wie zum Beispiel 90-270 Minuten pro Woche ein strukturiertes, sich wiederholendes Training.
Weitere Therapieansätze umfassen:
- Zirkeltraining: Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen.
- Tägliches Eigentraining und Training mit Therapeuten: Zur Verbesserung der Arm-Handaktivitäten.
- Geräteunterstützte Therapien: Neuromuskuläre Elektrostimulation, Robot-Therapie, Therapie mit virtueller Realität, sensible Stimulation und Akupunktur.
- Arm-Basis-Training: Wiederholtes Üben der Bewegungsfähigkeit in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern.
- Arm-Fähigkeits-Training: Tägliches Training von Präzision und Geschwindigkeit bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen.
- Bewegungsinduktionstherapie (CIMT): Für Schlaganfall-Betroffene mit einem „erlernten Nicht-Gebrauch“.
- Spiegeltherapie: Betrachtung der Bewegung der nicht gelähmten Hand im Spiegel, um den Eindruck einer normalen Bewegung der gelähmten Hand zu erzeugen.
- Mentales Training: Verbesserung der Armfunktion durch mentale Übungen.
- Arm-Therapie-Roboter: Mechanische Unterstützung von Schulter-, Ellenbogen-, Unterarm-, Handgelenks- oder Fingerbewegungen.
- Sensible Stimulation: Als Zusatztherapie zur Behandlung von Armlähmungen.
Robotikgestützte Therapie in der Schlaganfall-Rehabilitation
Die robotergestützte Therapie kann die konventionelle Therapie ergänzen und effizienter machen. Sie ermöglicht hohe Wiederholungszahlen von Bewegungsabläufen und dokumentiert den Trainingsfortschritt sichtbar. Robotiktraining kann Therapeuten entlasten.
Es gibt verschiedene Geräte zur Unterstützung des Gehens (Gangrehabilitation), wie Gangroboter und Gangmaschinen. Beim robotergestützten Training unterstützen Geräte die Bewegungen der Patienten. Die Bewegungsausführung kann passiv, assistiv oder aktiv erfolgen.
Ein Beispiel für ein aktives, gerätegestütztes Training ist der Neofect Smart Glove, ein Biofeedback-gestütztes Therapiegerät, das auf Bewegungen abzielt, die bei Personen nach einem Schlaganfall typischerweise beeinträchtigt sind. Mit dem Smart Glove wird das Gehirn trainiert, die Nervenbahnen zu den Muskeln wieder aufzubauen.
Apraxie nach Schlaganfall
Eine Apraxie, eine Störung der Bewegungssteuerung, tritt bei etwa jedem vierten Schlaganfall-Patienten auf. Betroffene können komplexe Bewegungsabläufe, insbesondere bei der Verwendung von Gegenständen, nicht mehr korrekt ausführen, obwohl keine Lähmung vorliegt. Ursache ist eine Störung in übergeordneten Hirnzentren, die Bewegungen steuern und koordinieren.
Die Behandlung von Apraxie erfordert einen individuellen Reha-Plan, da verschiedene Netzwerke im Gehirn an der Bewegungssteuerung beteiligt sind und isoliert gestört sein können. In der Rehabilitation sollen die Patienten die Bewegungen durch Imitation wieder erlernen.
Rolle der Physiotherapie
Physiotherapie kann einen wesentlichen Behandlungsbeitrag leisten, wenn infolge eines Schlaganfalls das Bewegungssystem betroffen ist oder wenn Lähmungen eingetreten sind. Die Behandlung beginnt sehr rasch nach einem Schlaganfall, also bereits in der Klinik, und wird in der neurologischen Rehabilitation und anschließend in der freien Praxis des Physiotherapeuten fortgesetzt. Zahlreiche Physiotherapeuten sind durch spezielle Weiterbildungen für die Behandlung von neurologischen Patienten besonders qualifiziert.
Ein aktiver, beweglicher Lebensstil mit regelmäßiger Ausdauerbelastung hilft, dem Schlaganfall vorzubeugen. Präventionskurse unter Anleitung von speziell fortgebildeten Physiotherapeuten können dabei unterstützen.
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