Demenz und mögliche Lösungsansätze: Ein Überblick

Die Suche nach wirksamen Therapien gegen Demenz, insbesondere Morbus Alzheimer, stellt die Medizin weiterhin vor große Herausforderungen. Während einige gutartige Krankheiten heute gut behandelbar sind, scheint gegen Demenz noch immer kein Kraut gewachsen zu sein. Die Ursachen der Demenz sind komplex und werden von Experten unterschiedlich interpretiert. Einige sehen fehlerhafte Tau-Proteine als Ursache, andere verklumptes Eiweiß namens Amyloid-beta. Es ist eine Tatsache, dass sich bei allen älteren Menschen Eiweiße im Gehirn ablagern, aber längst nicht alle werden dement.

Die Häufigkeit von Demenz im Alter

Die Häufigkeit von Demenz steigt mit dem Alter. Während bei den unter 75-Jährigen nur 3,5 Prozent betroffen sind, sind es bei den 80- bis 84-Jährigen bereits knapp 16 Prozent. Erst nach dem 90. Geburtstag ereilt es fast jeden Zweiten. In weniger als zwei Prozent der Fälle ist Alzheimer genetisch bedingt, der Rest tritt sporadisch auf. Studien belegen auch, dass Diabetiker ein erhöhtes Risiko für Demenz haben.

Diabetes Typ 3: Demenz als Stoffwechselstörung?

Bereits in den 1990er Jahren vermutete der Heidelberger Neurowissenschaftler Siegfried Hoyer, dass Demenz eine Stoffwechselstörung sein könnte, eine Art Diabetes Typ 3. Diese These wird von Werner Reutter, einem Experten für Zuckerbiochemie, und seinem Team unterstützt. Sie vermuten, dass defekte Insulinrezeptoren im Gehirn die Ursache sein könnten. Jüngste Studien, wie die des US-Gerontologen Auriel Willette, stützen diese Annahme. Willette zeigte an 186 Probanden im Durchschnittsalter von 60 Jahren, dass bereits vor der Entstehung von Plaque eine Insulinresistenz der Gehirnzellen vorliegt.

Der Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und Demenz

Diabetes, Demenz und sogar Depressionen scheinen einen gemeinsamen Nenner zu haben: defekte Insulinrezeptoren. Dies wurde kürzlich von Ronald Kahn vom Joslin Diabetes Center in Boston bewiesen. Mäuse, denen das Gen für den Rezeptor im Gehirn fehlt, entwickeln im Alter Ängstlichkeit und depressive Verstimmungen. Sie produzieren vermehrt Enzyme, die den Belohnungsstoff Dopamin abbauen. Auch Morbus Parkinson ist durch einen Dopaminmangel gekennzeichnet, was die Vermutung nahelegt, dass auch hier eine Insulinresistenz des Gehirns eine Rolle spielen könnte.

Glukosemangel im Gehirn als Ursache?

Ein schlüssiges Szenario der Alzheimer-Entstehung scheint sich nun zusammenzufügen: Wenn nicht genügend Glukose in die Gehirnzellen gelangt, fehlt den Neuronen die Energie, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Unter anderem können sie verbrauchte Proteine nicht mehr zeitnah abbauen. Obwohl das Gehirn bei Erwachsenen nur zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es mehr als die Hälfte der täglich aufgenommenen Kohlenhydrate, nämlich die darin enthaltene Glukose.

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Galaktose als alternative Energiequelle für das Gehirn?

Könnte ein einfacher Zucker die Lösung bei Demenz sein? Gemeinsam mit der Pharmakologin Melitta Salkovic-Petrisic von der Universität Zagreb konnte Reutter an Ratten zeigen, dass Tiere, deren Insulinrezeptoren im Gehirn chemisch blockiert worden waren und die über Trinkwasser Galaktose erhielten, ihr Erinnerungsvermögen nicht verloren. Erste zaghafte Versuche, den (potenziell) ausgehungerten Hirnzellen von an Demenz erkrankten Menschen ersatzweise Galaktose anzubieten, verliefen sehr vielversprechend, erzählt Reutter. Orientierung, Erinnerung und die soziale Kommunikation verbessern sich deutlich.

Die Schwierigkeit der Finanzierung von Galaktose-Studien

Seit es die Diabetes-Theorie für Alzheimer gibt, versucht Werner Reutter, heute 78 Jahre alt und noch immer für die Charité in der Forschung tätig, Gelder für eine klinische Galaktose-Studie aufzutreiben, mit der die therapierende Wirkung des Zuckers wissenschaftlich untersucht und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen ausgeschlossen werden könnten. Bislang vergeblich. Weder Pharmaindustrie noch Krankenkassen seien interessiert.

Die Vorteile von Galaktose gegenüber herkömmlichen Medikamenten

Die chemisch korrekt als D-Galaktose bezeichnete Substanz gehört wie Glukose, der gemeine Traubenzucker, zu den natürlichen Einfachzuckern (Monosacchariden) und ist als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich. 250 Gramm kosten 40 bis 50 Euro. Die derzeit häufig bei Demenz verschriebenen Acetylcholinesterase-Hemmer kosten die Krankenkassen sehr viel mehr, wirken aber kaum. Zudem liegt die Hoffnung von Medizin (und Pharmaindustrie) aktuell auf einem lukrativen Impfstoff gegen Alzheimer: Er soll das Immunsystem anregen, Antikörper gegen die Plaque zu bilden.

Die richtige Anwendung von Galaktose

Galaktose gibt es bereits heute rezeptfrei in der Apotheke. Sie ist nicht ganz so süß wie Rohrzucker und wird in reiner Form aus Laktose gewonnen. Ausgangsstoff dafür ist meist Molke. Könnte man stattdessen nicht einfach viel Milch trinken oder üppig Käse und Joghurt essen? Nein, denn Galaktose wird erst von den Zellen aufgenommen, wenn ausreichend davon im Blut ist. Selbst purer Milchzucker würde nichts bringen. Anders als die meisten Arzneimittel habe der besondere Zucker nur Nebenwirkungen, wenn man es damit maßlos übertreibe. Viel hilft viel, gelte also auch in diesem Fall nicht. Es darf nur so viel sein, wie am Tag verstoffwechselt werden kann. Andernfalls kann eine Situation entstehen wie beim seltenen Gendefekt Galaktosämie, auf den Neugeborene routinemäßig getestet werden.

Galaktose: Sicherheit und Anwendungsbereiche

Galaktose ist auch für laktoseintolerante Menschen geeignet. Nur bei übermäßigem Verzehr wirkt sie abführend. Und sogar Diabetiker können den Zucker nehmen, denn er erhöht ihren Blutzuckerspiegel nicht. Ob Galaktose, prophylaktisch bei ersten Anzeichen genommen, den Ausbruch einer Demenz verhindern kann, ist noch spekulativ, denn wie gesagt: klinische Studien fehlen. Leistungssportler schätzen den Zucker, weil er insulinunabhängig in die Zellen geht und der übersäuerten Muskulatur schnell neue Energie liefert. Bei Überanstrengung entstehen Milchsäure und Ammoniak im Körper, und Ammoniak blockiert den Insulinrezeptor.

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Werner Reutters Forschung zu Galaktose

Bereits Ende der 1970er Jahre begann Reutter den Galaktose-Stoffwechsel zu erforschen. An der Universität Freiburg untersuchte er Lebertumore bei Mäusen. Später an der Freien Universität fokussierte er sich auf hepatische Enzephalopathie, eine Hirnfunktionsstörung, die entsteht, wenn die Leber Ammoniak nicht mehr abbauen kann. Reutter wusste da bereits, dass Galaktose zuckerhungrigen Zellen helfen kann und überzeugte einen Gastroenterologen an der Freien Universität davon, seinen Patienten versuchsweise Galaktose zu geben. Ähnlich wie Ammoniak vergiften auch Endotoxine, die bei einer Blutvergiftung (Sepsis) entstehen, die Insulinrezeptoren. Erste Ergebnisse einer deutschen Pilot-Studie mit 70 Patienten belegen, dass Galaktose Sepsis sehr effektiv bekämpfen kann.

Die Vision eines Galaktose-Instituts

Ginge es nach Werner Reutter, gäbe es längst ein ganzes Max-Planck-Institut rund um Galaktose und den bisher wenig erforschten Insulinrezeptor. Da letzterer auf fast jeder Körperzelle sitzt, hält Reutter es für wahrscheinlich, dass Galaktose auch noch bei ganz anderen Erkrankungen wirksam ist.

Burnout-Syndrom: Eine weitere Herausforderung im Alter

Abseits der Demenzforschung rückt auch das Burnout-Syndrom immer stärker in den Fokus. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder musste wegen eines „schweren Burnout-Syndroms“ in die Klinik. Wie er fühlen sich immer mehr Menschen ausgebrannt, erschöpft, ausgelaugt.

Was ist ein Burnout-Syndrom?

Menschen mit einem Burnout fühlen sich niedergeschlagen, müde und energielos, ausgelaugt und emotional erschöpft. Die tägliche Arbeit wird als belastend und frustrierend empfunden. Ein Burnout beeinflusst vor allem die alltägliche Leistung im Beruf, im Haushalt oder bei der Pflege Angehöriger.

Ursachen und Definition des Burnout-Syndroms

Burnout wurde 2022 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals als Krankheit anerkannt. Mit der Entscheidung legen die Experten eine Definition vor, in der sie das Phänomen auf „chronischen Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird“ zurückführen. Einige Fachleute kritisieren diese Definition jedoch und betonen, dass eine zu hohe Arbeitslast nicht der alleinige Auslöser ist. Auch überfordernde Lebensumstände im Privatleben könnten eine starke Belastung sein. Die Symptome sind eine Reaktion auf stetige Überlastungen im privaten oder beruflichen Bereich.

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Burnout-Risiko und Prävention

Ein belgisches Forscherteam der KU Leuven hat für ihr „Burnout Assessment Tool“ (Burnout-Bewertungs-Tool, BAT) zwei Versionen entwickelt - eine für Berufstätige und eine für Menschen, die derzeit nicht arbeiten. Generell ist es wichtig, genügend Momente der Entspannung und Erholung in den Alltag einzubauen. Also zum Beispiel Pausen, Spaziergänge und bewusstes Atmen in den Tag integrieren. Sport und Hobbys können ebenfalls helfen, negative Gefühle abzubauen.

Alzheimer-Symposien: Ein Forum für Austausch und Information

Regelmäßig finden Alzheimer-Symposien statt, die sich mit verschiedenen Aspekten der Erkrankung auseinandersetzen. Themen sind unter anderem die Bedeutung von Beziehungen, ethische Fragen, Verhaltensstörungen, die Rolle der Pflege und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz. Diese Symposien bieten eine Plattform für Betroffene, Angehörige, Pflegekräfte und Experten, um sich auszutauschen und über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Patientenverfügungen: Selbstbestimmung im Krankheitsfall

Der Nationale Ethikrat hat sich in einer Stellungnahme zur Patientenverfügung für eine nahezu unbegrenzte Reichweite und Verbindlichkeit von Willensbekundungen von Patienten ausgesprochen. Eine entscheidungsfähige Person müsse das Recht haben, in einer Patientenverfügung Festlegungen für oder gegen eine spätere medizinische Behandlung zu treffen. Keinesfalls gelte dies jedoch für Maßnahmen der aktiven Sterbehilfe. Deren Verbot dürfe nicht infrage gestellt werden. Der Nationale Ethikrat empfiehlt den Patienten, sich vor dem Abfassen einer Verfügung fachkundig beraten zu lassen und für deren Aktualität zu sorgen.

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