Der Abbau des Gehirns ist ein komplexer Prozess, der viele Menschen beschäftigt. Wann genau beginnt dieser Abbau, welche Faktoren beeinflussen ihn, und was können wir dagegen tun? Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Forschung und gibt Einblicke in die verschiedenen Aspekte des Gehirnalterungsprozesses.
Einleitung
Unser Gehirn ist ein unglaublich komplexes Organ, das uns ermöglicht zu denken, zu fühlen, zu lernen und zu handeln. Wie jeder andere Teil unseres Körpers unterliegt auch das Gehirn dem Alterungsprozess. Während einige Veränderungen im Gehirn altersbedingt normal sind, können andere auf zugrunde liegende Erkrankungen wie Alzheimer hinweisen. Es ist daher wichtig zu verstehen, wann der Abbau des Gehirns beginnt und welche Faktoren diesen Prozess beeinflussen.
Der Beginn des Gehirnabbauprozesses
Frühe Veränderungen ab dem 18. Lebensjahr
Überraschenderweise beginnt der Alterungsprozess des Gehirns bereits in jungen Jahren. Eine Studie des Universitätsklinikums Aachen ergab, dass ein Rückgang des Gehirnvolumens unmittelbar nach Abschluss der Pubertät, also ab dem 18. Lebensjahr, einsetzt. Die Forschergruppe entwickelte eine neue Methode, die es ermöglichte, das Altern bestimmter Gehirnbereiche schon bei sehr jungen Menschen sichtbar zu machen.
Betroffene Hirnregionen in jungen Jahren
Veränderungen wurden vor allem im Kleinhirn, im Thalamus sowie in der sensorischen und motorischen Hirnrinde sichtbar. „Diese Bereiche gehören zu Schaltkreisen, die für die Steuerung von Bewegungen des Menschen zuständig sind“, erklärte Peter Pieperhoff vom Forschungszentrum Jülich. Diese frühen Veränderungen deuten darauf hin, dass der Abbau des Gehirns ein kontinuierlicher Prozess ist, der bereits in der frühen Erwachsenenzeit beginnt.
Die graue und weiße Hirnsubstanz
Die graue Hirnsubstanz, die aus Zellkörpern und Synapsen besteht, nimmt etwa bis zum 12. Lebensjahr zu, bevor sie sich allmählich wieder ausdünnt. Betroffen von dem Verlust sind vor allem der präfrontale Cortex und der Hippocampus, die für exekutive Funktionen und das Langzeitgedächtnis unerlässlich sind. Die weiße Hirnsubstanz, die aus Nervenfasern besteht, gewinnt etwa bis zum Alter von etwa 40 bis 50 Jahren an Volumen. Dann schrumpft auch sie wieder. Unter dem Substanzverlust leidet möglicherweise die mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit. Die Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen lässt in ihrer Effizienz nach.
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Ursachen des Gehirnabbaus
Veränderungen auf zellulärer Ebene
Ursachen für den Schwund sind vermutlich die Veränderung von Nervenzellen, die Schrumpfung von Nervenfortsätzen sowie der Verlust von synaptischen Verbindungen. Mit zunehmendem Alter finden sich auch vermehrt Ansammlungen von Tau-Proteinen. Sie sind möglicherweise für das Absterben von Nervenzellen verantwortlich.
Rolle von Dopamin
Mit steigendem Alter geht es mit dem Botenstoff Dopamin drastisch bergab. Er spielt eine wichtige Rolle bei Bewegungskontrolle, Motivation und Lernen. Studien haben unter anderem herausgefunden, dass die Dopamin-Synthese im Striatum im Alter abnimmt. Andere Untersuchungen fanden, dass die Dichte an Rezeptoren - also Empfangsstationen - für Dopamin abnimmt. Der Verlust an Dopamin könnte für viele neurologische Symptome verantwortlich sein, die sich mit zunehmenden Alter bemerkbar machen: die zunehmende Steifheit der Bewegungen, aber auch Einbußen bei der geistigen Flexibilität.
Veränderungen in der Genaktivität
Forschende vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie haben herausgefunden, dass sich die Aktivität von Genen in verschiedenen Zelltypen des Gehirns im Laufe des Alterns verändert. Ein bestimmter Typ von hemmenden Neuronen ist besonders betroffen. In allen Zelltypen verändert sich die Aktivität von Genen, die wichtig für die synaptische Übertragung, also die Kommunikation zwischen den Neuronen sind, mit dem Altern. Genauso wandelt sich die Aktivität in Genen, die an der sogenannten mRNA-Prozessierung, also bei der Herstellung von Proteinen, beteiligt sind, im Laufe des Alterungsprozesses.
Ablagerungen und Fehlfunktionen
Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau kommen Fehlfunktionen bestimmter Zellen als mögliche Auslöser der Alzheimer-Krankheit in Frage. Im Fokus stehen hier insbesondere die Gliazellen, die etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen ausmachen. Aufgabe der Gliazellen ist es, die Nervenzellen im Gehirn zu schützen und zu unterstützen, damit die Signalübertragung - und damit unser Denken und Handeln - reibungslos funktioniert.
Die Rolle von Amyloid und Tau bei Alzheimer
Amyloid-beta (Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques). Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet.
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Das "Last in, First Out"-Prinzip
Für die Psychologen Anders Fjell und Kristine Walhovd von der University of Oslo sind die Veränderungen im präfrontalen Cortex alles andere als ein Zufall. Einer anerkannten Hypothese zufolge sind nämlich genau die Hirnregionen als erste von der normalen Alterung betroffen, die sich als letzte entwickeln. Ganz nach dem Motto: Wer zuletzt kommt, geht zuerst. Der präfrontale Cortex ist eindeutig ein Spätzünder und lässt sich mit der Entwicklung noch bis Mitte 20 Zeit. Dazu passt laut den norwegischen Psychologen noch eine andere Tatsache gut: Die so genannten exekutiven Funktionen - beispielsweise die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit zu steuern - sind durch fortschreitendes Alter am meisten beeinträchtigt. Und genau diese Fertigkeiten hängen sehr stark von der Aktivität im Stirnhirn ab.
Alzheimer-Krankheit: Ein beschleunigter Abbau
Charakteristische Veränderungen im Gehirn
Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen (kognitiven) Fähigkeiten führt. Gedächtnisprobleme und Orientierungsschwierigkeiten sind nur zwei der Symptome, die den Alltag der Betroffenen zunehmend erschweren. Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt. Über die Ursachen der Alzheimer-Krankheit wird viel geforscht. Fest steht: Bei Menschen mit Alzheimer kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die sich in vielfältiger Weise auf die Betroffenen auswirken.
Symptome und Diagnose
Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu planen und zu organisieren. Die Diagnose von Demenzerkrankungen lässt sich bei den meisten Betroffenen mit einfachen Mitteln stellen. Auch die Alzheimer-Krankheit kann mit geringem diagnostischen Aufwand gut erkannt werden. Sofern Warnsignale vorliegen, zum Beispiel Vergesslichkeit für wiederkehrende Ereignisse und alltägliche Begebenheiten, Wortfindungsstörungen oder Orientierungseinbußen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Genetische und umweltbedingte Risikofaktoren
Genetische Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit und anderer Demenzen. Allerdings sind sie in weniger als 3% der Fälle der alleinige Auslöser für die Krankheit. Der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit ist das Alter. Je älter man wird, umso größer ist auch das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die meisten Betroffenen sind älter als 80 Jahre, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr. Umweltverschmutzung, Kultur, sozioökonomische Bedingungen und Ernährung können unser Altern beschleunigen oder hinauszögern.
Behandlungsmöglichkeiten
In der Behandlung von Patienten mit Demenzerkrankungen spielen Medikamente eine wichtige Rolle. Sie werden zur Stabilisierung der geistigen Leistungsfähigkeit und der Alltagsbewältigung, zur Milderung von Verhaltensstörungen und in manchen Fällen auch zur Verhinderung weiterer Schädigungen des Gehirns eingesetzt. Zur Behandlung gehören auch die geistige und körperliche Aktivierung der Betroffenen, die richtige Weise des Umgangs, die bedarfsgerechte Gestaltung der Wohnung und die Beratung der Angehörigen. Aktuell sind Medikamente in der Entwicklung, die in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern sollen.
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Individuelle Unterschiede im Alterungsprozess
Gehirnalterung ist ein individueller Prozess
Die Volumenveränderungen im Gehirn sind bei den einzelnen Teilnehmern unterschiedlich stark ausgeprägt. Offensichtlich ist die Hirnalterung ein sehr individueller Prozess. Zumindest einige dieser Unterschiede scheinen mit Bluthochdruck zusammenzuhängen. Bluthochdruck ist offenbar noch gefährlicher als bislang vermutet, vielleicht erhöht er sogar das Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
Einfluss von Bildung und Lebensstil
Obwohl eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigte, dass die Anzahl an Bildungsjahren den Alterungsprozess des Gehirns weder verlangsamen noch stoppen kann, betont Professor Ulman Lindenberger, dass das, was man in einem bestimmten Alter macht, durchaus einen Einfluss auf die Alterung hat. Professor Lutz Jäncke von der Uni Zürich kritisiert eine verkürzte Darstellung von Bildung und betont, dass entscheidend ist, was die Menschen nach der Schulzeit bis zum Pensionsalter machen, ob sie eine anspruchsvolle berufliche Tätigkeit machten, sich weiterbilden.
Kompensationsstrategien des Gehirns
Das reife Gehirn ist aber in der Lage, gewisse Defizite zu kompensieren. Auch wer normal altert, kann seine nachlassenden geistigen Kräfte teilweise kompensieren. So kommen Erfahrung und über Jahrzehnte hinweg erworbenes Wissen zugute - Wissen, das oft bis ins hohe Alter vergleichsweise gut erhalten bleibt. Studien legen nahe, dass bei älteren Menschen bei komplexeren Aufgaben im Vergleich zu jüngeren Freiwilligen zusätzliche Hirnareale aktiviert werden. So können die Senioren trotz neuronaler Defizite schwierige Aufgaben erfolgreich meistern.
Was können wir tun, um den Abbau zu verlangsamen?
Körperliche und geistige Aktivität
Für das mittlere Erwachsenenalter gibt es klare Belege in der Wissenschaft, dass Bewegung, Ernährung, ein großes soziales Netzwerk und eine intellektuell stimulierende Umgebung durchaus einen Einfluss auf die Alterung des Gehirns haben. Auch wer sich körperlich fit hält, tut etwas für sein Gehirn.
Die Bedeutung der "kognitiven Reserve"
Menschen mit höherer Bildung haben ein etwas größeres Gehirn und mehr kognitive Fähigkeiten: die sogenannte "kognitive Reserve". Das Wissen wird im Gehirn repräsentiert durch eine größere Zahl an Verbindungen und wenn man sich jetzt dann vorstellt, dass die Gehirne schrumpfen, dann beginnt das Gehirn das mehr Bildung genossen hat mit einer größeren Zahl von Verbindungen, mit einem robusteren Netzwerk.
Gesunder Lebensstil
Ein gesunder Lebensstil, der eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und den Verzicht auf schädliche Substanzen wie Alkohol und Nikotin umfasst, kann dazu beitragen, die Gehirnfunktion im Alter zu erhalten.
Frühzeitige Diagnose und Behandlung
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes kann dazu beitragen, den Abbau des Gehirns zu verlangsamen.