Depression und Hirnschrumpfung: Was Studien zeigen

Depression ist eine komplexe psychische Erkrankung, die nicht nur das emotionale Wohlbefinden beeinträchtigt, sondern auch Veränderungen im Gehirn hervorrufen kann. Jedes Gefühl, jede Stimmung, jeder Gedanke, jede Wahrnehmung und jedes Verhalten geht mit einem besonderen Aktivitätsmuster der Nervenzellen im Gehirn einher. Studien deuten darauf hin, dass Depressionen mit einer "Schrumpfung" bestimmter Hirnareale verbunden sein können. Dieser Artikel beleuchtet die Erkenntnisse verschiedener Studien zu diesem Thema und diskutiert die möglichen Ursachen und Folgen dieser Veränderungen.

Neurobiologische Grundlagen der Depression

Neben psychosozialen Auslösern gibt es auch immer körperliche Ursachen für das Entstehen einer Depression, d.h. Veränderungen im Körper und insbesondere neurobiologische Veränderungen im Gehirn. Die Aktivität innerhalb einer Nervenzelle wird über Axone, Ausläufer der Nervenzelle, zu vielen anderen Nervenzellen weitergeleitet. Zwischen den Nervenzellen besteht keine direkte Verbindung. Um den Reiz zur nächsten Nervenzelle weiterzuleiten, werden über Synapsen Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Diese Botenstoffe aktivieren Rezeptoren an den nachgeschalteten Zellen.

Serotonin ist ein Botenstoff, der mit Depressionen in Verbindung gebracht wird. Die meisten Antidepressiva beeinflussen die Wirkung von Serotonin, was zu der Annahme führt, dass eine Störung im Serotoninsystem eine Rolle bei der Depressionsentstehung spielt.

Studien zum Thema Hirnschrumpfung bei Depressionen

Genetische Faktoren und Depression

Im Zusammenhang mit den Ursachen einer Depression wird oft nach der Vererbbarkeit der Erkrankung gefragt. Es gibt jedoch kein einzelnes "Depressionsgen", das hauptverantwortlich für die Erkrankung ist. Bei eineiigen Zwillingen, die die gleiche genetische Ausstattung haben, leiden in etwa 50 % der Fälle beide Zwillinge an einer depressiven Erkrankung. Das bedeutet, dass die Gene nicht alles erklären können.

Pupillometrie als Marker für Antriebslosigkeit

Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München haben herausgefunden, dass die Erweiterung der Pupille als Reaktion auf eine erwartete Belohnung davon abhängt, ob ein Mensch Freude empfinden kann. Eine geringere Pupillenreaktion bei Menschen, die unter höherer Antriebslosigkeit leiden, deutet darauf hin, dass eine mangelnde Aktivierung des Locus Coeruleus einen entscheidenden physiologischen Prozess darstellt, der dem Gefühl der Antriebslosigkeit unterliegt. Die Pupillometrie könnte als ergänzende Methode zur Diagnosestellung eingesetzt werden und dazu beitragen, individualisierte Behandlungsstrategien für Depressionen zu entwickeln.

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Stress, Depression und Hirnvolumen

Bei Menschen, die unter chronischem Stress oder schweren Depressionen leiden, kann es zu einer Hirnschrumpfung kommen. Ein "genetischer Schalter" im Gehirn steuert mehrere Gene und ist dafür verantwortlich, dass die Zahl der Synapsen bei Stress oder Depressionen schrumpft. Dies führt zum Verlust von Hirnvolumen. Langjährig depressive Patienten sind in der Regel häufiger von kognitiven Defiziten betroffen. Außerdem ist die Belastbarkeit Betroffener geringer, was sich wiederum negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.

Auswirkungen unbehandelter Depressionen auf das Gehirn

Eine unbehandelte Depression kann im Gehirn Entzündungen hervorrufen. Das Gehirn von Probanden, die länger als zehn Jahre an einer unbehandelten Depression litten, hatte rund 30 Prozent mehr Entzündungsherde im Kopf als Kranke, deren psychisches Leiden weniger als zehn Jahre unbehandelt geblieben war. Solche Entzündungen sind bisher bei Hirnverletzungen oder Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson bekannt.

Veränderungen in der weißen Substanz und im Hippocampus

Eine Studie an der Universität Edinburgh mit 3400 Probanden ergab, dass sich bei einer Depression Verbindungen in Teilen des Gehirns lösen, die als weiße Substanz bekannt sind. Störungen darin sind mit Problemen der Gefühlsverarbeitung und des Denkvermögens verbunden. Eine andere Studie von Forschern der Universität in Sydney mit 1700 Depressionspatienten hatte gezeigt, dass bei wiederkehrenden Depressionen der Hippocampus schrumpft.

Rolle des Wachstumsfaktors BDNF

Eine verminderte Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus könnte die Ursache für sein verringertes Volumen bei depressiven Erkrankungen sein. Der Wachstumsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) spielt eine bedeutende Rolle für das Langzeitgedächtnis und das abstrakte Denken. Patienten mit Depressionen zeigen erniedrigte BDNF-Blutspiegel. Chronischer Stress kann den BDNF-Spiegel bereits senken, bevor sich neuroanatomische Veränderungen manifestieren. Antidepressiva aus der Gruppe der Serotonin- sowie der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI und SNRI) können zu einem Anstieg des BDNF-Spiegels beitragen.

Therapieansätze und Präventionsmaßnahmen

Zum einen sollten bei lange bestehenden Depressionen, vor allem wenn sie bisher nicht behandelt wurden, auch Medikamente gegen Hirnentzündungen zum Einsatz kommen. Außerdem sollten Menschen je nach Dauer ihrer Depression unterschiedliche Therapien erfahren.

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Britische Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass Bewegung dem Hirnschrumpfen entgegensteuert. Bereits moderate körperliche Aktivität wie zum Beispiel mehrere Spaziergänge pro Woche genügt. Mentale Aktivitäten wie Lesen oder das Lösen von Kreuzworträtseln hingegen haben wenig Einfluss auf die Hirnmasse.

Achtsamkeitstraining kann das Wachstum von grauen Zellen stimulieren. Auch regelmäßiges Gehirntraining kann die Myelinisierung von Strukturen, die mit dem Arbeitsgedächtnis in Verbindung stehen, erhöhen.

Die Gabe von Omega-3-Fettsäuren, Zink und Vitamin E ist mit einem Anstieg des BDNF-Serumspiegels verbunden, wohingegen mehrfach gesättigte Fette und Zucker den Blutspiegel reduzieren. Körperliche Anstrengung erhöht den Serumspiegel an BDNF. Das Ausstellen eines »Sportrezeptes« bei betroffenen Patienten mit niedrigem BDNF-Spiegel ist eine sinnvolle Therapiemaßnahme.

Stressbewältigung

Eigentlich ist Stress etwas Nützliches. Wir müssen uns körperlich anstrengen, um Muskeln aufzubauen und stark und ausdauernd zu werden. Und genauso brauchen wir psychische Herausforderungen, um unseren Geist zu entwickeln und Neues zu lernen. Stress schärft zunächst das Denkvermögen und die Konzentration. Das Problem ist nur: Unser biologisches Stresssystem ist ein Erbe der Vorzeit. Es ist vor allem für Situationen ausgelegt, in denen es unmittelbar um Leben oder Tod geht.

Chronischer Stress kann den Körper in permanente Alarmbereitschaft versetzen. Das Problem ist, dass die bereitgestellte Energie nicht verbraucht wird. Sport hilft gegen Stress, weil er, physiologisch betrachtet, den beiden Ur-Reaktionen gleicht.

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"Zunächst einmal das Übliche", sagt Melamed und zählt auf: "Körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Pausen. Und, ganz wichtig: Urlaube." Eine gefährliche Kombination seien hohe Anforderungen und viel Fremdbestimmung. "Man sollte versuchen, sich nicht in eine submissive Haltung zu fügen", rät sie, "sondern seine Stimme erheben und etwas gestalten."

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