Das Nervensystem des Menschen ist ein komplexes Netzwerk aus Milliarden von Nervenzellen, das Prozesse wie Sinneswahrnehmung, Bewegung, Denken, Fühlen und Bewusstsein steuert. Erkrankungen, die mit diesem vielschichtigen System zusammenhängen, fallen in den Aufgabenbereich von Neurologen und Neurologinnen. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, zu erkennen, wann ein Besuch beim Neurologen ratsam ist.
Die Aufgaben von Neurologen und Neurologinnen
Neurologen und Neurologinnen sind Fachleute für Erkrankungen des Gehirns, der Hirnhaut, des Rückenmarks sowie nervenbedingte Erkrankungen der Sinnesorgane, der Muskeln, des Immunsystems und Durchblutungsstörungen im Nervensystem. Da alle Körperregionen von Erkrankungen des Nervensystems betroffen sein können, ist ihr Aufgabenfeld breit gefächert.
Das Nervensystem lässt sich in ein zentrales und ein peripheres Nervensystem unterteilen. Das Zentralnervensystem besteht aus Gehirn und Rückenmark, während das periphere Nervensystem alle anderen Teile außerhalb des zentralen Systems umfasst, wie Nervenstränge, die Organe, Muskeln und Drüsen steuern. Zum peripheren Nervensystem gehört auch das vegetative Nervensystem, das unwillkürliche Vorgänge wie Herzschlag und Verdauung reguliert.
Anzeichen für neurologische Störungen
Es gibt verschiedene Hinweise, die auf eine neurologische Erkrankung hindeuten können. Dazu gehören:
- Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen in Gesicht, Armen oder Beinen
- Sehstörungen wie Doppelbilder oder Ausfall eines Teils des Gesichtsfeldes
- Kopfschmerzen
- Probleme mit Konzentration und Gedächtnis
- Veränderungen beim Sprechen
- Schwindel
- Bestimmte Blasenprobleme (Inkontinenz oder Dranggefühl)
- Probleme, das Gleichgewicht zu halten oder Bewegungen zu koordinieren
- Muskelschwäche, steife Muskeln oder Muskelzucken
- Zittern einzelner Körperteile oder des ganzen Körpers
- Verwirrtheit, Schläfrigkeit
- Verhaltensänderungen
Wenn Sie eines oder mehrere dieser Symptome bei sich feststellen, sollten Sie einen Neurologen aufsuchen, um die Ursache abklären zu lassen.
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Der Besuch beim Neurologen: Ablauf und Untersuchungsmethoden
Der erste Schritt bei einem Besuch beim Neurologen ist ein ausführliches ärztliches Gespräch (Anamnese), in dem der Patient seine Krankheitsgeschichte und aktuellen Beschwerden schildert. Diese Informationen liefern wichtige diagnostische Hinweise und Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen.
Die neurologische Untersuchung ist der nächste Schritt, um Ausfälle und Funktionsabweichungen des Nervensystems zu erkennen. Sie gliedert sich in die genaue Betrachtung des Patienten (Inspektion), eine kurze allgemeine internistische Untersuchung, die Untersuchung der Hirnnerven, die Prüfung der Reflexe, die Testung der Muskelkraft und der Bewegungsabläufe, die Sensibilitätsprüfung, die Untersuchung der vegetativen Funktionen und die Feststellung des psychischen Befundes.
Allgemeine körperliche Untersuchung
Der Arzt achtet auf äußere Anzeichen einer neurologischen Erkrankung, wie Veränderungen des Gangbildes, der Körperhaltung oder der Haut.
Untersuchung der Hirnnerven
Probleme mit den Hirnnerven können die Sinneswahrnehmung beeinträchtigen oder zu Schwierigkeiten bei der Bewegung von Augen- oder Gesichtsmuskeln führen. Jeder der zwölf Hirnnerven hat eine bestimmte Aufgabe, die mit Funktionstests überprüft wird.
Überprüfung der Reflexe
Reflexe sind unwillkürliche Reaktionen des Nervensystems auf einen äußeren Reiz und geben Hinweise auf Störungen im zentralen oder peripheren Nervensystem. Hier kommt der Reflexhammer zum Einsatz, mit dem auf verschiedene Gelenksehnen geklopft wird.
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Untersuchung der Beweglichkeit
Der Neurologe überprüft den Bewegungsapparat und die Muskulatur, um beispielsweise eine Muskelschwäche zu erkennen. Die Versuche schließen die Feinbeweglichkeit mit ein, etwa spezielle Bewegungen der Gliedmaßen, Krafttests oder Arm-Bein-Halteversuche.
Untersuchung der Bewegungskoordination
Kann das Nervensystem das Zusammenspiel einzelner Muskeln und Bewegungsabläufe ausreichend koordinieren? Um das festzustellen, führen Patienten etwa den Finger bei offenen und geschlossenen Augen zur Nase.
Überprüfung der Sensibilität
Dabei stehen die Berührungswahrnehmung und das Schmerz- und Temperaturempfinden im Fokus. Untersuchungsmethoden sind das Berühren der Haut mit den Fingern oder Watte, mit kalten oder warmen Gegenständen, das Piksen mit einer Nadel oder das Spüren von Vibration mit Hilfe einer Stimmgabel.
Untersuchung des vegetativen Nervensystems
Hier rücken unwillkürliche Körpervorgänge wie Gefäßsystem, Kreislauf, Atmung, Schwitzen, Wasserlassen und Verdauung ins Blickfeld.
Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten und psychischer Probleme
Die Leistungsfähigkeit des Gehirns lässt sich anhand von standardisierten Tests überprüfen. Auch für Gedächtnisprobleme gibt es spezielle Fragen und Tests. Konzentrationsprobleme oder Energiemangel können auch auf psychische Probleme hindeuten.
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Medizintechnische Untersuchungen
Konkrete Veränderungen im Gehirn, die mit einer neuronalen Erkrankung in Verbindung stehen, können mit Medizintechnik näher untersucht werden. Solche Untersuchungen sind beispielsweise:
- Elektroenzephalogramm (EEG) zur Messung der Hirnströme
- Elektromyografie (EMG) zur Messung der Nerven- und Muskelaktivität
- Elektroneurografie (ENG) zur Messung der Nervenleitung
- Bildgebende Verfahren wie Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße, Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT)
- Laboruntersuchungen von Blut, Urin oder der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit
Häufige neurologische Erkrankungen
Das Spektrum neurologischer Erkrankungen ist breit gefächert. Einige der häufigsten sind:
- Multiple Sklerose (MS): Eine chronische Autoimmunerkrankung, die durch Entzündungen in Gehirn oder Rückenmark ausgelöst wird. Typische Beschwerden sind Sehstörungen, Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen.
- Schlaganfall: Eine Gefäßerkrankung des Gehirns, bei der die Verengung eines Gefäßes durch ein Gerinnsel zu einer Minderdurchblutung führt. Teilweise kommt es auch durch den Einriss des Gefäßes zu einer Hirnblutung.
- Epilepsie: Eine Erkrankung, bei der die elektrische Übertragung der Nervenzellen gestört ist, was zu anfallsartigen Störungen wie Zuckungen, Bewusstseinsstörungen oder Ohnmacht führt.
- Demenz: Eine Erkrankung, die im Alter häufiger auftritt, wobei man zwischen verschiedenen Demenzformen unterscheidet.
- Morbus Parkinson: Eine Erkrankung, bei der veränderte Neurotransmittersysteme zu fortschreitenden Bewegungsstörungen, Muskelsteifigkeit, Zittern oder Standunsicherheit führen.
- Migräne: Ein neurologisches Krankheitsbild, das typischerweise mit anfallsartigen Kopfschmerzen einhergeht. Neben pulsierenden Kopfschmerzen sind Übelkeit sowie Lärm- und Lichtempfindlichkeit typische Begleiterscheinungen.
- Myopathien: Muskelerkrankungen, die mit einer allgemeinen Schwäche der Muskulatur, Muskelschwund sowie Muskelschmerzen einhergehen.
Spezialisierte Teilbereiche der Neurologie
Die Neurologie umfasst eine Vielzahl spezialisierter Teilbereiche, die sich auf unterschiedliche Aspekte des Nervensystems und seiner Erkrankungen konzentrieren. Dazu gehören:
- Neuroradiologie: Die diagnostische Darstellung und Beurteilung von Gehirn und Nervensystem mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie MRT, CT oder Sonographie.
- Neurochirurgie: Die operative Behandlung von Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, einschließlich Eingriffe am Gehirn, Rückenmark und an den peripheren Nerven.
- Neuropädiatrie: Die Diagnostik und Therapie neurologischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, wie Entwicklungsstörungen, Epilepsien oder neuromuskuläre Erkrankungen.
- Neurologische Rehabilitation: Unterstützung von Patienten nach Schlaganfällen, Hirnblutungen oder anderen neurologischen Erkrankungen bei der Wiedererlangung ihrer Selbstständigkeit durch individuell abgestimmte Therapieprogramme.
Wann sollte man einen Neurologen aufsuchen?
Man sollte eine Neurologin oder einen Neurologen aufsuchen, wenn Beschwerden auftreten, die auf Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven oder der Muskulatur hinweisen könnten. Dazu zählen Symptome wie anhaltende Kopfschmerzen, Schwindel, Lähmungen, Kribbeln oder Sehstörungen. Auch bei plötzlichen Anfällen, Gedächtnisverlust oder Bewegungsstörungen kann ein Besuch in der Neurologie notwendig sein.
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