Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, sind eine besondere und oft sehr belastende Form von Schmerzen, die durch eine Schädigung oder Funktionsstörung des Nervensystems verursacht werden. Im Gegensatz zu anderen Schmerzarten, die durch akute Verletzungen oder Entzündungen entstehen, resultieren neuropathische Schmerzen aus Problemen mit den Nerven selbst. Diese können aufgrund von Verletzungen, Krankheiten oder bestimmten Zuständen auftreten, die das Nervensystem betreffen. Besonders nachts können sich diese Schmerzen verstärken und den Schlaf erheblich beeinträchtigen.
Was sind Nervenschmerzen?
Nervenschmerzen sind sehr starke Schmerzen, die von neurologischen Ausfällen begleitet sein können. Betroffene leiden unter Gefühlsstörungen wie Missempfindungen (z. B. Kribbeln) oder Taubheit. Auch Fehlfunktionen der von den Nerven versorgten Muskeln sind mögliche Auswirkungen mit Schwäche bis hin zu Lähmungen.
Ursachen von Nervenschmerzen
Bei der Suche nach den Ursachen von Nervenschmerzen muss unterschieden werden, ob sie Folge einer Erkrankung des Bewegungsapparats oder eine eigenständige Erkrankung sind.
- Erkrankungen des Bewegungsapparats: Innerhalb der Wirbelsäule verläuft der Rückenmarkskanal mit einer Vielzahl von Nervensträngen, die Signale an das Gehirn senden bzw. von diesem empfangen. Weiterhin stellen Nervenstränge, die zwischen den Wirbelkörpern austreten, eine Verbindung zwischen dem Rückenmark und den verschiedenen Körperregionen her. Nervenschmerzen können im Bereich dieser Ein- und Austrittsstellen der Nervenstränge auftreten und in das von ihnen versorgte Körperareal ausstrahlen. Werden Nerven nur vorübergehend eingeklemmt oder gereizt, tritt der Schmerz blitzartig auf und hält nur wenige Sekunden an. Man spricht in diesen Fällen von einer Neuralgie. Ursache kann eine Fehlstellung der Wirbelkörper sein. Ferner können die Bandscheiben auf die Nervenstränge drücken. Aber auch Verspannungen oder altersbedingte Abnutzungen können für Nervenschmerzen verantwortlich sein.
- Neuropathische Schmerzen: Bei neuropathischen Schmerzen sind die Nerven selbst oder die sie versorgenden Blutgefäße erkrankt. Häufige Ursachen sind Autoimmunerkrankungen wie die Multiple Sklerose sowie Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch, Infektionen oder Verletzungen. Sind neuropathische Schmerzen Folge einer Verletzung kann der Nerv aufgrund einer Fehlschaltung empfänglich für die Botenstoffe des sympathischen Nervensystems sein. Diese Botenstoffe werden bei Stress aufgeschüttet. Die Schmerzen treten dann immer in Stresssituationen auf.
Häufige Ursachen neuropathischer Schmerzen
- Diabetes: Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen für neuropathische Schmerzen, da der hohe Blutzuckerspiegel die peripheren Nerven schädigen kann. Diese Form wird als diabetische Neuropathie bezeichnet.
- Nervenverletzungen: Verletzungen, wie etwa durch Unfälle, Operationen oder Knochenschäden, können Nerven dauerhaft schädigen und neuropathische Schmerzen verursachen.
- Infektionen: Einige Infektionen wie Herpes Zoster (Gürtelrose) können nach der Abheilung lang anhaltende, brennende Schmerzen hinterlassen, bekannt als postherpetische Neuralgie.
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Rückenmarksverletzungen können neuropathische Schmerzen hervorrufen, wenn Nervenbahnen beschädigt werden.
- Tumore und Krebs: Tumore oder deren Behandlung (z. B. durch Bestrahlung oder Chemotherapie) können Nerven schädigen und neuropathische Schmerzen auslösen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann eine periphere Neuropathie verursachen und neuropathische Schmerzen hervorrufen.
- Genetische Erkrankungen: Einige genetische Störungen wie die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN) können ebenfalls neuropathische Schmerzen verursachen.
Symptome neuropathischer Schmerzen
Neuropathische Schmerzen äußern sich oft auf besondere Weise und unterscheiden sich von anderen Schmerzarten:
- Brennende oder stechende Schmerzen: Die Schmerzen können wie ein Brennen oder Stechen empfunden werden, was typisch für neuropathische Schmerzen ist.
- Elektrisierende Empfindungen: Ein elektrisierendes oder schießendes Gefühl entlang eines Nervs tritt häufig auf.
- Taubheit oder Kribbeln: Die betroffene Region kann sich taub oder kribbelnd anfühlen (Parästhesien).
- Überempfindlichkeit: Schon leichte Berührungen oder Reize können starke Schmerzen verursachen (Allodynie).
- Schmerzen bei Kälte oder Hitze: Manche Menschen empfinden eine abnormale Empfindlichkeit gegenüber Kälte oder Wärme.
Das Phänomen der nächtlichen Schmerzverstärkung
Viele Menschen mit Nervenschmerzen erleben, dass sich ihre Beschwerden nachts verschlimmern. Es gibt mehrere Faktoren, die zu dieser nächtlichen Zunahme der Schmerzen beitragen können:
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Zirkadianer Rhythmus und Hormonspiegel
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Schmerzen einem zirkadianen Rhythmus folgen könnten, d. h. einem natürlichen Prozess, der auf Licht und Dunkelheit reagiert. Dies könnte das Auf- und Abschwellen des Schmerzniveaus erklären, das viele Menschen zu bestimmten Tageszeiten erleben. Nachts nehmen die Schmerzen tendenziell zu und am Nachmittag ab.
Die Produktion von Cortisol, einem entzündungshemmenden Hormon, ist nachts vermindert. Die Hormone Melatonin und Prolaktin werden nachts vermehrt ausgeschüttet, was zu einem Anstieg der entzündlichen Zytokine führen kann.
Eine Studie im Fachjournal Brain veröffentlichte Studie zeigt, dass die Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen ihren Höhepunkt in der Nacht und einem Rückgang am Nachmittag hat - unabhängig von äußeren Reizen und dem Schlaf-Wach-Zyklus.
Ablenkung und Fokus
Tagsüber ist der Geist oft auf die Arbeit, familiäre Verpflichtungen oder Hobbys konzentriert. Diese Aktivitäten lenken das Gehirn davon ab, sich ausschließlich auf den Schmerz zu konzentrieren, und verringern die Schmerzwahrnehmung. Nachts, wenn es still ist und weniger Ablenkungen gibt, kann sich die Aufmerksamkeit stärker auf den Schmerz richten, was ihn intensiver erscheinen lässt.
Temperatur
Eine Neuropathie kann durch Temperaturschwankungen ausgelöst werden. Die Körpertemperatur sinkt nachts natürlich ab. Außerdem stellen manche Menschen den Thermostat im Schlafzimmer auf eine niedrigere Temperatur ein.
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Medikamentenspiegel
Der Zeitpunkt und die Dosierung von Medikamenten wirken sich darauf aus, wie eine Person Schmerzen empfindet. Schmerzmedikamente halten möglicherweise nicht die ganze Nacht durch, was zu frühem Aufwachen und Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen führt.
Schlaf und Schmerz
Schmerzen stören den Schlaf, und schlechter Schlaf verstärkt den Schmerz. Tiefschlafmangel führt nicht nur zu einer allgemeinen körperlichen Schwächung, sondern auch zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle, anders ausgedrückt, es kommt zu einer Erhöhung der „Schmerzempfindlichkeit“. Versuchspersonen, die man daran hinderte, in den Tiefschlaf zu sinken, wurden empfindlicher für Muskel-Skelett-Schmerzen und klagen häufiger über Gelenkschmerzen und -steife. Das liegt u.a. daran, dass entzündlichen Botenstoffe mit dem Blutstrom wegtransportiert werden, was Nachts, also in Ruhe, eingeschränkt ist.
Diagnostik von neuropathischen Schmerzen
Die Diagnose neuropathischer Schmerzen erfolgt durch:
- Anamnese und klinische Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankheitsgeschichte und Symptome und führt neurologische Untersuchungen durch, um den Schmerzcharakter und die Empfindlichkeiten zu bewerten.
- Bildgebende Verfahren: MRT und CT können helfen, strukturelle Probleme im Nervensystem zu identifizieren, wie etwa Bandscheibenvorfälle oder Tumore.
- Elektrophysiologische Tests: Nervenleitgeschwindigkeitstests und Elektromyographie (EMG) messen die elektrische Aktivität in den Nerven und Muskeln und helfen, Nervenschäden zu lokalisieren.
- Labortests: Bluttests können Infektionen, Diabetes oder andere zugrunde liegende Ursachen aufdecken.
Weitere diagnostische Maßnahmen
- Schmerzzeichnung: Der Patient zeichnet den Bereich ein, in dem er Schmerzen verspürt.
- Schmerzfragebögen: Standardisierte Fragebögen helfen, die Schmerzintensität und -qualität zu erfassen.
- Quantitative sensorische Testung (QST): Diese Tests prüfen die Hautempfindlichkeit und helfen, das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
- Neurographie: Hier wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen.
- Somatosensibel evozierte Potenziale (SEP): Diese Untersuchung prüft die gesamte Gefühlsbahn von der Haut über das Rückenmark bis ins Gehirn.
- Nervenbiopsie: Eine Gewebeprobe wird entnommen und untersucht, um die Ursache der Polyneuropathie zu finden.
Behandlungsmöglichkeiten für neuropathische Schmerzen
Die Behandlung neuropathischer Schmerzen ist oft komplex und kann aus einer Kombination von Medikamenten, physikalischen Therapien und alternativen Ansätzen bestehen.
Medikamentöse Therapie
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva, wie Amitriptylin oder Duloxetin, haben schmerzlindernde Eigenschaften und wirken oft gut bei neuropathischen Schmerzen.
- Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin und Pregabalin, die zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, wirken auch bei neuropathischen Schmerzen, indem sie die Nervenaktivität dämpfen.
- Opioide und Tramadol: Bei schweren Schmerzen können Opioide und Tramadol in bestimmten Fällen verschrieben werden, aber sie werden aufgrund des Risikos von Abhängigkeit und Nebenwirkungen meist nur vorsichtig und in niedrigen Dosen eingesetzt.
- Topische Therapie: Cremes oder Pflaster mit Wirkstoffen wie Lidocain oder Capsaicin können direkt auf die betroffene Hautstelle aufgetragen werden, um Schmerzen lokal zu lindern.
Physiotherapie und Ergotherapie
- Kräftigungs- und Bewegungsübungen: Physiotherapie kann helfen, die Muskulatur zu stärken, Beweglichkeit zu fördern und Schmerz zu reduzieren.
- Sensorisches Training: Übungen zur Desensibilisierung, wie das Berühren von unterschiedlichen Oberflächen, können helfen, die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.
Psychologische Therapie
- Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Chronische Schmerzen können die Lebensqualität stark beeinträchtigen, und psychologische Unterstützung kann helfen, mit den Schmerzen besser umzugehen und das Schmerzempfinden zu reduzieren.
- Schmerzbewältigungstraining: Techniken zur Stressbewältigung und Entspannung, wie Meditation oder Atemübungen, sind hilfreich, um den Umgang mit Schmerzen zu verbessern.
Neuromodulation
- Spinal Cord Stimulation (SCS): Bei dieser Methode wird ein Implantat in der Nähe des Rückenmarks platziert, das elektrische Impulse abgibt, die die Schmerzsignale blockieren.
- Periphere Nervenstimulation: Hierbei werden elektrische Impulse auf die betroffenen Nerven im peripheren Nervensystem angewandt, um die Schmerzsignale zu reduzieren.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Diese nicht-invasive Methode verwendet niederfrequente elektrische Impulse, um die Schmerzen zu lindern.
Alternative Therapien
- Akupunktur: Akupunktur kann bei einigen Patienten Linderung der neuropathischen Schmerzen bewirken.
- Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung und Yoga können helfen, die Schmerzen zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
Lifestyle-Änderungen
- Ernährung und Gewichtskontrolle: Eine ausgewogene Ernährung kann das allgemeine Wohlbefinden verbessern, insbesondere bei Erkrankungen wie Diabetes, die neuropathische Schmerzen verursachen.
- Regelmäßige Bewegung: Ein moderates Training und Bewegung können helfen, die Muskeln zu stärken und die Nervenfunktion zu unterstützen.
- Schlafhygiene: Guter und erholsamer Schlaf ist wichtig, um Schmerzen und Überempfindlichkeit zu reduzieren.
Was ist gut für den Schlaf?
Eine wirksame Behandlung der Schlafstörungen verbessert die allgemeine Befindlichkeit von Schmerzpatienten. Folgende Hinweise können bei leichten Schlafstörungen helfen, wieder ein gesundes Schlaferleben zu entwickeln.
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Schlafrhythmus
Der Schlaf liebt die Gewohnheit, deshalb sollte ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus auch am Wochenende beibehalten werden. Das ist besonders für Migräne-Patienten wichtig.
Nachtschicht
Gut wäre es, direkt nach der Arbeit 4 bis 5 Stunden zu schlafen und dann noch einmal 2 bis 3 Stunden am Nachmittag. Für die sogenannten „Eulen“, die eher am Abend aktiv sind, eignen sich Spät- und Nachtschicht besser.
Raumtemperatur
Als förderlich gilt eine Schlafzimmertemperatur zwischen 16 und 18 Grad; also kein offenes Fenster über Nacht in der kalten Jahreszeit. Zweimaliges Lüften reicht.
Bett
Ideal für einen Schlaf mit dem Partner ist ein ausreichend großes Bett (mindestens 1,80m x 2m) mit zwei getrennten und individuellen abgestimmten Matratzen und Zudecken.
Handy und Laptop
Diese Geräte strahlen blaues Licht ab, das der Mittagssonne entspricht. Solche Lichtanteile verhindern die Bildung des Schlafhormons. Die Geräte sollten deshalb am Abend immer mit einer zusätzlichen Lichtquelle im Raum angeschaut und im Nachtmodus genutzt werden.
Mittagsschlaf
Der Mittagsschlaf sollte nicht länger als 30 Minuten und nicht nach 15 Uhr sein, ansonsten verringert sich der Schlafdruck am Abend.
Bewegung
Bewegungsaktive Menschen am Tag schlafen nachts besser, aber körperliche Überanstrengung nach 18 Uhr sollte vermieden werden.
Nächtliches Erwachen
Kein helles Licht einschalten, denn helles Licht wirkt als "Wachmacher". Hier hilft eine Taschenlampe, um zur Toilette zu gehen und der Partner wird nicht geweckt.
Maßnahmen zur Schmerzlinderung
- Entspannungsübungen: Vor dem Schlafengehen Entspannungsübungen oder warme Bäder können helfen, Muskelverspannungen zu lösen.
- Ablenkung: Kannst du regelmäßig wegen der Schmerzen nicht einschlafen? Hier ist Übung gefragt, denn es ist tatsächlich möglich, die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken. Diese Ablenkung muss nicht zwingend in Form eines externen Reizes geschehen - auch eine innere Aufmerksamkeitslenkung, beispielsweise in Form von Fantasiereisen oder schönen Erinnerungen (etwa an den letzten Urlaub) ist denkbar.
- Schmerztagebuch: Wenn es erforderlich ist, dass Sie Schmerzen protokollieren, dann bieten sich sogenannte Schmerztagebücher an. In diesen Schmerztagebüchern kann man eintragen, wie der Nervenschmerz ist (brennend, elektrisierend), wo der Schmerz lokalisiert ist, ob die Schmerzen von Triggerfaktoren abhängig sind und ob die Schmerzen eher tagsüber oder nachts auftreten.
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