Was passiert im Gehirn, wenn ein Mensch stirbt? Eine umfassende Analyse

Der Tod ist ein unausweichlicher Teil des Lebens, und doch bleibt er für viele ein Mysterium. Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir sterben? Diese Frage hat Wissenschaftler und Philosophen seit jeher beschäftigt. Während Erkenntnisse dazu früher hauptsächlich aus Nahtoderfahrungen stammten, ermöglichen moderne neurowissenschaftliche Studien heute einen tieferen Einblick in die komplexen physiologischen Prozesse, die im sterbenden Gehirn ablaufen.

Die Finalphase: Ein langsamer Abschied des Körpers

Der Sterbeprozess ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein langsamer, schrittweiser Abbau der Körperfunktionen. Diese sogenannte Finalphase kann wenige Tage oder nur Stunden vor dem Tod beginnen. Organe wie Niere, Leber, Lunge und Herz stellen ihre Arbeit nach und nach ein.

Das Herz, eine zentrale Komponente des Kreislaufsystems, schränkt seine Funktion allmählich ein. Der Kreislauf zentralisiert sich, was dazu führt, dass Hände, Füße und Beine kalt werden und sich grau bis blau verfärben. Auch die Lippen können eine bläuliche Farbe annehmen. Der Puls wird schneller und schwächer, bevor das Herz schließlich ganz aufhört zu schlagen.

Stoffwechselentgleisungen und Bewusstseinstrübung

Wenn Organe wie die Leber versagen, können Giftstoffe den Körper überschwemmen und ins Gehirn gelangen. Dies führt zu einer Trübung des Bewusstseins, Verwirrtheit und Desorientierung. Die Nieren arbeiten nur noch eingeschränkt, was zu einer verminderten Urinausscheidung und Austrocknung führt. Interessanterweise kann diese Austrocknung, auch als "terminale Dehydration" bezeichnet, durch die Ausschüttung schmerzlindernder Endorphine und die Reduktion von Bronchialsekret das Sterben erleichtern.

Sterbende verspüren oft keinen Hunger oder Durst mehr. Durch einen verminderten Schluckreflex oder aufgrund von Schwäche kann es zu einer röchelnden oder brodelnden Atmung kommen, dem sogenannten "Todesrasseln". Obwohl dies für Angehörige beängstigend sein kann, ist es in der Regel nicht schmerzhaft oder belastend für die sterbende Person.

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Halluzinationen, Hormone und die Frage des Gehörs

Im Laufe des Sterbeprozesses verändert sich das Bewusstsein. Manche Sterbende bleiben bis zum Ende klar, andere halluzinieren, reden vor sich hin oder dämmern weg. Trotzdem bekommen sie oft noch mit, was um sie herum vorgeht und spüren die Anwesenheit und Berührung von anderen. Hör- und Tastsinn bleiben oft länger erhalten als Geruchs- und Geschmackssinn.

Kurz vor dem Tod zünden die Nervenzellen im Gehirn ein "Feuerwerk" und fluten das Gehirn mit Hormonen, was dem Sterbenden möglicherweise einen letzten Moment des Glücks beschert. Die Annahme, dass das Gehör als letztes stirbt, wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Hörfunktion relativ lange erhalten bleibt, selbst bei Sedierung oder Narkose. Akustisch evozierte Potenziale (AEP) im EEG können auch bei Bewusstlosigkeit nachweisbar sein, was darauf hindeutet, dass das Gehirn Geräusche noch verarbeiten kann, auch wenn deren Sinn nicht mehr unbedingt wahrgenommen wird.

Die terminale Streudepolarisation: Eine Welle des Todes?

Der Neurologe Jens Dreier hat ein faszinierendes Phänomen untersucht, das im sterbenden Gehirn auftritt: die terminale Streudepolarisation. Dabei entladen sich die Nervenzellen in einer großen Welle, ähnlich einem Kurzschluss. Diese Welle beginnt in der Regel an bestimmten vulnerablen Punkten der Hirnrinde und breitet sich mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Millimetern pro Minute über das gesamte Gehirn aus.

Diese "Todeswelle" bewirkt massive Veränderungen im Inneren der Nervenzellen, wie einen starken Anstieg der Kalziumkonzentration. Wenn dieser Zustand zu lange anhält, können die Neurone vergiftet werden und sterben. Erstaunlicherweise können die Zellen diesen Zustand für eine gewisse Zeit aushalten und überleben, sofern die Membranpumpen wieder einsetzen und die Zellen von schädlichen Substanzen befreien.

Dreiers Forschung hat gezeigt, dass die terminale Streudepolarisation nicht nur beim Sterben auftritt, sondern auch bei Schlaganfällen und Migräneauren. Dies deutet auf gemeinsame pathophysiologische Mechanismen hin.

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Nahtoderfahrungen: Ein Blick in die Blackbox des Sterbens?

Nahtoderfahrungen (NTE) sind ein faszinierendes Phänomen, das von Menschen berichtet wird, die dem Tod nahe waren und reanimiert wurden. Typische Merkmale von NTE sind das Gefühl, sich gleichzeitig in verschiedenen Epochen und an verschiedenen Orten zu befinden, abstrakte Sinneseindrücke wie ein helles Licht oder eine Verengung des Sichtfelds (Tunnelblick) und außerkörperliche Erfahrungen.

Obwohl NTE in verschiedenen Kulturen vorkommen und nicht von bestimmten Religionen abhängen, ist ihre wissenschaftliche Erforschung aufgrund ihrer subjektiven und anekdotischen Natur schwierig. Einige Theorien besagen, dass NTE auf physiologische Prozesse im sterbenden Gehirn zurückzuführen sind, wie z.B. die Freisetzung von "inneren Drogen" wie Ketamin und Dimethyltryptamin (DMT), die Depolarisationswellen hemmen und halluzinatorische Erfahrungen auslösen können.

Eine andere Theorie besagt, dass außerkörperliche Erfahrungen durch eine Störung der Koordination von Sehen, Lagesinn und Körperwahrnehmung im Gehirn entstehen. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass die Stimulation bestimmter Hirnbereiche außerkörperliche Erfahrungen hervorrufen kann.

Hirntod: Der irreversible Verlust der Hirnfunktionen

Der Hirntod ist definiert als der irreversible Ausfall aller Hirnfunktionen, einschließlich des Hirnstamms. Er wird von speziell qualifizierten Ärzteteams diagnostiziert, wobei strenge Richtlinien und Kriterien eingehalten werden müssen.

Zu den Voraussetzungen für die Hirntoddiagnostik gehören eine akute, schwerste Hirnschädigung, der Ausschluss anderer Ursachen für die Ausfallsymptome und die künstliche Beatmung des Patienten unter Aufrechterhaltung der Organfunktionen. Die klinische Prüfung umfasst die Untersuchung des Bewusstseins, der Hirnstammreflexe und der Atmung. Der Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls erfolgt durch eine erneute klinische Untersuchung nach einem bestimmten Zeitraum oder durch apparative Untersuchungstechniken wie EEG, Ultraschall oder CT-Angiographie.

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Zweifel und ethische Fragen

Trotz der strengen Richtlinien und der Expertise der beteiligten Ärzte gibt es immer wieder Zweifel an der Hirntoddiagnostik. Die Vorstellung, für tot erklärt zu werden, obwohl man es noch nicht ist, ist für viele Menschen beängstigend. Es ist daher wichtig, dass die Hirntoddiagnostik sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt wird, um Fehlentscheidungen auszuschließen.

Die Organspende ist ein Thema, das eng mit der Hirntoddiagnostik verbunden ist. Für die Familie eines verstorbenen Kindes, dessen Organe gespendet werden, ist dies oft mit unglaublichem Leid verbunden, das jedoch durch die Tatsache gemildert werden kann, dass dadurch einem anderen Kind ein Weiterleben ermöglicht wird.

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