Ein Schlaganfall stellt eine der Hauptursachen für Behinderungen dar und ist eine erhebliche Herausforderung im Gesundheitswesen. Neben den offensichtlichen körperlichen Folgen wie Lähmungen, Sprachstörungen und motorischen Einschränkungen gibt es weniger beachtete, aber ebenso gravierende Auswirkungen, wie die Inkontinenz. Dieser Artikel beleuchtet die Problematik der Stuhlinkontinenz nach einem Schlaganfall und erläutert die zugrunde liegenden Ursachen sowie Behandlungsansätze.
Was ist Stuhlinkontinenz?
Stuhlinkontinenz, auch Darminkontinenz genannt, bezeichnet den unkontrollierten Abgang von Darmgasen, flüssigem oder festem Stuhl. Betroffene können den Zeitpunkt der Entleerung nicht mehr zuverlässig selbst bestimmen. Dies kann eine erhebliche Belastung darstellen und zu sozialem Rückzug führen.
Fakten zur Inkontinenz nach einem Schlaganfall
Inkontinenz ist ein häufiges Problem nach einem Schlaganfall und betrifft etwa 40 bis 60 Prozent der Betroffenen. Sie kann entweder unmittelbar nach dem Schlaganfall auftreten oder sich erst im Verlauf der Rehabilitation entwickeln. Dabei ist die Harninkontinenz häufiger als die Stuhlinkontinenz. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität sind jedoch enorm: Neben physischen Beschwerden wie Hautreizungen und Infektionen leiden Betroffene häufig auch unter Scham, sozialem Rückzug und depressiven Verstimmungen.
Ursachen der Stuhlinkontinenz nach einem Schlaganfall
Die Ursachen für Stuhlinkontinenz nach einem Schlaganfall sind vielfältig und oft komplex. Sie lassen sich grob in neurologische, muskuläre und psychische Faktoren unterteilen:
Neurologische Faktoren
Durch den Schlaganfall kommt es zu Schädigungen im Gehirn, die für die Steuerung der Blasen- und Darmfunktion zuständig sind. Die Kontrolle über die Miktionszentren im Frontalhirn und die sakralen Reflexbögen kann gestört sein. Diese schädigungsbedingten Störungen in der Verarbeitung und Weiterleitung von Signalen führen dazu, dass Füllungszustände der Blase oder des Darms nicht mehr korrekt wahrgenommen und willentlich gesteuert werden können. Eine "neurogene Blase" bezeichnet Fehlfunktionen der Blase und des Schließmuskels, die durch Schäden des Nervensystems verursacht werden. Nervenschäden im Beckenbereich können ebenfalls eine Rolle spielen.
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Muskuläre und strukturelle Veränderungen
Lähmungen und muskuläre Schwächen, insbesondere im Bereich der Beckenbodenmuskulatur, beeinträchtigen die Fähigkeit, den Blasen- und Darmschließmuskel effektiv zu kontrahieren. Dies kann zu einer verminderten Haltekapazität und einer unwillkürlichen Entleerung führen. Sinkt der Beckenboden in Folge einer Geburt ab, wird auch der Schließmuskel um den Anus nicht mehr in seiner vorgesehenen Position gehalten. Zudem kann es trotz Vorsichtsmaßnahmen während der Geburt zu einem Dammriss kommen, wodurch der nahegelegene Anal-Schließmuskel verletzt wird und nicht mehr einwandfrei funktioniert.
Medikamentöse Einflüsse
Medikamente, die zur Behandlung von Schlaganfalldiagnosen eingesetzt werden, wie beispielsweise Diuretika oder bestimmte Antihypertensiva, können als Nebenwirkung eine Inkontinenz verstärken. Auch die Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten durch Medikamente kann zu Problemen bei der Kontinenz führen. Abführmittel (Laxanzien) können den Stuhlgang fördern oder gegen eine Verstopfung zum Einsatz kommen, während Peristaltikhemmer bei Durchfallerkrankungen eingesetzt werden.
Kognitive und psychische Faktoren
Gedächtnisstörungen, verminderte Aufmerksamkeit und eine gestörte Wahrnehmung können dazu führen, dass Betroffene nicht rechtzeitig den Drang verspüren oder nicht schnell genug reagieren können, um sicher zur Toilette zu gelangen. Angst und Stress infolge des Schlaganfalls können ebenfalls eine Inkontinenzverschärfung beeinflussen.
Diagnose der Stuhlinkontinenz
Bei der Stuhlinkontinenz ist es das Ziel der Diagnose, die Ursache für den unkontrollierbaren Abgang von Stuhl herauszufinden.
Anamnese
Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt (Anamnese) ist der erste Schritt. Dabei werden Fragen zu Häufigkeit und Dauer der Stuhlinkontinenz, zur Beschaffenheit des Stuhls und zur Häufigkeit des Stuhlgangs gestellt. Ein Stuhltagebuch kann helfen, die eigenen Toilettengewohnheiten besser kennenzulernen und ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Speisen und Gewohnheiten die Kontinenz fördern oder die Beschwerden verschlimmern.
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Körperliche Untersuchung
Nach dem Gespräch folgt eine gründliche körperliche Untersuchung, bei der der Arzt unter anderem den Enddarm vom After aus mit einem Finger austasten wird (rektale Palpation).
Weitere Untersuchungen
Um die Ursache einer Stuhlinkontinenz zu bestimmen und herauszufinden, ob es sich um eine neurogene Stuhlinkontinenz handelt oder der unkontrollierte Abgang von Stuhl andere Gründe hat, werden meist weitere Untersuchungen durchgeführt.
- Endoskopie: Im Rahmen einer Spiegelung (Endoskopie) des Mastdarms (Rektoskopie) und des Dickdarms (Koloskopie) kann der Arzt Auffälligkeiten wie Entzündungen, Aussackungen oder andere Veränderungen der Darmwand erkennen.
- Ultraschall: Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann der Arzt mögliche Schädigungen des Schließmuskels oder Veränderungen des Enddarms erkennen.
- Manometrie: Um den Druck des Schließmuskels zu messen, wird ein Untersuchungsgerät mit einem Messfühler in den Enddarm eingeführt.
- Defäkographie: Bei der Defäkographie wird der Enddarm mit einem Kontrastmittel gefüllt. Wie dieses den Darm über den After wieder verlässt, wird in einem Röntgenbild verfolgt.
- Neurologische Untersuchungen: Mithilfe verschiedener neurologischer Untersuchungen kann der Arzt überprüfen, ob es eine Störung des Signals zwischen Gehirn und Schließmuskel beziehungsweise Mastdarm gibt. Häufige Untersuchungsverfahren sind dabei die so genannte Beckenbodenelektromyographie (BB-EMG) und die Messung der Leitgeschwindigkeit des Nervus pudendus.
- Sensibilitätstests: Bei einer neurogenen Ursache einer Stuhlinkontinenz ist aufgrund von Schäden der Nerven meist auch die Sensibilität des Analbereichs gestört. Mithilfe bestimmter so genannter Sensibilitätstests kann die Empfindlichkeit des Mastdarms und der Hautregion um den After beurteilt werden.
Umgang mit Stuhlinkontinenz nach einem Schlaganfall
Die Rehabilitation und der Umgang mit Stuhlinkontinenz nach einem Schlaganfall erfordern einen ganzheitlichen Ansatz. Therapeutische Maßnahmen können folgende Schwerpunkte beinhalten:
Konservative Therapien
In vielen Fällen tragen bereits sogenannte konservative Therapien mit Verhaltenstraining, Ernährungs- und Physiotherapie zu einer Besserung der Beschwerden bei.
- Stuhlgangsregulierung: Ein wichtiger Schritt bei der Stuhlinkontinenz-Therapie ist die sogenannte Stuhlgangsregulierung (auch Stuhlregulierung). Dabei geht es um eine möglichst weiche Stuhlkonsistenz: Der Stuhl sollte weder zu fest noch flüssig sein. Demnach sollten Sie sich bei einer Stuhlinkontinenz möglichst ballaststoffreich und ausgewogen ernähren. Blähende Lebensmittel (Bohnen, Kohl oder Ähnliches) sollten Sie vermeiden. Darüber hinaus können Sie mit einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme deutliche Verbesserungen erzielen. Jedoch sollten Sie koffeinhaltige Getränke (Kaffee, schwarzer und grüner Tee) oder Alkohol vermeiden, da sie Ihren Darm zusätzlich reizen. Hilfreich kann außerdem regelmäßige Bewegung sein.
- Beckenbodentraining: Ein geschwächter Beckenboden kann sowohl ein Risikofaktor für die Stuhlinkontinenz als auch für die Harninkontinenz sein. Stärken Sie daher den Beckenboden mit gezielten Übungen. Um Ihre Muskulatur im Beckenboden wieder zu stärken, eignen sich ein paar Übungen, die Sie ganz einfach durchführen können. Lassen Sie sich zunächst bitte von einem Physiotherapeuten anleiten.
- Biofeedback-Methode: Die sogenannte Biofeedback-Methode eignet sich insbesondere für Stuhlinkontinenz-Patienten, die Probleme haben, den eigenen Beckenboden und die Schließmuskelspannung selbst bewusst wahrzunehmen. Dazu wird ein kleiner Ballon im Analkanal platziert, der gezielt zusammengedrückt werden muss. Über ein Signal wird der betroffenen Person während des Schließmuskeltrainings angezeigt, wie hoch der jeweilige Kneifdruck ist.
- Elektrostimulation: Die sogenannte Elektrostimulation kann dabei unterstützen, die Schließmuskelfunktion wieder zu verbessern. Bei dieser gängigen Methode wird der Schließmuskel durch Reizstrom passiv angespannt und langsam gestärkt.
Medikamentöse Therapie
Verschiedene Medikamente können helfen, die Blasen- und Darmfunktion zu regulieren. Bei dünnflüssigem Stuhl sorgen Flohsamenschalen dafür, überschüssiges Wasser im Darm zu binden und den Stuhlgang zu formen.
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Operative Maßnahmen
Wenn konservative Therapien keine ausreichende Verbesserung bringen, können bei einer Darminkontinenz auch Operationen wieder zur Kontinenz verhelfen.
- Sakrale Nervenstimulation: Bei Nervenschäden im Beckenbereich kann die sakrale Nervenstimulation zum Erfolg führen. Bei diesem Verfahren wird ein kleiner Schrittmacher ins Gesäß implantiert, der schwache elektrische Impulse an die sogenannten Sakralnerven abgibt. Die Sakralnerven sind die Nerven, die Beckenboden, Darm und Blase steuern.
- (Natürliche) Schließmuskel-Rekonstruktion: Der defekte Schließmuskel wird rekonstruiert. Dazu wird die Muskellücke, die beispielsweise durch einen Dammriss entstanden ist, mit einem körpereigenen Implantat ersetzt.
- (Künstliche) Schließmuskel-Rekonstruktion: Ist eine Schließmuskelrekonstruktion nicht möglich, kann auch ein künstlicher Schließmuskel implantiert werden. Dies ist allerdings ein komplexer Eingriff, der nur selten durchgeführt wird.
Einsatz von Hilfsmitteln
Inkontinenzhilfen wie Einlagen, spezielle Unterwäsche und Sitzauflagen können den Alltag erleichtern und die Lebensqualität steigern. Viele Stuhlinkontinenz-Patienten ziehen sich aus Scham zurück und meiden häufig Aktivitäten mit anderen Menschen oder außerhalb der eigenen vier Wände. Diese Hilfsmittel können die Stuhlinkontinenz zwar nicht heilen, aber sie geben Betroffenen ein sichereres Gefühl im Alltag zurück.
Prävention und Früherkennung
Wichtige Ansatzpunkte zur Prävention und frühzeitigen Behandlung beinhalten regelmäßige ärztliche Kontrollen, eine gezielte Rehabilitationstherapie und die Anpassung von Medikamenten auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten.
Leben mit Stuhlinkontinenz: Tipps für den Alltag
- Hautpflege: Durch ständigen Kontakt mit Stuhl oder sonstigen Darminhalten kann die Haut geschädigt und sich entzünden. Eine sorgfältige Hautpflege ist daher unerlässlich.
- Ernährung: Eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung sowie eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme sind wichtig für eine gute Stuhlkonsistenz.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann die Darmtätigkeit anregen und Verstopfung vorbeugen.
- Toilettentraining: Ein Toilettentraining kann helfen, die Kontrolle über die Stuhlentleerung zu verbessern.
- Hilfsmittel: Inkontinenzprodukte wie Einlagen oder Windeln können Sicherheit und Schutz bieten.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann hilfreich sein, um mit der Erkrankung umzugehen.
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