Demenz stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Es handelt sich um einen fortschreitenden Verlust geistiger Fähigkeiten, der verschiedene Formen annehmen kann, wobei die Alzheimer-Krankheit die bekannteste ist. Da die Erkrankung bislang nicht heilbar ist, ist die Vorbeugung der wirksamste Weg, das Erkrankungsrisiko zu senken.
Demenz: Ein Überblick
Demenz ist nicht gleich Demenz. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Demenzerkrankungen, die sich in ihren Ursachen ebenso unterscheiden wie in ihren Symptomen. Die Alzheimer-Demenz ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns, in deren Verlauf Nervenzellen des Gehirns unumkehrbar zerstört werden. Diese Demenzform verläuft bei jedem Menschen unterschiedlich. Die Alzheimer-Krankheit ist mit einem Anteil von circa 60 bis 65 Prozent die häufigste irreversible Demenzform. Mit etwa 20 bis 30 Prozent folgen die gefäßbedingten („vaskulären“) Demenzen. Bei etwa 15 Prozent liegt eine Kombination beider Demenzformen vor.
Die Alzheimer-Krankheit (Morbus Alzheimer) ist die häufigste Demenzform. Sie ist durch schädliche Proteinablagerungen zwischen den Gehirnzellen gekennzeichnet: Plaques (das heißt größere Zusammenlagerungen) aus Amyloid-beta-Proteinen stören die Kommunikation zwischen den Zellen. Zu Beginn der Erkrankung vorrangig im Hippocampus - dem Hirnbereich, der für das Gedächtnis verantwortlich ist. Fibrillen aus Tau-Proteinen führen im weiteren Krankheitsverlauf zu einer Zerstörung der inneren Zellstruktur. Tau-Proteine sind eigentlich für den Erhalt der Zellstabilität verantwortlich. Bei Alzheimer-Demenz nehmen sie jedoch die Form von Fibrillen (mikroskopisch kleine Fasern) an, in welcher sie dieser Funktion nicht mehr nachkommen können.
Die vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Demenzform. Sie entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn - oft als Folge von Bluthochdruck, Schlaganfällen oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Blutgefäße verstopfen, entweder durch Ablagerungen an den inneren Gefäßwänden oder durch Blutgerinnsel, wodurch die betroffenen Hirnbereiche nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Hält diese Durchblutungsstörung länger an, können Hirnzellen beschädigt werden und letztlich absterben.
Die frontotemporale Demenz (FTD) betrifft vor allem Bereiche des Gehirns, die für Verhalten, Sprache und Persönlichkeit verantwortlich sind. Im Unterschied zur Alzheimer- oder vaskulären Demenz spielen bei der FTD genetische Faktoren eine größere Rolle. Die Parkinson-Demenz tritt häufig in einem späteren Stadium der Parkinson-Krankheit auf. Sie geht mit Gedächtnisproblemen, verlangsamtem Denken und Konzentrationsschwierigkeiten einher. Die Lewy-Body-Demenz ist nach Alzheimer und vaskulärer Demenz die dritthäufigste Form. Sie entsteht durch Eiweißablagerungen (Lewy-Körperchen) in den Nervenzellen des Gehirns.
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Ursachen und Risikofaktoren für Demenz
Demenz entsteht durch ein Zusammenspiel von genetischen, biologischen und lebensstilbedingten Faktoren. Während man genetische Einflüsse nicht ändern kann, lassen sich viele Lebensstil- und Umweltfaktoren aktiv beeinflussen. Zahlreiche Faktoren können das Demenzrisiko beeinflussen, wobei einige beschleunigend wirken:
- Genetische Faktoren: Erbliche Faktoren können die Entstehung einer Demenz begünstigen. Genetische Faktoren als alleinige Ursache liegen nur in weniger als zwei Prozent der Fälle vor. Insgesamt betrachtet spielen sie daher bei der Entstehung von Alzheimer eine untergeordnete Rolle.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Sie belasten die Gefäße oder den Stoffwechsel - etwa durch Bluthochdruck, hohe Blutzucker- oder Cholesterinwerte.
- Entzündungen und schädliche Ablagerungen im Gehirn: Sie fördern Entzündungen oder schädliche Ablagerungen im Gehirn.
- Kognitive Reserve: Sie schwächen die kognitive Reserve, also die Widerstandskraft des Gehirns gegenüber Schäden.
Besonders wichtig: Wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig vorliegen, erhöht sich das Demenzrisiko deutlich. Positiv ist: Wer an einer Stelle ansetzt, kann oft mehrere Risiken gleichzeitig verringern.
Modifizierbare Risikofaktoren
Eine von der Zeitschrift „The Lancet“ beauftragte Expertenkommission hat zwölf modifizierbare Risikofaktoren identifiziert, die bei der Demenzprävention besonders wichtig sind:
- Geringe Bildung in jungen Jahren: Ein geringes Bildungsniveau erklärt basierend auf den vorhandenen Daten weltweit rund sieben Prozent aller Demenzerkrankungen.
- Unbehandelte Schwerhörigkeit: Tritt sie bei 45- bis 65-Jährigen auf, ist das Risiko für eine Demenz im Alter verdoppelt. Insgesamt lassen sich nach den Berechnungen der Forscher um Livingston etwa acht Prozent aller Demenzerkrankungen auf Schwerhörigkeit zurückführen. Hörgeräte könnten Abhilfe schaffen.
- Hirnverletzungen: Ein SHT im mittleren Alter geht ebenfalls mit einem rund verdoppelten Risiko für eine Demenz einher, global lassen sich 3,4 Prozent aller Demenzfälle auf ein SHT zurückführen. Insgesamt steigt das Demenzrisiko mit der Zahl und der Schwere der SHT.
- Bluthochdruck: Ein Blutdruck über 140 mmHg systolisch im mittleren Alter erhöht das Demenzrisiko den Daten zufolge um 60 Prozent. Rund zwei Prozent aller Demenzfälle lassen sich darauf zurückführen. Eine Hypertonie geht mit einer beschleunigten Hirnalterung einher, was sich über einen verstärkten Hirnvolumenverlust, gesteigerte Amyloiddeposition und eine Schädigung der weißen Substanz bemerkbar macht. Bluthochdruck tritt häufig zusammen mit anderen Risikofaktoren wie Diabetes, Übergewicht oder Bewegungsmangel auf. Diese Kombination verstärkt das Risiko zusätzlich.
- Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum (mehr als 24 Gramm täglich) geht in der Summe der verfügbaren Studien mit einem um 20 Prozent erhöhten Demenzrisiko einher und erklärt 0,8 Prozent aller Demenzerkrankungen.
- Adipositas: Adipositas geht mit einem um 60 Prozent erhöhten Demenzrisiko einher, dennoch sind nach Auffassung der Studienautoren nur 0,7 Prozent aller Demenzfälle auf ein stark erhöhtes Gewicht zurückzuführen.
- Rauchen: Rauchen ist im Alter über 65 Jahren der wichtigste Demenzrisikofaktor und geht mit einem um 60 Prozent erhöhten Risiko einher. Weltweit rauchen rund 27 Prozent der Menschen in diesem Alter, auf dieser Basis lassen sich 5,2 Prozent aller Demenzerkrankungen auf die Freude am Tabakkonsum zurückführen.
- Depression: Depressionen und psychischer Stress im Alter scheinen das Demenzrisiko zu verdoppeln. Insgesamt lassen sich 3,9 Prozent aller Demenzerkrankungen auf diesen Faktor zurückführen. Anhaltende Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug und mangelnde Selbstfürsorge belasten nicht nur die Seele - sondern auch das Gehirn.
- Soziale Isolation: Soziale Isolation im Alter wird mit einem um 60 Prozent erhöhten Demenzrisiko assoziiert, global sorgt dieser Faktor nach den Berechnungen der Experten aus London für 3,5 Prozent aller Demenzerkrankungen. Eine solche Isolation kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken. Denn das Gehirn braucht Anregung: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten es wach und leistungsfähig.
- Bewegungsmangel: Couchpotatoes haben danach ein um rund 40 Prozent erhöhtes Demenzrisiko. Weltweit sind 1,6 Prozent der Demenzfälle auf zu wenig Bewegung zurückzuführen - bei einer Inaktiven-Prävalenz von 18 Prozent. Wer sich im Alltag kaum bewegt, erhöht sein Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Bewegungsmangel beeinträchtigt die Durchblutung des Gehirns, schwächt Nervenzellen und begünstigt den geistigen Abbau.
- Luftverschmutzung: Luftverschmutzung scheint das alternde Gehirn zusätzlich zu belasten. Hierzu sind in den vergangenen Jahren viele neue Studien erschienen. Vor allem für Feinstaub und Stickoxide wird ein Zusammenhang mit Demenzerkrankungen gesehen, in Tiermodellen ließ sich damit die Amyloiddeposition beschleunigen. Was wir einatmen, kann auch unser Gehirn erreichen. Feine Partikel aus Abgasen, Industrie, Holz- und Kohleöfen können Entzündungen auslösen, die Gefäße schädigen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen.
- Diabetes: Ein Altersdiabetes geht mit einem um 50 Prozent erhöhten Demenzrisiko einher, bei einer Prävalenz von rund sechs Prozent lassen sich rund 1,1 Prozent aller Demenzerkrankungen darauf zurückführen.
Weitere Risikofaktoren
- Erhöhtes Cholesterin: Erhöhtes Cholesterin - vor allem bei Menschen unter 65 - kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen wie Amyloid-beta und verändertem Tau im Gehirn fördern, beides typische Merkmale der Alzheimer-Krankheit. Zudem belastet zu viel Cholesterin die Blutgefäße. Das steigert das Risiko für Schlaganfälle und damit auch für eine vaskuläre Demenz.
- Kopfverletzungen: Ein Sturz, eine Schlag, ein Zusammenprall - Schwere oder wiederholte Kopfverletzungen erhöhen das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer und die chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE). Besonders riskant sind Verletzungen in jungen Jahren sowie häufige Erschütterungen, wie sie beim Fußball oder in Kontaktsportarten auftreten. Sie können Entzündungen im Gehirn auslösen und die Ablagerung von Amyloid-beta und Tau fördern.
- Sehschwäche: Sehen ist mehr als nur ein Sinn - es ist geistige Anregung. Wenn das Sehvermögen nachlässt und nicht ausgeglichen wird, gehen dem Gehirn wichtige Reize verloren. Die Folge: Es wird weniger angeregt, muss sich mehr anstrengen und kann auf Dauer an Leistungsfähigkeit verlieren.
- Geschlecht: Frauen sind häufiger von Alzheimer betroffen als Männer - etwa zwei Drittel aller Betroffenen sind weiblich. Studien deuten darauf hin, dass ein sinkender Estradiolspiegel in den Wechseljahren das Alzheimer-Risiko erhöhen könnte.
Die Rolle des Blutflusses im Gehirn
Jede Gehirnaktivität verbraucht Sauerstoff, der durch das Blut ins Gehirn gelangt. Der Blutfluss ist dabei genau reguliert - sobald in einer Hirnregion die Aktivität steigt, wird genau dieser Bereich stärker durchblutet. Ist die Regulation des Blutflusses gestört, kann das zu einer vaskulären Demenz führen - einer Erkrankung, die vor allem durch eine Verlangsamung der geistigen Aktivitäten gekennzeichnet ist. Aber auch bei anderen Demenzerkrankungen besteht ein Zusammenhang zwischen Hirndurchblutung und dem Verlauf der Erkrankung.
Bei Alzheimer ist möglicherweise dieser Signalweg - und damit die Blutflussregulation - gestört. Auch wenn die Ursache für Alzheimer in Proteinablagerungen im Gehirn gesehen wird, vermutet man, dass eine Störung des Blutflusses den Krankheitsverlauf beschleunigt. Untersuchungen haben ergeben, dass Hirndurchblutungsstörungen schon früh eintreten, bevor sich die Symptome der Krankheit manifestieren.
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Stadien der Demenz
Der Verlauf einer Demenz erfolgt meist in mehreren Stadien, die die zunehmende Verschlechterung der kognitiven und körperlichen Fähigkeiten beschreiben.
- Frühes Stadium: Im frühen Demenzstadium machen sich erste Störungen im Kurzzeitgedächtnis bemerkbar. Demente Menschen können sich dann Informationen nicht mehr gut merken und haben Probleme, Gesprächen zu folgen.
- Mittleres Stadium: Im mittleren Demenzstadium wird die Erkrankung deutlich „sichtbarer“, da auch das Langzeitgedächtnis des Gehirns betroffen ist. Erkrankte können sich weniger an wichtige Erlebnisse und Ereignisse erinnern.
- Spätes Stadium oder Endstadium: Im Endstadium einer Demenz verschlechtert sich der Gesundheitszustand von Patienten so stark, dass sie rund um die Uhr auf Hilfe und Pflege angewiesen sind. Erkrankte werden immer schwächer, was sie auch anfälliger für andere Krankheiten wie Atemwegsinfekte macht.
Präventionsmaßnahmen gegen Demenz
Obwohl eine vollständige Verhinderung von Demenz bisher nicht möglich ist, gibt es zahlreiche Maßnahmen, um das Risiko deutlich zu senken:
- Gesunder Lebensstil: Eine ausgewogene Ernährung spielt eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Demenz. Eine mediterrane oder die sogenannte MIND-Diät - eine Kombination aus mediterraner und DASH-Diät - können das Risiko für Demenz deutlich senken kann. Dabei kommt es vor allem auf frische, unverarbeitete Lebensmittel an. Vitamine sind wichtig für viele Körperfunktionen - auch für Ihr Gehirn.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige Bewegung gehört zu den wirksamsten Maßnahmen, um Demenz vorzubeugen. Sie stärkt das Herz-Kreislauf-System, verbessert die Durchblutung des Gehirns und unterstützt die Bildung neuer Nervenzellen. Schon 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche können das Risiko einer Demenzerkrankung deutlich reduzieren.
- Geistige Aktivität: Geistige Anregung in jungen Jahren schützt das Gehirn - besonders durch den Aufbau sogenannter kognitiver Reserven. Um einer Demenz vorzubeugen, ist es wichtig frühzeitig anzufangen, das Gehirn fit zu halten.
- Soziale Kontakte: Wer viele Kontakte pflegt und sozial aktiv ist, kann sein Demenzrisiko nachhaltig senken. Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten es wach und leistungsfähig.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Die Vermeidung der genannten Risikofaktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und unbehandelte Seh- oder Hörschwächen kann das Demenzrisiko erheblich reduzieren.
Aktuelle Fortschritte in der Behandlung
Seit diesem Jahr stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Ursächlich bedeutet: Sie bauen aktiv Amyloid-Plaques ab. Das sind Eiweißablagerungen im Hirn, die bei der Entstehung der Krankheit eine zentrale Rolle spielen. Wirken können derartige Therapien nur, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist eine frühe Diagnose.
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