Gürtelrose und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang

Das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das sowohl Windpocken als auch Gürtelrose verursacht, steht zunehmend im Verdacht, eine Rolle bei der Entstehung von Demenz im Alter zu spielen. Obwohl die Forschung noch nicht alle Details aufgedeckt hat, deuten aktuelle Studien auf einen möglichen Zusammenhang hin.

Die Rolle des Varizella-Zoster-Virus

Das Varizella-Zoster-Virus ist ein heimtückischer Erreger. Bei Kindern verursacht es die hochgradig ansteckenden, juckenden Windpocken. Nach der Infektion verschwindet das Virus jedoch nicht vollständig aus dem Körper, sondern nistet sich in Nervenzellen ein, wo es jahrzehntelang unbemerkt ruhen kann. Wird das Virus reaktiviert, kann es eine Gürtelrose auslösen, die mit Hautausschlag und schmerzhaften Nervenentzündungen einhergeht.

Impfung gegen Gürtelrose: Mehr als nur Schutz vor Schmerzen

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung gegen Gürtelrose für Personen ab 60 Jahren, in bestimmten Fällen bereits ab 50 Jahren. Diese Empfehlung basiert hauptsächlich auf dem Schutz vor den schmerzhaften Symptomen der Gürtelrose. Seit einiger Zeit steht jedoch ein weiterer möglicher Vorteil der Impfung im Raum: die Reduzierung des Demenzrisikos.

Forschungsergebnisse deuten auf einen Zusammenhang hin

Die Forschung zu den Ursachen und dem Verlauf der Alzheimer-Demenz ist komplex und wirft viele Fragen auf. Therapien, die auf die Bekämpfung der gefürchteten Eiweißplaques im Gehirn abzielen, haben bisher kaum Erfolge gezeigt. Daher rückt die Rolle von Infektionen und Entzündungen zunehmend in den Fokus der Forschung.

Eine Studie aus Wales liefert wichtige Erkenntnisse

Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam um Pascal Geldsetzer von der Stanford-Universität nutzte eine glückliche Fügung, um den Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Demenz genauer zu untersuchen. In Wales wurde 2013 ein Impfprogramm eingeführt, das den Anspruch auf eine Gürtelrose-Impfung anhand des Geburtsdatums festlegte. Personen, die ab dem 2. September 1933 geboren waren, erhielten auf Wunsch das Vakzin, während ältere Personen keinen Anspruch hatten.

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Die Forschenden konzentrierten sich auf Waliser, die in der Woche vor und nach dem Stichtag geboren waren. Diese Gruppen unterschieden sich lediglich im Alter um wenige Tage, nicht aber in Bildungsstand, Gesundheitsstatus, Einkommen und anderen relevanten Faktoren. Anhand elektronischer Gesundheitsdaten verfolgte das Team über sieben Jahre hinweg die Anzahl der Demenzdiagnosen in beiden Gruppen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Impfung gegen Gürtelrose die Wahrscheinlichkeit einer neuen Demenzdiagnose um 3,5 Prozentpunkte senkte, was einer relativen Risikoreduktion von 20 Prozent entspricht. Besonders Frauen profitierten von der Impfung, bei ihnen verringerte sich die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung um 5,6 Prozentpunkte.

Weitere Studien bestätigen den Trend

Eine ähnliche Studie in Australien bestätigte die schützende Wirkung der Gürtelrose-Impfung gegen Demenz. Im Gegensatz zu den Ergebnissen aus Wales wurde hier jedoch bei beiden Geschlechtern ein Effekt festgestellt.

Mögliche Mechanismen der Schutzwirkung

Die genauen Mechanismen, durch die die Gürtelrose-Impfung das Demenzrisiko senken könnte, sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch verschiedene plausible Erklärungsansätze:

  • Reduktion der Virusreaktivierung: Die Impfung könnte die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die schlummernden Viren erneut erwachen, Nervenzellen direkt schädigen oder Entzündungen auslösen, die den geistigen Abbau fördern.
  • Immunmodulation: Die Impfung könnte eine Immunantwort hervorrufen, die ihre Schutzwirkung unabhängig vom Herpesvirus entfaltet.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen haben tendenziell ein aktiveres Immunsystem und reagieren stärker auf Impfungen, was möglicherweise den stärkeren Schutzeffekt bei Frauen erklärt.

Einschränkungen und offene Fragen

Es ist wichtig zu beachten, dass die Studien einige Einschränkungen aufweisen. So wurde in der walisischen Studie ein Impfstoff verwendet, der in vielen Ländern nicht mehr verabreicht wird. Zudem ist noch unklar, ob die Ergebnisse auf den heute verwendeten Totimpfstoff übertragbar sind.

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Auch die Frage, warum die Impfung bei Frauen einen stärkeren Schutzeffekt zu haben scheint, ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, darunter geschlechtsspezifische Unterschiede im Immunsystem und die höhere Prävalenz von Demenz bei Frauen.

Bedeutung für die Zukunft

Trotz der offenen Fragen eröffnen die Studien eine verlockende Perspektive: Die Impfung gegen Gürtelrose könnte vielen Menschen mehr geistig gesunde Lebensjahre bescheren, zu geringen Kosten und Risiken. Angesichts der alternden Bevölkerung und der steigenden Zahl von Demenzerkrankungen ist dies ein wichtiger Fortschritt.

Aktuelle Impfempfehlungen und zukünftige Forschung

Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Gürtelrose in Deutschland für alle Personen ab 60 Jahren und für Risikogruppen ab 50 Jahren. Angesichts der neuen Studienergebnisse sollten die Impfempfehlungen jedoch überdacht werden, insbesondere im Hinblick auf die Empfehlung für Frauen ab 50 Jahren.

Zukünftige Forschung sollte sich auf die Aufklärung der genauen Mechanismen der Schutzwirkung konzentrieren und untersuchen, ob der moderne Totimpfstoff einen ähnlichen oder sogar größeren Schutz vor Demenz bietet. Zudem sind große, randomisierte Studien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Demenz endgültig zu beweisen.

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