Rund 1,5 Millionen Deutsche leiden unter unkontrollierten Gefühlsschwankungen, häufig hoher Anspannung und starken Selbstwertproblemen. In deren Folge verspüren sie oft den Drang, sich selbst zu schädigen. Betroffene des sogenannten Borderline-Syndroms sind selbstunsicher und haben Angst, verlassen zu werden. Sie stoßen andere Menschen aber auch abwechselnd weg und umklammern diese. Einige bleiben auch lieber ganz isoliert.
Das Borderline-Syndrom ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen und Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass Borderline mehr ist als nur emotionale Instabilität. Es handelt sich um eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit, die das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen beeinflusst.
Was ist das Borderline-Syndrom?
Die Bezeichnung Borderline entstand vor 100 Jahren durch die Annahme, dass sich die Störung im Grenzbereich (engl. borderline) zwischen Neurose und Psychose bewegt. Ärztliches und therapeutisches Personal verwendet dafür inzwischen besser den Begriff „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“. Borderline zählt zu den Persönlichkeitsstörungen. Persönlichkeitsstörungen sind schwere Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens, bei denen bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur in besonderer Weise ausgeprägt, unflexibel oder wenig angepasst sind.
Symptome und Verhaltensweisen
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung fallen vor allem durch Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Mitmenschen und Probleme in der Regulation von Emotionen und Handlungsimpulsen auf. Nicht nur ihre Gefühle und Beziehungen sind wechselhaft und instabil, sondern auch ihre Wahrnehmung von sich selbst und mitunter von der Außenwelt.
Emotionale Instabilität: Personen mit einer Borderline-Störung neigen zu extremen und heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen. Oft werden diese großen Stimmungsschwankungen als unerträglich erlebt, sie führen zu einer Zerrissenheit und zu einer großen inneren Anspannung.
Lesen Sie auch: Borderline-Persönlichkeitsstörung verstehen
Impulsivität: Die Krankheit bewirkt, dass Betroffene ihre Impulse schlecht beherrschen können. Ein falsches Wort genügt, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Ein verschüttetes Glas reicht, dass die Stimmung kippt. Ohne Vorwarnung entlädt sich eine unbändige Wut, macht sich Verzweiflung breit, gerät das emotionale Gleichgewicht bei Menschen mit Borderline-Syndrom aus der Balance.
Selbstverletzendes Verhalten: Um sich aus diesem Zustand heraus zu „helfen“, wiederholen sich bei Borderline-Patient:innen bestimmte Muster. Dazu gehören Selbstverletzungen, wie das sogenannte „Ritzen“, wo sie sich mit Messern oder Rasierklingen in die Haut schneiden, oder mutwillig Verbrennungen zufügen. Ein hoher Konsum von Drogen ist auffällig. Mit dem unmenschlichen Druck, das Gefühl von Anspannung im Körper abbauen zu müssen, testen Menschen mit Borderline-Syndrom die Grenzen des Überlebens aus, wie z.B. auf Brückengeländern zu balancieren oder mit dem Auto über die Autobahn zu rasen. So sind die Formen der Selbstverletzung nicht als Suizidversuche, sondern als Regulativ zu verstehen. Sie dienen nicht dazu sich umzubringen, sondern die unerträgliche Spannung zu mindern, was zur Folge hat, dass der Körper zunehmend kein Gefühl von Schmerz mehr spürt.
Beziehungsprobleme: Zwischenmenschliche Beziehungen mit Borderline-Patient:innen sind schwer zu führen oder durchzuhalten. Verlustängste können übermächtig werden, sodass sie für den Erkrankten schwer auszuhalten sind und zu extremen Zuständen des Angespanntseins führen. So kann es sein, dass Betroffene ihre Mitmenschen zunächst überhöhen, geradezu idealisieren, um sie bei der noch so geringfügigen Enttäuschung abzuwerten. So scheitern Partnerschaften mit Menschen mit diagnostizierten Borderline-Syndrom häufig. Borderline-Patient:innen sind unsicher. Sie haben das Gefühl für sich selbst verloren und wissen nicht mehr, was ihnen gut tut oder schlecht für sie ist. Schwierigkeiten mit ihrem eigenen Ich führen zu Leere und Langeweile. Sie wissen nicht mehr, was Ihre Ziele und Wünsche sind. Ihnen fehlt ein Antrieb.
Identitätsstörung: Oft wissen sie nicht, wie und wer sie eigentlich sind und was ihre Person ausmacht. Sie haben von sich kein eigenes Bild.
Ursachen und Risikofaktoren
Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entsteht aufgrund vielschichtiger Bedingungen. Sie kann erblich veranlagt sein, die wesentlichen Beeinflussungsfaktoren sind aber die inneren und äußeren Rahmenbedingungen der Persönlichkeitsentwicklung. Zu den inneren Rahmenbedingungen zählen chronisch-organische Belastungen wie zum Beispiel ADHS, die krank machende Einflüsse haben. Stärker zu werten sind jedoch die äußeren Rahmenbedingungen wie das soziale Umfeld.
Lesen Sie auch: Bildgebung bei BPS
Traumatische Erfahrungen: Obwohl die Borderline-Störung genetisch bedingt sein kann, finden sich in 40 % bis 70 % der Fälle, Traumata wie emotionale Vernachlässigung in der Kindheit. Ebenfalls berichten Borderline-Patient:innen von Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch und Misshandlungen. Typische Gründe für die Borderline-Störung sind Vernachlässigung im frühen Kindesalter, Misshandlungen, Gewalt und sexueller Missbrauch.
Genetische Veranlagung: Es darf als erwiesen angesehen werden, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht vererbbar ist, die Veranlagung dazu aber schon. So kann das Zusammenwirken von frühkindlichen Traumata in Kombination mit einer genetischen Veranlagung Auslöser für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) hervorrufen.
Schäden im Gehirn: Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob die Tendenz, Emotionen intensiver als gesunde Menschen zu erleben, angeboren oder durch die durchlebten Traumata entstanden ist. Die Forschung kann zum jetzigen Stand belegen, dass die Kommunikation der Hirnzentren, die die emotionale Verarbeitung kontrollieren, bei Menschen mit Borderline-Symptomen gestört ist. Manche Studien berichten von einer Beeinträchtigung im Frontalhirn. In diesem Teil des Gehirns werden die Impulse gesteuert, Handlungen geplant oder auch gehemmt. Limbische Gefühlsregionen wie die Amygdala reagieren ungewöhnlich stark auf emotionale Reize, während präfrontale Bereiche, die für die Regulation von Emotionen und Handlungen wichtig sind, weniger aktiv sind. Das könnte für das von den Betroffenen berichtete emotionale Chaos verantwortlich sein.
Diagnose
Der erste Schritt zur Diagnose ist eine gründliche Anamnese durch den Facharzt. Für die Anamnese werden der Patient und, wenn möglich, andere Bezugspersonen befragt, vor allem die Eltern. Für die Diagnose müssen andere seelische Störungen, die mit teils ähnlichen Symptomen einhergehen, ausgeschlossen werden. Sind die Symptome typisch für die betroffene Person? Um eine verlässliche Diagnose eines Borderliners zu stellen, verwenden Fachärzte Diagnoseschlüssel, die international standardisiert sind. Mit diesem Schlüssel, einem ausführlichen Anamnese-Gespräch sowie diversen Tests hat der Arzt mehrere Werkzeuge zur Hand, die es ihm erlauben, andere psychische Erkrankungen auszuschließen.
Diagnostische Instrumente: Für die Diagnostik hilfreich sind zudem sogenannte halbstandardisierte Interviews. Hier werden standardisierte Fragen durch klinische Befragungen ergänzt. In unserer Klinik verwenden wir als Standard den sogenannten SCID-5. Dabei werden den Patientinnen und Patienten zunächst verschiedene Fragen vorgelegt, die sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. In den Fragen geht es unter anderem um auftretende Verhaltensmuster, Zustandsbilder oder Verhältnisse zur eigenen Person und anderen Menschen. Wenn dann eine bestimmte Punktzahl erreicht ist, folgt ein strukturiertes Gespräch mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin. Das ist eine sehr gute Möglichkeit, um eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren.
Lesen Sie auch: Borderline und Gefühlsleere: Ein Überblick
Differenzialdiagnose: Es ist wichtig, andere psychische Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen, wie z.B. Depressionen, Angststörungen, bipolare Störungen oder posttraumatische Belastungsstörungen.
Therapieansätze
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Persönlichkeitsstörung, die bisher am besten untersucht ist und für die die meisten Therapiekonzepte entwickelt wurden. Dabei steht bei alle Therapieformen die Beziehung zwischen Therapeut und Patient im Mittelpunkt der Behandlung. Ein wichtiges Ziel bei allen Therapieansätzen ist, die oft stark gestörte Identität der Betroffenen zu verändern und zu festigen. Außerdem soll ihre Neigung zu starken, wechselhaften Gefühlen und zu wechselhaftem, unberechenbaren Verhalten in Beziehungen verändert werden. Weiterhin soll ihnen deutlich gemacht werden, dass Struktur und das Einhalten bestimmter Regeln wichtig für ein funktionierendes Leben sind und auch ihr Selbstwertgefühl stärken können. Weil die Betroffenen häufig in Krisen geraten, ist es darüber hinaus wichtig, einen individuell abgestimmten Krisenplan zu entwickeln, der Reaktionsmöglichkeiten im Fall einer Krise aufzeigt.
Psychotherapie
Psychotherapeutische Ansätze Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Persönlichkeitsstörung, die bisher am besten untersucht ist und für die die meisten Therapiekonzepte entwickelt wurden. Dabei steht bei alle Therapieformen die Beziehung zwischen Therapeut und Patient im Mittelpunkt der Behandlung. Ein wichtiges Ziel bei allen Therapieansätzen ist, die oft stark gestörte Identität der Betroffenen zu verändern und zu festigen. Außerdem soll ihre Neigung zu starken, wechselhaften Gefühlen und zu wechselhaftem, unberechenbaren Verhalten in Beziehungen verändert werden. Weiterhin soll ihnen deutlich gemacht werden, dass Struktur und das Einhalten bestimmter Regeln wichtig für ein funktionierendes Leben sind und auch ihr Selbstwertgefühl stärken können. Weil die Betroffenen häufig in Krisen geraten, ist es darüber hinaus wichtig, einen individuell abgestimmten Krisenplan zu entwickeln, der Reaktionsmöglichkeiten im Fall einer Krise aufzeigt.
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Auch bei der kognitiven Verhaltenstherapie gibt es eine Reihe verschiedener Ansätze. Als der wichtigste gilt die dialektische-behaviorale Therapie nach Marsha Linehan. Sie basiert auf dem so genannten neurobehavioralen Modell, das als Ursache der Borderline-Persönlichkeitsstörung ein Zusammenspiel von genetischen Faktoren, Besonderheiten im Gehirn und ungünstigen Einflüssen in der Kindheit annimmt. Die Therapie zielt darauf ab, typische Verhaltensstrategien der Patienten wie manipulatives Verhalten allmählich zu verändern und Gegensätze, die die Betroffenen erleben, allmählich aufzulösen. Dabei sollen vor allem die Ressourcen der Patienten aktiviert und ihre psychischen und sozialen Kompetenzen gefördert werden. Der Therapeut verhält sich den Patienten gegenüber einfühlsam und fürsorglich und ermöglicht ihnen bei Krisen auch telefonische Kontakte zwischen den Therapiesitzungen. Bei der DBT nehmen die Patienten zeitgleich an einer Einzeltherapie und einer Gruppentherapie teil. Um eine Übertragung der Veränderungen ins tägliche Leben zu ermöglichen, werden auch Hausaufgaben verwendet - zum Beispiel Tagebuchaufzeichnungen oder konkrete Übungen zwischen den Stunden. Die Einzeltherapie dient dazu, individuelle Probleme der Patienten zu bearbeiten. Dabei sollen sie sich mit den Folgen ihrer Impulsivität und ihrem selbst- und fremdschädigenden Verhalten auseinandersetzen. Der Therapeut versucht, gemeinsam mit dem Patienten die Hintergründe seiner Gefühlsausbrüche herauszufinden und sucht nach Möglichkeiten, wie er seine Bedürfnisse auf eine geeignetere Art befriedigen kann. In der Gruppe sollen die Patienten aktiv neue Fähigkeiten erwerben. Dabei erhalten sie zunächst Informationen über Möglichkeiten zum Umgang mit Stress, Techniken der Selbstkontrolle und alternatives Verhalten in sozialen Beziehungen. Beim so genannten Achtsamkeitstraining üben sie Strategien, um ihre Aufmerksamkeit auf das momentane innere Erleben zu richten, emotionale Spannung besser auszuhalten und ihre Gefühle besser zu regulieren. Durch die Arbeit in der Gruppe können die Patienten Unterstützung durch andere zu erfahren und die Erfahrung machen, neue, positive Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Die DBT hat bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung gute Erfolge erzielt und wird oft als Therapie der ersten Wahl angesehen. Auch die Abbruchraten sind hier relativ niedrig. Die Dialektische Behaviorale Therapie (DBT) hilft, mit sogenannten Skills den inneren Stress zu bewältigen und negative Gefühle rechtzeitig zu erkennen, um sie unter Kontrolle zu bringen. In der ersten Therapiephase geht es um Stabilisation.
Schematherapie (SFT)
Die schemafokussierte Therapie (SFT) setzt bei eingefahrene Verhaltensmustern an. Die gilt es aufzubrechen und zu bearbeiten.
Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (MBT)
Das Ziel dieser Therapieform ist es, die so genannte Mentalisierungsfähigkeit des Patienten zu verbessern. Der Therapeut versucht dabei, sich stets der verschiedenen emotionalen Zustände des Patienten bewusst zu sein, um ihre Hintergründe zu verstehen und so die extremen emotionalen Zustände allmählich zu verändern. Auf diese Weise lernt auch der Patient mit der Zeit, seine emotionalen Zustände und die Hintergründe seines Handelns besser zu verstehen und zu verändern. In dieser Phase lernen Betroffene ihre Verhaltensweisen zu verstehen und zu interpretieren. Sie fokussiert das menschliche Miteinander.
Übertragungsfokussierte Therapie (TFP)
Bei dieser Therapieform steht die Deutung der Übertragung im Vordergrund. Übertragung bedeutet, dass der Patient Gefühle, Erwartungen und Wünsche aus früheren Beziehungen in der Kindheit unbewusst auf neue soziale Beziehungen überträgt. Der Therapeut verhält sich bei diesem Therapieansatz neutral und zurückhaltend und deutet die Gefühle und das Verhalten des Patienten, die in der Therapiebeziehung entstehen. Hier arbeitet der Therapeut an der Bewältigung von Kindheitstraumata. Der Therapeut dient als Projektionsfläche von Vater oder Mutter. Er wird entweder positiv oder negativ gesehen. Der/die Patient:in überträgt seine Beziehungserfahrungen auf den Therapeuten.
Psychoanalytische und tiefenpsychologisch-fundierte Therapie
Es gibt eine Reihe psychoanalytischer und tiefenpsychologisch-fundierter Therapieansätze für die Borderline-Persönlichkeitsstörung und Ansätze, die auf psychoanalytischen Therapien basieren. Eine wichtige Rolle in der psychoanalytischen Therapie spielt die Gegenübertragung. Damit ist gemeint, dass jeder Patient beim Therapeuten bestimmte Gefühle auslöst. Durch die starken emotionalen Reaktionen von Borderline-Patienten entstehen oft auch beim Therapeuten starke Gefühle. Diese könne ihm Informationen über die Patienten geben, aus denen er wichtige Therapiestrategien ableiten kann. Häufig wird diskutiert, ob so genannte konfrontative oder supportative Therapieformen bei der Borderline- Persönlichkeitsstörung geeigneter sind. Bei konfrontativen Ansätzen wird stärker direkt an den Konflikten und Impulsen der Patienten gearbeitet und ihr typisches Verhalten analysiert und gedeutet. Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass konfrontative Ansätze vor allem bei schwer beeinträchtigten Patienten wenig geeignet sind und sogar ungünstige Auswirkungen haben können. Bei supportativen Therapien steht dagegen ein einfühlsames, unterstützendes Verhalten des Therapeuten im Vordergrund. Dadurch soll eine Atmosphäre geschaffen werden, in der die Patienten unbewusste Konflikte, Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, ihr geringes Selbstwertgefühl und das Gefühl der inneren Leere bearbeiten können. Außerdem wird bei supportativen Therapien betont, dass sich die Therapie mehr an den Stärken und Bewältigungsmöglichkeiten der Patienten als an ihren Defiziten orientieren sollte. Psychoanalytische und tiefenpsychologische Therapieformen können insgesamt gute und langfristige Erfolge bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung erzielen. Dabei können sie Aspekte der Persönlichkeit zumindest zu einem gewissen Grad verändern.
Traumatherapie
Weil viele Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Lauf ihres Lebens traumatische Erfahrungen gemacht haben und oft auch Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zeigen, werden auch Therapieansätze aus der Traumabehandlung eingesetzt. Am Anfang steht dabei eine Stabilisierung der Betroffenen im Vordergrund. Anschließend können spezifische Strategien wie das „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ (EMDR) eigesetzt werden, um die traumatischen Erlebnisse gezielt zu bearbeiten.
Familientherapie
Die Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung werden stark durch zwischenmenschliche Konflikte und Beziehungsmuster beeinflusst - insbesondere in der Familie. Deshalb ist es oft sinnvoll, die Eltern und Geschwister oder den Partner und die Kinder des Patienten in die Therapie einzubeziehen. In der Therapie sollen ungünstige Beziehungsmuster in der Familie erkannt und durch geeignetere ersetzt werden. Dies kann sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen, die meist ebenfalls unter der Störung des Patienten leiden, sehr hilfreich sein. In manchen Fällen wird eine Familien- oder Paartherapie auch parallel zu einer Einzeltherapie durchgeführt. Wenn es gelingt, bei jungen Menschen, die sich einer Borderline-Therapie unterziehen, die Familie mit einzubeziehen, ist das ein großer Schritt in die die richtige Richtung. Familienmitglieder leiden unter Borderlinern ebenso, wie sie sie unterstützen können, vorhandene Denk- und Verhaltensweisen zum positiven zu verändern.
Medikamentöse Behandlung
Wegen der vielfältigen und oft schweren Symptome einer Borderline-Störung ist es oft sinnvoll, bei der Behandlung auch Psychopharmaka einzusetzen. Die Auswahl der Medikamente richtet sich dabei vor allem nach den Symptomen, die im Vordergrund stehen. Meist wird empfohlen, Psychopharmaka nur in Kombination mit einer Psychotherapie zu verwenden und die Einnahme eng zu überwachen, weil manche Medikamente das Selbsttötungsrisiko erhöhen können. Außerdem besteht sonst die Gefahr, dass die Patienten die Medikamente missbrauchen oder sie eigenständig absetzen. Am häufigsten kommen bei einer Borderline-Störung Antidepressiva zum Einsatz. Dabei haben sich vor allem Antidepressiva aus der Gruppe der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) als günstig erwiesen. Sie können eine depressive Symptomatik, Ängste, aber auch aggressive Impulse und den Drang, sich selbst zu verletzen, reduzieren. Teilweise werden auch Neuroleptika verordnet, und zwar vor allem bei impulsivem Verhalten, Selbsttötungs-Tendenzen und bei psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen. Um schwere Nebenwirkungen wie anhaltende Bewegungsstörungen (Dyskinesien) zu vermeiden, werden meist neuere, atypische Neuroleptika gegeben. Teilweise werden auch Stimmungsstabilisierer, wie sie bei manisch-depressiven Erkrankungen eingesetzt werden, verordnet. Da es keine speziellen Borderline-Arzneimittel gibt, greifen die Fachleute auf stabilisierende Medikamente zurück, wie z.B. Lithium. Borderliner mit starken Ängsten können mit Benzodiazepinen behandelt werden, die allerdings süchtig machen können.
Mögliche Probleme in der Psychotherapie und Lösungsansätze
Eine Therapie mit Borderline-Patienten ist oft schwierig, weil es ihnen schwerfällt, eine konstruktive, dauerhafte Therapiebeziehung einzugehen. Durch ihre vielfältigen negativen Erfahrungen fällt es ihnen oft schwer, Vertrauen zu einem Therapeuten aufzubauen. Sie neigen in der Therapie zu sehr wechselhaften Gefühlen und ändern oft ihre Haltung dem Therapeuten gegenüber abrupt - zum Beispiel idealisieren sie ihn zeitweise und werten ihn dann wieder stark ab. Vor allem, wenn schwierige oder angstauslösende Themen angesprochen werden, reagieren die Betroffenen oft aggressiv, ziehen sich stark zurück oder brechen die Therapie abrupt ab. Deshalb ist es besonders wichtig, eine gute, tragfähige therapeutische Beziehung aufzubauen, bei der den Patienten ein grundlegendes Gefühl von Sicherheit vermittelt wird. Dabei hat sich gezeigt, dass Therapien vor allem dann erfolgreich sind, wenn den Therapeuten das Wohl ihrer Patienten wirklich am Herzen liegt und sie sich aktiv darum bemühen. Allerdings neigen die Betroffenen auch dazu, die Tragfähigkeit der therapeutischen Beziehung immer wieder zu testen - zum Beispiel, indem sie sich nicht an Vereinbarungen halten oder den Therapeuten schlecht machen. Der Therapeut sollte sich in diesen Fällen weiterhin wertschätzend und unterstützend verhalten und deutlich machen, dass die therapeutische Beziehung trotzdem Bestand hat - auf der anderen Seite sollte er aber auch klare Grenzen setzen. Auch der Abschluss einer Therapie gestaltet sich oft schwierig, weil die Betroffenen starke Trennungsängste haben. Sie versuchen dann oft, das Therapieende hinauszuzögern, indem sie wieder stärker zu krisenhaftem Verhalten neigen. Deshalb ist es wichtig, von Anfang an klar zu machen, dass die Therapie nur eine begrenzte Zeit dauert. Gegen Ende wird der Abstand zwischen den Therapiesitzungen allmählich erhöht. Der Therapeut steht aber oft weiterhin (zum Beispiel telefonisch) zur Verfügung, wenn die Patienten in Krisen geraten und Hilfe benötigen.
Leben mit Borderline
Mit dem Borderline-Syndrom erkrankte Menschen sind dazu verdammt, emotional instabil und impulsiv zu sein. Die Herausforderungen, die eine Borderline-Erkrankung mit sich bringt, sind für Patient:innen und Therapeut nicht leicht zu bewältigen.
Auswirkungen auf den Alltag
Von Borderline betroffenen Menschen haben es schwer eine Ausbildung zu ergreifen oder einen Beruf auszuüben. Langjährige Aufenthalte in Kliniken oder die andauernde therapeutische Behandlung hindern sie daran.
Borderline und Familie
Männer oder Frauen, die ein Kind erwarten und eine Borderline-Persönlichkeitsstörung haben, müssen nicht zwangsläufig schlechte Eltern sein. Es bedeutet nicht, dass ihr Kind zwangsläufig am Borderline-Syndrom leiden wird. Dennoch ist die Sorge und der Selbstzweifel groß, dem Kind nicht gerecht werden zu können. Dennoch sollte man die mögliche Überforderung des Eltern-Daseins ernst nehmen. Ein Kind zu erziehen und mit ihm zu leben, ist für Borderline-Patient:innen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Allein die eigenen traumatischen Erinnerungen, die das Kind wecken kann, können überfordernd sein. Das kann bewirken, dass der Elternteil sich wieder in die Kinderrolle versetzt. Je schwerer das Borderline-Syndrom bei einem Elternteil ausgeprägt ist, desto mehr müssen Kinder in dieser Umgebung leiden. Das zeigt ihr Handeln, indem sie versuchen, den Ansprüchen des Borderliners zu genügen. Es erfolgt ein Rollentausch, indem die Kinder sich um die Eltern kümmern und zu früh Verantwortung übernehmen, die sie kaum erfüllen können. Eltern mit Borderline-Syndrom sollten sich Unterstützung suchen. Mit therapeutischer Hilfe lernen Eltern, die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen.
Unterstützung für Angehörige
Angehörige von Borderlinern sind großen Belastungen ausgesetzt. Aus diesem Grund sollten sich Angehörige und Freunde ausführlich informieren oder eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen. Je mehr nahestehende Personen der Patient:innen über Borderline wissen, desto besser lässt sich mit der Krankheit ein gemeinsames Leben aufrechterhalten. Das Beste für den Erkrankten ist, wenn ihm nahestehende Menschen auf dem Weg durch die Therapie mit Verständnis und Wohlwollen begleiten. Gerade weil das viel Kraft kostet, sollten sich die Angehörigen auch um ihr seelisches Wohl kümmern.
Neue Perspektiven in der Diagnostik und Behandlung
Die Diskussion darüber, wie man psychiatrische Diagnosen flexibler und besser an den individuellen Fall anpassen kann, läuft schon seit vielen Jahren. Die Crux: Wenn man die alten Kategorien aufgibt, droht wieder die Gefahr der Beliebigkeit. Die Therapeuten könnten sich dann auch schlechter darüber verständigen, was sie wie behandeln. Nur bei den Persönlichkeitsstörungen hat man sich im neuen ICD-11 überhaupt der Herausforderung gestellt. Hier hatten die Probleme einfach überhandgenommen. Immer häufiger retteten sich die Psychiater in die unklare Diagnose „Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet“. Und so wird dieses Störungsbild jetzt zum Testfall für die Zukunft der gesamten Psychiatrie.
ICD-11: Ein neuer Ansatz
Das ICD-11 streicht zum 1. Januar 2022 die bisherigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen aus dem Katalog. Kein Narzissmus mehr, keine paranoide oder dissoziale Persönlichkeitsstörung. Es gibt nur noch die allgemeine Diagnose „Persönlichkeitsstörung“. Dazu Kriterien, die umschreiben sollen, wie viel Hilfe jemand braucht. Eine radikale Abkehr vom bisherigen Weg der Schulpsychiatrie.
Dimensionale Diagnose
Wenn geklärt ist, ob ein Patient unter einer leichten, mittleren oder schweren Persönlichkeitsstörung leidet, sollen die Psychiater den Einzelfall näher analysieren. Der Fachbegriff heißt „Dimensionale Diagnose“. Dafür bietet das ICD-11 fünf Dimensionen an. Das heißt wie stark die Person negativ denkt. Und das andere ist 'Dissozialität', da versteht man eben diese Selbstbezogenheit darunter und diesen Mangel an Einfühlungsvermögen in andere, das Unbedingt-Durchsetzen-Wollen der eigenen Bedürfnisse. Fehlen noch die „Hemmungsschwäche“ und die „Zwanghaftigkeit“. Mit diesen fünf Dimensionen soll die Vielfalt der Persönlichkeitsstörungen flexibel erfasst werden, ohne sie in allzu starre Schubladen zu pressen. Ein Patient kann dann problemlos mehrere Dimensionen aufweisen. Überlappungen sind kein Problem mehr, sondern dienen dazu, dem realen Patienten gerecht zu werden.
tags: #borderline #demenz #unterschied