Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch instabile Emotionen, Beziehungen und ein unsicheres Selbstbild gekennzeichnet ist. Betroffene erleben oft starke innere Spannungen, intensive Gefühle und das Gefühl, sich selbst nicht zu spüren. Die Erkrankung betrifft vor allem junge Menschen und kann ohne Unterstützung chronisch werden. Glücklicherweise ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung gut behandelbar. Die Forschung setzt auf moderne Medizintechnik wie die Magnetresonanztomographie (MRT), um die komplexen Fragestellungen in der Psychiatrie besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.
MRT-Studien bei Borderline-Persönlichkeitsstörung: Ein Überblick
Die Magnetresonanztomographie (MRT) hat sich als wertvolles Instrument in der Erforschung der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) etabliert. Verschiedene Studien nutzen MRT-Techniken, um die neurobiologischen Grundlagen der BPS besser zu verstehen. Dabei werden sowohl strukturelle als auch funktionelle MRT-Methoden eingesetzt, um Unterschiede im Gehirn von BPS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen zu identifizieren.
Strukturelle MRT-Studien
Strukturelle MRT-Studien untersuchen die anatomische Beschaffenheit des Gehirns. Eine Studie untersuchte die Integrität der weißen Substanz im Bereich des orbitofrontalen Kortex und der Neuronenfortsätze, die durch das Striatum und den präfrontalen Kortex ziehen, bei Patientinnen mit BPS und komorbider Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Durch die Festlegung der ADHS-Komorbidität als Einschlusskriterium wird die Homogenität der untersuchten Stichprobe erhöht, da ADHS eine häufige komorbide Störung ist und BPS und ADHS Kernsymptome gemeinsam haben wie Impulsivität und emotionale Instabilität. Zusätzlich wurden stark ausgeprägte emotionale Eigenschaften wie Depressivität, Aggressivität, Affektregulation und allgemeine Psychopathologie erfasst und mit der Integrität dieser Strukturen in Zusammenhang gebracht.
Eine weitere Studie soll Volumenminderungen der Hippocampusformationen und der Corpora amygdaloidea bei BPD-Patientinnen im Vergleich zu Gesunden zeigen. Zudem soll untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen neuropsychologischen Leistungen, insbesondere deklarativen Gedächtnisleistungen, und dem Volumen des Hippocampus besteht, sowie ein inverser Zusammenhang zwischen dem Volumen des Hippocampus und der neuropsychologischen Leistungen einerseits und dem Ausmaß von retrospektiv berichteter Traumatisierung in Kindheit und Jugend andererseits.
Funktionelle MRT-Studien (fMRT)
Funktionelle MRT-Studien (fMRT) ermöglichen es, die Aktivität verschiedener Hirnregionen während unterschiedlicher Aufgaben oder in Ruhe zu untersuchen. In den 90er Jahren wurde entdeckt, dass ein funktionelles MRT Aktivitäten und auch Defizite im Gehirn erkennbar macht. Ergebnisse hierzu nutzen heute Neurochirurgen, zum Beispiel bevor sie einen epileptischen Fokus operativ entfernen. Dann zeigt das MRT im Vorfeld, wo Gehirnbereiche für die Motorik genau liegen oder auch das Sprachzentrum, also Zonen, die unangetastet bleiben müssen.
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Eine Studie verwendete einen fMRT-Hyperscanning-Ansatz, um spezifische Risikomarker zu identifizieren und die neuronalen Mechanismen zu untersuchen, die den Entscheidungsprozessen für Aggression und Selbstverletzung nach wahrgenommener sozialer Ausgrenzung bei Borderline-Patientinnen während der Interaktion mit Freundinnen zugrunde liegen. Dreißig Frauen, bei denen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde, und ihre gesunden Freundinnen werden dabei jeweils paarweise gleichzeitig in zwei fMRTs untersucht. Die Verhaltensentscheidungen (Selbstschädigung oder Aggression) und die Gehirnaktivität während dieser Entscheidungen sowie in der Feedback-Phase, wenn sie die Geräuschreize erhalten werden aufgezeichnet. Zusätzlich werden Persönlichkeitsfragebögen ausgefüllt um das Level von Aggressionsmerkmalen der Versuchspersonen zu erheben.
In einer weiteren fMRT-Studie wurde untersucht, wie attentionale und emotionale bzw. motivationale Systeme bei der BPS in einem ausgewählten Inhibitionsparadigma zusammenspielen.
fMRT und Schmerzwahrnehmung
Der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) liegen Regulationsstörungen im Bereich des Emotions- sowie Affektverhaltens zugrunde, welche von den Betroffenen selbst als sehr quälend erlebt werden und zu einer hohen inneren Anspannung führen. Es konnte bereits in mehreren Studien belegt werden, dass BPS-Patientinnen ein reduziertes Schmerzempfinden im Vergleich zu gesunden Kontrollprobandinnen aufweisen. Mittels Bildgebung konnten neurobiologische Korrelate einer veränderten Schmerzwahrnehmung in BPS detektiert werden, u.a. eine Deaktivierung der Amygdala durch einen Hitzeschmerzreiz, während dem gegenübergestellt eine verstärkte Aktivierung der Amygdala unter Normalbedingungen und/oder unter emotionaler Anspannung gefunden wurde.
Eine Studie untersuchte die Auswirkungen einer Inzision mit einer nicht-invasiven Klinge - der „Blade“ - im Vergleich zu einem Hitzereiz mittels Thermode bei BPS-Patientinnen mit nicht-suizidalem selbstverletzenden Verhalten (NSSV). Es fanden sich Unterschiede in Dauer und Qualität. Insgesamt fanden sich keine signifikanten affektiven Deskriptoren sowie eine signifikant geringere Bewertung der Blade (4096mN, 1s) als „spitz/scharf“ in der BPS-Gruppe als in der GK-Gruppe. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die „Blade“ auch bei BPS-Patientinnen als scharfer mechanischer Reiz ein vergleichbares Schmerzerlebnis wie eine echte Stichinzision hervorrufen und zudem repetitiv im MRT verwendet werden kann. Damit können der BPS zugrundeliegende Pathomechanismen aufgedeckt werden, um neue therapeutische Ansatzpunkte zu bieten.
fMRT und Spiegelneuronen
„Die emotionale Überempfindlichkeit von Borderline-Patientinnen wird begleitet von einer erhöhten Aktivität spezifischer Spiegelneuronen“, erklärt Prof. Roberto Viviani. Spiegelneuronen sind im präfrontalen und im sensorischen Cortex des Gehirns zu finden. Die Arbeitsgruppe von Viviani hat herausgefunden, dass BPS-Patientinnen besonders stark auf Szenen von Verlust und Trauer reagieren. Wie die Aufnahmen aus der magnetresonanztomografischen Untersuchung (MRT) zeigten, waren bestimmte Areale im Spiegelneuronen-System deutlich stärker aktiviert als in der „normalen“ Kontrollgruppe, wenn sie mit Verlust konfrontiert wurden. Ein weiterer Befund, der bei der Untersuchung zutage trat, war für das Forscher-Team noch überraschender. So war auf den MRT-Aufnahmen im Vergleich mit der gesunden Kontrollgruppe deutlich zu erkennen, dass es weitere Unterschiede im präfrontalen Cortex gab. Hier zeigte sich, dass bei den BPS-Patientinnen ein Bereich weitaus weniger stark aktiviert war, der für die kognitive Beurteilung von Gefühlszuständen Anderer entscheidend ist. Dieser Bereich ist für die sogenannte „Mentalisierung“ verantwortlich, also für die reflektive Einstufung von Gefühlswahrnehmungen.
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MR-Spektroskopie
Die MR-Spektroskopie bietet eine elegante Alternative, um die Gesamtmenge des Glutamats in einer bestimmten Gehirnregion zu messen. Dies ist ein potenzieller Marker für bestimmte Verhaltensveränderungen. Es wird übrigens auch mit den Entzugserscheinungen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit in Verbindung gebracht.
Neurofeedback im MRT
Ein MRT-Gerät könnte sogar direkten therapeutischen Nutzen haben, wenn wir an das Neurofeedback denken. Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung können ihre Emotionen nicht gut regulieren. Im MRT zeigt sich das konkret an der Aktivität einer bestimmten Hirnregion, des so genannten Mandelkerns, auch als Amygdala bezeichnet. Dieser Mangel an Kontrolle lässt sich aber durch Training verbessern, eben durch so genanntes Neurofeedback. Das Training läuft dann im MRT-Gerät ab, das die Aktivität im definierten Gehirnbereich erfasst und sie dem Patienten in Form einer thermometerähnlichen Skalendarstellung zeigt. Der Patient sieht ausgewählte Bilder und reagiert darauf emotional - und lernt, wie er Stärke und Dauer seiner Reaktion selbst beeinflussen kann.
Technische Fortschritte und Zukunftsperspektiven
Die Technik hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Angefangen hat man mit Geräten mit einer Magnetfeldstärke von 1,5 Tesla. Heute sind Geräte mit 7 Tesla im Einsatz, die noch detailliertere Aufnahmen ermöglichen. Die 7-Tesla-Geräte sind inzwischen als Medizinprodukte zertifiziert und tragen das CE-Kennzeichen, wir dürfen Patienten also damit untersuchen. Aber es gibt noch längst nicht alle Untersuchungsprogramme, die wir von den 3-Tesla-Geräten gewohnt sind, auch für die Geräte mit der hohen Magnetfeldstärke. Daran arbeiten die Hersteller noch. Auch für die MR-Spektroskopie haben wir noch nicht alle Möglichkeiten zur Verfügung. Und natürlich ist KI in unserem Umfeld ein Thema. Da sehen wir interessante Ansätze, wie sich die Darstellungen verbessern lassen.
Die Bedeutung der MRT für die Forschung und Diagnostik der BPS
Die MRT ermöglicht es, die komplexen neurobiologischen Grundlagen der Borderline-Persönlichkeitsstörung besser zu verstehen. Bisher zeigen uns die Forschungsergebnisse, die wir im psychiatrischen Umfeld mit dem MRT bekommen, vor allem Ansätze, in welche Richtung wir in Zukunft gehen können. Diese Ansätze sind sehr interessant und viel versprechend. Aber man muss auch ganz klar sagen, dass wir von Forschung sprechen und noch nicht von Diagnostik. Es gibt aber noch keine eindeutigen Marker, die wir mit einzelnen Erkrankungen verbinden können.
Die Ergebnisse aus MRT-Studien können dazu beitragen, neue Therapieansätze zu entwickeln und die Behandlung von BPS-Patienten zu verbessern. Wenn ein Medikament es dem Patienten ermöglicht, seine Gehirnaktivität besser herunterzufahren als vorher, ist das ein gutes Zeichen für die Wirksamkeit. Und für Arzt und Patienten heißt das, dass die Therapie auf dem richtigen Weg ist.
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