Was ist eine Lähmung? Definition, Ursachen, Diagnose und Therapie

Eine Lähmung, in der Fachsprache auch Plegie genannt, beschreibt den teilweisen oder vollständigen Verlust der willkürlichen Muskelkraft in einem oder mehreren Körperteilen. Betroffene können die betroffenen Muskeln nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewegen. Eine Lähmung ist keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr ein Symptom, das auf eine zugrunde liegende Erkrankung oder Schädigung des Nervensystems hinweist. Das Nervensystem umfasst das Gehirn, das Rückenmark und die peripheren Nervenbahnen.

Einführung in das Thema Lähmung

Die Fähigkeit, sich zu bewegen und Empfindungen wahrzunehmen, basiert auf einem komplexen Zusammenspiel zwischen Nerven, Gehirn und Muskulatur. Wenn Nervenbahnen beschädigt werden, beispielsweise durch Verletzungen oder Erkrankungen, kann die Kommunikation zwischen diesen Systemen gestört werden, was zu Bewegungs- und Empfindungsstörungen oder sogar zum vollständigen Funktionsausfall eines Körperteils führen kann.

Formen von Lähmungen

Lähmungen werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt, darunter:

  • Ausmaß der Lähmung:
    • Parese: Eine leichte Schwäche bestimmter Muskeln. Es handelt sich um einen teilweisen Verlust der Kraft, der in verschiedene Grade unterteilt wird.
    • Plegie/Paralyse: Ein vollständiger Verlust der Muskelkraft. Der Begriff Plegie bezieht sich spezifisch auf die Lähmung von Skelettmuskeln, während Paralyse jede Art von Muskel betreffen kann.
  • Betroffene Körperregion:
    • Monoparese/Monoplegie: Betrifft eine einzelne Extremität (Arm oder Bein).
    • Paraparese/Paraplegie: Betrifft beide Beine oder beide Arme. Bei einer Querschnittslähmung können Paraplegie und Tetraplegie auftreten.
    • Tetraparese/Tetraplegie: Betrifft alle vier Extremitäten (Arme und Beine).
    • Hemiparese/Hemiplegie: Betrifft eine Körperhälfte (links oder rechts).
    • Diplegie: Betrifft vor allem bei Kindern mit Zerebralparese entweder beide Arme oder beide Beine.
  • Ursprung der Schädigung:
    • Zentrale Lähmung: Ursprung im Gehirn oder Rückenmark. Betrifft Muskelgruppen und führt zu einer dauerhaften Anspannung der Muskulatur (Spastik) und gesteigerten Muskelreflexen.
    • Periphere Lähmung: Ursprung in den Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks. Betrifft den Bereich, den ein oder mehrere periphere Nerven mit Nervenimpulsen versorgen, und führt zu Muskelschwund und verminderter Muskelspannung.

Ursachen von Lähmungen

Lähmungen können durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, die das Nervensystem beeinträchtigen. Einige der häufigsten Ursachen sind:

  • Schlaganfall: Eine plötzliche Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns kann zu einer Schädigung von Hirnarealen führen, die für die Steuerung von Bewegungen verantwortlich sind.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen des Kopfes können zu direkten Schäden des Gehirns oder zu Blutungen und Schwellungen führen, die Nervenbahnen komprimieren und Lähmungen verursachen können.
  • Rückenmarksverletzungen: Verletzungen der Wirbelsäule können das Rückenmark schädigen und zu Querschnittslähmungen führen. Die Höhe der Verletzung bestimmt, welche Körperteile betroffen sind.
  • Multiple Sklerose (MS): EineAutoimmunerkrankung, bei der die Schutzschicht um die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark angegriffen wird, was zu Entzündungen und Schädigungen der Nerven führt.
  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine progressive neurodegenerative Erkrankung, die zum Absterben von Nervenzellen führt, die für die Steuerung der Muskeln verantwortlich sind.
  • Bandscheibenvorfall: Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Hals- oder Lendenwirbelsäule kann auf Nervenwurzeln drücken und Schmerzen, Gefühlsverlust und Lähmungen verursachen.
  • Hirntumore und Rückenmarkstumoren: Tumore im Gehirn oder Rückenmark können Nervenbahnen komprimieren oder zerstören und zu Lähmungen führen.
  • Infektionen: Bestimmte Infektionen wie Borreliose, Diphtherie, Botulismus, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Kinderlähmung, Hirnhautentzündung (Meningitis) und Gehirnentzündung (Enzephalitis) können das Nervensystem schädigen und Lähmungen verursachen.
  • Polyneuropathien: Schädigungen peripherer Nerven, die beispielsweise durch Diabetes mellitus verursacht werden können.
  • Fazialisparese (Gesichtslähmung): Eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur, die durch eine Störung des Gesichtsnervs verursacht wird.
  • Muskeldystrophien: Eine Gruppe von genetisch bedingten Muskelerkrankungen, die zu Muskelschwäche und Muskelschwund führen.
  • Myasthenia gravis: Eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu Lähmungserscheinungen bestimmter Muskelgruppen kommt, die sich bei längerer Muskelbeanspruchung im Tagesverlauf verschlimmern.
  • Guillain-Barré-Syndrom: Eine seltene Autoimmunerkrankung, die als Komplikation nach einer Infektion auftreten kann und zu aufsteigenden Lähmungen in den Beinen führt.
  • Kompression peripherer Nerven: Beispielsweise beim Karpaltunnelsyndrom (Einklemmung des Nervus medianus im Handgelenk) oder Schädigung des Nervus ulnaris im Ellenbogenbereich.
  • Psychische Erkrankungen: In seltenen Fällen können psychische Erkrankungen wie somatoforme Störungen zu Lähmungserscheinungen führen, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden können (funktionelle Lähmungen).

Symptome von Lähmungen

Die Symptome einer Lähmung variieren je nach Art, Ursache und Ausmaß der Nervenschädigung. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Verlust der Muskelkraft: Unfähigkeit, bestimmte Muskelgruppen zu bewegen.
  • Muskelschwäche: Schwierigkeiten, Bewegungen auszuführen oder Gegenstände zu halten.
  • Spastik: Muskelkrämpfe oder erhöhte Muskelspannung.
  • Schlaffe Lähmung: Verminderte Muskelspannung oder schlaffes Herabhängen eines Körperteils.
  • Gefühlsstörungen: Taubheit, Kribbeln oder Verlust der Empfindung in den betroffenen Körperteilen.
  • Schmerzen: Nervenschmerzen oder Schmerzen aufgrund von Muskelverspannungen oder Druckgeschwüren.
  • Koordinationsstörungen: Schwierigkeiten, Bewegungen zu koordinieren und das Gleichgewicht zu halten.
  • Sprachstörungen: Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache (bei Lähmung der Gesichtsmuskulatur).
  • Eingeschränkte Mimik: Schwierigkeiten, Gesichtsausdrücke zu zeigen (bei Lähmung der Gesichtsmuskulatur).

Diagnose von Lähmungen

Bei jeder neu aufgetretenen Lähmung ist eine ärztliche Untersuchung unerlässlich, um die Ursache zu ermitteln und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Die Diagnose umfasst in der Regel die folgenden Schritte:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich der Art und des Verlaufs der Lähmung, Begleitsymptome, Vorerkrankungen und eingenommene Medikamente.
  • Körperliche Untersuchung: Untersuchung des betroffenen Körperteils, um den Grad der Lähmung, die Muskelkraft, die Reflexe, die Sensibilität und die Koordination zu beurteilen. Der Arzt kann durch spezielle Tests feststellen, ob die Lähmung körperliche oder psychische Ursachen hat.
  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Nervenfunktion, einschließlich der Hirnnerven, der motorischen und sensorischen Funktionen und der Reflexe.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Darstellung von Struktur und krankhaften Veränderungen im Hirngewebe und im Schädelbereich. Funktionelle MRT (fMRT) kann die Durchblutung und Stoffwechselaktivität in bestimmten Gehirnregionen während einer Aufgabe darstellen.
    • Computertomographie (CT): Zur Darstellung der normalen Struktur und krankhafter Veränderungen oder Verletzungen im Schädelbereich.
    • Elektroenzephalografie (EEG): Zur Darstellung der elektrischen Hirnaktivität.
  • Elektromyografie (EMG): Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln, um den Zustand der Nerven zu beurteilen.
  • Nervenleitgeschwindigkeitsmessung: Messung der Geschwindigkeit, mit der elektrische Impulse entlang der Nerven wandern, um Schädigungen der Nerven zu erkennen.
  • Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser zur Untersuchung auf Entzündungen oder Infektionen des Nervensystems.
  • Blutuntersuchungen: Zur Identifizierung von Infektionen, Entzündungen oder anderen Erkrankungen, die Lähmungen verursachen können.
  • Muskelbiopsie: Entnahme einer Muskelprobe zur Untersuchung unter dem Mikroskop, um Muskelerkrankungen zu diagnostizieren.

Therapie von Lähmungen

Die Behandlung von Lähmungen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Einige allgemeine Therapieansätze sind:

  • Behandlung der Grunderkrankung:
    • Schlaganfall: Schnellstmögliche Wiederherstellung der Durchblutung und Sauerstoffversorgung des betroffenen Hirnareals.
    • Infektionen: Antibiotika oder virushemmende Medikamente.
    • Hirntumore: Operation, Chemotherapie oder Strahlentherapie.
    • Bandscheibenvorfall: Schmerzmittel, Physiotherapie oder Operation.
  • Physiotherapie: Verbesserung der Muskelkraft, der Beweglichkeit, der Koordination und des Gleichgewichts. Neurophysiologische Behandlungen (Bobath, Vojta, PNF, Feldenkrais Methode) können helfen, die Muskelspannung bei Spastik zu senken.
  • Ergotherapie: Förderung der Selbstständigkeit im Alltag durch Training vonAlltagsaktivitäten undAnpassung der Umgebung.
  • Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
  • Medikamentöse Therapie:
    • Schmerzmittel: Zur Linderung von Nervenschmerzen oder Muskelschmerzen.
    • Muskelrelaxantien: Zur Reduzierung von Muskelkrämpfen und Spastik (z.B. Baclofen).
    • Botulinumtoxin-Injektionen: Zur gezielten Reduzierung der Muskelspannung bei Spastik.
  • Hilfsmittel:
    • Rollstühle: Zur Verbesserung der Mobilität.
    • Orthesen: Zur Unterstützung und Stabilisierung von Gelenken.
    • Gehhilfen: Zur Unterstützung beim Gehen.
    • Kommunikationshilfen: Zur Unterstützung der Kommunikation bei Sprachstörungen.
  • Psychologische Betreuung: Unterstützung bei der Bewältigung der emotionalen und sozialen Folgen der Lähmung.
  • Rehabilitation: Ein umfassendes Programm, das verschiedene Therapieansätze kombiniert, um dieFunktionsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
  • Operation: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um die Ursache der Lähmung zu beheben, z. B. bei einem Bandscheibenvorfall oder einem Tumor.

Leben mit einer Lähmung

Eine Lähmung kann für Betroffene und ihre Familien eine große Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Mit den richtigen Hilfsmitteln, Therapien und Strategien können Menschen mit Lähmungen ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen.

Wichtige Hinweise

  • Bei plötzlich auftretenden Lähmungserscheinungen an Extremitäten oder im Gesicht sollte umgehend der Notruf 112 gewählt werden, da dies ein Anzeichen für einen Schlaganfall sein kann.
  • Auch bei kurzzeitigen Lähmungen, die am selben Tag wieder verschwinden, sollte ein Arzt aufgesucht werden, da dies ein Warnsignal für einen drohenden Schlaganfall sein kann.
  • Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass die medizinischen Wünsche des Patienten auch in unerwarteten Situationen respektiert werden.

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