Wadenkrämpfe sind ein weit verbreitetes Phänomen, das viele Menschen betrifft. Sie äußern sich durch plötzliche, schmerzhafte Kontraktionen der Wadenmuskulatur und können in verschiedenen Situationen auftreten, sei es beim Sport, nachts im Bett oder sogar in Ruhephasen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Wadenkrämpfen, gibt Tipps zur Soforthilfe und zeigt Möglichkeiten zur Vorbeugung auf.
Wie äußern sich Wadenkrämpfe?
Ein Wadenkrampf tritt meist unerwartet auf - sei es beim Sport, beim Schwimmen oder abends im Bett. Der Muskel zieht sich äußerst schmerzhaft zusammen und verhärtet sich. Diese Verhärtung ist tastbar. Manchmal krümmen sich auch der Fuß und die Zehen des betroffenen Beines nach unten, was Mediziner als Plantarflexion bezeichnen. Muskelkrämpfe treten am häufigsten nachts auf und betreffen ältere Menschen häufiger als junge Erwachsene. Ein Krampf in der Wade dauert typischerweise einige Sekunden bis mehrere Minuten. Kräftiges Dehnen kann helfen, den Krampf zu lösen. Wichtig ist, Wadenkrämpfe nicht mit anderen Beinbeschwerden wie dem Restless-Legs-Syndrom zu verwechseln.
Ursachen von Wadenkrämpfen
Wadenkrämpfe können vielfältige Ursachen haben, und nicht immer lässt sich eine eindeutige Ursache feststellen. Treten sie nur gelegentlich auf und verschwinden schnell wieder, besteht meist kein Grund zur Sorge. Verkrampfen sich die Muskeln jedoch wiederholt, möglicherweise auch in anderen Körperpartien, kann eine ernsthafte Erkrankung dahinterstecken. In der Medizin unterscheidet man drei Kategorien von Wadenkrämpfen:
- Paraphysiologische Krämpfe: Diese Krämpfe sind meist auf ein Ungleichgewicht der Elektrolyte (z.B. Magnesium, Kalzium, Natrium) zurückzuführen und treten gelegentlich während der Schwangerschaft oder nach sportlicher Betätigung auf.
- Idiopathische Krämpfe: Die Ursache dieser Krämpfe ist unklar. Betroffene können erblich veranlagt sein oder es besteht eine noch nicht diagnostizierte Erkrankung wie Diabetes mellitus.
- Symptomatische Krämpfe: Diese Krämpfe werden durch unterschiedliche Erkrankungen von Nervensystem, Herz, Muskeln oder Stoffwechsel ausgelöst. Auch Vergiftungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten können symptomatische Krämpfe verursachen.
Typische Auslöser für Wadenkrämpfe
Wadenkrämpfe entstehen oft, wenn man die Muskeln entweder zu stark oder zu wenig fordert. Zu den typischen Risikofaktoren und Auslösern gehören:
- Flüssigkeitsmangel
- Unterversorgung mit Mineralstoffen wie Magnesium, Kalzium und Natrium (z.B. bei vermehrtem Schwitzen, starkem Durchfall oder Erbrechen)
- Schwangerschaft
- Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder eine Unterfunktion der Schilddrüse
- Chronische Nierenerkrankungen, insbesondere bei Dialyse
- Neurologische Erkrankungen, z.B. die Parkinson-Krankheit, die Amyotrophe Lateralsklerose oder eine Polyneuropathie
- Bestimmte Muskelerkrankungen
- Leberzirrhose
- Einnahme von Medikamenten (z.B. bestimmte Medikamente gegen Asthma, Blutdrucksenker, entwässernde Medikamente (Diuretika), Blutfettsenker vom Typ der Statine)
- Erhöhter Alkoholkonsum
Weitere Faktoren, die Wadenkrämpfe begünstigen können
- Fehlbelastungen bestimmter Muskeln durch Gelenkprobleme oder einseitige Körperhaltungen
- Fußfehlstellungen wie Senk- oder Spreizfüße
- Ungünstige Schlafpositionen, z.B. mit überstrecktem Fuß schlafen
- Schlechtsitzende Schuhe
- Schwimmen in kaltem Wasser
- Zunehmendes Lebensalter (Muskelverkürzung und Muskelmasseabbau)
Elektrolytstörungen als Ursache
Den meisten Wadenkrämpfen liegt ein Ungleichgewicht im Elektrolythaushalt zugrunde. Ein Mangel an Salzen wie Magnesium oder Natrium führt zu einer gestörten Erregbarkeit der Muskelfasern und damit zu unkontrollierbaren Verkrampfungen. Dies kann unter anderem verursacht werden durch:
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- Magnesiummangel (Hypomagnesiämie): Entsteht durch falsche Ernährung, Diabetes mellitus, Darm- und Nierenerkrankungen oder Alkoholmissbrauch. Auch in der Schwangerschaft kann es zu Magnesiummangel kommen.
- Dehydrierung: Hoher Wasserverlust des Körpers durch Durchfall, Erbrechen, Diabetes insipidus, entzündliche Darmerkrankungen oder starkes Schwitzen. Auch Diuretika können eine Dehydrierung verursachen.
- Andere Störungen des Elektrolythaushaltes: Ungleichgewichte der Kalzium-, Kalium- oder Natriumkonzentration können ebenfalls hinter einem Wadenkrampf stecken.
Hormonelle und Stoffwechselstörungen als Ursache
Hormonelle und Stoffwechselveränderungen können ebenfalls Wadenkrämpfe auslösen. Bei Schwangeren kommt es zu Verschiebungen im Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt, insbesondere in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft. Weitere Ursachen sind:
- Diabetes mellitus: Anfangs oft durch Elektrolytstörungen aufgrund häufigen Wasserlassens, später können Nervenschäden (Polyneuropathie) die Ursache sein.
- Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Kann hin und wieder zu Muskelkrämpfen führen, vor allem nachts.
- Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus): Da die Nebenschilddrüsen stark am Kalziumhaushalt beteiligt sind, kann deren Erkrankung zu übererregbaren Muskeln führen.
- Erkrankungen der Nebennierenrinde: Störungen der Hormonproduktion können Muskelkrämpfe verursachen.
- Nierenerkrankungen: Eine Nierenschwäche oder ein Nierenversagen können zu Krämpfen führen, da die Nieren für die Regulation des Flüssigkeitshaushaltes wichtig sind.
Muskelerkrankungen als Ursache
Eine Muskelerkrankung (Myopathie) kann zu einer Schwächung der Muskeln und krampfartigen Muskelschmerzen führen. Beispiele für Myopathien, bei denen Muskelkrämpfe typisch sind:
- Faszikulations-Crampus-Syndrom: Symptome sind starke Krämpfe, Kribbeln und Taubheitsgefühle, vorrangig in den Beinen.
- Brody-Syndrom: Nach körperlicher Anstrengung treten starke Muskelkrämpfe auf und die Muskeln versteifen sich.
- Myotonia Congenita Thomsen: Es zeigen sich starke Muskel- und Wadenkrämpfe.
Erkrankungen des Nervensystems als Ursache
Ist die Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskeln gestört (Myasthenie), wie zum Beispiel beim Lambert-Eaton-Syndrom oder der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis, dann ist eine Muskelschwäche charakteristisch. Auch andere Erkrankungen des Nervensystems können Wadenkrämpfe verursachen:
- Dystonien: Störungen im Bewegungsablauf, ruckartige Bewegungen, Fehlstellungen und Muskelkrämpfe.
- Polyneuropathien: Schädigungen der peripheren Nerven können unwillkürliche Muskelkrämpfe auslösen.
- Wundstarrkrampf (Tetanus): Muskelkrämpfe im Gesicht, am Rücken sowie in Armen und Beinen.
- Radikulopathien: Schädigung oder Reizung einer Nervenwurzel kann neben Taubheitsgefühlen und Lähmungen auch Wadenkrämpfe verursachen.
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Die unheilbare Krankheit wird von schmerzhaften Muskelkrämpfen begleitet.
- Stiff-Man-Syndrom: Allmählich steigende Anspannung der Muskulatur, insbesondere in Rücken und Beinen, führt zu Krämpfen und einer fortschreitenden Versteifung der Muskeln.
Medikamente und Gifte als Ursache
Einige Medikamente und Gifte können Wadenkrämpfe hervorrufen, wie zum Beispiel:
- Cholesterinsenker mit dem Wirkstoff Fenofibrat
- Arzneimittel gegen Bluthochdruck wie Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Diuretika oder Kalziumkanalblocker
- Hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille oder die Spirale
- Sprays gegen Asthma, die Salbutamol enthalten
- Wirkstoffe wie Insulin
- Chemotherapeutika
- Gifte, wie Pestizide, Strychnin oder das Gift der Tetanusbazillen
Was tun bei einem akuten Wadenkrampf?
Menschen, die einen Krampf bekommen, reagieren instinktiv meist richtig: Sie dehnen die Wadenmuskulatur, ziehen die Fußspitze in Richtung Körper und treten mit der Ferse nach vorne. Auch das Durchstrecken des Beins nach hinten, wobei die Ferse fest auf den Boden gedrückt wird, kann helfen. Diese Dehnübungen lösen häufig den Krampf und die Schmerzen.
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Erste-Hilfe-Tipps bei Wadenkrampf
- Dehnen: Die Zehen nach oben ziehen und die Ferse fest in den Boden drücken.
- Massieren: Den verkrampften Muskel leicht massieren, um die Muskulatur zu lockern und die Durchblutung zu steigern.
- Bewegen: Einige Schritte gehen, um den Muskel zu lockern.
- Wärme oder Kälte: Je nach Bedarf eine warme Dusche nehmen oder kalte Auflagen auf die Muskulatur bringen.
- Elektrolyte ausgleichen: Ausreichend trinken und gegebenenfalls Elektrolyte wie Magnesium, Kalium und Natrium zuführen.
Was hilft gegen Wadenkrämpfe?
Bei "gewöhnlichen", nicht krankhaften Wadenkrämpfen genügt es in der Regel, die Muskeln zu dehnen. Je nachdem, ob ein Krampf beim Sport oder in der Nacht auftritt, helfen bestimmte Dehnübungen (Stretching), die Beschwerden zu lindern und erneute Wadenkrämpfe zu vermeiden. Haben die Beschwerden eine krankhafte Ursache, muss die jeweilige Erkrankung behandelt werden.
Medikamentöse Behandlung
- Magnesium: Ob Magnesium-Präparate gegen Muskelkrämpfe helfen, ist bisher nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Vermutlich helfen sie nur, wenn ein Magnesiummangel vorliegt.
- Chinin: Bei häufigen, sehr schmerzhaften nächtlichen Wadenkrämpfen kann eine zeitlich begrenzte und ärztlich kontrollierte Einnahme von Chinin-Präparaten infrage kommen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Beschwerden durch andere Maßnahmen wie Physiotherapie nicht verbessert haben. Chinin sollte nicht während der Schwangerschaft oder in Kombination mit anderen Medikamenten eingenommen werden.
- Gurkenwasser: Es gibt einzelne Studien, die einen Effekt von Gurkenwasser bei Wadenkrämpfen bei Menschen mit Leberzirrhose zeigen. Forscher vermuten, dass sich das Trinken der salzigen und essighaltigen Flüssigkeit positiv auf die Nerven auswirkt und dazu führt, dass sich die Muskeln entkrampfen.
Alternative Behandlungsmethoden
- Homöopathie: Verschiedene homöopathische Mittel können bei Muskelkrämpfen entspannend und schmerzlindernd wirken.
- Akupunktur: Nach der Vorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sind für eine ausgewogene Muskelfunktion vor allem die Organe Leber und Milz zuständig. Akupunktur kann helfen, die Krämpfe zu behandeln, indem dünne Nadeln auf die Akupunkturpunkte der Energieleitbahnen von Leber und Milz gesetzt werden.
- Faszien-Rollmassage: Mithilfe einer Faszien-Rollmassage können Verklebungen im Faszien-Gewebe gelöst werden.
- Liebscher & Bracht-Therapie: Durch gezieltes Ansteuern von Schmerzpunkten können Muskeln und Faszien entspannen.
Wie lassen sich Wadenkrämpfe vermeiden?
Wer regelmäßig die Wadenmuskulatur dehnt, sich gesund ernährt und ausreichend trinkt, tut bereits viel gegen Muskelkrämpfe.
Alltags-Tipps zur Vorbeugung von Wadenkrämpfen
- Tragen Sie bequeme Schuhe, die Ihren Füßen guten Halt geben und nicht drücken.
- Bewegen Sie sich regelmäßig. Gezieltes Stretching mehrmals in der Woche hält die Muskeln fit und beugt Verkürzungen vor.
- Vermeiden Sie abrupte Wechsel von Warm zu Kalt.
- Setzen Sie magnesiumreiche Lebensmittel auf den täglichen Speiseplan.
- Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (stilles Wasser oder Saftschorlen).
Wadenkrämpfe beim Sport vermeiden
- Trainingsverhalten überprüfen und gegebenenfalls anpassen (Intensität reduzieren, Pausen einlegen, Ausgleichsübungen einbauen).
- Waden gezielt dehnen.
- Trink- und Essgewohnheiten anpassen (ausgewogene Ernährung, genügend trinken).
- Vorsicht beim Schwimmen in kaltem Wasser.
Was tun, wenn man lange nicht sportlich aktiv war?
Beginnen Sie langsam, Ihre Muskelkraft wiederaufzubauen. Lassen Sie sich vorab von Ihrem Arzt beraten, um mögliche gesundheitliche Risiken auszuschließen.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Wadenkrämpfe sind meist ungefährlich. In folgenden Fällen sollte jedoch ein Arzt konsultiert werden:
- Bei Lähmungserscheinungen im Bein, Kribbeln und Taubheitsgefühlen
- Bei häufigen oder plötzlichen Schmerzen im Bein, Fuß oder in der Leiste
- Bei Schwellungen an Bein oder Fuß
- Bei Rückenschmerzen, Nachtschweiß
- Bei Muskelkrämpfen in anderen Körperteilen
- Bei einem Schwächegefühl in den Muskeln
- Bei Gang- oder Bewegungsunsicherheiten
- Bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Bei Hautveränderungen und Fieber
Auch wenn Sie bereits Vorerkrankungen haben (z.B. zu hohen Blutdruck, Diabetes, Nierenerkrankung), sollten Sie Muskelkrämpfe immer abklären lassen.
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Diagnose von Wadenkrämpfen
Der Arzt wird sich zunächst die Beschwerden genau erläutern lassen (Anamnese). Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, wobei Nervensystem und Muskelfunktionen besonders genau angesehen werden. Je nach Befund können weitere Untersuchungen erforderlich sein:
- Elektromyografie (EMG): Messung der elektrischen Muskelaktivität, um Muskelerkrankungen oder Nervenstörungen zu erkennen.
- Elektroneurografie: Messung der Nervenleitfähigkeit, um Nervenschädigungen zu erkennen.
- Dopplersonografie: Zum Nachweis von Thrombosen.
- Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT): Bei Verdacht auf Rückenbeschwerden.
- Laboruntersuchung: Analyse des Blutes, um Mangel oder Überschuss an Elektrolyten, Blutzucker sowie Leber- und Nierenwerte zu bestimmen. Bei Verdacht auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse ist ein Hormonspiegel hilfreich.
Abgrenzung anderer Störungen
Von systemischen Muskelkrämpfen sind schmerzhafte Muskelkontraktionen anderer Entstehung sowie Symptome, die Muskelkrämpfen ähneln, abzugrenzen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Dystonien: Unwillkürliche Muskelkontraktionen, die im Allgemeinen länger andauern als normale Muskelkrämpfe und oft andere Muskeln betreffen.
- Tetanie: Ununterbrochene oder periodische Verkrampfung der Muskeln im ganzen Körper.
- Wundstarrkrampf (Tetanus): Infektionskrankheit mit starken, anhaltenden Muskelverkrampfungen.
- Stiff-Man-Syndrom: Seltene neurologische Erkrankung mit einer langsam zunehmenden Muskelversteifung an Rumpf und Gliedmaßen sowie schmerzhaft einschießenden Verkrampfungen.
- Muskuläre Ischämie: Bei Patienten mit "Raucherbein" kann es während körperlicher Anstrengung zu Wadenschmerzen kommen, weil die Wadenmuskeln zu wenig durchblutet werden.
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