Smartphones sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie sind ständige Begleiter, die uns Informationen, Unterhaltung und soziale Kontakte bieten. Doch diese ständige Verfügbarkeit hat ihren Preis. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass die intensive Nutzung von Smartphones negative Auswirkungen auf unser Gehirn haben kann, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Die Smartphone-Epidemie und ihre Folgen
Die flächendeckende Nutzung digitaler Medien hat laut Experten eine regelrechte Epidemie ausgelöst. Diese geht mit einer Reihe von gesundheitlichen Problemen einher, darunter Fettleibigkeit, Schlafstörungen und Entwicklungsverzögerungen. Elf deutsche Ärzteverbände haben bereits vor den Folgen exzessiven Bildschirmkonsums gewarnt und Experten fordern Medienabstinenz bei Kleinkindern.
Smartphones werden von einigen als suchterzeugende "Designerdrogen" der Tech-Industrie bezeichnet. Sie untergraben die Impulskontrolle und beeinträchtigen die Gehirnentwicklung. Studien haben gezeigt, dass digitale Überlastung die Raum-Zeit-Kalkulation im Frontallappen stören und schulische Leistungen verschlechtern kann. Einige Länder, wie Dänemark und Schweden, haben die Digitalisierung im Grundschulbereich sogar zurückgefahren, da sie Kinder als schädlich erachten.
Jonathan Haidt argumentiert in seinem Buch "The Anxious Generation" (2024), dass der Wechsel von spielbasierter zu Smartphone-basierter Kindheit psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände verstärkt.
Die Anfälligkeit des Gehirns für digitale Störungen
Aufgrund seiner Plastizität ist das Gehirn besonders anfällig für digitale Störungen. Digitale Medien beschleunigen Raum, Zeit und Informationen auf unnatürliche Weise, was die Reifung des Frontalhirns beeinträchtigen kann. Besonders der präfrontale Kortex, der für Impulskontrolle und Reflexion zuständig ist, leidet unter digitalem Stress.
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Die Autoren einer aktuellen Studie kritisieren die bundesdeutsche Bildungspolitik für ihre Digitalisierungsförderung, obwohl es gegenteilige Beweise gibt. Sie fordern eine Rückkehr zu aktivitätsbasiertem Lernen, um die natürliche Reifung des Gehirns zu fördern.
Auswirkungen auf Aufmerksamkeit und Konzentration
Smartphones können die Aufmerksamkeit auch dann beeinflussen, wenn man sie nicht aktiv nutzt. Eine Studie der Universität Paderborn aus dem Jahr 2023 ergab, dass allein die Anwesenheit eines Smartphones die Aufmerksamkeitsleistung verringert. Zudem hat das Handy einen negativen Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit.
"Wenn man immer einen Teil der Rechenkapazität im Hirn darauf verwendet, die Handynutzung vorzubereiten, daran zu denken oder das Handy sogar zu bedienen, wenn man etwas anderes nebenher macht, macht uns das mit der Zeit leichter ablenkbar", erklärt Hirnforscher Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig.
Ständige Unterbrechungen durch Push-Meldungen und Benachrichtigungen senken die Produktivität enorm. Wir brauchen etwa eine Viertelstunde, um uns wieder gut auf eine Sache zu konzentrieren, nachdem wir abgelenkt wurden.
Multitasking und Gedächtnisleistung
Übermäßige Handynutzung führt dazu, dass Zeiten des Tagträumens und Nichtstuns verloren gehen. Studien zeigen, dass digitale Medien uns weniger kreativ machen können, wenn wir sie zu viel nutzen, weil der Leerlauf fehlt.
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"Einige Studien zeigen, dass man im Multitasking-Modus doppelt so lange braucht, um etwas zu lernen. Man macht 40 Prozent mehr Fehler und kann das, was man gelernt hat, schlechter abrufen", so Korte. "Menschen, die sehr häufig im Multitasking-Modus arbeiten, haben ein schlechteres Gedächtnis." Dies sei jedoch reversibel.
Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche
Besonders bei Kindern kann zu viel Zeit vor dem Smartphone oder Tablet negative Auswirkungen haben - und das umso gravierender, je früher sie solche Geräte übermäßig nutzen.
"Man sieht an Kindern, die bereits in der Kindergarten- und Grundschulzeit intensiv Zeit vor Tablets und Smartphones verbringen, dass ein wichtiger Verbindungsstrang zwischen den beiden großen Spracharealen, dem Broca-Areal und dem Wernicke-Areal, leidet", erklärt Korte. Zudem könnten sich Kinder, die sehr früh viel am Handy seien, oft weniger gut in die Lage anderer Menschen hineinversetzen. "Sie sind weniger empathisch."
Der Hirnforscher befürchtet, dass sowohl die Gefahren einer Sucht als auch die des passiven Zuschauens insbesondere bei Kindern und Jugendlichen verstärkt werden. Damit gehe auch das "weniger Trainieren des Gehirns und der Sprache" einher.
Die Rolle der sozialen Medien
Die übermäßige Nutzung von Smartphones und insbesondere sozialer Medien, die vorwiegend per Handy konsumiert werden, steht auch im Verdacht, sich negativ auf die Psyche auszuwirken. Verschiedene Studien deuten zwar auf einen Zusammenhang mit Depressionen und Angststörungen hin, doch andere stellen keine Korrelation fest.
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Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass soziale Medien den sozialen Vergleich fördern. "Gerade Jugendliche vergleichen sich sehr stark. Beispiel Instagram: Wie sehen andere aus? Wie sehe ich aus? Werde ich dem gerecht?", merkt Korte an.
Was können wir tun?
Die Autoren der oben genannten Studie schlagen vor, Kinder bis mindestens 14-16 Jahren von Smartphones fernzuhalten und Eltern aufzuklären. Entstandene Schäden seien zum Glück reversibel, wenn Kinder durch Spiel und Bewegung gefördert würden.
Hier sind einige weitere Tipps für einen gesunden Umgang mit Smartphones:
- Bewusster Umgang: Hinterfragen Sie regelmäßig, ob Sie die Handynutzung noch unter Kontrolle haben.
- Räumliche Distanz: Legen Sie das Handy beim Lesen eines Buches abends nicht direkt neben sich oder schalten Sie das Gerät in sozialen Interaktionen einfach aus.
- Online- und Offline-Zeit trennen: Unterscheiden Sie bewusst zwischen Online- und Offline-Zeit.
- Rituale entwickeln: In Situationen, in denen man gerne aufhören würde, aber das nicht kann, helfen selbst überlegte Strategien, wie ein Spaziergang an der frischen Luft oder eine Runde Sport.
- Bildschirmzeit begrenzen: Besonders bei Kindern sollte die Bildschirmzeit begrenzt werden.
- Digitale Medien während der Mahlzeiten tabu machen: Führen Sie Rituale ein, etwa dass zu den Essenszeiten digitale Medien tabu sind.
- Smartphone nicht als Babysitter verwenden: Vermeiden Sie es, Smartphones oder Tablets als "Babysitter" für Ihre Kinder einzusetzen. Fördern Sie stattdessen kreative Spiele und soziale Interaktionen.
- Vorbild sein: Zeigen Sie Ihren Kindern einen gesunden Umgang mit digitalen Medien, indem Sie selbst weniger Zeit am Smartphone verbringen.
Die positiven Seiten der Technologie
Bei all den nicht unproblematischen Nebeneffekten bietet uns das Smartphone dennoch unschlagbare, nie dagewesene Vorteile. Es verkürzt nervige Wartezeiten, liefert Musik, Literatur und Unterhaltung auf Knopfdruck, hält uns über das Tagesgeschehen auf dem Laufenden, navigiert uns auf der schnellsten Route zu unserem Ziel, erinnert uns an Geburtstage und Termine, erleichtert den Alltag, beantwortet dringliche Fragen binnen Sekunden und verbindet uns mit geliebten Menschen in der Ferne.
Es ist wichtig, die Vorteile der Technologie zu nutzen, ohne die negativen Auswirkungen auf unser Gehirn zu ignorieren.