Neurologische Untersuchung bei Verdacht auf Demenz

Bei anhaltenden Gedächtnis- oder Wortfindungsstörungen sowie auffallenden Verhaltensstörungen im Alter ist eine Abklärung der Ursache durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder Neurologie unerlässlich. Kompetenzen im Bereich der Alterskrankheiten (Gerontopsychiatrie, Geriatrie) sind hierbei von Vorteil. Während normales Altern mit einem Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen kann, lassen sich die Symptome meist gut von einer Demenz abgrenzen.

Diagnostische Kriterien einer Demenz

Für die Diagnose "Demenz" sucht der (Geronto)Psychiater/Neurologe neben der Gedächtnisstörung nach weiteren Krankheitsanzeichen. Dazu gehören:

  • Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Aufmerksamkeitsstörungen
  • Sprachstörungen (Aphasie) trotz intakter Funktion von Zunge und Kehlkopf
  • Unfähigkeit, gezielte Bewegungen auszuführen, obwohl Muskeln und Nerven intakt sind (Apraxie)
  • Nichterkennen/Nichtverstehen von Gesprochenem, Gesehenem, Gehörtem oder Getastetem, obwohl die Sinnesorgane intakt sind (Agnosie)
  • Unvermögen, komplexe geistige Ideen in eine Handlung umzusetzen (Störung der Exekutivfunktionen)

Bei einer Demenz beeinträchtigen diese geistigen Störungen das soziale oder berufliche Leben der Patienten in bedeutsamer Weise. Zudem besteht eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau. Bei Alzheimer-Patienten werden oft ein verminderter Antrieb und Störungen im Sozialverhalten beobachtet. Die Erkrankung zeigt typischerweise einen schleichenden Beginn und einen fortgesetzten geistigen Abbau.

Beurteilung der geistigen Fähigkeiten

Anhand verschiedener Tests kann der Arzt die derzeitige geistige Leistungsfähigkeit des Patienten beurteilen und damit den Schweregrad der Demenz einordnen. Einige gängige Tests sind:

Uhren-Test

Bereits das einfache Zeichnen einer Uhr ermöglicht eine Beurteilung des geistigen Zustands. Aufgrund zunehmender visuell-räumlicher Orientierungsprobleme im Verlauf der Krankheit können die Ziffern und Zeiger oft nicht mehr richtig in einem vorgegebenen Kreis angeordnet werden. Der Test dauert etwa 5 Minuten und wird häufig vom Hausarzt zur ersten Orientierung durchgeführt.

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Mini-Mental-Status-Test (MMST)

Der MMST ist ein etablierter Fragebogentest zur Demenz. Er umfasst Fragen zur aktuellen Zeit und zum Raum, in dem sich der Patient befindet (Orientierung in Zeit und Raum), das Nachsprechen von drei Worten (Merkfähigkeit), einen einfachen "Rückrechentest" (Aufmerksamkeit) und das Wiederholen der drei Worte des Merkfähigkeitstests (Erinnerungsfähigkeit). Zudem werden Sprach- und Schreibtests durchgeführt. Die Aufgaben sind so einfach, dass sie jeder geistig Gesunde bestehen würde, ein Demenz-Kranker weist jedoch Lücken auf, die mit zunehmender Demenz deutlicher werden.

Demenz-Detektion (DemTect)

Dieser Spezialtest zur Früherkennung ist dem MMST überlegen und wird daher häufig vom Gerontopsychiater/Neurologen durchgeführt. Er dauert etwa 10 Minuten und besteht aus fünf Aufgaben. Der Patient muss eine Wortliste wiederholen (Kurzzeitgedächtnis) und diese am Testende noch einmal abrufen (Langzeitgedächtnis). In einer "Zahlenwandelaufgabe" müssen Ziffern in Zahlwörter und umgekehrt umgewandelt werden. Außerdem wird die Flüssigkeit der Sprache geprüft.

Montreal Cognitive Assessment (MoCA)

Ähnlich dem DemTect dient auch der MoCA der Früherkennung von Defiziten des Gedächtnisses bzw. des Denkvermögens. In 10 Minuten werden verschiedene Bereiche der Leistungsfähigkeit abgefragt, darunter das Lernen von fünf Begriffen, die visuell-räumliche Verarbeitung (Zeichnen einer Uhr und Abzeichnen eines Würfels), die Konzentration, die "Exekutivfunktionen", die Abstraktionsfähigkeit, die Flüssigkeit der Sprache, die Zahlenverarbeitung, das Verständnis komplexer Sätze und die Orientierung in Raum, Ort und Situation.

ADL-Skalen

ADL-Skalen (ADL: "Activities of Daily Living") messen die Auswirkungen der Demenz auf die Alltagsfähigkeiten. Der Test, der in verschiedenen Varianten existiert, misst, zu welchen Tätigkeiten des alltäglichen Lebens der Patient noch fähig ist. Alltagsprobleme werden mit Punkten zwischen 1 ("nie vorhanden") und 10 ("immer vorhandene Schwierigkeiten") bewertet.

CERAD-Test

Bei CERAD handelt es sich um eine Sammlung verschiedener kognitiver Tests, mit denen einzelne Unterfunktionen der geistigen Leistungsfähigkeit genau geprüft werden können. Er wird nur von Spezialisten eingesetzt.

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Bildgebende Verfahren

Bei der Erstdiagnose der Demenz sollte zusätzlich entweder eine Computertomografie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. CT und MRT erstellen Schichtaufnahmen des Gehirns und erlauben einen Einblick in den Aufbau des Gehirns. Diese bildgebenden Verfahren ermöglichen allein zwar nicht die Diagnose einer Demenz, können aber helfen, zwischen den einzelnen Formen zu unterscheiden. Der Hauptgrund für die Erstellung von CT- und MRT-Bildern liegt jedoch in der frühzeitigen Erkennung von behandelbaren Ursachen einer Demenz, wie z.B. einem Hirntumor oder einer krankhaften Erweiterung der Hohlräume im Gehirn. Neuere Verfahren wie Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) und Positronen-Emissionstomographie (PET) können in unklaren Fällen und in Frühstadien zur Sicherung der Diagnose beitragen. So kann eine PET-Untersuchung z.B. einen verminderten Zuckerstoffwechsel im Gehirn nachweisen, obwohl im MRT noch keine Hirnschrumpfung darstellbar ist. Auch ist es neuerdings möglich, die für die Alzheimer-Erkrankung typischen Amyloid-Ablagerungen darzustellen.

Weitere diagnostische Maßnahmen

Der Arzt wird bei allen Patienten mit Verdacht auf Demenz auch Blut abnehmen, um einige behandelbare Ursachen einer Demenz rechtzeitig zu erkennen (z.B. Mangel an Vitamin B12 oder an Schilddrüsenhormonen). Eine sehr empfindliche Methode zur Feststellung einer Alzheimer-Erkrankung ist die Untersuchung des Nervenwassers (Liquor).

Differentialdiagnose

Zur Feststellung einer Demenz bei Alzheimer-Krankheit müssen andere Erkrankungen, die ebenfalls Anzeichen einer Demenz zeigen können, abgeklärt werden. Hierzu gehören u.a.:

  • Vaskuläre Demenz (Verkalkung der Hirngefäße, kleine Gehirninfarkte)
  • Demenz mit Lewy-Körperchen
  • Gut- und bösartige Hirntumore
  • AIDS
  • Parkinson-Krankheit
  • Erbkrankheit Chorea Huntington
  • Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose)
  • Vitaminmangel (z.B. B12, Folsäure)
  • Erkrankungen der Nieren, der Leber und der Bauchspeicheldrüse
  • Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch
  • Depressive Erkrankungen ("Pseudodemenz")

Frühe Diagnose und ihre Bedeutung

Die meisten Demenzerkrankungen beginnen schleichend und bleiben oft lange unbemerkt. Eine frühe Diagnose ist jedoch wichtig, um Betroffenen und ihren Familien Zeit zu geben, sich auf die Veränderungen einzustellen, Vorkehrungen zu treffen und gegebenenfalls an klinischen Studien teilzunehmen.

Ablauf der Diagnostik

Wenn sich das Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig verschlechtern, ist die erste Anlaufstelle meist die hausärztliche Praxis. Zunächst findet ein Anamnese-Gespräch statt, in dem die Ärztin oder der Arzt nach aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten, Lebensgewohnheiten und möglichen Risikofaktoren fragt. Dazu gehören auch Informationen über die Einnahme von Medikamenten, körperliche Belastungen, Ernährungsgewohnheiten sowie Drogen- und Alkoholkonsum. Im Anschluss an das Gespräch erfolgt eine allgemeine körperliche Untersuchung, bei der auch die Vitalwerte (Blutdruck, Puls), das Hör- und Sehvermögen überprüft werden.

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Besteht der Verdacht auf eine demenzielle Erkrankung, schließen sich neurologische Untersuchungen an. Die klinisch-neurologische Untersuchung umfasst die Untersuchung der Hirnnerven, der Motorik, der Muskelreflexe, der Koordination und der Sensibilität. Ergänzend wird eine Labordiagnostik durchgeführt, bei der Proben von Blut und Urin entnommen und zur Biomarker-Analyse in ein Labor geschickt werden. Die Analyse dient unter anderem zur Erkennung anderer Krankheiten, die ebenfalls Demenzsymptome verursachen, wie etwa ein Mangel an bestimmten Vitaminen oder Schilddrüsenprobleme.

Die Rolle des Hausarztes

Im Grunde ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Ein sensibilisierter Hausarzt kann selbst Untersuchungen durchführen. Bei leichten Symptomen, die im Alltag kaum auffallen, sind jedoch ausführlichere Untersuchungen erforderlich.

Neuropsychologische Testung

Die neuropsychologische Testung umfasst die Untersuchung des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit, der Sprache und verschiedener anderer höherer Hirnfunktionen. Dies kann durch Tests mit Stift und Papier oder am Computer erfolgen. Einfachere Untersuchungen umfassen Kurztests, bei denen beispielsweise drei Wörter vorgegeben werden ("Auto, Blume, Kerze") und eine Rechenaufgabe gestellt wird (z.B. von 100 sieben abziehen bis 65). Dies dient zur Prüfung der Aufmerksamkeit, der Konzentration und des Fadenhaltens. Anschließend wird nach den drei Wörtern gefragt. Patienten mit deutlicher Ausprägung können sich diese Wörter oft nicht merken.

Ein ausführlicher Gedächtnistest, wie er in Gedächtnisambulanzen durchgeführt wird, beinhaltet das Lernen von 15 Wörtern fünfmal hintereinander, gefolgt vom Lernen einer zweiten Wortliste mit 15 Wörtern. Nach 20 Minuten wird dann nach der ersten Wortliste gefragt.

MRT zur Früherkennung von Demenz

Die Magnetresonanztomographie (MRT) kann helfen, eine Alzheimer-Demenz zu diagnostizieren. Bei deutlichen Anzeichen einer Demenz oder einem auffälligen Hirnleistungs-Test kann die MRT unter Umständen Kassenleistung sein. Zur Früherkennung müssen Versicherte die MRT jedoch als IGeL selbst bezahlen.

Der IGeL-Monitor bewertet die MRT-Untersuchung zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz bei Menschen, die sich geistig fit fühlen, mit "tendenziell negativ", da es keine aussagekräftigen Studien gibt, die einen Nutzen belegen. Es ist auch nicht untersucht, ob eine frühe Therapie mehr als eine späte nützt. Zudem kann eine MRT-Untersuchung des Gehirns nicht gut vorhersagen, ob jemand später eine schwere Demenz entwickelt, was zu unnötiger Beunruhigung führen kann.

Forschung zur Demenzdiagnostik

Weltweit arbeiten Demenzforscherinnen und -forscher daran, die Diagnose von Demenzerkrankungen zu verbessern, insbesondere die Früherkennung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen, da einige, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung darstellen.

Klinisch-neurologische Untersuchung und Krankheitsverlauf

Auffällige klinisch-neurologische Untersuchungsbefunde wie eine Gangstörung oder gesteigerte Muskeleigenreflexe stehen offenbar in engem Zusammenhang mit dem Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung. Studien haben gezeigt, dass Alzheimer-Patienten mit Auffälligkeiten in der körperlichen neurologischen Untersuchung im Vergleich zu Alzheimer-Patienten ohne Auffälligkeiten einen verstärkten Abbau der Hirnleistung im Erkrankungsverlauf zeigen.

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