Propofol ist ein weit verbreitetes intravenöses Anästhetikum, das für seine rasche Wirkung, kurze Wirkdauer und relativ geringen Nebenwirkungen bekannt ist. Es wird häufig zur Einleitung und Aufrechterhaltung von Narkosen sowie zur Sedierung eingesetzt. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise von Propofol im Gehirn, seine Anwendungsgebiete, Dosierung, Nebenwirkungen und wichtige Hinweise zur sicheren Anwendung.
Wirkungsweise von Propofol im Gehirn
Propofol wirkt hauptsächlich über den GABA-A-Rezeptor, einen Chloridkanal-gekoppelten Rezeptor im Gehirn. Durch die Bindung an diesen Rezeptor verstärkt Propofol die Wirkung des Neurotransmitters GABA (γ-Aminobuttersäure), was zu einer verstärkten Hemmung der neuronalen Aktivität führt. Konkret öffnet Propofol den Chloridkanal, was einen Einstrom von Chloridionen in die Nervenzelle bewirkt. Dies führt zu einer Hyperpolarisation der Zelle und verhindert die Entstehung von Aktionspotentialen, was letztendlich die Nervenzelle kurzfristig ausschaltet.
Die genaue Wirkungsweise von Propofol ist jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt. Es wird angenommen, dass Propofol die "dynamische Stabilität" des Gehirns stört, ein Gleichgewichtszustand, in dem die Hirnzellen sensibel genug sind, um auf neue Reize zu reagieren, aber gleichzeitig daran gehindert werden, übermäßig starke Signale zu generieren. Propofol verschiebt dieses Gleichgewicht zur Seite der Dynamik und Empfindsamkeit, was zum Bewusstseinsverlust führt.
Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Propofol die Hemmung der Hirnaktivität fördert, aber gleichzeitig das Gehirn durch Übererregung in chaotische Aktivitätsmuster versinken lässt. Dies führt ab einem gewissen Punkt zur Bewusstlosigkeit. Studien haben gezeigt, dass die Hirnaktivität unter Propofol nach einem Sinnesreiz länger erregt bleibt und langsamer zur Basislinie zurückkehrt.
Das Auftreten von sogenannten "slow-oscillations" im EEG markiert den Beginn der Bewusstlosigkeit unter Propofol. Diese langsamen Oszillationen werden als Ausdruck eines Netzwerkausfalls im Gehirn interpretiert, bei dem die Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnregionen zusammenbricht.
Lesen Sie auch: Neuronale Kommunikation durch Synapsen
Anwendungsgebiete von Propofol
Propofol wird in verschiedenen Bereichen der Medizin eingesetzt, darunter:
- Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose: Propofol ist ein gängiges Anästhetikum zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose bei Erwachsenen und Kindern (ab 1 Monat). Es zeichnet sich durch einen raschen Bewusstseinsverlust und eine schnelle Aufwachzeit aus.
- Sedierung bei diagnostischen und chirurgischen Eingriffen: Propofol wird zur Sedierung von Erwachsenen und Kindern bei verschiedenen diagnostischen und chirurgischen Eingriffen eingesetzt, z. B. bei Endoskopien oder kleineren Operationen.
- Sedierung von beatmeten Patienten auf der Intensivstation: Propofol kann zur Sedierung von beatmeten Patienten ab 17 Jahren im Rahmen der Intensivbehandlung verwendet werden.
- Geburtshilfliche Anästhesie: Propofol wird zunehmend in der geburtshilflichen Anästhesie verwendet, insbesondere zur Einleitung einer Vollnarkose beim Kaiserschnitt.
Dosierung und Anwendung
Die Dosierung von Propofol ist individuell anzupassen und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. Alter, Körpergewicht, Gesundheitszustand des Patienten und Art des Eingriffs.
- Narkoseeinleitung: Bei Erwachsenen liegt die übliche Dosis zur Narkoseeinleitung bei 1,5 bis 2,5 mg Propofol pro kg Körpergewicht, die über 20 bis 40 mg alle 10 Sekunden bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit injiziert wird. Bei Kindern über 8 Jahren beträgt die Dosis etwa 2,5 mg/kg KG, bei jüngeren Kindern kann sie höher sein (2,5 bis 4 mg/kg KG).
- Narkoseaufrechterhaltung: Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt entweder durch Dauerinfusion oder wiederholte Bolusinjektionen. Bei Erwachsenen liegt die Dosis in der Regel bei 4 bis 12 mg Propofol/kg KG/h, bei älteren Patienten oder ASA-Risikogruppen III und IV kann eine Dosisreduktion auf bis zu 4 mg Propofol/kg KG/h nötig sein. Bei Kindern werden Dosierungen im Bereich von 9 bis 15 mg/kg KG/h angewendet.
- Sedierung: Zur Einleitung der Sedierung werden bei Erwachsenen üblicherweise 0,5 bis 1,0 mg Propofol/kg KG über 1 bis 5 Minuten benötigt. Zur Aufrechterhaltung der Sedierung werden in der Regel zwischen 1,5 und 4,5 mg Propofol/kg KG/h verabreicht. Bei Kindern sind zur Einleitung der Sedierung meist 1 bis 2 mg Propofol/kg KG ausreichend.
Propofol wird intravenös verabreicht, entweder als Injektion oder als Infusion. Während der Narkose oder Sedierung sind die Herz-Kreislauf- und Atemfunktion kontinuierlich zu überwachen.
Nebenwirkungen und Risiken
Wie alle Medikamente kann auch Propofol Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:
- Atemdepression bis Atemstillstand: Propofol kann die Atmung verlangsamen oder sogar zum Atemstillstand führen.
- Blutdruckabfall: Propofol kann den Blutdruck senken, was insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen problematisch sein kann.
- Schmerzen an der Injektionsstelle: Während der Injektion können Schmerzen an der Injektionsstelle auftreten.
- Übelkeit und Erbrechen: Obwohl Propofol im Vergleich zu anderen Anästhetika seltener Übelkeit und Erbrechen verursacht, können diese Nebenwirkungen dennoch auftreten.
- Unverträglichkeitsreaktionen: In seltenen Fällen kann Propofol Unverträglichkeitsreaktionen auslösen, die durch die Freisetzung des Botenstoffes Histamin verursacht werden.
Eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung ist das Propofol-Infusionssyndrom (PRIS), das insbesondere bei Langzeitsedierung mit hohen Dosen auftreten kann. PRIS ist gekennzeichnet durch eine schwere metabolische Azidose, Rhabdomyolyse, Nierenversagen und Herzversagen. In einigen Fällen kann PRIS tödlich verlaufen. Um das Risiko für PRIS zu minimieren, sollte Propofol nicht länger als sieben Tage verwendet werden und der Patient sollte während der Behandlung engmaschig ärztlich überwacht werden.
Lesen Sie auch: Serotonin: Ein Schlüsselregulator im Gehirn
Weitere mögliche Nebenwirkungen sind:
- Krampfanfälle: In seltenen Fällen kann es bis zu sechs Stunden nach Anwendung von Propofol zum Auftreten von Krampfanfällen kommen.
- Mutismus: In sehr seltenen Fällen wurde über reversiblen Mutismus nach Propofol berichtet.
- Unangenehme Träume: Beim Abklingen der Wirkung können unangenehme Träume, auch mit lebhaften, zum Teil sexuellen Fantasien ("bad trips"), auftreten.
Wichtige Hinweise zur Anwendung von Propofol
- Anwendung nur durch ausgebildete Ärzte: Propofol darf nur von entsprechend ausgebildeten Ärzten angewendet werden, wobei Narkose und chirurgischer bzw. diagnostischer Eingriff nicht von derselben Person vorgenommen werden dürfen.
- Aseptische Bedingungen: Das Vorbereiten sowie die Verabreichung der Propofol-Emulsion sollten unter aseptischen Bedingungen erfolgen.
- Kontinuierliche Überwachung: Während der Narkose sind die Herz-Kreislauf- und Atemfunktion kontinuierlich zu überwachen.
- Bereitstellung von Notfallausrüstung: Die übliche Ausstattung für eventuelle Zwischenfälle bei der Narkose oder Sedierung, wie beispielsweise zur Atemwegssicherung, muss jederzeit einsatzbereit sein.
- Zusätzliche Analgetika: In der Regel ist die zusätzliche Gabe von Analgetika erforderlich, da Propofol keine schmerzlindernde Wirkung besitzt.
- Vorsicht bei älteren Patienten: Bei älteren Patienten wird aufgrund des Risikos für Kreislauf- und Atemdepression die Anwendung einer Bolusinjektion nicht empfohlen.
- Vollständige Erholung vor Entlassung: Vor der Entlassung sollte die vollständige Erholung des Patienten sichergestellt werden.
- Schwangerschaft und Stillzeit: In der Schwangerschaft sollte Propofol nur angewendet werden, wenn dies eindeutig notwendig ist. Propofol geht in geringem Maße in die Muttermilch über, sodass die Mutter stillen darf, sobald sie nach der Narkose in der Lage ist, ihr Kind selbstständig anzulegen.
Propofol in der Schwangerschaft
Propofol passiert schnell die Plazenta. Die Sicherheit der Anwendung von Propofol in der Schwangerschaft ist nicht vollständig belegt. Studien an Tieren haben reproduktionstoxische Effekte gezeigt. Da Propofol plazentagängig ist, ist beim Neugeborenen eine Depression der Vitalfunktionen möglich. Aus diesen Gründen sollte der Wirkstoff in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn dies eindeutig notwendig ist.
Ein teratogenes Risiko ist bisher nicht beschrieben und wird auch nicht erwartet, obwohl systematische Studien fehlen. Im Tierversuch wurde keine Erhöhung des Fehlbildungsrisikos gezeigt.
Propofol wird häufig zur Einleitung einer Vollnarkose beim Kaiserschnitt verwendet. Negative Auswirkungen auf das Neugeborene sind hierbei bisher nicht gesehen worden. Zahlreiche Studien konnten im Vergleich mit Thiopental keine Unterschiede bei den Apgar-Werten, den Säure-Basen-Parametern und dem neurologischen Zustand der Kinder nachweisen.
Bei indizierten maternalen oder fetalen Operationen mit einer Operationsdauer über drei Stunden im 3. Trimenon, sollte eine Risiko-Nutzen-Abwägung des Propofols zu anderen Anästhetika stattfinden. Im Rahmen einer Langzeitsedierung ist Propofol nicht geeignet.
Lesen Sie auch: Puzzeln: Ein mentaler Booster
Propofol in der Stillzeit
Propofol geht nur in sehr geringen Mengen in die Muttermilch über. Die Mutter darf stillen, sobald sie nach einer Narkose mit Propofol in der Lage ist, ihr Kind selbstständig anzulegen. Dies gilt für alle Narkosen, insbesondere nach Kaiserschnitt. Die pharmakokinetischen Daten und die klinische Erfahrung begründen keine zusätzliche Stillpause. Einige Hersteller raten dennoch zu einer 24-stündigen Stillpause.