Synapsen: Funktion, Aufbau und Bedeutung für die neuronale Kommunikation

Synapsen sind essenzielle Verbindungsstellen im Nervensystem, die die Kommunikation zwischen Nervenzellen (Neuronen) oder zwischen Neuronen und anderen Zellen, wie Muskel- oder Drüsenzellen, ermöglichen. Sie bilden die Grundlage für nahezu alle Funktionen des Nervensystems, von einfachen Reflexen bis hin zu komplexen kognitiven Prozessen wie Wahrnehmung, Bewegung, Denken und Lernen. Die synaptische Übertragung ermöglicht es, elektrische oder chemische Signale von einer Zelle zur nächsten weiterzuleiten und so Informationen im Gehirn zu verarbeiten und weiterzuleiten.

Chemische und elektrische Synapsen: Zwei Mechanismen der Signalübertragung

Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Synapsen: chemische und elektrische.

  • Chemische Synapsen: Bei chemischen Synapsen erfolgt die Signalübertragung indirekt mithilfe von Neurotransmittern. Ein elektrisches Signal (Aktionspotential) in der präsynaptischen Zelle führt zur Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. Diese Neurotransmitter diffundieren dann zur postsynaptischen Membran und binden an spezifische Rezeptoren. Die Bindung löst in der postsynaptischen Zelle ein neues Signal aus, das entweder erregend (depolarisierend) oder hemmend (hyperpolarisierend) sein kann. Chemische Synapsen sind im menschlichen Nervensystem am häufigsten und ermöglichen komplexe Regulation, Verstärkung und Hemmung von Signalen. Sie sind oft nur in eine Richtung leitend (unidirektional).
  • Elektrische Synapsen: Elektrische Synapsen sind seltener und finden sich beispielsweise im Herzmuskel oder in bestimmten Reflexbahnen. Hier sind die prä- und postsynaptische Zelle über Gap Junctions verbunden, spezielle Kanäle, die eine direkte Übertragung von Ionenströmen zwischen den Zellen ermöglichen. Dies führt zu einer sehr schnellen und direkten Signalübertragung ohne Verzögerung. Elektrische Synapsen ermöglichen eine bidirektionale Signalübertragung und sind besonders dort von Bedeutung, wo höchste Geschwindigkeit erforderlich ist.

Aufbau einer chemischen Synapse am Beispiel einer neuromuskulären Synapse

Um die Funktionsweise einer chemischen Synapse besser zu verstehen, betrachten wir den Aufbau am Beispiel einer neuromuskulären Synapse, der Verbindung zwischen einer Nervenzelle und einer Muskelzelle (motorische Endplatte).

  1. Präsynapse: Die Präsynapse bildet das Endknöpfchen des sendenden Neurons. Im Zytoplasma des Axonendes befinden sich synaptische Vesikel, kleine Bläschen, in denen Neurotransmitter gespeichert sind. Diese Vesikel werden im Zellkörper des Neurons (Perikaryon) produziert und entlang des Axons zur Synapse transportiert. Die präsynaptische Membran enthält spannungsabhängige Calciumkanäle, die eine entscheidende Rolle bei der Freisetzung der Neurotransmitter spielen.

  2. Synaptischer Spalt: Der synaptische Spalt ist ein winziger Zwischenraum (etwa 20-50 Nanometer breit) zwischen der präsynaptischen und der postsynaptischen Membran. Die freigesetzten Neurotransmitter müssen diesen Spalt durchqueren, um an die Rezeptoren der postsynaptischen Membran zu gelangen.

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  3. Postsynapse: Die postsynaptische Membran gehört zur empfangenden Zelle (in diesem Fall der Muskelzelle) und enthält Rezeptoren, die spezifisch an die freigesetzten Neurotransmitter binden. Diese Rezeptoren sind oft Ionenkanäle, die sich bei Bindung des Neurotransmitters öffnen und so den Ionenfluss in die postsynaptische Zelle verändern.

Funktion der chemischen Synapse im Detail

Die Funktion der chemischen Synapse lässt sich in folgenden Schritten zusammenfassen:

  1. Aktionspotential erreicht die Terminale: Sobald ein Aktionspotential das Axonende (die Terminale) erreicht, öffnen sich spannungsabhängige Calciumkanäle in der präsynaptischen Membran.

  2. Calcium-Einstrom: Es kommt zu einem starken Einstrom von Calcium-Ionen ($Ca^{2+}$) in das Endknöpfchen.

  3. Vesikelwanderung und Neurotransmitter-Freisetzung: Die erhöhte Calcium-Konzentration im Inneren der Zelle bewirkt, dass die synaptischen Vesikel zur präsynaptischen Membran wandern. Spezifische Proteine (SNARE-Proteine wie Synaptotagmin, Synaptobrevin) vermitteln die Verschmelzung der Vesikelmembran mit der präsynaptischen Membran. Durch diesen Prozess (Exozytose) werden die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt.

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  4. Diffusion und Rezeptorbindung: Die freigesetzten Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden reversibel an die für sie passenden Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran.

  5. Ionenkanalöffnung und postsynaptisches Potential: Die Bindung des Neurotransmitters an den Rezeptor bewirkt eine Konformationsänderung des Rezeptors und damit die Öffnung von rezeptorgesteuerten Ionenkanälen. Je nach Art des Neurotransmitters und des Rezeptors kann dies zu einem Einstrom von Natrium-Ionen ($Na^+$) in die Zelle oder einem Ausstrom von Kalium-Ionen ($K^+$) aus der Zelle führen. Im Falle der neuromuskulären Synapse führt der Einstrom von $Na^+$ zu einer Depolarisation der Membran, dem sogenannten Endplattenpotential (EPP) oder postsynaptischen Potential (PSP).

  6. Signalweiterleitung oder Hemmung: Das EPP breitet sich elektrisch entlang der Membran aus. Überschreitet die Depolarisation an einer Stelle die Reizschwelle (ca. -60mV), wird ein Aktionspotential in der postsynaptischen Zelle ausgelöst. Im Falle der neuromuskulären Synapse führt dies zur Kontraktion des Muskels. Bei hemmenden Synapsen hingegen führt die Bindung des Neurotransmitters an den Rezeptor zu einer Hyperpolarisation der postsynaptischen Membran, wodurch die Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines Aktionspotentials verringert wird.

  7. Inaktivierung des Neurotransmitters: Um eine dauerhafte Aktivierung der postsynaptischen Zelle zu verhindern, muss der Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt entfernt oder inaktiviert werden. Dies kann auf verschiedene Weisen geschehen:

    • Enzymatischer Abbau: Im Falle von Acetylcholin wird der Neurotransmitter durch das Enzym Acetylcholinesterase in Acetat und Cholin gespalten.
    • Wiederaufnahme (Reuptake): Einige Neurotransmitter werden durch spezielle Transportproteine in der präsynaptischen Membran wieder aufgenommen und können erneut verwendet werden.
    • Diffusion: Ein Teil der Neurotransmitter diffundiert aus dem synaptischen Spalt und wird von Gliazellen aufgenommen.
  8. Regeneration der Synapse: Die Spaltprodukte des Neurotransmitters (z.B. Cholin und Acetat) werden wieder in das Endknöpfchen aufgenommen und dort neu zu Acetylcholin synthetisiert. Die Synapse ist nun regeneriert und kann erneut erregt werden.

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Erregende und hemmende Synapsen: Die Balance der neuronalen Aktivität

Chemisch-interneuronale Synapsen lassen sich in zwei Haupttypen unterteilen: erregende und hemmende Synapsen.

  • Erregende Synapsen: Erregende Synapsen verstärken die Depolarisation am anbindenden Neuron und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines Aktionspotentials. Typische Neurotransmitter an erregenden Synapsen sind Acetylcholin, Dopamin, Serotonin und Glutamat. Die Funktion der Synapse ist analog zu der oben beschriebenen chemischen Synapse. Die Transmitter öffnen Ionenkanäle in der postsynaptischen Membran, was zu einer Depolarisation und einem erregenden postsynaptischen Potential (EPSP) führt.

  • Hemmende Synapsen: Hemmende Synapsen vermindern die Depolarisation (verursachen eine Hyperpolarisation) am anbindenden Neuron und verringern somit die Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines Aktionspotentials. Ein Beispiel für einen Neurotransmitter an hemmenden Synapsen ist die γ-Aminobuttersäure (GABA). Im Gegensatz zur erregenden Synapse werden bei der hemmenden Synapse Kalium- ($K^+$) bzw. Chloridkanäle ($Cl^−$) geöffnet. Der Ausstrom von $K^+$ bzw. der Einstrom von $Cl^−$ führt zu einer Hyperpolarisation und einem inhibitorischen postsynaptischen Potential (IPSP).

Die Erregung eines Neurons ergibt sich aus der Summe der verschiedenen Signale, die das Neuron erhält. Alle EPSPs werden mit allen IPSPs verrechnet (synaptische Integration). Ob ein Neuron letztendlich ein Aktionspotential auslöst, hängt davon ab, ob die Summe der erregenden und hemmenden Signale die Reizschwelle überschreitet.

Synaptische Integration: Räumliche und zeitliche Summation

Nicht jedes Endplattenpotential, egal ob von einer erregenden oder hemmenden Synapse stammend, führt zwangsläufig zu einer Reizüberschreitung in der postsynaptischen Membran. Oft sind mehrere Aktionspotentiale (APo's) nötig, um tatsächlich eine Muskelkontraktion auszulösen oder diese zu unterbinden. Dies liegt an der synaptischen Integration, bei der die postsynaptische Zelle die Signale verschiedener Synapsen verrechnet.

Es gibt zwei Arten von Summation, die an einem Soma auftreten können:

  • Zeitliche Summation: Innerhalb kürzester Zeit laufen Aktionspotentiale am selben Dendrit in das Soma einer Synapse ein. Die postsynaptischen Potentiale, die durch diese Aktionspotentiale ausgelöst werden, überlagern sich und können so die Reizschwelle überschreiten.

  • Räumliche Summation: An einem Neuron laufen gleichzeitig mehrere Aktionspotentiale von verschiedenen Dendriten in das Soma einer Nervenzelle ein. Die postsynaptischen Potentiale, die durch diese Aktionspotentiale ausgelöst werden, summieren sich räumlich und können so die Reizschwelle überschreiten.

Beide Arten von Summation führen zu graduierten postsynaptischen Potentialen (PSPs).

Synaptische Plastizität: Die Grundlage für Lernen und Gedächtnis

Synaptische Plastizität ist die Fähigkeit von Synapsen, ihre Stärke und Effizienz im Laufe der Zeit zu verändern. Diese Anpassungsfähigkeit ist die physikalische Grundlage für nahezu alle Lern- und Anpassungsprozesse im Nervensystem. Je nachdem, wie oft und wie stark eine Synapse benutzt wird, kann sie ihre Übertragungseffizienz erhöhen (Langzeitpotenzierung, LTP) oder verringern (Langzeitdepression, LTD).

  • Langzeitpotenzierung (LTP): Werden Synapsen über längere Zeit wiederholt aktiviert, werden sie besonders leistungsfähig. Dies bedeutet, dass die postsynaptische Zelle stärker auf die Aktivierung der präsynaptischen Zelle reagiert. LTP gilt als ein wichtiger zellulärer Mechanismus für Lernen und Gedächtnis.

  • Langzeitdepression (LTD): Im Gegensatz zur LTP führt eine schwache oder unkorrelierte Aktivierung einer Synapse zu einer Verringerung ihrer Übertragungseffizienz. LTD kann dazu beitragen, irrelevante oder veraltete Informationen aus dem Nervensystem zu entfernen.

Synapsen und Erkrankungen: Wenn die Kommunikation gestört ist

Fehlfunktionen von Synapsen können zu einer Vielzahl neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen führen. Einige Beispiele sind:

  • Myasthenia gravis: Eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper gegen Acetylcholinrezeptoren auf der postsynaptischen Membran gebildet werden. Die blockierten Rezeptoren führen zu einer gestörten Muskelkontraktion und Muskelschwäche.

  • Parkinson-Krankheit: Eine neurodegenerative Erkrankung, bei der die Produktion von Dopamin durch Zerstörung der produzierenden Zellen in der Substantia nigra vermindert ist. Der Dopaminmangel führt zu Bewegungsstörungen, Zittern und Muskelsteifheit.

  • Autismus-Spektrum-Störung: Eine neurologische Entwicklungsstörung, die durch reduzierte soziale Fähigkeiten, eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Veränderungen in der synaptischen Funktion und Plastizität werden als mögliche Ursachen diskutiert.

  • Schizophrenie: Eine schwere chronische psychische Störung, die durch psychotische Symptome, desorganisiertes Sprechen oder Verhalten, Affektverflachung und kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist. Eine Dysregulation der Neurotransmission, insbesondere des Dopaminsystems, spielt eine wichtige Rolle.

  • Depressionen: Bei Depressionen spielen Störungen der synaptischen Signalübertragung eine zentrale Rolle. Besonders betroffen sind die Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, die an bestimmten Synapsen im Gehirn für die Regulation von Stimmung, Antrieb, Schlaf und emotionalem Erleben verantwortlich sind.

  • Lambert-Eaton-Syndrom: Eine seltene Autoimmunerkrankung, die die Signalübertragung an der neuromuskulären Synapse stört. Das Immunsystem bildet Antikörper gegen spannungsabhängige Calciumkanäle auf der präsynaptischen Membran, was zu einer verminderten Freisetzung von Acetylcholin führt.

Pharmakologische Beeinflussung von Synapsen

Viele Medikamente entfalten ihre Wirkung, indem sie in die synaptische Übertragung eingreifen.

  • Antidepressiva: Einige Antidepressiva verhindern die Wiederaufnahme von Noradrenalin oder Serotonin in die Präsynapse, wodurch die Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht wird und ihre Wirkung verstärkt wird.

  • Botulinumtoxin (Botox): Botulinumtoxin blockiert die Freisetzung von Acetylcholin an der neuromuskulären Endplatte und führt so zur Lähmung der betroffenen Muskulatur. Es wird in der Medizin gezielt eingesetzt, um übermäßige Muskelaktivität oder Drüsentätigkeit zu hemmen.

  • Parathion (E 605): Phosphorsäureester wie Parathion hemmen irreversibel das Enzym Acetylcholinesterase, das den Abbau von Acetylcholin katalysiert. Die Folge ist eine Daueraktivierung der Neurone und Muskelzellen, was zum Tod führen kann.

  • Atropin: Atropin hemmt Acetylcholin-Rezeptoren, indem es die Bindung von Acetylcholin verhindert.

Die Entstehung von Synapsen: Ein komplexer Prozess

Die Entstehung von Synapsen (Synaptogenese) ist ein komplexer Prozess, der während der Entwicklung des Nervensystems stattfindet und auch im Erwachsenenalter noch andauert. Wissenschaftler haben wichtige Mechanismen aufgedeckt, die an der Synaptogenese beteiligt sind.

  • Axonaler Transport: Spezielle Transportvesikel transportieren die notwendigen Proteine und Membranlipide zu den Orten, an denen Synapsen gebildet werden. Das Motorprotein KIF1A spielt eine wichtige Rolle beim axonalen Transport präsynaptischer Proteine. Störungen dieses Transports können zu neurologischen Erkrankungen führen.

  • Synaptische Vesikel: Synaptische Vesikel enthalten die Neurotransmitter und sind essenziell für die Signalübertragung. Die Vesikelproteine und die Proteine der aktiven Zone (Bereiche der präsynaptischen Membran, an denen die Vesikel freigesetzt werden) nehmen alle den gleichen Transportweg.

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