Zahlreiche digitale Angebote, darunter Apps, versprechen, das Gedächtnis zu trainieren und die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern. Doch was steckt wirklich hinter dem Begriff "Gehirnjogging"? Und wie trainiert man das Gehirn effektiv?
Was ist Gehirnjogging?
Gehirnjogging ist ein "Trendsport", der darauf abzielt, das Gehirn ähnlich wie Muskeln zu trainieren. Anbieter von Brain-Fitness-Tools versprechen Verbesserungen in Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration.
Kritiker bemängeln jedoch, dass Gehirnjogging zwar die Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit verbessern kann, das generelle Denkvermögen aber unverändert bleibt. Es mache Nutzer also nicht intelligenter. Zudem seien Aktivitäten, die sich im Alltag umsetzen lassen, wertvoller, wie beispielsweise ein Tanzkurs oder das Erlernen einer neuen Sprache - besonders für Senioren.
Eine Studie des Karolinska Instituts in Stockholm, des National Institute for Health and Wellfare und der University of Eastern Finland zeigte, dass eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining, gesunder Ernährung und regelmäßigem Gehirntraining die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer um 25 Prozent steigern konnte.
Digitale Angebote im Test
NeuroNation: Diese App bietet ein intensives Gehirntraining und wurde vom Bundesministerium für Gesundheit ausgezeichnet. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern wurden 60 kognitive Übungen entwickelt, die in der COGITO-Studie des Max-Planck-Instituts in Berlin evaluiert wurden. Die Studie zeigte, dass intensives Gehirnjogging die generellen kognitiven Fähigkeiten und insbesondere Aufmerksamkeit und Gedächtnis nachhaltig verbessert. Die Personalisierung der Übungen auf den Nutzer sorgt dafür, dass diese weder über- noch unterfordern. Gamification-Elemente bringen zusätzliche Motivation. Die App wird sogar in medizinischen Projekten eingesetzt, etwa als Gedächtnistraining für Senioren oder zur Rehabilitation von Schlaganfallpatienten.
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Lumosity: Mit rund 70 Millionen Nutzern in 182 Ländern ist Lumosity ein Marktführer im Bereich Gedächtnistraining. Nach einer anfänglichen Bestimmung des Ausgangspunkts und der Trainingsziele durch den Nutzer, beginnt das personalisierte Training mit täglichen Workouts, die fünf kognitive Kernkompetenzen herausfordern. Die App basiert auf von Forschern entwickelten Tests zur Messung der kognitiven Fähigkeiten, die in Form von 25 Spielen aufbereitet wurden.
Alltagstipps für ein effektives Gehirntraining
Um das Gehirn effektiv zu trainieren, ist es wichtig, es auf unterschiedliche Arten anzuregen und ihm Abwechslung zu bieten. Hier sind einige praktische Tipps, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen:
- Lesen: Statt passiver Unterhaltung vor dem Bildschirm, sorgt Lesen für eigene Bilder im Kopf, beflügelt die Fantasie und bringt die Denkmaschine in Schwung.
- Kreativität: Basteln, Musizieren oder das Erlernen eines Instruments aktivieren die rechte Gehirnhälfte und bilden neue Nervenverbindungen.
- Herausforderungen suchen: Einen Computerkurs besuchen, eine Zeitung in einer Fremdsprache lesen oder regelmäßig rätseln und knobeln fordern die grauen Zellen.
- Entspannung: Stress ist Gift für den Kopf. Entspannungsmethoden wie Yoga oder autogenes Training helfen, Stresshormone abzubauen.
- Neugierde zulassen: Vielfältige Interessen und Forschungseifer halten das Gehirn auf Trab, da neue Eindrücke verarbeitet werden müssen.
- Soziale Kontakte pflegen: Der Austausch von Neuigkeiten und Gespräche mit anderen Menschen beschäftigen die grauen Zellen.
- Eselsbrücken bilden: Eigene Hilfsmittel und Reime helfen, sich Dinge besser zu merken.
- Routinen durchbrechen: Einen neuen Weg zur Arbeit fahren oder die Uhr am anderen Handgelenk tragen fordert das Gehirn heraus.
- Gesund leben: Regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und genügend Flüssigkeit stählen Körper und Geist.
- Stift in die Hand nehmen: Schreiben fokussiert das Denken. Ein Tagebuch kann den Einstieg erleichtern.
- Humor: Lachen fordert das Gehirn und verbindet Menschen.
Konkrete Übungen für das Gehirn
Neben den Alltagstipps gibt es auch konkrete Übungen, mit denen Sie Ihr Gehirn fordern können:
- Foto-Skizze: Machen Sie ein Foto von einem Motiv aus Ihrer Umgebung und versuchen Sie, aus dem Gedächtnis eine Skizze anzufertigen.
- Telefonnummer merken: Nehmen Sie eine Telefonnummer aus dem Telefonbuch oder der Kontaktliste Ihres Smartphones und lernen Sie diese auswendig.
Geistige Fitness im Alter
Mit zunehmendem Alter nimmt die Hirnleistung ab. Neuronen sterben ab und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen (Synapsen) werden abgebaut. Die gute Nachricht ist: Dagegen lässt sich etwas tun. In jedem Alter können Sie das Gehirn trainieren, damit sich Synapsen neu bilden. Werden Synapsen nicht benutzt, sterben sie ab und kognitive Fähigkeiten gehen verloren.
Die Neuroplastizität, die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Funktionen durch die Bildung von Zellen und Synapsen zu verändern, lässt sich auch im Alter noch gezielt fördern.
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Weitere Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren
- Musik: Musik beflügelt Körper und Geist und stimuliert die Hirnnerven.
- Fremdsprachen: Das Erlernen einer neuen Sprache fördert die Neuroplastizität und kann die Gehirnleistung verbessern.
- Körperliche Aktivität: Sport und Bewegung begünstigen ein gesundes Gehirn und verlangsamen den Alterungsprozess.
Neuroathletik: Das Nervensystem aktivieren
Neuroathletik ist eine Trainingsmethode, bei der das Nervensystem im Mittelpunkt steht. Es geht darum, die Prozesse im Gehirn zu verbessern, die unsere Bewegungen steuern. Typische Bestandteile sind:
- Visuelles Training: Verbesserung der Verarbeitung visueller Reize und der Hand-Auge-Koordination.
- Gleichgewichtstraining: Forderung und Verbesserung des vestibulären Systems.
- Propriozeptives Training: Stärkung der Körperwahrnehmung.
- Kognitive Übungen: Training der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Bewegung als Schlüssel zur mentalen Klarheit
Bereits kleine Mengen körperlicher Aktivität verbessern die Gehirnleistung, fördern die Regeneration und senken das Risiko für Demenz. Bewegung hemmt Entzündungsprozesse, verbessert die Durchblutung, stärkt das Immunsystem und fördert die Bildung neuer Nervenzellen.
Fünf einfache Übungen für das Gehirn:
- Zügiges Gehen
- Treppensteigen
- Kniebeugen mit Armbewegung
- Standwaage oder Einbeinstand
- Burpees light
Gedächtnistechniken für den Alltag
Dr. Boris Konrad, Neurowissenschaftler und Gedächtnisweltmeister, betont, dass jeder gesunde Mensch seine Gedächtnisleistung verbessern kann. Er empfiehlt, im Alltag auf technische Hilfsmittel zu verzichten und sich stattdessen auf das eigene Gedächtnis zu verlassen.
Bekannte Gedächtnistechniken:
- Loci-Methode (Gedächtnispalast): Informationen mit einem bekannten Raum oder Weg verbinden.
- Major-System: Zahlen in Buchstaben und Bilder umwandeln.
- Schlüsselwortmethode: Neue Begriffe mit vorhandenem Wissen und bildhaften Assoziationen verknüpfen.
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