In einer Welt, in der viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, sind Nachbarschaftsstreitigkeiten leider keine Seltenheit. Ob in Mietwohnungen, Eigentumswohnungen oder Eigenheimen mit angrenzenden Gärten - Konflikte können überall entstehen. Um ein harmonisches Zusammenleben zu gewährleisten, ist Rücksichtnahme das A und O. Dieser Artikel gibt Ihnen wertvolle Tipps und Informationen an die Hand, wie Sie Nachbarschaftsstreitigkeiten vermeiden, bestehende Konflikte lösen und Ihre Rechte und Pflichten als Nachbar kennen.
Nachbarschaftsstreit vermeiden: Präventive Maßnahmen
Wo viele Menschen eng zusammenleben, kommt es schnell zu Konflikten. Das trifft einerseits für Miet- und Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern zu. Andererseits trifft es genauso auf Eigenheime mit aneinander grenzenden Gärten zu. Es bestehen zwar einige rechtliche Regelungen, die das Zusammenleben in geregelte Bahnen lenken. Doch das Zauberwort heißt eindeutig: Rücksichtnahme.
Um unnötigen Ärger zu vermeiden, sollten Sie folgende Verhaltensweisen beherzigen:
- Ruhezeiten einhalten: Halten Sie die gesetzlichen Ruhezeiten sowie die Vorgaben der Hausordnung ein. So stören Sie Ihre Nachbarinnen und Nachbarn nicht. Üblicherweise gelten Ruhezeiten zwischen 22 Uhr und 6 bzw. 7 Uhr sowie mancherorts auch zwischen 13 Uhr und 15 Uhr.
- Rücksicht nehmen und Absprachen treffen: Nehmen Sie Rücksicht aufeinander und sprechen Sie sich ab. Schwingen Sie besser nicht morgens um Punkt sieben Uhr den Staubsauger, nur weil Sie es dürfen. Stellen Sie sicher, dass es den oder die Nachbar*in nicht stört. Häufig genügen kleine Änderungen und Kompromisse, um sich gegenseitig das Leben angenehmer zu gestalten.
- Gespräch suchen: Fühlen Sie sich von einer Nachbarin oder einem Nachbarn gestört, bewahren Sie Ruhe. Sprechen Sie das Problem lieber etwas später sachlich und freundlich an. Versuchen Sie dabei, der Nachbarin oder dem Nachbarn keine böse Absicht zu unterstellen. Oftmals ist dem Gegenüber gar nicht bewusst, wie belastend sein Verhalten für Sie ist.
- Eskalation vermeiden: Die vermietende Person oder die Polizei beziehungsweise das Ordnungsamt sollten Sie erst einschalten, wenn das persönliche Gespräch nicht zu dem erwünschten Ergebnis führt.
Häufige Streitpunkte und rechtliche Aspekte
Die Gründe für Nachbarschaftsstreitigkeiten sind vielfältig. Zu den häufigsten Streitpunkten zählen:
- Lärmbelästigung: Laute Musik, Partys, Heimwerkerarbeiten oder spielende Kinder können schnell zu Konflikten führen.
- Unfreundlichkeit und Egoismus: Mangelnde Kommunikation, mangelnde Hilfsbereitschaft oder rücksichtsloses Verhalten können das nachbarschaftliche Verhältnis belasten.
- Kinder und Haustiere: Kinderlärm oder störendes Verhalten von Haustieren sind oft Anlass für Auseinandersetzungen.
- Falschparken: ZUgeparkte Einfahrten oder Gehwege sorgen für Ärger.
- Abfall und Gerüche: Unsachgemäße Müllentsorgung oder unangenehme Gerüche können die Lebensqualität der Nachbarn beeinträchtigen.
Rechtliche Regelungen:
Das Nachbarschaftsrecht ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Es finden sich Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in den Nachbarrechtsgesetzen der einzelnen Bundesländer. Diese Gesetze regeln beispielsweise:
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- Ruhezeiten: Die Einhaltung der Ruhezeiten ist gesetzlich vorgeschrieben.
- Pflanzabstände: Die Abstände von Bäumen und Sträuchern zur Grundstücksgrenze sind in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder geregelt.
- Immissionen: Das BGB regelt, inwieweit Nachbarn Immissionen wie Lärm, Gerüche oder Rauch hinnehmen müssen.
Urteile und Gerichtsurteile:
Die Rechtsprechung in Nachbarschaftsstreitigkeiten ist vielfältig und oft einzelfallabhängig. Einige Beispiele für Gerichtsurteile:
- Musikunterricht: Zwei bis drei Stunden am Stück an Wochentagen sowie ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen darf, wenn die üblichen Ruhezeiten eingehalten werden, musiziert werden. Auch auf einer Trompete. Das hat der Bundesgerichtshof einem Musiker im Jahr 2018 erlaubt (Aktenzeichen V ZR 143/17). Schlagzeuger dürfen ihrem Hobby jedoch nur 45 Minuten am Tag nachgehen.
- Kinderlärm: Geräusche, die Kinder verursachen sind von Nachbarn zu akzeptieren, auch das Schreien und Weinen während der Nachtruhe. Je jünger die Kinder sind, desto stärkere Nerven müssen allerdings nicht nur die Eltern, sondern auch die Nachbarn haben. Von den Eltern kann jedoch verlangt werden, dass sie die Lautstärke des Lärms in Grenzen halten und für lärmmindernde Maßnahmen wie Spielteppiche unter den Bauklötzen sorgen.
- Baden und Duschen: Das Duschen und Baden nach 22 Uhr darf nicht gänzlich verboten werden - auch nicht von der Hausordnung. Das hat das Landgericht Köln (Aktenzeichen 1 S 304/96) geurteilt. Jedoch ist das Baden auf nur 30 Minuten lang begrenzt, ergänzte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 5 Ss (OWi) 411/90 bis (OWi)181/90 I).
- Haustierlärm: Hunde, die den ganzen Tag bellen, ob im Freien oder in einer Wohnung, sind für die Nachbarschaft unzumutbar. Gelegentliches Bellen oder Winseln muss akzeptiert werden. Gleiches gilt für Federvieh: In einem reinen Wohngebiet müssen die Nachbarn das Krähen eines Hahnes nicht ertragen - auch auf dem Land nicht, sagt das Oberlandesgericht Hamm in einem älteren Urteil aus dem Jahr 1988 (Aktenzeichen 22 U 265/87).
- Renovierung: Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2020 der Klage eines lärmgeplagten Menschen stattgegeben, der sich nach dem Tausch des Bodenbelags in der Wohnung über ihm, von Teppich zu Fliesen, durch den dann hörbaren Trittschall gestört gefühlt hat. Der Nachteil müsse ausgeglichen werden (Aktenzeichen V ZR 173/19) - auch wenn das Haus generell in Sachen Schallschutz nicht der Norm entspricht.
Eskalationsstufen bei Nachbarschaftsstreitigkeiten
Nicht jedes störende Verhalten muss hingenommen werden. Wo bei einem Nachbarschaftsstreit die Grenze zwischen Stichelei, Beleidigung und Belästigung verläuft, ist oft gar nicht einfach zu sagen. So können sich Nachbarn untereinander beispielsweise durchaus gewisse Seitenhiebe erlauben, sofern aus diesen kein Schaden entsteht. Ähnlich verhält es sich auch mit der Lärmbelästigung durch Nachbarn, die ein besonders häufiger Streitgrund ist. Hier gibt es laut Nachbarschaftsrecht festgelegte Ruhezeiten, die üblicherweise zwischen 22 Uhr und 6 bzw. 7 Uhr sowie mancherorts auch zwischen 13 Uhr und 15 Uhr gelten, und in denen ein gewisser gesetzlich festgelegter Lärmpegel nicht überschritten werden darf. Hält sich ein Nachbar nicht an diese Regeln, sondern feiert weiter nächtliche Partys oder geht bereits in den frühen Morgenstunden seinem Heimwerkerhobby nach, dann kann er wegen Ruhestörung belangt werden. Nicht nur ungehörig, sondern strafbar ist das Verhalten eines Nachbarn unter anderem dann, wenn er anderen Anwohnern nachstellt oder sie durch konstante Überwachung terrorisiert. Nicht selten wählen Nachbarn, die sich nicht leiden können, jedoch auch subtilere Strategien, um sich gegenseitig in den Wahnsinn zu treiben - etwa das Verbreiten von falschen Anschuldigungen in der Hausgemeinschaft bzw. der Nachbarschaft oder die unbeobachtete Beschädigung von Eigentum. Manche Nachbarn gehen sogar so weit, Buttersäure oder Infraschall ins Spiel zu bringen.
Wenn Sie sich durch das Verhalten Ihrer Nachbarn gestört fühlen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- Gespräch suchen: Das persönliche Gespräch mit dem Nachbarn ist der erste und wichtigste Schritt. Versuchen Sie, das Problem sachlich und ruhig anzusprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden.
- Mediation: Wenn ein offenes Gespräch nicht möglich ist oder keine Einigung erzielt werden kann, kann eine Mediation helfen. Ein Mediator ist ein ausgebildeter Vermittler, der sich beide Positionen anhört und dann mit den Beteiligten eine Lösung erarbeitet. So soll er helfen, die Streitthemen bestmöglich aufzuarbeiten und einen geschützten Raum für gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Anders als bei einem Gerichtsverfahren stehen hier die persönlichen Beziehungen zwischen den Nachbarn im Fokus. Die Streitbeilegung ohne Anwältin oder Anwalt und ohne Gericht ist bei der Gothaer mitversichert.
- Schlichtungsverfahren: Ähnlich, aber nicht deckungsgleich mit einer Mediation, ist das sogenannte Schlichtungsverfahren. Dieses wird von einer Güte- oder Schlichtungsstelle geführt und entweder freiwillig gestartet oder gesetzlich vorgeschrieben. Während es vor Gericht jedoch meist klare Gewinner und Verlierer gibt, ist ein Schlichtungsverfahren darauf ausgelegt, beide Seiten zufriedenzustellen. Gelingt dies nicht, dann wird den Parteien eine sogenannte Erfolglosigkeitsbescheinigung ausgestellt, mit der sie ihr Anliegen im nächsten Schritt vor Gericht bringen können.
- Vermieter informieren: Informieren Sie Ihren Vermieter über die Situation. Dieser ist verpflichtet, für ein friedliches Zusammenleben im Haus zu sorgen.
- Anwalt einschalten: Wollen Sie sich gegen das nervtötende oder übergriffige Verhalten eines Nachbarn wehren, dann sollten Sie - insofern bereits alle Gesprächskanäle und Mediationsangebote ausgereizt wurden - einen Anwalt einschalten. Dieser kann nämlich prüfen, ob Sie einen Unterlassungsanspruch haben. In diesem Fall kann Ihr Anwalt eine sogenannte strafbewehrte Abmahnung an Ihren Nachbarn senden. Diese dient dazu, ihn auf sein rechtswidriges Verhalten hinzuweisen und die unverzügliche Einstellung dieses Verhaltens einzufordern.
- Gerichtliche Klärung: Eine gerichtliche Klärung sollte in der Regel nur in absoluten Ausnahmefällen angestrebt werden, denn ein zivilgerichtliches Verfahren ist kosten- und zeitintensiv. Außerdem wird es die Atmosphäre in Ihrer Nachbarschaft kaum verbessern. Sollte auch dieser Weg scheitern und Ihr Nachbar beschwert sich über alles und zeigt Sie weiterhin ständig an, dann ist es an der Zeit selbst einen Anwalt einzuschalten. Zuvor kann es jedoch auch sinnvoll sein, dieses Vorhaben einmal direkt an den Nachbarn weiterzugeben.
Rechtsschutzversicherung:
Hilft ein souveräner und vernünftiger Umgang mit dem Nachbarschaftsstreit nicht, weil die andere Partei sich weder verhandlungs- noch kompromissbereit zeigt, ist guter Rat teuer. Damit die Lebensqualität nicht dauerhaft leidet, ist es unerlässlich, das Problem aus der Welt zu schaffen. Häufig glättet es bereits die Wogen, wenn eine Rechtsanwältin beziehungsweise ein Rechtsanwalt die Nachbarin oder den Nachbarn anschreibt. Hilft das nicht, steht Ihnen der Klageweg vor Gericht offen. Das ist allerdings mit hohen Kosten verbunden. Expertinnen raten daher zu einer entsprechenden Versicherung. So ist bei einem Nachbarschaftsstreit die Rechtsschutzversicherung ein starker Partner an Ihrer Seite. Hier erhalten Sie eine kostenlose telefonische Erstberatung und eine kompetente Einschätzung Ihres Falles. Von den Expertinnen erfahren Sie außerdem, wie Sie am besten agieren. Sie können zum Beispiel einen Mediator einschalten, der zwischen den Parteien vermittelt.
Spezialfall: Trampelnde Nachbarn
Die Nachbarn oben trampeln laut und verursachen beim Mieter der darunterliegenden Wohnung Stress und Unruhe - leider kein seltenes Problem. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Denn der erste Schritt sollte immer das offene Gespräch sein. Denn vielen Nachbarn ist das Trampeln oft gar nicht bewusst. Am besten suchen Sie das Gespräch genau dann, wenn Sie das Trampeln Ihrer Nachbarn hören. Allerdings sollte der Zeitpunkt auch für Ihre Nachbarn nicht allzu unpassend sein. Es ist hilfreich, wenn Sie Ihre Bitte um mehr Rücksicht begründen.
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Was tun bei trampelnden Nachbarn?
- Gespräch suchen: Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Nachbarn und bitten Sie um Rücksichtnahme.
- Andere Nachbarn einbeziehen: Fragen Sie bei anderen Nachbarn, ob das Trampeln auch von ihnen wahrgenommen wird. Störende Nachbarn, die trampeln, aber Ihnen nicht glauben, wie laut sich das Stampfen für Sie anhört, können Sie in Ihre Wohnung einladen.
- Lärmprotokoll führen: Hört das Trampeln der Nachbarn nicht auf, sollten Sie ein Lärmprotokoll führen und evtl. Wenn der Nachbar oder die Nachbarin weiterhin trampelt, nachdem Sie das Gespräch gesucht haben, informieren Sie diese über den nächsten Schritt: die Beschwerde bei der Hausverwaltung.So haben die lauten Nachbarn noch einmal die Gelegenheit, ihr Verhalten zu überdenken. Schreiben Sie dazu unbedingt die Uhrzeiten auf, zu denen der Nachbar oben trampelt. Trampeln die Nachbarn nachts, den ganzen Tag, zu bestimmten Zeiten? Liegen die Vorkommnisse innerhalb der gesetzlichen Ruhezeiten, hat Ihre Beschwerde mehr Gewicht. Diese Ruhezeiten, die oft im Mietvertrag festgelegt sind, gelten in der Regel von 22 bis 7 Uhr und von 13 bis 15 Uhr an Werktagen.
- Vermieter informieren: Wenn Sie über mehrere Wochen hinweg das Lärmprotokoll geführt haben und die Lärmbelästigung durch die Nachbarn und ihr Trampeln nicht nachgelassen hat, schreiben Sie Ihren Vermieter an. Bei diesem können Sie eine Mängelanzeige nach § 536 BGB geltend machen. Bitten Sie Ihren Vermieter, innerhalb einer zweiwöchigen Frist wegen der lauten Nachbarn aktiv zu werden.
- Mietminderung: Tut sich dennoch nichts, können Sie die Miete unter Vorbehalt überweisen. Im Streitfall liegt die Beweislast allerdings bei Ihnen. Sie müssen nachweisen, dass durch Nachbarn, die trampeln, eine unzumutbare Ruhestörung ausgeht.
- Gerichtliche Auseinandersetzung: Die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit trampelnden Nachbarn sind eher moderat und mitunter mit einem großen finanziellen Risiko verbunden. Prozesskosten und die etwaige Anfertigung eines Lärmgutachtens können mit mehreren tausend Euro zu Buche schlagen.
Wichtig: Nachbarn, die trampeln, gelten nicht immer als Lärmbelästigung. Ein Gericht kann urteilen, dass Sie dies hinnehmen müssen. Das ist möglicherweise dann der Fall, wenn das Alter des Hauses und die damit einhergehende Hellhörigkeit ursächlich sind. Der Vermieter ist dazu verpflichtet, den Lärmschutz zu gewährleisten, der zum Bauzeitpunkt üblich war. Erfüllt das Gebäude diese zum Bauzeitpunkt üblichen Standards, ist der Vermieter nicht dazu verpflichtet, beim Schallschutz nachzurüsten. Hören Sie aus der Wohnung des Nachbarn Kinderlärm? Das Trampeln und Toben der Kinder kann vor Gericht als sozialtypisches Verhalten angesehen werden. Denn laut Landesemissionsgesetz ist das kindliche Toben Teil der freien geistigen und körperlichen Entfaltung.
Weitere Tipps für ein harmonisches Zusammenleben
- Freundschaftliche Beziehungen pflegen: Investieren Sie in gute nachbarschaftliche Beziehungen. Ein freundliches Gespräch oder eine kleine Geste können Wunder wirken.
- Verständnis zeigen: Versuchen Sie, die Situation Ihres Nachbarn zu verstehen. Vielleicht hat er gerade eine stressige Phase oder gesundheitliche Probleme.
- Kompromissbereit sein: Seien Sie bereit, Kompromisse einzugehen. Nicht immer kann jeder seinen Willen durchsetzen.
- Humor bewahren: Ein bisschen Humor kann helfen, angespannte Situationen zu entschärfen.
- Professionelle Hilfe suchen: Wenn alle Stricke reißen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Mediator oder ein Anwalt kann Ihnen helfen, den Konflikt zu lösen.
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