Die Neuroplastizität ist ein faszinierendes und wichtiges Konzept, um die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen. Dank der Neuroplastizität kann sich das Gehirn auf veränderte Ansprüche einstellen und sich anpassen. Sie ermöglicht es uns, unsere Sinne zu nutzen, die Welt wahrzunehmen und uns auszudrücken. Dieser Artikel beleuchtet die Definition, Bedeutung und verschiedene Aspekte der Neuroplastizität und zeigt, wie sie unser Leben beeinflusst.
Definition der Neuroplastizität
Unter Neuroplastizität (auch neuronale Plastizität oder Hirnplastizität genannt) versteht man die funktionellen und strukturellen Veränderungen des Gehirns durch das Knüpfen oder Entfernen neuronaler Verbindungen zur Anpassung an veränderte physiologische Ansprüche. Einfach ausgedrückt ist es die Fähigkeit des Gehirns, sich im Laufe des Lebens zu verändern und zu wachsen. Die Neuroplastizität ist die Grundvoraussetzung für jede Form des Lernens.
Die Bedeutung der Neuroplastizität
Im menschlichen Gehirn befinden sich etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen). Verbindungen zwischen ihnen werden ständig neu geknüpft, verstärkt oder abgebaut. Kurz nach der Geburt entsteht ein Überschuss an Verbindungen im Nervensystem. Manche dieser Verbindungen werden jedoch wieder abgebaut, je nachdem, wie sie beansprucht werden. Umweltfaktoren spielen also eine wichtige Rolle bei der Formung des Gehirns. Verbindungen, die regelmäßig genutzt werden, werden weiter verstärkt, während unbenutzte Verbindungen abgebaut werden.
Durch gezielte Stimulation, motorische Beanspruchung und angepasste Übungen verändert sich das Gehirn in seiner Morphologie. Hirnareale, die häufig beansprucht werden, nehmen nachweisbar an Masse zu, da sich das Netzwerk zwischen Synapsen immer mehr ausbreitet. Diese Anpassung hilft dem Gehirn, sich auf neue Ansprüche einzustellen. Die Plastizität des Gehirns ermöglicht es, dass bestimmte Verbindungen zwischen den Neuronen (Synapsen) verstärkt werden, was beim Lernen eine wichtige Rolle spielt.
Sensible Phasen der Neuroplastizität
Es gibt sogenannte sensible Phasen, in denen die Plastizität und damit die Entwicklungs- und Lernfähigkeit erhöht sind. In diesen sensiblen Phasen müssen bestimmte Umweltfaktoren gegeben sein, um das volle Potenzial erreichen zu können. Um besser zu verstehen, wann das Gehirn sensible Phasen erfährt, wurden die Anpassungsmechanismen von Menschen mit Einschränkungen untersucht. Viele der Proband*innen waren im Laufe des Lebens untypischen Situationen ausgesetzt, mit denen die meisten Menschen niemals konfrontiert werden.
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Das ist z. B. der Fall bei Menschen, die blind oder taub geboren werden oder erst im Laufe des Lebens diese Sinne verlieren. Die Gehirne dieser Menschen wurden dann untersucht und mit solchen verglichen, die den Verlust oder das Fehlen von bestimmten Sinnen nicht kompensieren mussten. Sind zwischen beiden Gruppen morphologische Unterschiede zu erkennen, können Rückschlüsse auf die beteiligten Hirnareale gezogen werden.
Selbstheilung des Gehirns durch Neuroplastizität
Eine weitere, essenzielle Bedeutung der Neuroplastizität ist die Selbstheilung des Gehirns. Erleidet das Gehirn ein Trauma, können gewisse Funktionen für immer oder eine bestimmte Zeit eingeschränkt sein. Nach einem Schlaganfall kommt es häufig zu Störungen der Motorik und des Sprechverhaltens, da durch die Hirnblutung Areale beschädigt wurden, die für alltägliche Abläufe verantwortlich sind.
Lange wurde angenommen, dass Hirnschäden irreversibel wären und verlorene Funktionen nie wieder zurückerlangt werden könnten. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass das Gehirn diese Schäden bis zu einem gewissen Grad reparieren kann. Schäden, die nicht reparabel sind, können dann oft kompensiert werden. Diese Kompensation des fehlenden oder verlorenen Sinns ist z. B. bei blinden Menschen gut zu beobachten. Sie können meist deutlich besser hören und haben ein ausgeprägteres räumliches Verständnis, wobei ihnen der Schall hilft.
Kollaterale Axonsprossung
Dieses Phänomen wird durch die sogenannte kollaterale Axonsprossung unterstützt. Hierbei sprossen Axone aus benachbarten Hirnarealen in die beschädigte Region aus, um die Aufnahme und Weiterleitung von Signalen sicherzustellen. Überwiegend geschieht dies im peripheren Nervensystem und weniger im zentralen Nervensystem, da sich die Zelltypen und der Aufbau des ZNS nicht besonders hierfür eignen.
Zur Kompensation gehört auch die Übernahme von Aufgaben durch benachbarte, intakte Hirnareale. Bezeichnet wird diese Fähigkeit als Vikariation. Leider kann dieses eigentlich wunderbare Phänomen auch negative Folgen haben. Es kann durch die neu gewonnene "Verschaltung" zu abnormalen Funktionen kommen, da Nervenzellen und ihre Verbindungen untereinander oft hoch spezialisiert sind. Das kann wiederum zu fehlerhafter Signalweiterleitung führen.
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Arten der Neuroplastizität
Die Neuroplastizität stützt sich auf zwei Grundpfeiler: die kortikale und die synaptische Plastizität. Physiologisch trägt sowohl die kortikale als auch die synaptische Plastizität zur Neuroplastizität bei.
Kortikale Plastizität
Die kortikale Plastizität beschreibt die Veränderungen der Größe, Verbindungen und Aktivierungsschemata zwischen Neuronen aufgrund von variierender Beanspruchung eines Hirnareals. Als kortikale neuronale Plastizität wird die Fähigkeit zur Neuorganisation der Hirnrinde nach einer Hirnschädigung und damit die Verbesserung von Hirnfunktionen bezeichnet. Diese Form von Neuroplastizität kann aktiv gefördert werden, zum Beispiel im Rahmen einer physiotherapeutischen oder neuropsychologischen Therapie. Diese wird zunächst im Akutkrankenhaus, danach in neurologischen Rehakliniken und auch in der ambulanten Nachsorge eingesetzt.
Synaptische Plastizität
Die synaptische Plastizität bezeichnet die dynamische bidirektionale Vernetzung von Neuronen, die durch die Anpassungsfähigkeit von Prozessen im prä- und postsynaptischen Teil einer Synapse ermöglicht wird. Die Präsynapse übernimmt hierbei die Funktion eines Signal-Senders, die Postsynapse die eines Signal-Empfängers. Die synaptische Plastizität umfasst die Neuschaffung von Synapsen, aber auch die Stabilisierung und die Trennung bestehender interzellulärer Kontakte zwischen den Nervenzellen. Sie bildet das biologische Substrat für das Lernen und die Gedächtnisentwicklung und ist Grundlage der Informationsverarbeitung im Gehirn.
Die Änderung der Intensität einer Reizübertragung an den Synapsen aufgrund der Nutzung eines bestimmten Hirnareals wird als synaptische Plastizität beschrieben. Änderungen in der Morphologie als auch in der Physiologie der Synapse haben eine zentrale Rolle bei der synaptischen Plastizität. Es handelt sich hierbei um einen neurophysiologischen Mechanismus, welcher für Lernprozesse und die Gedächtnisfunktion unerlässlich ist. Die synaptische Plastizität kann weiterhin in die Kurz- und Langzeitplastizität unterschieden werden. Dem Namen entsprechend ist bei der Kurzzeitplastizität die Übertragungsstärke der Neuronen nur für wenige Millisekunden bis Minuten erhöht, bei der Langzeitplastizität jedoch mehrere Minuten bis zu Stunden. In Ausnahmen hält sie sogar ein Leben lang an. Grundsätzlich werden zwei zeitliche Phasen der synaptischen Neuroplastizität unterschieden: (1) Kurzzeit-Plastizität und (2) Langzeit-Plastizität.
Ein Beispiel für die Kurzzeit-Plastizität sind die synaptische Bahnung - auch als synaptische Fazilität bezeichnet - und der funktionell gegengerichtete Prozess, die synaptische Depression. Dabei werden nach der Aktivität in den präsynaptischen Endigungen - also dem “Sender” - Sekunden bis Minuten lang verstärkt Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, ausgeschüttet. Zur Langzeit-Plastizität zählen die Langzeitpotenzierung und Langzeitdepression.
Einfluss auf die synaptische Plastizität
Die Reizübertragung an den Synapsen kann sowohl verstärkt (Potenzierung) als auch gehemmt (Depression) werden. Beide Formen können kurzzeitig oder langzeitig ausgeprägt sein. Hierbei spricht man dann von einer Lang- oder Kurzzeit-Potenzierung bzw. Lang- oder Kurzzeit-Depression. Die Beeinflussung der Reizübertragung kann prä- und postsynaptischen Ursprungs sein. Als präsynaptisch wird die Zelle bezeichnet, von welcher das Signal ausgeht. Postsynaptisch hingegen bezeichnet die Nervenzelle, die das Signal aufnimmt und je nachdem weiterleitet bzw. hemmt. Die Steigerung der synaptischen Plastizität wird als Potenzierung bezeichnet. Bei einer Depression wird die Reizübertragung gemindert.
Bei der präsynaptischen Beeinflussung der Plastizität ändert sich die Menge des freigesetzten Transmitters, welches je Aktionspotenzial abgegeben wird. Die Geschwindigkeit der Wiederaufnahme des Neurotransmitters in die präsynaptische Zelle kann jedoch auch beeinflusst werden. Die postsynaptische Plastizität ist hingegen dadurch ausgezeichnet, dass sich das Ausmaß der Reaktion der postsynaptischen Antwort auf eine bestimmte Menge von Transmitter ändert. Die Menge von postsynaptischen Transmitter-Rezeptoren spielt hier eine entscheidende Rolle. Je mehr dieser Rezeptoren vorhanden sind, desto mehr Transmitter kann gebunden werden und somit die spezifische Wirkung entfalten. Außerdem können Rezeptoren modifiziert werden, sodass sie mehr oder weniger Transmitter binden, und es können Enzyme gebildet werden, die Einfluss auf die Aufenthaltsdauer der Transmitter im synaptischen Spalt haben.
Neuroplastizität - Phasen
Die Neuroplastizität setzt sich grundlegend aus drei Phasen zusammen:
- Proliferation
- Pruning
- Konsolidierung
In der ersten Phase - der Proliferation - werden neue Synapsen gebildet. In dieser Phase findet eine verstärkte Expression von Myelin statt. Myelin ist eine Substanz, die aus Proteinen und Fetten besteht und die Axone der Nervenzellen umgibt, damit elektrische Signale schneller weitergeleitet werden können. Um keine unbrauchbaren Verbindungen aufrechtzuerhalten und Platz für neue, wichtigere Dinge zu schaffen, müssen ungenutzte Synapsen wieder entfernt werden. Dieser Vorgang wird als Pruning bezeichnet und heißt zu Deutsch “beschneiden” oder “zurechtstutzen”, wie es auch bei Bäumen und Sträuchern getan wird. So wird die Effizienz des Gehirns gesichert. In der letzten Phase wird die Nutzung von neuronalen Verbindungen und Netzwerken automatisiert, was als Konsolidierung bezeichnet wird. In der Medizin beschreibt dieser Begriff generell die Verfestigung bzw. Heilung von Verletzungen oder Krankheiten.
Einflüsse auf die Neuroplastizität
Wie bei den meisten körperlichen Funktionen auch kann die Neuroplastizität von äußeren Faktoren stark beeinflusst werden. Hierzu gehört sowohl das mentale als auch körperliche Wohlbefinden sowie körperliche Auslastung und Stress. Aber auch soziale Einflüsse haben einen Einfluss auf das Gehirn. Aufmerksamkeit, Lob und Kritik haben einen großen Einfluss auf das Lernverhalten und das Gedächtnis. Regelmäßige physische Aktivität, soziale Verbindungen und Lernen können die Neuroplastizität positiv beeinflussen. Meditation und Achtsamkeit können ebenfalls positive Effekte auf die funktionelle und strukturelle Organisation des Gehirns haben.
Neuroplastizität Therapie
Wie kann man nun dieses Prinzip für eine Therapie anwenden? Grundsätzlich wird das Wissen über die neuronale Plastizität des Gehirns genutzt, um nach einer Beschädigung den natürlichen Heilungsprozess zu unterstützen. Deswegen wird z. B. nach einem Schlaganfall mit dieser Therapieform gearbeitet. Diese darf jedoch nicht zu früh begonnen werden, da das Gehirn nach einem Trauma eine Regenerationsphase mit viel Ruhe benötigt, um im Anschluss wieder optimal heilen zu können. In dieser Zeit wäre eine Therapie kontraproduktiv.
Therapeutische Maßnahmen beinhalten:
- Gedächtnis- und Konzentrationstraining
- Wiederherstellung verlorener oder eingeschränkter Motorik
- Orientierungsübungen
- Behandlung von Ausfällen der Sinneswahrnehmungen
Die zuvor behandelte Vikariation spielt hierbei eine besondere Rolle. Intaktes, gesundes Gewebe verbindet sich mit dem abgestorbenen Gewebe und übernimmt so neue Aufgaben, um den Verlust zu kompensieren. Der beschädigte Bereich des Gehirns ist nach dem Trauma gleichzeitig deutlich besser modellierbar, was die Therapie bei korrekter Anwendung weiter unterstützen kann. Die strukturellen Veränderungen nach einer Schädigung des Gehirns können dann über ein MRT (= Magnetresonanztomografie) oder einen PET-Scan (= Positronen-Emissions-Tomografie) nachverfolgt werden.
Förderung der Neuroplastizität nach einem Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall ist es wichtig, die Neuroplastizität gezielt zu fördern, um die bestmögliche Erholung zu erreichen. Es gibt überzeugende Beweise dafür, dass dieselben Signalwege, die Entzündungsreaktionen auf Verletzungen oder ischämische Schlaganfälle regulieren, auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, Plastizität und Funktion des Gehirns spielen.
Die Neuroplastizität nach einem Schlaganfall basiert nach aktuellen Erkenntnissen auf drei Hauptmechanismen, in deren Folge es zu einer Neuzuweisung der Funktionen kommt, die durch den Schlaganfall und die Beschädigung der Neuronen eingeschränkt wurden. Bereits in frühen Stadien nach einem Schlaganfall werden diese Mechanismen aktiviert und dauern mindestens über drei bis sechs Monate an.
Strategien zur Verbesserung der Neuroplastizität
Da die spontane Neuroplastizität nach einem Schlaganfall in der Regel nicht ausreicht, um eine deutliche Genesung zu bewirken, werden kontinuierlich Strategien entwickelt, mit denen eine Verbesserung der Neuroplastizität erreicht werden soll.
- Zelltherapie: Die Zelltherapie beruht auf der Eigenschaft von Stammzellen, sich in mehrere unreife und reife Zelltypen entwickeln zu können und die daher die Fähigkeit besitzen, die Regeneration von geschädigtem Hirngewebe zu fördern. Besonders eine Art von Zellen, die sogenannten mesenchymalen Stammzellen, ist vielversprechend für die Behandlung und Rehabilitation nach Schlaganfällen, da sie selten eine Immunantwort auslösen, leicht verfügbar sind und positive Ergebnisse in Tiermodellen zeigten.
- Nicht-invasive Hirnstimulation: Bei der nicht-invasiven Hirnstimulation handelt es sich um eine weit verbreitete Technik, insbesondere in der Schlaganfall-Rehabilitation. Zwei der prominentesten Arten der Hirnstimulation sind die transkranielle Magnetstimulation, kurz TMS und die transkranielle Gleichstromstimulation, kurz TDCS. Sie bewirken Veränderungen der langfristigen Neuroplastizität und passen lokale und entfernte Netzwerke an, die verschiedenen klinischen Symptomen nach einem Schlaganfall zugrunde liegen.
- Transkranielle Magnetstimulation (TMS): Die TMS verwendet elektromagnetische Induktion zur Erzeugung eines elektrischen Stroms, der die elektrophysiologische Aktivität von Zellen verändert. Hierbei kommt es zu einer Erregung von Nervenzellen und folglich zu Nervenimpulsen. Die Frequenz der Strompulse kann die Aktivität der Hirnrinde verändern und dadurch die Gehirndurchblutung und Entstehung neuer Blutgefäße fördern.
- Transkranielle Gleichstromstimulation (TDCS): Bei der TDCS wird ein elektrischer Gleichstrom erzeugt, der die Neuroplastizität stimuliert und die lokale Durchblutung verbessert. Eine hohe Intensität und lange Dauer der TDCS erzielt die vielversprechendsten Ergebnisse bei der Verbesserung von motorischen Funktionen nach einem Schlaganfall, zum Beispiel bei einer Halbseitenlähmung.
Neuroplastizität Übungen
Die gezielte Anregung der Neuroplastizität kann durch sogenannte Induktoren herbeigeführt werden. Dabei handelt es sich um Handlungen, die nachgewiesen bestimmte Hirnareale beanspruchen. Motorisches Training, gezielte Reize oder das Unterbinden bestimmter Funktionen kann die Verstärkung neuronaler Verbindungen herbeiführen. Hemmt man den Körper daran, bestimmte Funktionen auszuführen, wird das Gehirn dazu gezwungen, diese Einschränkungen so weit wie möglich zu kompensieren. Wenn ein Mensch nach einem Unfall z. B. ein Bein nicht mehr bewegen kann, wird das intakte Bein ruhig gestellt, damit das Gehirn diese Einschränkung ausgleicht. Im Idealfall führt das dazu, dass die beschädigte Gliedmaße wieder bewegt werden kann.
Maladaptive Neuroplastizität: Wenn Plastizität negative Folgen hat
In seltenen Fällen kann die Neuroplastizität schädlich sein - man spricht dann von maladaptiver Neuroplastizität. Obwohl Neuroplastizität ein sehr wichtiger Mechanismus ist, der die Grundlage für unser Lernen und die Gedächtnisbildung bildet und nach Gehirnläsionen die Kompensierung von eingeschränkten Hirnfunktionen ermöglicht, kann Neuroplastizität in einigen Fällen auch negative Folgen haben. Beispiele hierfür sind Phantomschmerzen in den Gliedmaßen und das Auftreten unwillkürlicher Kontraktionen der Hand- und Fingermuskeln bei Musikern und Schriftstellern nach intensivem, längerem Gebrauch. Studien deuten darauf hin, dass bei Personen, bei denen solche überlastungsbedingten unwillkürlichen Kontraktionen auftreten, eine abnorme Plastizität der Hirnrinde vorliegt. Diese könnte genetische Ursachen haben. Ähnliche Phänomene können in einigen Fällen bei Phantomschmerzen nach Amputation beobachtet werden. Der Phantomschmerz als Folge neuronaler Umstrukturierungsprozesse in der sensomotorischen Hirnrinde wurde bereits 1992 durch den Neurologen Vilayanur S. Ramachandran beschrieben.
Fazit
Die Neuroplastizität ist ein fundamentaler Prozess, der es dem Gehirn ermöglicht, sich an Veränderungen anzupassen und zu lernen. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung, der Rehabilitation nach Verletzungen und der Optimierung unserer Fähigkeiten. Das Verständnis der Neuroplastizität eröffnet neue Wege, um das Gehirn gezielt zu fördern und seine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Es gibt sensible Phasen, in denen die Neuroplastizität erhöht ist und somit Lernvorgänge und Gedächtnisleistung gesteigert sind. Fällt ein Hirnareal aus oder wird beschädigt, können benachbarte Areale die Aufgaben des beschädigten Areals übernehmen (Vikariation) oder neue Verbindungen zu diesem Areal herstellen, um die Signalweiterleitung zu gewährleisten (kollaterale Axonsprossung).
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