Das menschliche Gehirn ist eine bemerkenswerte "Lernmaschine", die täglich unglaubliche Leistungen vollbringt. Es ist komplex, widerstandsfähig und wandelt ständig Informationen in Erinnerungen um. Doch wie können wir diese Fähigkeiten optimieren, um besser zu lernen und uns Dinge besser zu merken? Dieser Artikel beleuchtet gehirnoptimierte Lernmethoden auf wissenschaftlicher Basis und gibt praktische Tipps für den Alltag.
Die Funktionsweise unseres Gehirns beim Lernen
Unser Gehirn besteht aus etwa 86 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die durch Billionen von Verbindungen (Synapsen) miteinander kommunizieren. Lernen basiert auf der Bildung neuer und der Stärkung bestehender synaptischer Verbindungen, ein Prozess, der als neuronale Plastizität bezeichnet wird.
Beim Lernen durchlaufen Informationen typischerweise verschiedene Stufen:
- Wahrnehmung: Informationen gelangen über unsere Sinnesorgane ins Gehirn.
- Aufmerksamkeit: Das Gehirn filtert relevante von irrelevanten Informationen. Hier spielen Neuheit, Relevanz, Emotionen und Umgebungsfaktoren eine wichtige Rolle.
- Enkodierung: Die Informationen werden in neuronale Aktivitätsmuster umgewandelt. Je intensiver wir etwas lernen, je mehr Sinne beteiligt sind und je länger wir uns einem Thema widmen, desto besser speichern wir Informationen ab.
- Konsolidierung: Die Informationen werden im Langzeitgedächtnis verankert. Emotionale, relevante und häufig wiederholte Informationen werden eher im Langzeitgedächtnis gespeichert.
- Abruf: Die gespeicherten Informationen werden bei Bedarf wieder aktiviert. Der Abruf funktioniert umso besser, je ähnlicher die Lern- und Abrufsituationen sind.
Ein wichtiger Grundsatz der Neurowissenschaften lautet: "Neuronen, die gemeinsam feuern, verdrahten sich miteinander." Das bedeutet, dass Nervenzellen, die gleichzeitig aktiviert werden, stärkere Verbindungen untereinander ausbilden. Daher ist es so wichtig, neue Informationen mit bereits vorhandenem Wissen zu verknüpfen.
Schlüsselstrategien für gehirnoptimiertes Lernen
1. Aktives Lernen und intrinsische Motivation
Wer mit Interesse lernt, belohnt sich selbst. Wenn Lernen etwas ist, was uns interessiert, agiert das Gehirn in einem Aktivitätszustand, welcher mit einem intensiven Belohnungsgefühl einhergeht. Sich in eine interessante Aufgabe vertiefen zu können, die dem Kind Spaß macht, ist ein Motiv, das Lernen erleichtert und ermöglicht. Nutzen Sie die Interessen des Kindes, um weitere Lerninhalte anzubinden.
Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben
Beim aktiven Lernen beschäftigen Sie sich intensiv mit dem Lernstoff, zum Beispiel durch Übungsaufgaben oder Zusammenfassungen. Dies fördert die Motivation von innen heraus.
2. Wiederholtes Lernen und Spaced Repetition
Beim Lernen kommt es auf Wiederholungen an. Die regelmäßige Wiederholung ist einer der wichtigsten Faktoren für langfristigen Lernerfolg. Die Spaced Repetition Methode ist eine effektive Lernstrategie, die auf systematischen und gestaffelten Wiederholungen basiert. Durch korrekte Wiederholungen zum richtigen Zeitpunkt wird das Erinnerungsvermögen optimiert.
Die Grundidee hinter der Spaced Repetition besteht darin, dass Inhalte in bestimmten Intervallen wiederholt werden, wobei der Abstand zwischen den Wiederholungen je nach Schwierigkeitsgrad variiert. Tools wie Anki oder Quizlet bieten Unterstützung bei der Umsetzung von Spaced Repetition und helfen dabei, maßgeschneiderte Lernpläne zu erstellen.
Die Forschungen von Hermann Ebbinghaus über die Vergessenskurve belegen den langfristigen Nutzen des strukturierten Lernens mit Spaced Repetition.
3. Gemeinsames Lernen und Austausch
Das Lernen in Gruppen ist eine weitere gute Methode, weil dabei der Austausch von Wissen und die gegenseitige Unterstützung gefördert werden. Kommunikative Lerner können neues Wissen besser abrufen, wenn sie darüber sprechen, schreiben oder es jemand anderem erklären.
Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.
4. Visualisierung und Mindmaps
Vor allem für visuelle Lernende ist das Visualisieren die beste Methode, um neue Inhalte zu festigen. Insbesondere Mindmaps sind ein vielversprechendes Werkzeug, um den Lernstoff zu visualisieren. Diese Lerntechnik eignet sich für das Lernen, Organisieren, Brainstorming und Planen von Projekten.
5. Der Zeigarnik-Effekt
Dieses psychologische Prinzip besagt, dass wir uns besser an unerledigte Aufgaben erinnern als an abgeschlossene. Bauen Sie bewusst unvollständige Aufgaben oder Informationen ein. Durch das Erzeugen von Lücken im Wissen oder durch unvollständige Lernziele bleibt das Interesse und die Aufmerksamkeit am Thema erhalten. Achten Sie jedoch darauf, nicht zu viele unerledigte Aufgaben gleichzeitig zu haben, um Stress zu vermeiden.
6. Die Loci-Methode
Die Loci-Methode (Methode der Orte) verknüpft Lerninhalte mit Orten, die Ihnen vertraut sind. Indem Sie Fakten mit Bildern an realen Orten abspeichern, teilen Sie Wissen in Abschnitte und verbessern Ihr Erinnerungsvermögen enorm - besonders nützlich für Prüfungen und auswendig zu lernende Listen. Die Methode geht auf die antike Rhetorik zurück.
7. Die Pomodoro-Technik
Die Pomodoro-Technik strukturiert das Lernen in kurze, konzentrierte Arbeitsphasen mit regelmäßigen Pausen (z. B. 25 Minuten fokussiertes Arbeiten, gefolgt von 5 Minuten Pause; nach mehreren Intervallen eine längere Pause).
8. Bewegung und Lernen
Der Schlüssel zum Lernen liegt in der Bewegung - sie fördert die Vernetzungsprozesse des Gehirns. Bewegung stimuliert das Gehirn und öffnet die Tür zum Erwerb kognitiver Qualitäten. Jegliche Bewegung optimiert das Gehirn in seiner Vernetzung. Angebote zur Bewegung und Sinneswahrnehmung können einen grundlegenden Beitrag zur Verbesserung des Wohlbefindens, der Leistungsfähigkeit, des Lernerfolgs, der Lernbereitschaft und des Lernklimas leisten. Gehen Sie nach dem Vokabellernen nicht ins Kino, sondern in den Wald.
Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick
9. Eselsbrücken und Assoziationen
Am besten funktionieren Eselsbrücken bei repetitiven Lernaufgaben. So hilft es zum Beispiel beim Erlernen von neuen Wörtern enorm, wenn ein Wort mit einem unerwarteten Bild assoziiert wird. Je abstrakter desto besser, denn genau hier entsteht die sogenannte Erwartungsverletzung - der Zustand, in dem unser Gehirn lernt.
10. Die Bedeutung der Lernumgebung
Ein ideales Lernumfeld für Kinder ist das Lernen in der Natur. Hier ist die Stimulation durch negative Reize deutlich reduziert. Es ist wissenschaftlich belegt, dass alleine der Aufenthalt in der Natur die Stresshormone senkt. Jedoch auch in geschlossenen Räumen kann eine Lernumgebung gestaltet werden, die auf negative Reizüberflutung verzichtet. Hierbei sind besonders die Beleuchtung, Gerüche und Lärm zu beachten. Schalten Sie alle Geräte ab, die Sie unnötig ablenken könnten, wie z.B. Fernseher, Radio und Musik. Am besten klappt Training zu Hause in einem ruhigen Zimmer.
Gehirnjogging und mentale Fitness
Gehirnjogging ist ein wissenschaftliches Training für das Gehirn durch Denkaufgaben, das die kognitiven Fähigkeiten verbessern kann. Es ist wichtig für die mentale Leistungsfähigkeit, besonders im Alter. Die Vorteile sind u.a. verbesserte kognitive Leistung, Gedächtnis, Konzentration und Problemlösungsfähigkeit; Stimmungsverbesserung und Stressabbau sind ebenfalls möglich.
Effektives Gehirnjogging: Das gibt es zu beachten
Damit Sie optimal vom Gehirnjogging profitieren können, gibt es einige Punkte zu beachten:
- An den Leistungsgrenzen arbeiten: Achten Sie stets darauf, ob Ihr Gehirn an seinen Leistungsgrenzen trainiert. Verlassen Sie immer wieder Ihre Komfortzone, um es bestmöglich anzuregen.
- Die richtige Umgebung aussuchen: Schalten Sie alle Geräte ab, die Sie unnötig ablenken könnten.
- Regelmäßig statt punktuell trainieren: Trainieren Sie nicht länger als eine Stunde pro Tag und verteilen Sie das Training gleichmäßig auf die Woche.
- Schlaf als wichtigen Baustein erkennen: Schlaf ist gesund für das Gehirn und nötig, um Erinnerungen zu konsolidieren und kognitive Reserven aufzufüllen.
- Gesund ernähren, mit den richtigen Nährstoffen: Damit das Gehirn auf einem hohen Level operieren kann, benötigt es eine Vielfalt an Nährstoffen.
- Misserfolge als Fortschritt verstehen: Ärgern Sie sich nicht über Misserfolge in den Übungen.
- Genug Abwechslung: Um einen ganzheitlichen Trainingserfolg zu erzielen, müssen unterschiedliche kognitive Fähigkeiten mit unterschiedlichen Übungen trainiert werden.
- Täglich ausreichend bewegen: Durch tägliche Bewegung regen wir die Gehirnaktivität mit an.
Übungen, welche die Kriterien erfüllen
- Schach: Kaum ein Spiel war über eine so lange Zeit relevant wie das Strategiespiel mit den Schwarzen und Weisen Feldern. Auch als Gehirnjogging eignet sich Schach besonders gut, denn die nahezu unendlichen Möglichkeiten wollen vorausgeplant werden.
- Neue Sprache Lernen: Auch eine neue Sprache zu lernen, trainiert unser Gehirn. Beim Lernen neuer Sprachen kommt vor allem unser Arbeitsgedächtnis zum Einsatz.
- Physische Aktivitäten: Auch Bewegung und Sport können tatsächlich Ihre kognitiven Funktionen verbessern.
- Musikinstrument lernen: Lernen, ein Musikinstrument zu spielen, ist ebenfalls eine hervorragende Gehirnjogging Methode.
Die Rolle der Hirnforschung in der Pädagogik
Die Zusammenarbeit zwischen Hirnforschung und Pädagogik ist entscheidend, um Lernen effizienter zu gestalten. Innovative Lernmethoden sollten aus der Hirnforschung kommen, da das Lernen in verschiedenen Altersstufen unterschiedlich funktioniert.
Es ist wichtig zu verstehen, dass nach dem Lernen im Gehirn noch weitere Verfestigungsprozesse ablaufen. Auch die emotionale Atmosphäre, in der gelernt wird, ist maßgeblich. Ergebnisse der Grundlagenforschung sollen gemeinsam mit Erziehern und Pädagogen in Kindergärten und Schulen umgesetzt werden.
tags: #gehirn #optimierte #lernmethoden #wissenschaftliche #grundlagen