Demenz ist ein Thema, das uns alle betrifft. Ob in der Familie, im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft, fast jeder kennt jemanden, der an Demenz erkrankt ist. Die WDR-Dokumentation "Hirschhausen und das große Vergessen" nimmt sich dieser komplexen Thematik an und beleuchtet verschiedene Aspekte der Demenz, von den Ursachen und Risikofaktoren bis hin zu den Herausforderungen im Alltag für Betroffene und Angehörige.
Einleitung
Die Dokumentation "Hirschhausen und das große Vergessen" stellt die Frage, wie wir als Gesellschaft mit einer Krankheit umgehen, die Millionen Menschen betrifft. Eckhart von Hirschhausen begibt sich auf eine persönliche Spurensuche zum Thema Demenz und spricht mit Betroffenen, Angehörigen und Pflegenden. Die Sendung beleuchtet die verschiedenen Facetten der Krankheit und gibt Einblicke in den Alltag von Menschen mit Demenz.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Sammelbegriff für rund 50 verschiedene Krankheiten. Ab 65 Jahren steigt das Risiko deutlich, ab 90 Jahren ist dann jeder Dritte erkrankt. Allerdings können auch Menschen Ende 40 schon erkranken. Demenz gehört laut Statistischem Bundesamt seit Jahren zu den häufigsten Todesursachen bei Frauen. Und auch bei Männern steigt die Zahl.
Die Symptome von Demenz sind vielfältig. Vertrautes wird fremd, Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen oder Orientierungslosigkeit erschweren den Alltag. Wenn die geistigen Fähigkeiten nachlassen, können auch sozialer Rückzug, Persönlichkeitsveränderungen, Depressionen, mitunter auch Aggressionen dazukommen. Für Angehörige und Betroffene beginnt damit oft ein schwerer Weg.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Demenzforschung hat 14 Risikofaktoren identifiziert, die die Entstehung der Krankheit begünstigen. Diese belasten die Gefäße oder den Stoffwechsel, fördern Entzündungen oder Ablagerungen im Hirn und schwächen die Widerstandskraft des Gehirns gegenüber Schäden.
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Zu den beeinflussbaren Risikofaktoren gehören:
- Ernährung: Ein hoher Cholesterinspiegel, Diabetes Typ 2, starkes Übergewicht sowie Bluthochdruck erhöhen erwiesenermaßen das Demenzrisiko. Hier kann eine Ernährungsumstellung helfen: wenig Zucker, wenig Fett, wenig Fleisch, viele Ballaststoffe. Die Mittelmeerküche hat sich hier bewährt.
- Rauchen: Rauchen löst nicht nur Herz-, Kreislauf- und Lungenkrankheiten aus, sondern hat auch negative Auswirkungen auf Gefäße und Gehirn und kann so für Demenzerkrankungen sorgen. Wer Nichtraucher wird, hat nach ein paar Jahren kein höheres Demenzrisiko als Menschen, die nie geraucht haben.
- Alkohol: Auch übermäßiger Alkoholkonsum ist ein Faktor, der Demenz begünstigt.
- Bewegungsmangel: Bewegungsmangel kann zu Demenz führen: Das Hirn ist schlechter durchblutet, Nervenzellen werden angegriffen, der geistige Abbau schreitet voran. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt daher mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche.
- Soziale Isolation und Einsamkeit: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten das Gehirn fit und leistungsstark.
- Depressionen: Depressionen erhöhen vor allem im mittleren und höheren Alter das Demenzrisiko.
- Hörverlust: Wer schlecht hört, gibt seinem Gehirn weniger Reize zur Verarbeitung, zudem muss es mehr Energie aufbringen, um Gesprochenes zu verstehen. Wer sich frühzeitig für ein Hörgerät entscheidet, unterstützt also nicht nur sein Gehör, sondern schützt auch sein Gehirn.
- Sehverlust: Nachlassendes Sehvermögen führt oft dazu, dass man sich sozial zurückzieht und eher zu Hause bleibt. Zudem gehen dem Hirn wichtige Reize verloren, es verliert an Leistung.
- Kopfverletzungen: Schwere und wiederholte Kopfverletzungen erhöhen ebenfalls das Risiko für Demenzerkrankungen.
Weitere Risikofaktoren, auf die man als Individuum nur begrenzt Einfluss hat, sind:
- Geringe Bildung: Gerade in jungen Jahren schützt geistige Anregung das Gehirn, indem sogenannte "kognitive Reserven" aufgebaut werden, die die Widerstandskraft des Hirns stärken.
- Luftverschmutzung: Alles, was wir einatmen, kann in den Körper und sogar in das Gehirn gelangen und dort Entzündungen und Zellschäden auslösen.
Behandlung und Therapie
Bisher können die Ärzte Alzheimer nicht behandeln, bestenfalls den Verlauf der Krankheit hinauszögern. Die Forschung konzentriert sich darauf, Medikamente zu entwickeln, die den Beginn und Verlauf verzögern sollen.
Ein neuer Ansatz ist das in Europa neu zugelassene Alzheimer-Medikament „Lecanemab“. Dieses soll ursächlich auf die Erkrankungsprozesse von Alzheimer im Gehirn wirken und schädliche Alzheimer-Plaques entfernen. Mit dem Ansatz, über das hirneigene Immunsystem die bestehenden Eiweißklumpen im Hirn zu bekämpfen, besteht erstmalig die Möglichkeit, eine der Ursachen von Demenz gezielt zu bekämpfen.
Alltag mit Demenz
Die Dokumentation beleuchtet auch den Alltag von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass sich soziale Träger und Gesundheitseinrichtungen verstärkt auf die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz einstellen und spezielle Hilfe für Angehörige anbieten.
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Ein Beispiel für innovative Wohnformen ist die "Gammeloase" im Juli-Kolb-Seniorenzentrum in Marl. In dieser Wohngemeinschaft leben 14 Menschen, die schwer an Demenz erkrankt sind. Hier gibt es keine festen Strukturen, starren Tagespläne und kein Personal, das für die Bewohner:innen entscheidet, was gut für sie ist und was nicht. In der Gammeloase haben die Bewohnenden die Regie. Deshalb ist hier häufig Nichtstun Programm.
Gesellschaftliche Verantwortung
Die Dokumentation "Hirschhausen und das große Vergessen" stellt die Frage, wie wir als Gesellschaft mit einer Krankheit umgehen, die Millionen Menschen betrifft. Sie zeigt, dass Demenz nicht nur eine individuelle Tragödie ist, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft dieser Herausforderung stellen und uns für eine bessere Versorgung und Betreuung von Menschen mit Demenz einsetzen.
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