Weihrauch, das Harz des Boswellia-Baums, wird seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen und Religionen verwendet, insbesondere in der katholischen Kirche und im Buddhismus. Es wird traditionell für seine reinigende Wirkung und seine Rolle bei religiösen Ritualen geschätzt. Jüngste wissenschaftliche Studien haben begonnen, die potenziellen Auswirkungen von Weihrauch auf das Gehirn und seine therapeutischen Anwendungen zu untersuchen.
Traditionelle Verwendung und Inhaltsstoffe von Weihrauch
Weihrauch wird seit über 5000 Jahren als Naturheilmittel genutzt. In der ayurvedischen Medizin wird es seit Jahrtausenden als Allheilmittel eingesetzt, insbesondere bei Erkrankungen der Atemwege, des Magen-Darm-Trakts, des Bewegungsapparats, der Psyche und der Haut. Im Altertum und Mittelalter wurde Weihrauch von Ärzten wie Hippokrates, Galen und Avicenna vorwiegend wegen seiner positiven Effekte bei der Behandlung von entzündlichen Erkrankungen verwendet.
Die Gewinnung von Weihrauch erfolgt durch Anritzen der Rinde der Weihrauchbäume. Das austretende Harz ist ein Vielstoffgemisch, dessen Hauptbestandteile ätherische Öle, Schleimstoffe und Harzsäuren (Boswelliasäuren) sind. Besonders die Boswelliasäuren sind für die medizinische Wirkung von Weihrauch verantwortlich. Die höchsten Konzentrationen von AKBA (Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure) und KBA (11-keto-β-boswelliasäure) finden sich hauptsächlich in den Harzen von Boswellia serrata (indischer Weihrauch) und Boswellia sacra.
Auswirkungen auf das Gehirn
Antidepressive und angstlösende Wirkung
Beim Räuchern von Weihrauch wird Incensol freigesetzt, ein weiterer biologisch aktiver Stoff der Weihrauchharze, der antidepressiv und angstlösend wirkt. Diese Wirkung kann auch bei oraler Einnahme von Incensolacetat beobachtet werden. Es dämpft Aggressionen und harmonisiert die Psyche.
Verbesserung der Kognition
Incensolacetat, ein Inhaltsstoff von Weihrauch, hat neben seiner antidepressiven und angstlösenden Wirkung auch eine Besserung der Kognition (= geistige Aktivität) gezeigt. Tierversuche deuten auf eine schützende Wirkung nach einem schlaganfallbedingtem Hirnschaden hin.
Lesen Sie auch: Kann Weihrauch bei MS helfen?
Beruhigende und entspannende Wirkung
Das Räuchern von Weihrauchharzen kann durch die verschiedenen psychoaktiven Stoffe (u.a. Incensoleacetat) Wirkungen auf das Nervensystem haben. Hierdurch kommt eine beruhigende, angstlösende und entspannende Wirkung zustande, ohne müde zu machen. Es steigert das Wohlbefinden und fördert die Konzentration, was es ideal für Lernphasen macht.
Potenzielle Anwendung bei ADHS und Demenz
Personen mit ADHS, Unruhezuständen (z.B. bei Demenz), Nervosität, emotionalem Stress oder Depressionen könnten von der täglichen Anwendung von Weihrauch profitieren, ohne dass nennenswerte Nebenwirkungen zu befürchten sind.
Verbesserung der Lernfähigkeit und Gedächtnis
Studien bestätigten eine Verbesserung von Lernfähigkeit und altersbedingten Funktionsstörungen insbesondere nach Langzeitanwendung von Weihrauch über mindestens 8 Wochen. Hier konnte eine Vermehrung von Dendriten und von CA1 Zellen des Hippocampus beobachtet werden. Dendriten sind Fortsätze von Nervenzellen, die für Aufnahme und Weiterleitung von elektrischen Reizen zuständig sind, und der Hippocampus ist der Ort für Gedächtnisbildung.
Neuroprotektive Effekte
In Tierstudien für Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson verlangsamte Boswellia-Extrakt den Krankheitsprozess. Ibn Sina (Avicenna) berichtet im Kanon der Medizin, dass Weihrauch dem Verstand nützt und ihn stärkt. Zwei Tierstudien legen nahe, dass AKBA und KBA Neuronen vor Ischämie-Reperfusionsschäden schützen und dazu beitragen, die Schädigung durch einen ischämischen Schlaganfall zu begrenzen.
Entzündungshemmende Wirkung und Immunmodulation
Hemmung der Leukotrienbildung
Mehrere Studien bestätigen die entzündungshemmende (antiinflammatorische) Wirkung von Weihrauch. Verantwortlich dafür sind insbesondere die Boswelliensäuren KBA und AKBA. Im Gegensatz zu anderen antientzündlichen Präparaten zeigt Weihrauch eine cortisonähnliche Wirkung, jedoch mit kaum Nebenwirkungen. Boswelliasäuren verhindern zudem, dass eine überschießende entzündliche Reaktion stattfindet, indem sie die Hemmung von dem Schlüsselenzym (5-Lipoxigenase, 5-LO) bewirken, welches für die Entstehung entzündungsfördernder körpereigener Botenstoffe (Leukotriene) verantwortlich ist.
Lesen Sie auch: Studien zu Weihrauch und Nervenschmerzen
Anwendungsbereiche der entzündungshemmenden Wirkung
Eine erhöhte Leukotrien-Konzentration findet man neben den chronisch-entzündlichen Erkrankungen auch bei Erkrankungen wie Multiple Sklerose, zystischer Fibrose, allergischen Erkrankungen (Heuschnupfen, Konjunktivitis), Rheumaerkrankungen (Rheumatoider Arthritis, Lupus Erythematodes) sowie Hauterkrankungen wie Schuppenflechte (Psoriasis) und Urtikaria, weshalb man bei Einnahme auch hier eine Besserung der Symptome erwarten könnte. Therapieerfolge wurden auch für Hashimoto-Thyreoiditis berichtet, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse.
Fiebersenkende und schmerzlindernde Wirkung
Boswelliasäuren wirken neben der antientzündlichen Wirkung auch fiebersenkend und schmerzlindernd (antiphlogistische Wirkung). Man nimmt an, dass dies über die Hemmung der entzündungsfördernden Enzym COX (und damit die Prostaglandinsynthese) sowie über die dämpfende Wirkung des zentralen Nervensystems zustande kommt.
Immunmodulierende Effekte
Weitere antientzündliche Effekte konnten in Studien durch Hemmung der Antikörperbildung und Abwehrzellen wie Natürliche Killerzellen festgestellt werden.
Weihrauch bei Krebs
Antitumorale Aktivität
Schon im Altertum verwendeten Ärzte Weihrauch für Tumoren und Geschwüren aller Art. Heute gibt es zwar wenig klinische Studien (an Menschen), die das beweisen, jedoch fand man in zahlreichen Zell- (in vitro) und Tierversuchen eine wachstumshemmende Wirkung. Es gibt einige klinische Studien an Patienten mit Hirntumoren (Astrozytom, Glioblastom). Dabei verabreichten die Forscher betroffenen Patienten 7 Tage vor Operation 3 x täglich 400 mg Weihrauchxtrakt. Im untersuchten Operationsgewebe sah man bereits untergegangene Tumorzellen.
Ein weiteres Experiment an Ratten untersuchte die Hemmung der Tumorzell-Vermehrung, wobei eine signifikante Verringerung des Tumorvolumens und eine Zunahme apoptotischer Tumorzellen festgestellt wurde. Einige ärztliche Kollegen setzen bis heute Weihrauch zur Behandlung von tumorbedingten Gehirnödem ein. In einer Studie sah man eine Reduktion dieses Ödems nach 3x täglicher Gabe von 1200mg Boswelliaextakt. Man vermutet, dass dies durch Hemmung der Leukotriensynthese zustande kommt. Außerdem konnte man in Tierversuchen die Passage der Blut-Hirn-Schranke durch Boswelliasäuren gezeigt werden, indem Gewebespiegel von KBA und AKBA im Gehirn detektiert wurden.
Lesen Sie auch: Studien zu Weihrauch und Demenz
Rolle bei Hirnödemen
Zur Wirkung von Boswellia auf Hirnödeme gibt es derzeit nur eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) sowie einzelne nicht-randomisierte Studien und Fallberichte. Die Daten deuten darauf hin, dass Boswellia bei Patientinnen und Patienten mit Hirntumoren therapiebedingte Hirnödeme verringern könnte.
Weihrauch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen
Darmerkrankungen
Aufgrund der antientzündlich und antioxidativen Wirkung von Weihrauch konnte bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa eine 82% Remission (Rückgang von Krankheitssymptomen) nach 6-wöchiger Einnahme erreicht werden. Bei Morbus Crohn wurde in einer Doppelblindstudie ebenfalls eine deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik nach 8-wöchiger täglicher Einnahme von 3600mg Weihrauchextrakt beobachtet.
Multiple Sklerose
In einer Studie mit Multiple Sklerose Patienten, einer chronisch entzündlichen Erkrankung des Nervensystems, zeigte sich bei 34% nach 2-monatiger Einnahme von 2x täglich 300mg Weihrauch eine signifikante Verbesserung der kognitiven Beeinträchtigungen (Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Kreativität, Planen, Orientierung), einer der meist aufgetretenen Störungen bei Patienten mit Multipler Sklerose. In einer weiteren Studie vom Institut für Neuroimmunologie und Klinische Multiple-Sklerose-Forschung in Hamburg bekamen Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose 8 Monate lang kein Kortison oder Interferon, sondern Weihrauch-Extrakt verabreicht.
Rheumatoide Arthritis und Arthrose
Wie bereits oben erwähnt, hat Weihrauch durch seinen antientzündlichen Effekt eine gute Wirksamkeit bei Rheumatoider Arthritis, wo Gelenke entzündet und angeschwollen sind. In weiteren Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass bei oraler Einnahme von Boswelliasäuren des Weihrauches das Eindringen von weißen Blutkörperchen in das entzündete Gelenk deutlich weniger aufgetreten ist. Auch bei Arthrose kann Weihrauch gut wirksam sein. Mehrere Studien zeigten einen geringeren Verlust an Gelenkknorpel und weniger Knochendeformierung.
Anwendung und Dosierung
Das Gummiharz von Boswellia serrata sollte nur in Form standardisierter Fertigarzneimittel eingenommen werden - das Harz selbst dürfen Sie nicht innerlich anwenden. Wie Sie die Präparate richtig anwenden, entnehmen Sie der Packungsbeilage oder erfahren Sie von Ihrer Apothekerin oder Ihrem Apotheker.
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Selten treten bei der Einnahme (etwa von Weihrauch-Kapseln) Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden oder allergische Reaktionen auf. Vereinzelt kommt es auch zu Juckreiz. Weihrauch hemmt einige Cytochrom-P450-Enzyme, die für den Abbau verschiedener Medikamente wichtig sind, was zu Wechselwirkungen führen kann.
Rechtliche Situation und Verfügbarkeit
Weihrauch ist in der Europäischen Union (EU) nicht als Arzneimittel zugelassen. Boswelliahaltige Produkte sind nur in Form freiverkäuflicher Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.