Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Die Suche nach wirksamen und gut verträglichen Therapien ist daher von großer Bedeutung. In den letzten Jahren hat sich das Interesse an alternativen und komplementären Behandlungsansätzen verstärkt, darunter die Verwendung von Weihrauch. Dieser Artikel beleuchtet die potenziellen Wirkungen von Weihrauchkapseln bei MS, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und Expertenmeinungen.
Was ist Weihrauch?
Weihrauch ist ein Gummi-Harz, das aus den Stämmen von Weihrauchbäumen (Boswellia) gewonnen wird. Diese Bäume wachsen hauptsächlich in Indien, Afrika und Arabien. Das Harz wird durch Anschneiden der Baumrinde gewonnen, wobei das austretende Harz an der Luft trocknet und anschließend gesammelt wird. Weihrauch hat eine lange Tradition als Räucherwerk in rituellen Zeremonien und wird auch in der ayurvedischen Medizin verwendet.
Inhaltsstoffe und Wirkmechanismen
Weihrauch enthält verschiedene bioaktive Substanzen, darunter Boswelliasäuren, die für ihre entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt sind. Studien haben gezeigt, dass Boswelliasäuren die Bildung von Entzündungsmediatoren blockieren und das Enzym 5-Lipoxygenase umprogrammieren können, sodass es entzündungshemmend wirkt.
Weihrauch in der MS-Forschung
Die Forschung zur Anwendung von Weihrauch bei MS hat in den letzten Jahren zugenommen. Eine frühe Phase-II-Studie unter der Leitung von Dr. Klarissa Stürner am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, untersuchte die Wirksamkeit von standardisiertem Weihrauchextrakt bei schubförmiger MS.
Studienergebnisse
In der Studie nahmen 28 Patienten mit schubförmiger MS teil. Über einen Zeitraum von acht Monaten erhielten sie dreimal täglich Weihrauchextrakt in Kapselform. Die Ergebnisse zeigten, dass der Weihrauchextrakt die entzündliche Krankheitsaktivität der MS im MRT signifikant senkte. Konkret wurden folgende Effekte beobachtet:
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- Verringerung der Läsionszahl und -größe im MRT
- Verringerung der Hirnatrophie
- Erhöhung der Marker für regulatorische CD4+ T-Zellen
- Reduktion der Interleukin-17A-produzierenden CD8+ T-Zellen
Wirkstoffmechanismus
Die Forscher werteten die Veränderungen in den Immunzellmarkern als Zeichen für einen spezifischen Wirkstoffmechanismus von Weihrauch. Es wird angenommen, dass Weihrauch in den Eicosanoid-Pathway eingreift, ein Netzwerk von Entzündungsbotenstoffen, und so ein entzündliches Umgebungssetting in eine milde gestimmte Situation umwandeln kann. Dies scheint insbesondere bei MS eine wichtige Rolle zu spielen, da die pro-entzündlichen TH17-Zellen reduziert werden und mehr regulatorische Zellen gefunden werden, die das Immunsystem beruhigen.
Verträglichkeit und Nebenwirkungen
Die MS-Patienten vertrugen das Weihrauchpräparat insgesamt gut. Die beobachteten Nebenwirkungen waren meist mild bis moderat und betrafen hauptsächlich den Magen-Darm-Bereich sowie kleinere Infektionen.
Expertenmeinungen und Empfehlungen
Dr. Klarissa Stürner, Leiterin der Studie, betont, dass Weihrauch aufgrund der geringen Nebenwirkungen insbesondere für gering betroffene und erst kurz erkrankte MS-Patienten eine Behandlungsoption darstellen könnte. Sie weist jedoch darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sind, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Zudem rät sie von einer Selbstmedikation mit frei verkäuflichen Weihrauchpräparaten ab, da diese zum Teil krebserregende Stoffe enthalten könnten.
Bedeutung der Weihrauchart und Qualität
Es gibt verschiedene Arten von Weihrauch, die sich in ihrer Zusammensetzung und Wirksamkeit unterscheiden können. Die in der SABA-Studie verwendete Weihrauchart war indischer Weihrauch, da dieser in der Pharmakopöe anerkannt ist und die größte Erfahrung im medizinischen Kontext besteht.
Qualität und Herstellung
Die Qualität von Weihrauchpräparaten kann stark variieren. Bei frei verkäuflichen Produkten besteht das Problem, dass bei der Gewinnung zum Teil krebserregende Stoffe verwendet werden könnten. Zudem unterliegen Nahrungsergänzungsmittel oft weniger strengen Kontrollen als Arzneimittel. Daher ist es wichtig, auf hochwertige Produkte zu achten, die nach GMP-Standards hergestellt wurden.
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Estragol
Weihrauch enthält neben Boswelliasäuren auch Estragol, ein aromatischer Bestandteil ätherischer Öle. In Tierversuchen mit sehr hohen Dosen von Estragol als Einzelsubstanz wurden Lebertumoren und krebsfördernde Schäden an der DNA beobachtet. Hinweise auf eine direkte krebsfördernde Wirkung beim Menschen liegen bisher nicht vor. Dennoch sollte der Estragolgehalt in Weihrauchprodukten berücksichtigt werden, insbesondere da er in Nahrungsergänzungsmitteln nicht immer angegeben ist.
Vergleich mit anderen MS-Therapien
Im Vergleich zu anderen MS-Therapien wie Interferonen zeigte die SABA-Studie eine geringere Reduktion der regulatorischen T-Zellen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es sich um eine frühe Phase-II-Studie ohne Placebo-Kontrollgruppe handelte. Eine italienische Arbeitsgruppe konnte in einer placebokontrollierten Studie mit Palmitoylethanolamid (PEA), einer natürlichen Substanz, eine Senkung von Entzündungsmarkern im Serum nachweisen.
Mitoxantron
Es gibt Hinweise darauf, dass Weihrauch einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Mitoxantron aufweisen könnte, ein starkes Immunsuppressivum, das in der Brustkrebstherapie eingesetzt wird. Mitoxantron wird jedoch aufgrund seines schlechten Nebenwirkungsprofils und der begrenzten Gesamtdosis nur noch in Ausnahmefällen bei MS angewendet.
Persönliche Erfahrungen und Anekdoten
Einige MS-Patienten berichten von positiven Erfahrungen mit Weihrauch. So beschreibt ein Patient, dass er durch die Einnahme von Weihrauch eine behobene Darm-Problematik erlebt und eine Verbesserung der Gehfähigkeit festgestellt hat. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass solche Erfahrungen individuell sind und nicht verallgemeinert werden können.
Fallbeispiele und Erfahrungsberichte
Einige Anwender berichten von einer Verbesserung der Gehfähigkeit und insbesondere des Fußhebers durch die Einnahme von Weihrauch. Andere wiederum haben keine Wirkung festgestellt. Es ist wichtig, die eigenen Erfahrungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls mit einem Arzt zu besprechen.
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