Die vier Hauptarterien, die das Gehirn versorgen: Eine detaillierte Übersicht

Das Gehirn, der Sitz unseres Bewusstseins und die Steuerzentrale unseres Körpers, ist auf eine kontinuierliche und ausreichende Blutversorgung angewiesen. Diese Versorgung wird durch ein Netzwerk von vier Hauptarterien sichergestellt, die paarweise angeordnet sind: die Arteriae carotides internae (innere Halsschlagadern) und die Arteriae vertebrales (Wirbelarterien).

Einführung in die Blutversorgung des Gehirns

Das Gehirn benötigt eine ständige Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen, um seine komplexen Funktionen aufrechtzuerhalten. Da das Gehirn nur über begrenzte Speicherkapazitäten verfügt, ist es auf eine ununterbrochene Blutversorgung angewiesen, um seine Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. Diese Blutversorgung wird durch die genannten vier Hauptarterien realisiert, die in den Schädel eintreten und sich dort zu einem komplexen Netzwerk verbinden.

Die vier Hauptarterien im Detail

1. Arteria carotis interna (ACI) - Innere Halsschlagader

Die ACI ist ein wichtiger Versorger des Gehirns und entspringt der A. carotis communis. Sie verläuft entlang der Pharynxwand aufwärts und tritt durch den Canalis caroticus in die Schädelbasis ein. Im Gegensatz zur A. carotis externa gibt die ACI auf ihrem Weg vom Hals zur Schädelbasis keine Äste ab.

Verlauf und Segmente:

Nach einer S-förmigen Krümmung, dem Karotissyphon, erreicht sie die Medialseite des Processus clinoideus anterior und durchdringt die Dura mater. Im Subarachnoidalraum teilt sie sich in ihre Hauptäste auf: die A. cerebri anterior (ACA) und die A. cerebri media (MCA). Die ACI wird klinisch nach Bouthillier in sieben Segmente unterteilt (C1-C7):

  • C1 (zervikales Segment): Der Abschnitt im Halsbereich.
  • C2 (petröses Segment): Der Abschnitt im Felsenbein.
  • C3 (Foramen-lacerum-Segment): Der Abschnitt im Bereich des Foramen lacerum.
  • C4 (kavernöses Segment): Der Abschnitt im Sinus cavernosus.
  • C5 (Klinoid-Segment): Der Abschnitt unterhalb des Processus clinoideus anterior.
  • C6 (ophthalmisches Segment): Der Abschnitt nach Abgang der A. ophthalmica.
  • C7 (terminales Segment): Der Abschnitt bis zur Aufteilung in ACA und MCA.

Versorgungsgebiet:

Die ACI versorgt den gesamten Frontal- und Parietallappen, den anterolateralen Temporallappen, die Hypophyse und das Auge. Anatomische Variationen der ACI treten in etwa 30 % der Fälle auf und werden meist zufällig diagnostiziert.

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Klinische Relevanz:

Ein Verschluss der ACI kann zu einer Minderversorgung und damit zu Störungen auf der gegenüberliegenden Körperseite führen. Ist beispielsweise der motorische Kortex auf der linken Hemisphäre betroffen, können Lähmungserscheinungen auf der rechten Körperseite auftreten (Parese).

2. Arteria cerebri anterior (ACA) - Vordere Hirnarterie

Die ACA ist ein Hauptast der ACI und verläuft medial über dem Nervus opticus nach rostral. Sie tritt in die Fissura longitudinalis ein, wo beide ACA über die A. communicans anterior (ACoA) miteinander verbunden sind.

Verlauf und Segmente:

Die ACoA dient als Grenze für die klinische Einteilung in das A1- und A2-Segment. Die ACA gibt kurze zentrale Äste zur Versorgung des Chiasma opticum, des Nervus opticus und der Lamina terminalis ab und setzt sich als A2-Segment fort.

Versorgungsgebiet:

Die ACA versorgt den medialen Frontal- und Parietallappen sowie die basalen Vorderhirnstrukturen. Bei einem Verschluss der ACA sind die Gyri prae- und postcentralis mit ihren medialen Anteilen betroffen, was überwiegend eine beinbetonte Parese und Hypästhesie bedingt.

3. Arteria cerebri media (MCA) - Mittlere Hirnarterie

Die MCA ist der stärkste Gefäßast der ACI und setzt deren Verlaufsrichtung fort. Sie zieht nach lateral in den Sulcus lateralis (Sylvische Fissur).

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Verlauf und Segmente:

Anatomisch und klinisch werden vier bis fünf Gefäßabschnitte unterschieden (M1-M4, teilweise M5), wobei das M5-Segment eine unklar abgegrenzte Unterteilung der Pars terminalis darstellt.

Versorgungsgebiet:

Die MCA versorgt die Basalganglien (ohne Caput nuclei caudati), das Knie der Capsula interna, die Inselrinde sowie große laterale Anteile des Frontal-, Parietal- und Temporallappens.

Klinische Relevanz:

Infarkte und ischämische Attacken betreffen wesentlich häufiger die MCA als die ACA und PCA. Ein M1-Verschluss hat durch die Beteiligung der Capsula interna eine kontralaterale Hemiparese zur Folge. Die M4-Äste versorgen den Gyrus praecentralis und den Gyrus postcentralis fast bis zur Mantelkante, was bei einer Schädigung eine kontralaterale brachiofazial betonte Parese bzw. Hypästhesie verursacht. Ungefähr die Hälfte aller Hirninfarkte sind Infarkte dieses Mediakreislaufes.

4. Arteriae vertebrales (VA) - Wirbelarterien

Die VAs entspringen aus der A. subclavia und verlaufen durch die Querfortsätze der Halswirbel zum Schädel.

Verlauf:

Sie ziehen nach dorsal in Richtung des Processus transversus des 7. Halswirbels (HWK 7) und nehmen einen subarachnoidalen Verlauf mit Abgang der A. cerebelli inferior posterior (PICA) und der A. spinalis posterior. Die paarigen VAs vereinigen sich zur A. basilaris.

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Vereinigung zur A. basilaris:

Die VAs vereinigen sich überwiegend am Ponsunterrand zur A. basilaris, selten schon auf Höhe der Medulla oblongata. In ihrem Verlauf gibt sie die paarige A. cerebelli inferior anterior (AICA), die Aa. pontis und die paarige A. cerebelli superior (SUCA) ab. Die A. labyrinthi zur Versorgung des Innenohrs kann direkt aus der A. basilaris oder aus der AICA hervorgehen.

Versorgungsgebiet der A. basilaris:

Am pontomesenzephalen Übergang erfolgt die Aufteilung der A. basilaris in die paarige A. cerebri posterior (PCA). Die A. basilaris versorgt den Hirnstamm, das Kleinhirn und Teile des Hinterhauptslappens.

Klinische Relevanz:

Ein Verschluss der A. basilaris kann zu einem Ponsinfarkt mit dem klinischen Bild eines "Locked-in-Syndroms" führen.

5. Arteria cerebri posterior (PCA) - Hintere Hirnarterie

Die PCA ist ein Endast der A. basilaris und versorgt den Okzipitallappen und den basalen Teil des Temporallappens sowie kaudale Abschnitte von Striatum und Thalamus.

Verlauf und Segmente:

Sie verzweigt sich an der medialen Fläche des Okzipitallappens und an der mediobasalen Fläche des Temporallappens. Es werden drei Abschnitte (P1-P3) unterschieden:

  • P1 (Pars praecommunicalis): Abschnitt vor der A. communicans posterior.
  • P2 (Pars postcommunicalis): Abschnitt nach der A. communicans posterior.
  • P3 (Pars quadrigemina): Abschnitt im Bereich der Lamina quadrigemina.

Versorgungsgebiet:

Der Thalamus wird vollständig aus dem vertebrobasilären Stromgebiet durch Äste der PCoA (vordere Anteile) und der PCA (P1-P2, mittlere und hintere Anteile) versorgt.

Klinische Relevanz:

Durchblutungsstörungen des Thalamus und der Capsula interna können zu kontralateralen Hemihypästhesien und Hemiparesen führen. Ein ischämischer Schlaganfall im Posteriorstromgebiet kann zu einer kontralateralen homonymen Hemianopsie führen, da die A. calcarina die Area striata in 25 % allein versorgt.

Der Circulus arteriosus Willisii - Ein wichtiger Gefäßring

Die vier Hauptarterien sind durch den Circulus arteriosus Willisii miteinander verbunden, einem arteriellen Gefäßring an der Hirnbasis. Dieser Ring verbindet das vordere (ACI) und hintere (vertebralis-basilär) System und ermöglicht eine Umverteilung des Blutflusses bei Ausfällen einzelner Gefäße.

Bestandteile:

Der Circulus arteriosus Willisii besteht aus folgenden Komponenten:

  • A. communicans anterior (ACoA)
  • A. cerebri anterior (ACA)
  • A. carotis interna (ACI)
  • A. communicans posterior (PCoA)
  • A. cerebri posterior (PCA)

Funktion:

Dieser Gefäßring stellt sicher, dass der Blutbedarf des Gehirns auch bei Schwankungen in der Blutzufuhr ausreichend gedeckt ist. Er ermöglicht eine Umverteilung des Blutflusses zwischen den Hemisphären und den Versorgungsgebieten der einzelnen Arterien.

Venöser Abfluss des Gehirns

Das verbrauchte Blut wird über die Hirnvenen abtransportiert, die in die Sinus durae matris münden. Diese Sinus sind große venöse Blutleiter, die zwischen den Schichten der Dura mater verlaufen. Von den Sinus fließt das Blut in die Venae jugulares internae, die es zum Herzen zurücktransportieren.

Oberflächliches und tiefes Venensystem:

Es gibt ein oberflächliches und ein tiefes Venensystem. Das oberflächliche System drainiert das Blut von der Hirnoberfläche in den Sinus sagittalis superior und die Sinus der Schädelbasis. Das tiefe System sammelt das Blut aus den tieferen Hirnstrukturen und mündet in den Sinus rectus.

Sinus durae matris:

Die wichtigsten Sinus sind der Sinus sagittalis superior, der Sinus transversus, der Sinus rectus und der Sinus sigmoideus. Alle vier Sinus münden in den Confluens sinuum, von wo aus das Blut durch den Sinus transversus und Sinus sigmoideus in die V. jugularis interna fließt.

Klinische Bedeutung der Hirngefäße

Störungen der Hirngefäße, wie z.B. Verschlüsse oder Blutungen, können zu schweren neurologischen Ausfällen führen. Ein Schlaganfall (Apoplex) ist eine der häufigsten Ursachen für Behinderungen und Todesfälle.

Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfall:

  • Ischämischer Schlaganfall: Verstopfung eines Blutgefäßes durch Arteriosklerose oder ein Blutgerinnsel.
  • Hämorrhagischer Schlaganfall: Platzen eines Blutgefäßes im Gehirn.

Risikofaktoren:

  • Bluthochdruck
  • Arteriosklerose
  • Diabetes
  • Rauchen
  • Aneurysmen
  • Gefäßfehlbildungen
  • Gefäßentzündungen

Symptome eines Schlaganfalls:

Die Symptome eines Schlaganfalls hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Plötzliche Muskelschwäche oder Lähmung auf einer Körperseite
  • Sprachstörungen
  • Sehstörungen
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Starke Kopfschmerzen

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