Demenz ist ein Syndrom, das durch den Verlust kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten gekennzeichnet ist und das Alltagsleben beeinträchtigt. Es ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Oberbegriff für mehr als 50 verschiedene Erkrankungen, die mit einem Abbau von Nervenzellen im Gehirn einhergehen. Obwohl Demenz häufig mit dem Alter assoziiert wird, ist sie keine normale Alterserscheinung.
Häufige Demenzformen
Die verschiedenen Demenzformen unterscheiden sich in ihren Ursachen, Symptomen, ihrem Beginn und Verlauf. Die häufigsten Demenzformen sind:
Alzheimer-Demenz
Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form der Demenz und macht 60 bis 70 % aller Fälle aus. Sie ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben, was zu einem fortschreitenden Verlust kognitiver Funktionen führt. Kennzeichnend für Alzheimer ist insbesondere der frühe Verlust des Kurzzeitgedächtnisses.
Ursachen:
Die genauen Ursachen der Alzheimer-Demenz sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und der Lebensstil eine Rolle spielen. Bei der Alzheimer-Krankheit spielen insbesondere zwei fehlerhafte Proteine bei der Entstehung eine Rolle, welche zum fortschreitenden Abbau der Großhirnrinde führt. Zunächst bilden sich Ablagerungen (Plaques) von Amyloid-Proteinen, die sich außen an den Nervenzellen des Gehirns anreichern. Anschließend kommt es innerhalb der Nervenzellen zur Verbreitung von sogenannten Tau-Proteinen. Beide Proteine stören den normalen Stoffwechsel und die normale Kommunikation der Nervenzellen, so dass es zum Absterben von Nervenzellen kommt. Dadurch zeigen sich die typischen Symptome einer Demenzerkrankung.
Symptome:
- Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses
- Ungewohnte Stimmungsschwankungen
- Konzentrations- und Wortfindungsprobleme
- Abnehmende Reaktionsfähigkeit
- Sprachschwierigkeiten
- Verlust der Selbstständigkeit im späteren Verlauf
- Verlust der Fähigkeit, Familienmitglieder zu erkennen im späten Stadium
- Verlust der Sprachfähigkeit im Endstadium
Fallbeispiel:
Frau E., 67 Jahre alt, bemerkt, dass sie sich vieles nicht mehr so gut merken kann wie früher. Sie muss sich immer mehr aufschreiben, braucht für vieles länger und ist auch oft emotional unausgeglichen. Ihr Ehemann hält die Veränderungen zunächst für normal, reagiert aber später genervt und schroff, wenn Frau E. wieder einmal Dinge verlegt hat oder ihm immer wieder das Gleiche erzählt. Bei einer Routineuntersuchung fallen auch dem Hausarzt die Gedächtnisprobleme auf. Er überweist Frau E. an eine Gedächtnisambulanz, wo nach ausführlicher Untersuchung die Diagnose einer Alzheimer-Demenz gestellt wird.
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Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Demenzform und macht 10 bis 20 % der Fälle aus. Sie entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Schädigung des Hirngewebes führen. Typische Ursachen sind langwährender unbehandelter Bluthochdruck oder Schlaganfälle. Die Beeinträchtigungen durch vaskuläre Demenz können sehr unterschiedlich sein, äußern sich aber vor allem in den Bereichen Gedächtnis, Sprache, Denkvermögen, Bewegung und Orientierung. Vaskuläre Demenzen können, zum Beispiel durch Schlaganfälle, in jedem Alter auftreten.
Ursachen:
Die vaskuläre Demenz wird durch Schädigungen der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Dabei kommt es durch Fett- und Kalkablagerungen in den Blutgefäßen zu Durchblutungsstörungen, so dass das Gehirngewebe nicht mehr ausreichend versorgt wird und schließlich abstirbt. Eine vaskuläre Demenz kann unmittelbar nach einem Schlaganfall beginnen, sie kann aber auch durch wiederkehrende kleine Infarkte im Gehirn entstehen (so genannte Multi-Infarkt-Demenz). Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, ein hoher Cholesterinspiegel, Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen.
Symptome:
Die Symptome der vaskulären Demenz ähneln denen der Alzheimer-Demenz, können aber auch plötzlich auftreten (z. B. nach einem Schlaganfall). Typisch ist ein eher stufenförmiger Verlauf: Es treten immer wieder schlagartige Verschlechterungen der Leistungsfähigkeit auf, die sich mit Phasen gleichbleibender oder sogar leicht verbesserter kognitiver Leistungsfähigkeit abwechseln.
- Schleichender oder akuter Beginn
- Stufenförmiger Verlauf
- Gedächtnisprobleme
- Sprachstörungen
- Denkschwierigkeiten
- Bewegungsstörungen
- Orientierungsprobleme
Fallbeispiel:
Herr G., 76 Jahre alt, wird wegen eines plötzlichen Verwirrtheitszustands ins Krankenhaus eingeliefert. Er kann keine Angaben zu seinem Alter machen und weiß nicht, wo er ist und warum. Es stellt sich heraus, dass Herr G. seit Jahren an Bluthochdruck und Diabetes leidet. Nachdem ein stark erhöhter Blutzuckerwert richtig eingestellt worden ist, geht auch die Verwirrtheit wieder zurück. Herr G. ist aber nach wie vor sehr vergesslich, sucht oft nach den richtigen Worten und verläuft sich häufig auf der Station. Außerdem klagt er über Konzentrationsstörungen und kann sich an Ereignisse aus seiner Vergangenheit nicht richtig erinnern. Eine bildgebende Untersuchung des Kopfes gibt Hinweise auf viele kleine Hirninfarkte in der Vergangenheit. Die Ärzte stellen daraufhin die Diagnose einer vaskulären Demenz.
Lewy-Körperchen-Demenz
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch das Vorhandensein von Lewy-Körperchen in den Gehirnzellen gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind Schwankungen der Wachheit und der geistigen Leistungsfähigkeit, visuelle Sinnestäuschungen (Halluzinationen) und ähnliche Symptome wie bei der Parkinson-Erkrankung. Das Gedächtnis ist zu Beginn der Erkrankung nicht oder nicht stark beeinträchtigt.
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Ursachen:
Die Ursachen der Lewy-Körperchen-Demenz sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass genetische Faktoren und Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Symptome:
- Schwankungen der Wachheit und der geistigen Leistungsfähigkeit
- Visuelle Sinnestäuschungen (Halluzinationen)
- Parkinson-ähnliche Symptome (Zittern, Muskelsteifigkeit, unsicherer Gang)
- Wiederholte Stürze ohne erkennbare Ursache
- Kurze Bewusstlosigkeiten
- Schlafstörungen mit Albträumen
- Gedächtnis ist zu Beginn der Erkrankung nicht oder nicht stark beeinträchtigt
Fallbeispiel:
Die 67-jährige Frau Z. lebt alleine und hat nur zu einer Nachbarin Kontakt. Dieser erzählt sie, dass sie seit einiger Zeit das Gefühl habe, ihre tote Schwester sei in ihrer Wohnung. Außerdem sehe sie manchmal Katzen in der Wohnung. Der Nachbarin fällt auf, dass Frau Z. ihre Gedanken manchmal klar und geordnet äußern kann, dann aber wieder sehr verwirrt wirkt. Sie macht auch einen sehr verängstigten Eindruck und geht kaum noch aus der Wohnung. Die Nachbarin macht sich große Sorgen und kann Frau Z. schließlich überreden, ihren Hausarzt aufzusuchen. Er überweist Frau Z. an eine Klinik für Psychiatrie, wo die Diagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz gestellt wird.
Frontotemporale Demenz (Pick-Krankheit)
Die frontotemporale Demenz (FTD), auch Pick-Krankheit genannt, ist eine seltene Form der Demenz, die meist im jüngeren Alter (zwischen 45 und 65 Jahren) beginnt. Im Vordergrund stehen nicht die Gedächtnisprobleme, sondern eine allmähliche Veränderung der Persönlichkeit, des sozialen Verhaltens und der Gefühlskontrolle.
Ursachen:
Die frontotemporale Demenz wird durch Abbauprozesse im Stirnhirn (frontal) und im Schläfenhirn (temporal) verursacht.
Symptome:
- Veränderung der Persönlichkeit
- Veränderung des sozialen Verhaltens
- Veränderung der Gefühlskontrolle
- Agressives, taktloses oder sexuell enthemmtes Verhalten
- Teilnahmslosigkeit und emotionale Gleichgültigkeit
- Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, des Gedächtnisses und der Sprache im weiteren Verlauf
Fallbeispiel:
Herr T., 58 Jahre alt, ist verheiratet und arbeitet als Ingenieur in einer größeren Firma. Er gilt als zuverlässig, zielstrebig und gesellig. In den letzten Jahren kam es bei der Arbeit aber immer wieder zu Zwischenfällen. Auf seine Fehler angesprochen, reagiert Herr T. gereizt und schreit zum Teil seine Kollegen und Vorgesetzten an. Zuhause sitzt er in letzter Zeit meist antriebslos auf dem Sofa, beteiligt sich nicht an den Hausarbeiten und wird immer einsilbiger. Bei einem Besuch beim Hausarzt verneint er Gedächtnisprobleme, reagiert gereizt auf Fragen und betont, dass mit ihm alles in Ordnung sei. Erst nach wochenlangem Drängen seiner Frau lässt er sich zum Besuch bei einem Facharzt überreden. Dort zeigt eine bildgebende Untersuchung des Kopfes deutliche Verminderungen des Gehirnvolumens im Stirn- und Schläfenlappen. Der Facharzt stellt die Diagnose einer frontotemporalen Demenz.
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Demenz bei der Parkinson-Krankheit
Bei etwa 30 Prozent der Parkinson-Patienten entwickelt sich im Spätstadium auch eine Demenz. Sie ähnelt vom klinischen Bild her der Lewy-Körperchen-Demenz. Es kommt zu Beeinträchtigungen bei Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Lernen. Dabei beginnt die Demenz schleichend und schreitet meist langsam voran.
Ursachen:
Die Parkinson-Krankheit wird durch ein Absterben von Nervenzellen im Gehirn verursacht, die den Botenstoff Dopamin produzieren.
Symptome:
- Muskelzittern
- Muskelstarre
- Verlangsamte Bewegungen bis hin zur Bewegungsstarre
- Beeinträchtigungen bei Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Lernen
Mischformen
Oft treten die typischen Veränderungen bei einer Alzheimer-Demenz zusammen mit Gefäßveränderungen im Gehirn auf. Dann spricht man auch von einer "gemischten Demenz" - einer Mischform aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz.
Sekundäre Demenzen (Reversible Demenzen)
In manchen Fällen kann eine Demenz auch durch eine andere körperliche Veränderung oder Erkrankung entstehen. Wird die Grunderkrankung erfolgreich behandelt, bilden sich meist auch die Symptome der Demenz wieder zurück. Solche körperlichen Veränderungen sind zum Beispiel ein Mangel an Vitamin B, eine Schilddrüsenunterfunktion, chronische Vergiftungen (z. B. das Korsakow-Syndrom), Infektionen des Gehirns (z. B. bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) und raumfordernde Prozesse im Gehirn wie Tumore, Blutungen oder der so genannte Normaldruck-Wasserkopf (Hydrozephalus).
Weitere Demenzformen
Neben den genannten Demenzformen gibt es noch weitere, seltenere Formen, wie z. B.:
- Wernicke-Korsakow-Syndrom: Tritt als Folge von chronischem Alkoholmissbrauch auf.
- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Eine sehr seltene, aber rasch fortschreitende Demenzform, die durch Prionen verursacht wird.
- Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE): Eine fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns, die durch wiederholte leichte Schädeltraumen verursacht wird.
Diagnose
Bei Verdacht auf Demenz ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen. Dieser kann durch verschiedene Tests und Untersuchungen feststellen, ob eine Demenz vorliegt und um welche Form es sich handelt. Zu den wichtigsten Diagnoseverfahren gehören:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden
- Körperliche Untersuchung: Untersuchung des neurologischen Zustands
- Psychometrische Tests: Tests zur Überprüfung der geistigen Leistungsfähigkeit (z. B. Mini-Mental-Status-Test)
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT des Gehirns zur Darstellung von Veränderungen im Gehirn
- Blutuntersuchungen: Zum Ausschluss anderer Erkrankungen, die Demenz verursachen können
- Liquoruntersuchung: Untersuchung des Nervenwassers
- Gentests: Zur Abklärung einer erblichen Form der Demenz
Behandlung
Obwohl die meisten Demenzformen nicht heilbar sind, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Therapie: Je nach Demenzform können Medikamente eingesetzt werden, um kognitive Einschränkungen oder Begleitsymptome wie Unruhe, Depressionen oder Halluzinationen zu mildern.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Ergänzend oder alternativ können Menschen mit Demenz auf vielfältige Weise ohne Medikamente therapiert werden. Behandlungsformen wie Musiktherapie, Kunsttherapie, Aromatherapie, Yoga oder Biographiearbeit können helfen, vorhandene Stärken zu unterstützen, die Selbstständigkeit länger zu erhalten und positive Erlebnisse im Alltag zu schaffen.
- Behandlung von Begleiterkrankungen: Die Behandlung von Grunderkrankungen, die zu einer Demenz beitragen können, ist wichtig, insbesondere bei der vaskulären Demenz.
- Palliative Begleitung: Seit 2025 neu in den Leilinien zur Behandlung von Menschen mit Demenz ist die palliative Begleitung, die schon früh im Krankheitsverlauf unterstützen kann - etwa durch schmerzlindernde Behandlungen oder Gespräche über individuelle Wünsche.
Prävention
Obwohl das Alter der größte bekannte Risikofaktor für eine Demenzerkrankung ist, gibt es einige Maßnahmen, die man ergreifen kann, um das Demenzrisiko zu senken:
- Gesunder Lebensstil: Eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, soziale Kontakte und geistige Aktivität können das Demenzrisiko senken.
- Behandlung von Risikofaktoren: Die Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Herzerkrankungen und anderen Risikofaktoren kann das Risiko für eine vaskuläre Demenz senken.
Umgang mit Demenz
Der Umgang mit Demenz ist für Betroffene und Angehörige eine große Herausforderung. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und sich über die verschiedenen Unterstützungsangebote zu informieren. Angehörige sollten sich nicht überfordern und sich rechtzeitig Hilfe suchen.