Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, übermäßige und synchrone Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Die Diagnose und Behandlung von Epilepsie erfordert eine umfassende Herangehensweise, bei der Labortests eine wichtige Rolle spielen. Diese Tests helfen nicht nur bei der Diagnose, sondern auch bei der Überwachung der Medikamentenwirksamkeit und dem Erkennen möglicher Nebenwirkungen.
Die Rolle von Labortests bei der Epilepsie-Diagnose
Epileptische Anfälle können vielfältige Ursachen haben, darunter Stoffwechselstörungen, Entzündungen oder Autoimmunreaktionen. Um diese Ursachen zu identifizieren oder auszuschließen, sind umfassende Laboruntersuchungen unerlässlich. Experten empfehlen neben einer ausführlichen Anamnese und speziellen Untersuchungen des Gehirns umfassende Bluttests.
Umfassende Bluttests
Ein umfassendes Blutbild und die Bestimmung von Hormonwerten von Schilddrüse und Nebennieren sind wichtige Bestandteile der ersten Untersuchungen. Diese Tests können organische Ursachen für epileptische Anfälle aufdecken. Um entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems und Autoimmunreaktionen auszuschließen, sollten Rückenmarksflüssigkeit und Blutserum auf Antikörper untersucht werden.
Leber- und Nierenwerte
Experten der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) empfehlen, vor der Therapie umfassende Bluttests zu machen. Um organische Ursachen für einen epileptischen Anfall auszuschließen, sollten Ärzte zudem Leber- und Nierenwerte überprüfen.
Medikamentenwirksamkeit und Nebenwirkungen im Labor kontrollieren
Die medikamentöse Behandlung ist eine wichtige Säule der Epilepsiebehandlung. Bei vielen Patienten können durch Medikamente Anfälle erfolgreich verhindert werden. Da die Patienten in der Regel dauerhaft auf die Wirkstoffe angewiesen sind, ist die regelmäßige Kontrolle der Medikamentenwirksamkeit und möglicher Nebenwirkungen unerlässlich.
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Blutspiegelkontrolle
Schlägt die Therapie nicht an oder kommt es nach beschwerdefreien Zeiten doch wieder zu einem epileptischen Anfall, kann eine Blutspiegelkontrolle Aufschluss geben. Mithilfe der Blutspiegel bestimmen Labormediziner die aktuelle Serum-Konzentration eines Medikaments. Je nach Ergebnis kann der Arzt unter Umständen die Therapie anpassen.
Bedeutung der Blutspiegelkontrolle bei neuen und alten Medikamenten
Für die sogenannten «alten» anfallssupprimierenden Medikamente sind ausreichend Studien zur Dosis-Wirkungs-Relation vorhanden. Der Blutspiegel kann daher helfen, die richtige Zieldosis zu finden. Blutspiegelkontrollen dürfen und können bei neuen ASM nicht zur Festsetzung der Zieldosis verwendet werden. Sie können jedoch hilfreiche Zusatzinformationen für die Frage der Compliance oder der veränderten Stoffwechselbedingungen (Schwangerschaft, Interaktionen) liefern.
Überwachung von Organfunktionen
Antiepileptika können Nebenwirkungen auf verschiedene Organsysteme haben. Daher sind regelmäßige Laborkontrollen erforderlich, um Leber- und Nierenfunktion, Blutbild und Elektrolythaushalt zu überwachen.
Differenzialdiagnostische Bedeutung von Blutwerten
Neben der Überwachung der Therapie können bestimmte Blutwerte auch bei der Differenzialdiagnose von epileptischen Anfällen helfen.
Kreatinkinase (CK) und Laktat
Die Messung von Laktat und Kreatinkinase (CK) erlaubt die Unterscheidung zwischen einem tonisch-klonischen Anfall und einem nichtepileptischen Anfall. Die CK als Ausdruck der Rhabdomyolyse eignet sich vor allem für die Erfassung von tonisch-klonischen Anfällen, kann jedoch auch etwa nach intensiver körperlicher Belastung erhöht sein. Der Anstieg der CK erfolgt üblicherweise innerhalb der ersten 24 Stunden und erreicht 24-72 Stunden nach dem Anfall sein Maximum, sodass eine zu frühe Bestimmung mit falsch negativen CK-Werten einhergehen kann und die Bestimmung im Bedarfsfall am Folgetag wiederholt werden sollte.
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Prolaktin
Die Bestimmung von Prolaktin unmittelbar nach dem Anfallsereignis erlaubt nach einem tonisch-klonischen Anfall mit einer Spezifität von bis zu 96% und einer Sensitivität von 46% die differenzialdiagnostische Zuordnung gegenüber einem psychogenen Anfall, unterliegt allerdings einer zirkadianen Rhythmik. Der Prolaktinwert steigt innerhalb der ersten 20 Minuten nach einem tonisch-klonischen Anfall, fällt danach aber rasch wieder ab, sodass er unmittelbar nach dem Anfall und 24 Stunden danach bestimmt werden muss.
Liquoruntersuchung
Die Hirnwasser-Entnahme (Liquordiagnostik) wird immer bei Verdacht auf ein akut entzündliches Geschehen (z.B. Gehirnentzündung) durchgeführt, aber auch im Verlauf der Erkrankung, wenn die Anfälle medikamentös nicht einstellbar sind oder andere Beschwerden wie Gedächtnisstörungen oder Depression hinzu treten. Da die Liquorpunktion in der Mehrzahl nach dem ersten Anfall jedoch unauffällig bleibt, insbesondere wenn der epileptische Anfall als einziges Symptom auftritt, wird eine generelle Lumbalpunktion nach einem ersten unprovozierten Anfall nicht empfohlen. Allerdings wäre jedoch ein fehlender Liquorbefund im Falle eines ersten Anfalls bei einer akuten Enzephalitis mit fatalen Folgen verbunden, sodass in solchen Fällen das Unterlassen einer Liquorpunktion fatale Konsequenzen hätte. Die Bestimmung des IDEAL-Scores (Süße et al. Generell ist eine Zellzahlerhöhung als Folge eines isolierten epileptischen Anfalls stets sehr gering, während das Laktat innerhalb der ersten 6 Stunden nach einem Anfall deutlich ansteigt. Daher muss eine Zellzahlerhöhung von mehr als 10 Zellen/µl im Liquor immer als Red Flag gesehen werden und darf nicht als Reizpleozytose nach einem Anfall verkannt werden. In diesen Fällen sollte eine probatorische antivirale und antibiotische Therapie unmittelbar begonnen werden, bis die weitere virologische, mikrobiologische bzw. gegebenenfalls auch immunologische Diagnostik erfolgt ist. Bei klinischem Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte die autoimmunologische Diagnostik stets aus Serum und Liquor erfolgen. Dieser ist gegeben bei rasch progredienter therapieresistenter Epilepsie oder neuropsychologischen bzw. psychiatrischen Symptomen.
Wann sind Laborkontrollen erforderlich?
Blutbestimmungen unter anfallssupprimierender Therapie sollten aufgrund von potenziellen Nebenwirkungen auf zahlreiche Organsysteme vor und unter der Therapie im klinischen Kontext erfolgen. Ausmass und Häufigkeit der Kontrollen sind abhängig von der Substanz, dem Alter des Patienten/der Patientin und dem Auftreten von etwaigen klinischen Nebenwirkungen. Als pragmatische Empfehlung sollten Verlaufskontrollen 1-3 Monate nach Behandlungsbeginn bzw. bei Dosisanpassungen erfolgen, im Verlauf nach 4-6 Monaten, bei Anfallsfreiheit und guter Verträglichkeit im Verlauf auch in größeren Intervallen (z.B. 1x/Jahr), wobei substanzspezifische Besonderheiten bedacht werden müssen, die dann ggf. zu häufigeren Kontrollen führen sollten.
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