Viele Mythen ranken sich um die Unterschiede zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte. Besonders verbreitet ist die Theorie einer "left-brained" versus "right-brained" Persönlichkeit. Doch was ist wirklich dran an diesen Vorstellungen? Dieser Artikel beleuchtet die wissenschaftlichen Erkenntnisse und räumt mit einigen gängigen Irrtümern auf.
Lateralisierung von Gehirnfunktionen
Neurowissenschaftler untersuchen funktionelle Asymmetrien der Gehirnhälften, sogenannte Lateralisierungen. Sie messen die Dominanz einer Seite für eine bestimmte Funktion. Dank bildgebender Verfahren beobachten sie die Aktivität in beiden Hirnhälften und berechnen das Verhältnis von links zu rechts, den Lateralitätsindex. Sie sehen also, welche Seite dominanter für eine Funktion ist. Das kann sich allerdings von Mensch zu Mensch unterscheiden! Außerdem ist diese Dominanz spezifisch für eine Aufgabe oder Fähigkeit. "Links-" oder "rechts-denkende" Menschen gibt es also so allgemein nicht.
Die arbeitsteilige Natur des Gehirns
Obwohl das Gehirn in zwei Hälften geteilt ist, ist es nicht genau spiegelbildlich. Manche Funktionen werden eher auf der linken Seite verarbeitet, andere eher auf der rechten - und das bei jedem Menschen ein bisschen anders.
Auf den ersten Blick sieht der menschliche Körper symmetrisch aus: zwei Arme, zwei Beine, zwei Augen, zwei Ohren, selbst Nase und Mund scheinen sich bei den meisten Menschen in beiden Gesichtshälften an einer imaginären Achse zu spiegeln. Und schließlich das Gehirn: Es ist in zwei Hälften geteilt, die ungefähr gleich groß sind, und auch die Furchen und Wülste folgen einem ähnlichen Muster.
Doch der erste Eindruck trügt: Die verschiedenen Hirnregionen weisen subtile, aber funktionell relevante Unterschiede zwischen der linken und der rechten Seite auf. Die beiden Hemisphären sind auf unterschiedliche Funktionen spezialisiert. So wird beispielsweise die Aufmerksamkeit bei den meisten Menschen überwiegend in der rechten Hemisphäre verarbeitet, die Sprache überwiegend in der linken. Der Grund: Die Arbeit kann besser auf beide Hälften verteilt werden - und das Aufgabenspektrum damit insgesamt erweitert.
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Unterschiede in der Anordnung der Hirnregionen
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und des Forschungszentrums Jülich haben nun untersucht, wie sich Asymmetrien entlang von sogenannten funktionellen Gradienten entwickeln, d. h. entlang von Achsen in der Großhirnrinde an der sich die Hirnfunktionen anordnen. Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich feine Unterschiede darin, wie Hirnregionen unterschiedlicher Funktionen auf der linken und rechten Seite des Gehirns aufreihen. Auf der linken Seite sind es die Regionen zur Sprachverarbeitung, die sich am weitesten entfernt von denen für Sehen und Wahrnehmung liegen. Auf der rechten Seite befindet sich hingegen das Netzwerk für Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis am weitesten entfernt von den sensorischen Regionen. Zudem zeigte sich: Die individuellen Unterschiede in dieser Anordnung sind vererbbar. Sie sind damit zum Teil genetisch bedingt.
Ein Großteil dieser Asymmetrie im menschlichen Gehirn lässt sich hingegen nicht durch genetische Faktoren erklärt werden. Das könnte wiederum darauf hindeuten, dass der durch die persönliche Erfahrung einer Person, also durch Einflüsse aus ihrer Umwelt, geprägt ist.
Der Vergleich mit Makaken brachte schließlich zutage: Das Gehirn des Menschen ist asymmetrischer als das von Affen. "Vermutlich ergibt sich die Asymmetrie unseres Gehirns aus genetischen Faktoren und solchen, die sich aus persönlichen Erfahrungen ergeben", erklärt Bin Wan, Doktorand am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und Hauptautor der Studie, die jetzt in der Zeitschrift eLife veröffentlicht wurde. Tatsächlich beobachtete das Forschungsteam bei älteren Menschen eine geringere Rechtsasymmetrie. Das Phänomen könnte sich demnach im Laufe des Lebens verändern.
"Wir wollen verstehen, welche Rolle diese feinen Unterschiede zwischen linker und rechter Hemisphäre spielen und wie sie mit den verschiedenen Entwicklungsstörungen zusammenhängen könnten", erklärt auch Sofie Valk, Leiterin der Studie und der Forschungsgruppe Kognitive Neurogenetik am Max-Planck-Institut. "Wenn wir verstehen, wie Asymmetrie vererbt wird, lässt sich auch besser einschätzen, welche Bedeutung genetische und umweltbedingte Faktoren generell für dieses Phänomen haben. Vielleicht können wir dann herausfinden, wo etwas schiefläuft, wenn genau dieser Unterschied zwischen links und rechts gestört ist."
Die linke Gehirnhälfte: Sprache, Logik und Detail
Die linke Gehirnhälfte ist zuständig für Sprache, Lesen und Rechnen. Sie arbeitet nach Regeln und Gesetzen und konzentriert sich auf einen Punkt. Die linke Gehirnhälfte nimmt Details wahr und denkt in logischen Schritten. Sie verarbeitet verbale und mathematische Informationen und steuert die mündliche Darstellung sowie Grammatik und Wortstellung. Die linke Gehirnhälfte ist in der Regel für sprachliche und logische Funktionen zuständig. Sie verarbeitet Informationen sequenziell und analytisch. Die linke Gehirnhälfte ist also für alles zuständig, was im allgemeinen Verständnis als Denken bezeichnet wird. Sie denkt in Sprache, in Begriffen, sie denkt logisch, analytisch.
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Die linke Gehirnhälfte kontrolliert bevorzugt die schnellen, während die rechte parallel hierzu eher die langsamen Abläufe steuert. Während die linke Hirnhälfte bei der Sprachkontrolle zeitliche Aspekte wie Übergänge zwischen Sprachlauten kontrolliert, ist die rechte Gehirnhälfte für das Klangspektrum zuständig. Wenn man zum Beispiel „mother“ sagt, kontrolliert die linke Hirnhälfte bevorzugt die dynamischen Übergänge zum Beispiel zwischen „th“ und den Vokalen, während die rechte Hirnhälfte bevorzugt den Klang der Laute selbst überprüft.“
Die rechte Gehirnhälfte: Emotionen, Intuition und Ganzheitlichkeit
Die rechte Gehirnhälfte ist zuständig für Körpersprache, Bildersprache und Intuition. Sie ist kreativ und spontan und interessiert sich für Neugier, Spielen und Risiko. Die rechte Gehirnhälfte besitzt den Überblick und verarbeitet Informationen ganzheitlich. Sie kontrolliert die Körpersprache, Mimik und Gestik und steuert Bewegungen und physische Aktivität sowie künstlerische Leistungen und Erlebnisse wie Musik, Zeichnen und Malen. Die rechte Gehirnhälfte ist in der Regel für räumliche und kreative Funktionen zuständig. Sie verarbeitet Informationen ganzheitlich und intuitiv. Die rechte Gehirnhälfte steuert mehr die Intuition, Kreativität, Symbole und Gefühle. Diese Gehirnhälfte wird durch Metaphern aktiviert, durch die beim Zuhörer eigene, dazu passende Bilder, Symbole, Melodien oder Gerüche entstehen können.
Zusammenspiel der Gehirnhälften
Insgesamt arbeiten die linke und rechte Gehirnhälfte zusammen, um eine optimale Gehirnleistung zu erzielen. Während die linke Gehirnhälfte für analytische Aufgaben zuständig ist, übernimmt die rechte Gehirnhälfte kreative und intuitive Aufgaben. Einige Wissenschaftler vermuten, dass erfolgreiche und kreative Menschen besonders gut zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte kommunizieren können.
Die Rolle der Großhirnrinde
Die Großhirnrinde ist verantwortlich für die Vernetzung der beiden Gehirnhälften. Die Erinnerung besteht hauptsächlich aus einer verstärkten Verknüpfung von Nervenzellen. Die neuen Erkenntnisse bezüglich der Neurobiologie des Gedächtnisses bestätigen Lehrer, die variable methodische Konzepte anwenden, um Studierenden und Schülern beim Erwerb von Erfahrung und Wissen zu helfen. Um das Gedächtnis zu verbessern, müssen Synapsen verstärkt werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Verbindung zwischen systematischem Denken und Intuition.
Wie man die Zusammenarbeit beider Gehirnhälften stärken kann
Um die Zusammenarbeit und Synchronisation beider Gehirnhälften zu stärken, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
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Multisensorische Aktivitäten: Durchführen von Tätigkeiten, die mehrere Sinne ansprechen und somit beide Gehirnhälften gleichzeitig aktivieren.
Kinesiologische Übungen: Übungen, die die Koordination zwischen beiden Gehirnhälften verbessern sollen.
Es ist wichtig zu beachten, dass Übungen, die angeben, lediglich eine Gehirnhälfte zu trainieren, wissenschaftlich nicht fundiert sind. Bei jeglicher Art von Gehirntraining werden immer beide Hälften aktiv, jedoch in unterschiedlicher Form.
Der Mythos der "positiven" rechten Gehirnhälfte
Wahrscheinlich haben Wissenschaftler selbst den Samen für viele Mythen gesät, die die rechte Gehirnhälfte heute umranken. Beispielsweise schreibt Ned Herrmann, weltweit anerkannt für seine Beiträge zur Hirnforschung, 1998 im Scientific American, die rechte Hirnhälfte sei der "Sitz von Neugier, Synergie, Experimentieren, metaphorischem Denken, Verspieltheit, Lösungsfindung, Kunstfertigkeit, Flexibilität, Synthese und allgemeiner Risikobereitschaft."
Diese Behauptung hält einem Blick auf die Forschungsergebnisse nicht stand. Heute wird stattdessen ein Zusammenhang zwischen einer Dominanz der rechten Hirnhälfte und Emotionen wissenschaftlich diskutiert - allerdings nur negativer Emotionen!
Auf der Suche nach der Ursache für Depressionen haben Forscher die Valenzhypothese vorgeschlagen. Die Idee ist, dass eine Hyperaktivität der rechten Gehirnhälfte dazu führe, dass negative Gefühle stärker verarbeitet werden, pessimistische Gedanken auftauchen und unkonstruktive Denkmuster entstehen. Aktivität in der rechten Hirnhälfte sei außerdem verknüpft mit Selbstreflektion, die bei depressiven Patient:innen häufig intensiver ist als bei gesunden Menschen. Die rechte Hirnhälfte spielt auch eine wichtige Rolle bei der Anpassung unseres Erregungszustands. Das könnte erklären, wieso depressive Menschen häufig an Schlafproblemen leiden.
Neglect: Wenn die rechte Gehirnhälfte ausfällt
Die rechte Gehirnhälfte ist hauptverantwortlich für einen Großteil der Wahrnehmung von linksseitigen Sinneseindrücken und Bewegung unserer linken Körperhälfte. Daher führt eine Schädigung in der rechten Hirnhälfte zu Beeinträchtigungen in der Aufmerksamkeit für die linke Hälfte der Umwelt, genannt linksseitiger Neglect.
Die linke Gehirnhälfte wiederum steuert (die meisten) Bewegungen und Wahrnehmungen der rechten Körperhälfte. Trotzdem folgt auf eine Schädigung der linken Gehirnhälfte nur selten ein rechtsseitiger Neglect. Forscher schließen daraus, dass die rechte Gehirnhälfte eine Dominanz hat für die Ausrichtung unserer Aufmerksamkeit und zwar sowohl nach links als auch nach rechts.
Gehirntraining für mehr Aufmerksamkeit
Es klingt verlockend: Spezifisch die rechte Gehirnhälfte trainieren, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Trainings, die vorgeben, nur die rechte Gehirnhälfte anzusprechen, sind aber nicht wissenschaftlich fundiert. Obwohl die rechte Gehirnhälfte eine Dominanz für räumliche Aufmerksamkeit hat, arbeiten im gesunden Gehirn die Hälften immer zusammen.
Tests zur Bestimmung der dominanten Gehirnhälfte: Ein kritischer Blick
Um herauszufinden, welche Gehirnhälfte bei einer Person dominant ist, gibt es verschiedene Tests. Einer dieser Tests ist der sogenannte 2-Sekunden-Test. Wenn sie sich im Uhrzeigersinn dreht, wird der rechten Gehirnhälfte der Vorzug gegeben. Diese Personen sind eher kreativ, intuitiv und emotional. Wenn sich die Tänzerin gegen den Uhrzeigersinn dreht, dominiert die linke Gehirnhälfte, was zu einem strukturierten, logisch-analytischen Denken führt. Ein weiterer Hinweis auf die Dominanz der Gehirnhälfte ist die Kopf- und Augenhaltung bei der Beantwortung einer Frage. Personen, die den Kopf nach links drehen, bevorzugen die rechte Gehirnhälfte. Eine weitere Testmöglichkeit ist die Montageanleitung für technische Geräte. Linksseitig orientierte Personen folgen der Anweisung Satz für Satz. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Dominanz einer Gehirnhälfte nicht immer eindeutig ist und sich im Laufe des Lebens ändern kann.
Der Ballerina-Test: Mehr Schein als Sein
Es gibt sogar Online-Tests, die vorgeben, feststellen zu können, ob jemand "left-brained" oder "right-brained" ist, also eher "mit links oder rechts denkt". Zum Beispiel können Neugierige sich die Animation einer drehenden Ballerina-Tänzerin ansehen und entscheiden, ob sie die Pirouette als Links- oder Rechtsdrehung wahrnehmen. Daraus werden dann Schlüsse über die Persönlichkeit gezogen. Was steckt dahinter? Jedenfalls keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse. Denn wie meistens sind die Studien viel komplizierter.
Trotzdem ist der Ballerina-Test nicht völlig aus der Luft gegriffen. Tatsächlich ist die Animation intensiv untersucht in neurowissenschaftlichen Studien. Sie zeigen, dass die rechte Gehirnhälfte stärker involviert ist in die Verarbeitung von menschlichen Bewegungen als die linke. Das könnte erklären, wieso die Drehung von vielen als Rechtsdrehung (d.h., im Uhrzeigersinn) wahrgenommen wird. Diese Interpretation ist allerdings umstritten.
Außerdem wurde gezeigt, dass einige Menschen bewusst beeinflussen können, ob sich die Ballerina für sie links- oder rechtsherum dreht. Die wahrgenommene Drehrichtung sagt also nichts darüber aus, ob jemand "mehr links oder rechts denkt". Die rechte Hirnhälfte aktiviert sich bei den meisten Menschen verstärkt, egal in welche Richtung sich die Tänzerin dreht. Forscher haben entdeckt, dass diese Momente des Richtungswechsels mit spezifischen Fluktuationen in der Aktivität des rechten Scheitellappens zusammenfallen. Sie könnten erklären, woher die plötzliche Änderung unserer Wahrnehmung kommt.
Schlüsse über die Persönlichkeit lassen sich aus der Wahrnehmung der Tänzerin übrigens leider auch nicht ziehen.
Sprachverarbeitung: Ein Zusammenspiel beider Hemisphären
FRANKFURT. Wenn wir sprechen, benötigen wir dazu beide Gehirnhälften. Jede übernimmt einen Teil der komplexen Aufgabe, Laute zu formen, die Stimme zu modulieren und das Gesprochene zu überprüfen. Allerdings ist die Aufgabenteilung anders als bisher gedacht, wie ein interdisziplinäres Team von Neurowissenschaftlern und Phonetikern der Goethe-Universität Frankfurt und des Leibniz-Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft jetzt herausgefunden hat: Nicht nur die rechte Gehirnhälfte analysiert, wie wir sprechen, sondern auch die linke leistet dazu einen Beitrag.
Das gesprochene Wort, davon ging man bisher aus, entsteht in der linken Gehirnhälfte und wird von der rechten Gehirnhälfte analysiert. Nach der gängigen Lehrmeinung würde das bedeuten: Wenn wir beispielsweise Englisch lernen und das „th“ üben, würde die linke Gehirnhälfte das Zusammenspiel von Zunge und Zähnen motorisch steuern, während die rechte überprüft, ob der produzierte Laut auch wirklich so klingt, wie wir ihn formen wollten.
Die Aufgabenverteilung folgt jedoch anderen Prinzipien, erklärt Privatdozent Dr. Christian Kell von der Klinik für Neurologie der Goethe-Universität: „Während die linke Hirnhälfte bei der Sprachkontrolle zeitliche Aspekte wie Übergänge zwischen Sprachlauten kontrolliert, ist die rechte Gehirnhälfte für das Klangspektrum zuständig. Wenn man zum Beispiel „mother“ sagt, kontrolliert die linke Hirnhälfte bevorzugt die dynamischen Übergänge zum Beispiel zwischen „th“ und den Vokalen, während die rechte Hirnhälfte bevorzugt den Klang der Laute selbst überprüft.“