Schlafen mit einer Gehirnhälfte: Eine faszinierende Welt tierischer Schlafgewohnheiten

Bekanntlich gibt es Nachteulen und Frühaufsteher, Siebenschläfer, Tagträumer und sogar Traumtänzer unter Vögeln und Säugetieren. Jeder schläft eben auf seine Art. Doch wie genau schlafen Tiere? Sind die tierischen Schlafgewohnheiten mit denen des Menschen vergleichbar oder gibt es hier Unterschiede? Dieser Artikel beleuchtet die faszinierende Welt der tierischen Schlafgewohnheiten, insbesondere jene Tiere, die mit einer Gehirnhälfte schlafen.

Warum Schlaf für Tiere wichtig ist

Tiere schlafen aus dem gleichen Grund wie wir Menschen. Ihr Körper braucht die Ruhephase, um sich zu erholen und zu regenerieren. Das Phänomen des Schlafens wurde von Wissenschaftlern bei unterschiedlichsten Tieren festgestellt: vom Insekt über das Reptil bis hin zu Weichtieren, Fischen, Vögeln und natürlich Säugetieren. Je nach Biorhythmus fallen die Augen zu und die Aktivität des Gehirns und der Bewusstseinszustand verändern sich und mit ihnen eine Reihe weiterer Körperfunktionen. Interessanterweise gibt es auch beim tierischen Schlaf verschiedene Schlafphasen, wie etwa die des REM-Schlafs und des Non-REM-Schlafs, zu dem auch der leichtere Schlaf, aber auch die Phase des Tiefschlafs gehören. Ebenso wie wir Menschen können auch Tiere träumen, wie viele schon bei ihren Haustieren selbst bemerkt haben dürften.

Die Vielfalt tierischer Schlafgewohnheiten

So unterschiedlich schlafen Tiere. Während einige Tiere nur wenige Minuten am Stück schlafen, sind andere fast den ganzen Tag damit beschäftigt. Das Schlafverhalten von Tieren unterscheidet sich von Art zu Art, was zum einen physiologische Ursachen hat, aber auch mit dem jeweiligen Lebensraum zusammenhängen kann. Denn die Zeit des Schlafens ist auch bei Tieren eine Phase, in der sie besonders schutzlos sind. Viele verkriechen sich in Unterschlüpfe, um dort zur Ruhe kommen zu können. Andere leben und schlafen in Herden, Rudeln oder Familienverbänden, was eine gewisse Sicherheit mit sich bringt. Jäger schlafen außerdem länger als Gejagte und träumen auch viel mehr. Löwen zum Beispiel verschlafen gut zwei Drittel ihres Lebens. Hund und Katz haben ihre Aktivitätszeiten zudem auf den Lebensrhythmus ihrer Besitzer abgestimmt.

Der Halbseitenschlaf: Eine Hirnakrobatik

Eine besondere Schlaftechnik, den sogenannten Halbseitenschlaf, nutzen Delphine. Die beiden Gehirnhälften wechseln sich mit dem Schlafen ab - immer im Rhythmus von wenigen Minuten. Die jeweils wache Gehirnhälfte gewährleistet, dass der Delphin regelmäßig wieder an die Wasseroberfläche steigt und atmet, während die andere friedlich schlummert. Rund sieben Stunden schläft ein Delfin auf diese Weise. Und noch eins unterscheidet Delfine von Landsäugetieren, haben Moskauer Zoologen herausgefunden: Sie träumen nicht. Diese Hirnakrobatik ist den Meeressäugern nicht allein vorbehalten, haben amerikanische Forscher herausgefunden. Auch bei Stockenten und anderen Vögeln arbeiten die Hirnhälften unabhängig voneinander. Ruhen und gleichzeitig wachsam sein - Enten können das im Schlaf. Dadurch haben sie die Möglichkeit, ohne Furcht vor Überfällen selbst auf gefährlichen Plätzen zu ruhen. Die EEGs enthüllten, dass letztere im Schlaf noch Ausschau hielten. Immer war das Auge offen, das von der Gruppe wegguckte. Das bedeutet gleichzeitig auch Sicherheit für die innen beidäugig schlafenden Artgenossen. Wenn die Enten sich angegriffen fühlten - in Wirklichkeit war es nur ein Videobild -, wurde der wache Teil des Gehirns aktiv. Innerhalb von Zehntelsekunden hatten die Vögel den schlafenden Teil ihres Gehirns geweckt, beide Augen geöffnet und die Flucht ergriffen. Und natürlich durfte jede Gehirnhälfte mal abschalten: Etwa jede Stunde standen die Tiere auf, drehten sich um und hockten sich wieder hin. Dann war das andere Auge geöffnet.

Delfine: Meister des Halbseitenschlafs

Delfine müssen regelmäßig an die Wasseroberfläche, um Luft zu holen. Auch im Schlaf. Delfine schlafen nur mit einer Hirnhälfte und machen beim Schlafen auch nur ein Auge zu. Das andere hält nach Hindernissen oder Feinden Ausschau. Regelmäßig - spätestens nach 20 Minuten - taucht der Delfin auf und nimmt einige tiefe Atemzüge. Dann lässt er sich wieder treiben. Diese Art des Schlafens nennt man "Halbseitenschlaf". Auch andere Walarten sowie Robben und Seehunde, aber auch einige Vogelarten können halb schlafen, halb wach sein.

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Weil eine Hirnhälfte weniger sieht als zwei, ziehen sich Delfine zum Schlafen in geschützte Bereiche zurück, zum Beispiel in stille Buchten. Dort sind sie vor Feinden relativ sicher. Sie lassen sich auf den Grund sinken oder treiben an der Wasseroberfläche langsam dahin. Ob Delfine tagsüber oder nachts schlafen, hängt von ihren Lebensumständen ab. Manche Delfine gehen nachts auf die Jagd, andere tagsüber - je nachdem, wann die Beutetiere unterwegs sind.

Nach zwei Stunden werden Hirnhälfte und Auge gewechselt - jetzt dürfen die anderen beiden sich ausruhen. Delfine atmen ganz bewusst. Sie haben keinen Atemreflex wie wir.

Wir Menschen haben einen Atemreflex. Unser Körper atmet von ganz alleine, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Unter Wasser schlafen wäre deshalb für uns völlig unmöglich - wir können unsere Atmung gar nicht abschalten. Delfine und Wale können das. Sie atmen ganz bewusst - und zwar immer dann, wenn sie an die Wasseroberfläche schwimmen. Einen Atemreflex gibt es bei ihnen nicht. Gleich mehrfach haben Wissenschaftler mit ethisch und wissenschaftlich reichlich fragwürdigen Versuchen Selbstverständlichkeiten eines Delfin-Lebens nachgewiesen. Die Meeressäuger schlafen nie vollständig ein, eine ihrer beiden Gehirnhälften ist auch während der Schlaf- und Ruhephasen hellwach - das muss sie auch. Da Delfine ihre Atmung bewusst steuern, wäre ein vollständiger Tiefschlaf beider Gehirnhälften, wie beim Menschen, tödlich.

Den Anfang der Schlafforschung machte 2009 ein internationales Forscherteam um Sam Ridgway vom US Space and Naval Warfare Systems Center in San Diego. Sie trainierten die Tümmler “Nay” und “Say” (Männchen und Weibchen) darauf, auf einen 1,5 Sekunden langen Pfeifton zu reagieren. Auf den Pfeifton hin mussten die Meeressäuger zu einem Paddel schwimmen und es mit der Schnauze anstoßen. Anschließend wurden die Becken mit leisen kurzen Tönen von einer halben Sekunde Dauer im Abstand von 30 Sekunden fünf Tage lang beschallt. Immer wenn die Forscher im Lauf der fünf Tage einen der 1,5 Sekunden langen Pfeiftöne einstreuten, reagierten die Delfine sofort - und zwar am Ende der Zeitspanne noch ebenso prompt wie zu Anfang. “Selbst nach fünf Tagen waren die Delfine noch so aufmerksam wie zu Beginn des Experiments”, berichten die Forscher. Einen leichten Durchhänger zeigten sie nur nachts, wenn sie normalerweise eine Ruhepause einlegen - insbesondere das Weibchen reagierte dann etwas langsamer auf die Signale. In einem weiteren von Ridgway entworfenen Experiment mussten die Tiere mit einem Auge komplizierte Muster erkennen, die sie zuvor nur mit dem anderen zu sehen bekommen hatten. So untersuchten die Wissenschaftler die Fähigkeit von Delfinen, jeweils nur eine ihrer beiden Hirnhälften schlafen legen zu können. Zum Erstaunen der Beteiligten zeigte sich, dass die Tiere zu jeder Zeit des fünftägigen Experiments Muster mit dem rechten Auge erkennen konnten, auch wenn sie sie zuvor nur mit dem linken Auge zu sehen bekamen. Da die Augen bei Delfinen seitlich stehen, war ausgeschlossen, dass die Tiere die Muster jeweils mit dem anderen Auge erkennen konnten. Einen weiteren Versuch, das Schlafverhalten von Delfinen zu entschlüsseln unternahmen im Jahr 2012 Wissenschaftler um Brian Branstetter von der National Marine Mammal Foundation in San Diego (US-Staat Kalifornien). Auch sie setzten lediglich zwei Große Tümmler ein, ein 30 Jahre altes Weibchen und ein 26-jähriges Männchen. Bei ihren Schlafstörungsversuchen stellten die Forscher fest, dass die Tiere während der Schlafphasen kontinuierlich Echolot-Signale aussenden, um sich zu orientieren, Objekte aufzuspüren oder Kontakt zu ihren Artgenossen zu halten. Jeweils einer der Delfine musste in einem mit einer speziellen Testanlage ausgestatteten Meerwasserbassin bestimmte Ziele finden. Bei einem Treffer gab es zur Belohnung einen Fischhappen. Jedes Tier absolvierte drei fünftägige Tests, wobei sie nur leichte Ermüdungserscheinungen zeigten und mit einer Trefferquote von 75 bis 86 Prozent für das Männchen und von 97 bis 99 Prozent beim Weibchen sehr gute Leistungen an den Tag legten. Besonders motiviert sei das Weibchen gewesen, berichten die Forscher, es reagierte teilweise mit “Sieges-Quietschlauten” auf richtige Treffer. Daraufhin entschlossen sich die Forscher, sie in einem Langzeitversuch, der schließlich nach 15 Tagen wegen einer Sturmwarnung abgebrochen werden musste, zu testen. Diese extrem lange Aufmerksamkeitsspanne sei eine natürlich Folge des “Halbseitenschlafs” meinen die Forscher - es wäre auch reichlich fatal, wenn Delfine während der Schlaf- und Ruhephasen ihr Orientierungs- und Ortungssystem nicht benutzen würden. Delfine können - ja müssen - mit wochen- oder sogar monatelangem Schlafverzicht leben.

Enten: Wachsamkeit am Teichrand

Verweichlichte Toastbrot-Bettler im Stadtpark-Teich - von wegen, Stockenten traut man im allgemein wenig zu und schon gar keine besonders geistreiche Überlebensstrategie. Wie viel eine Ente schläft und wie lange am Stück richtet sich stark nach den Umweltbedingungen und dem Grad der Gefahr. Generell schlafen Enten etwa 8 Stunden am Tag und das in einer sicheren Umgebung, wie beispielsweise einem Zoo oder Tierpark auch mal ein halbes Stündchen am Stück. In der Natur sind es aber eher viele kurze Tages- & Nacht-Nickerchen, die oft nur ein paar Minuten dauern. Enten schlafen, wenn möglich in Gruppen am Rande von Gewässern. Aus der ständigen Angst vor Fressfeinden hat die Evolution der Enten dabei eine ganz besondere Strategie hervorgebracht: Enten können mit halbseitig aktivem Gehirn und einem offenen Auge schlafen. Das bedeutet, eine Gehirnhälfte erholt sich, während die andere und das dazugehörige Auge Wache hält. Diese Schlaf-Strategie nennt man im Tierreich auch Halbseiten-Schlaf. Doch damit nicht genug, der Ornithologe Niels Rattenborg und sein Team von der Indiana State University konnten herausfinden, dass sich das Schlafverhalten der einzelnen Enten in einer Gruppe unterschiedet. Die Tiere, die am Rand einer Ententraube ruhen, sind besonders gefährdet und verbringen etwa 30 % der Ruhezeit im Halbseiten-Schlaf, wobei immer jene Seite wachsam ist, die von der Gruppe abgewandt ist. Die Tiere im Inneren der Gruppen schliefen laut den Ergebnissen der Studie hingegen etwa 90 % der Ruhezeit mit komplett geschlossenen Augen. Auch wechseln die Enten innerhalb der Traube regelmäßig die Position, damit jede Ente mal vom Schutz der Mitte und der vollständigen Ruhemöglichkeit profitieren kann. Damit die Ententraube nicht auseinandergetrieben wird, können sich die Tiere beim Schlafen sogar gegenseitig einhaken, indem sie ihre Schnäbel oder Hälse über die Schultern ihrer Nachbarn legen.

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Krokodile: Einseitiger Schlaf bei Reptilien

Wale, Vögel und andere Tiere können eine Hirnhälfte stilllegen, um ein Nickerchen zu machen. Auch die größten Krokodile der Welt nutzen diese Art des Schlafes. Das hat offenbar einen einfachen Grund. Schlaf ist für Tiere eine gefährliche Sache. Sie sind dann völlig schutzlos, bekommen nicht mit, ob sich ein Feind nähert - oder ob sie durch herunterfallende Äste oder Steine oder sonstige Unliebsamkeiten bedroht sind. Auch deshalb haben manche Tiere den einseitigen Schlaf entwickelt. Vögel, Meeressäugetiere und Reptilien sind in der Lage, nur eine Hirnhälfte „herunterzufahren“. So können sie ein Minimum an Wachsamkeit aufrechterhalten. Ob ein Tier gerade halbseitig schlummert, lässt sich daran erkennen, ob es ein Auge längere Zeit geschlossen hält.

Doch wie kann man herausfinden, ob ein Tier, von dem man noch nicht weiß, ob es überhaupt zum Einseitenschlaf fähig ist, einseitig schläft - oder ob es einfach nur ein Auge geschlossen hält? Wissenschaftler der La Trobe University in Melbourne und des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen berichten im „Journal of Experimental Biology“, wie sie vorgegangen sind. Sie haben sich für ihre Versuche kein Kuscheltier ausgesucht, sondern Salzwasserkrokodile. Diese auch „Salties“ genannten Riesen sind mit ihrer Körperlänge bis zu fünf Metern die größten heute lebenden Krokodile der Welt. Sie kommen in Südostasien und Australien vor. Doch die besondere Größe schützt sie nicht vor allen Gefahren. Vor allem als Jungtiere haben sie viele Feinde: Greifvögel, größere Artgenossen, Raubfische, aber auch Tiger oder Pythons. Solange sie klein genug sind, müssen sie also sehr wachsam sein. Entsprechend haben sich die Wissenschaftler auch keine ausgewachsenen Salties in ihr Laborbecken geholt, sondern Babykrokodile. Im nächsten Schritt hat das Team um Michael L. Kelly und John A. Lesku beobachtet, was die Tiere den ganzen Tag und die ganze Nacht über treiben. Haben sie beide Augen offen, nur eines oder keines? Wenig erstaunlich: Nachts hatten die Krokodile am häufigsten beide Augen geschlossen. Tagsüber waren am häufigsten beide Augen offen. Und zwischendurch gab es immer wieder Phasen, in denen die Tiere ein Auge offen und eines geschlossen hatten. Im zweiten Schritt des Experimentes ließen die Wissenschaftler in diesen Einseitenaugen-Phasen entweder andere Babykrokodile oder eine „Gefahr“ auf die jungen Salties los. Sie konnten die anderen Tiere oder die Menschen durch eine Plexiglasscheibe sehen. Es zeigte sich: Waren andere junge Krokodile im Becken hinter der Scheibe, so blickten die Versuchstiere mit ihrem offenen Auge zu ihren Artgenossen hinüber. Die Wissenschaftler erklären das damit, dass das Interesse an Gleichaltrigen auch bei Krokodilen sehr hoch ist, weil sie sich meist zu kleinen „Krabbelgruppen“ zusammenfinden. Setzten sie die Krokodile dem Anblick eines Menschen aus, passierte dasselbe: Die Reptilien wandten ihr offenes Auge dem potenziellen Feind zu. Quintessenz der Forscher: Auch bei anderen Krokodilen, Echsen und bei Vögeln ist dieses Verhalten beobachtet worden. Sie halten während ihres Ein-Hirnhälften-Schlafes ein Auge geschlossen. Das andere ist offen, damit sie ihre Umgebung beobachten können. Da das beim Evolutionszweig der Reptilien ein gängiges Muster zu sein scheint, gehen Forscher mittlerweile davon aus, dass der einseitige Schlaf bereits zu einer Zeit entstanden sein muss, als die gemeinsamen Vorfahren dieser Tiere noch lebten.

Zugvögel: Schlafen am Steuer

Über dem Atlantik kurz landen und ein Nickerchen machen ist keine Option, trotzdem fallen Zugvögel auf ihrer teils mehrere Wochen andauernden Reisen nicht übermüdet vom Himmel. Einige Zugvögel-Arten wie der Mauersegler landen auch nach ihrer Ankunft am Zielort so gut wie nie und verbringen außerhalb der Brutzeit 99 % ihres Lebens in der Luft. Wie schon bei den Enten hat der Ornithologe Niels Rattenborg auch das Schlafverhalten von Zugvögeln untersucht, in dem er Bindenfregattvögel mit GPS-Messgeräten ausrüstete. So konnte man herausfinden, dass die Vögel sehr wohl während des Fluges schlafen. Dazu nutzen sie meist die aufsteigende Thermik der Abendstunden, um sich in höhere Flughöhen hinauftragen zu lassen. Dort angekommen lassen sie sich von den Aufwinden tragen und schlafen, jedoch im Schnitt gerade mal 12 Sekunden am Stück und nie länger als sechs Minuten. Die Stellung ihrer Flügel passen Zugvögel während der Ruhephasen an. In dem sie diese leicht einklappen und die Thermik optimal nutzen, können sie stabil in der Luft bleiben und dabei Energie sparen. Trotz der kurzen Powernaps konnten die Forscher in dieser Zeit langsam wellige Tiefschlafphasen und sogar REM-Schlaf bei den Vögeln messen. Um weiterhin ihren Kurs zu halten und sich vor Gefahren in der Umgebung schützen, schlafen auch Zugvögel unterwegs wechselweise nur mit einer Gehirnhälfte und mit einem geschlossenen Auge. Das in Flugrichtung blickende Auge bleibt immer offen, auch um Zusammenstöße mit Artgenossen zu vermeiden.

Erstmals ist es gelungen zu erforschen, dass und wie Vögel im Flug schlafen können. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen hat durch Messungen der Gehirnaktivität bei Fregattvögeln herausgefunden, dass diese beim Fliegen mit beiden Gehirnhälften gleichzeitig oder nur mit einer Hälfte schlafen. Obwohl sämtliche Schlafmuster auch beim Schlaf an Land auftreten, schlummern die Tiere in der Luft allerdings gerade mal eine dreiviertel Stunde pro Tag. An Land schlafen sie dagegen über zwölf Stunden. Einige Segler, Singvögel, Strandläufer und Seevögel fliegen ohne Unterbrechung für mehrere Tage, Wochen oder gar Monate, wenn sie die Erde überqueren. Gemeinhin wurde angenommen, dass Vögel im Flug schlafen müssen, da Schlafmangel den Ablauf physiologischer Prozesse im Körper beeinträchtigt. Eine Möglichkeit wäre, mit nur einer Gehirnhälfte zu schlafen, so wie Niels Rattenborg das bei Enten entdeckt hat: Diese schlafen zwar generell mit beiden Gehirnhälften, Tiere am Rande einer Gruppe halten jedoch das nach außen gerichtete Auge offen. Die dazugehörige Gehirnhälfte ist wach, während die mit dem geschlossenen Auge verbundene Hälfte schläft. Auch Delphine können mit einer schlafenden Gehirnhälfte schwimmen. Es ist aber auch möglich, dass die Vögel einen Weg gefunden haben, den Schlaf auszutricksen: Bei Graubruststrandläufern in Alaska haben Rattenborg und seine Kollegen beobachtet, dass die Vögel während der gesamten Brutzeit weitgehend aufs Schlafen verzichten. Sie gönnen sich nur ab und zu einen kurzen Tiefschlaf von wenigen Sekunden bis Minuten. Ausgedehnte Flüge müssen also nicht zwangsläufig ein Beweis für Schlaf im Flug sein, die Tiere könnten ihr Schlafbedürfnis im Flug auch reduziert oder sogar eingestellt haben. Um das Rätsel zu lösen, tat sich Niels Rattenborg mit Alexei Vyssotsik von der Universität Zürich und der ETH Zürich zusammen. Dieser entwickelte einen kleinen Datenlogger, der Änderungen in der Gehirnaktivität anhand von Elektroenzephalogrammen und Bewegungen des Kopfes messen kann. In Kooperation mit dem Galapagos-Nationalpark und Sebastian Cruz, einem Seevogelforscher aus Ecuador, fokussierten die Wissenschaftler auf Fregattvögel, die auf den Galapagos-Inseln brüten. Diese große Seevogelart fliegt für Wochen ununterbrochen über dem Ozean und jagt fliegende Fische und Tintenfische, die von Raubfischen oder Walen an die Oberfläche getrieben werden. Die Forscher befestigten die mobilen Messgeräte für einige Zeit auf dem Kopf weiblicher Tiere, bevor diese zu ihren bis zu zehn Tage langen Jagdflügen von bis zu 3000 Kilometern Länge aufbrachen. Nachdem die Vögel wieder an Land waren und sich einige Zeit regeneriert hatten, wurden sie gefangen und die Logger abgenommen. Die Auswertung ergab, dass Fregattvögel auf unterschiedliche Weise im Flug schlafen. Tagsüber blieben die Vögel wach, um aktiv nach Nahrungsquellen zu suchen. Mit dem Einsetzen der Nacht bildeten die Gehirnströme Slow-wave-sleep-Muster von mehreren Minuten Länge, während die Vögel in einem Gleitflug waren. Überraschenderweise trat der Slow-wave-Schlaf nicht nur in einer Gehirnhälfte, sondern im kompletten Gehirn auf. Zur aerodynamischen Kontrolle ist es also wohl nicht nötig, eine Gehirnhälfte wach zu halten. Durch die Auswertung der Bewegungsdaten fanden die Wissenschaftler eine Erklärung für den unihemisphärischen Schlaf: Wenn die Vögel in kreisenden Bewegungen die aufsteigenden Luftströme nutzen, bleibt meist die Gehirnhälfte wach, die mit dem in Flugrichtung blickenden Auge verbunden ist. Die zu dem nach außen gerichteten Auge gehörende Hirnhälfte dagegen schlief, so dass die Vögel wohl geschaut haben, wohin sie fliegen. Neben dem Slow-wave-Schlaf im ganzen oder halben Gehirn haben die Wissenschaftler in seltenen Fällen kurze Unterbrechungen durch REM-Schlafphasen gemessen. Für Rattenborg war dies als Vogelschlafforscher nicht überraschend. Im Gegensatz zu Säugetieren, bei denen REM-Schlafphasen lange und mit einem kompletten Verlust des Muskeltonus verbunden sind, dauert die REM-Schlafphase bei Vögeln nur kurz. Hinzu kommt, dass ein Verlust des Muskeltonus bei Vögeln zwar zum Hinabsinken des Kopfes führen kann, diese aber durchaus noch fähig sind zu stehen - sogar auf nur einem Bein. Fregattvögel besitzen im Flug also dieselben Schlafmuster wie an Land. Sie schlafen allerdings im Flug durchschnittlich nur 42 Minuten pro Tag. Knapp sechs Minuten dauerte der längste ununterbrochene Schlaf, den die Wissenschaftler gemessen haben. Zurück an Land schlafen die Tiere über zwölf Stunden pro Tag, wobei die Schlafepisoden auch länger und tiefer sind. Fregattvögel sind also höchst unausgeschlafen im Flug. „Warum die Vögel so wenig im Flug schlafen, sogar in der Nacht, wenn sie nicht auf Jagd sind, ist noch unklar“, sagt Rattenborg. Frühere Studien zeigten, dass Fregattvögel Ozeanströmungen auf der Suche nach guten Nahrungsquellen folgen, vielleicht ist das ein Grund dafür, wach sein zu müssen. Wie kompensieren Fregattvögel die mit Schlafmangel verbundenen negativen Effekte für den Organismus? Wir Menschen schlafen bereits nach wenigen Stunden Schlafverlust am Steuer ein, auch wenn wir uns der Gefahr voll bewusst sind und darum kämpfen, wach zu bleiben. „Warum wir, und viele andere Tiere, so dramatisch unter Schlafmangel leiden, während einige Vögel scheinbar problemlos mit viel weniger Schlaf umgehen, bleibt vorerst noch ein Mysterium“, so Rattenborg.

Weitere faszinierende Schlafgewohnheiten im Tierreich

Neben dem Halbseitenschlaf gibt es noch viele weitere faszinierende Schlafgewohnheiten im Tierreich:

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  • Elefanten: Im Schnitt schlafen erwachsene Elefanten nur 2-4 Stunden und das nicht mal am Stück, sondern in unterbrochenen Etappen. Bis auf ca. eine Stunde, in der sie sich wirklich auf die Seite legen, verbringen sie diese kurzen Ruhephasen sogar im Stehen und dösen dabei eher, als dass sie schlafen.

  • Fledermäuse: Je nach Art schlafen Fledermäuse bis zu 20 Stunden am Tag, und zwar ähnlich wie bei uns Menschen, in Schlafzyklen aus Tiefschlaf und leichterem Schlaf.

  • Giraffen: Am liebsten schlafen Giraffen in Gruppen, und zwar meistens im Stehen, weil ihnen die liegende Position eine gewisse Schutzlosigkeit verleiht. Da die großen Pflanzenfresser viel Zeit des Tages mit der Nahrungsaufnahme verbringen müssen, bleibt für das Schlafen täglich etwa nur 2 Stunden übrig.

  • Igel: Viele Kleinsäuger wie etwa Igel sind dämmerungs- und nachtaktiv. Sie verbringen den Tag schlafend in ihren Nestern und werden erst gegen Abend aktiv, um auf Futtersuche zu gehen. Igel sind mehrere kurze, jeweils maximal zwei Stunden andauernde Phasen wach - meist am frühen Abend, gegen Mitternacht und dann noch einmal am frühen Morgen - und durchstreifen ihr Revier, um Nahrung zu suchen. Zwischendurch legt sich der Igel immer wieder hin und schläft. So kommen Igel insgesamt auf eine tägliche Schlafdauer von bis zu 18 Stunden.

  • Katzen: Katzen schlafen und ruhen gerne und viel. Dies mag an ihrer Geschichte liegen, denn eine Wildkatze muss mit ihren Kräften haushalten, da sie für die Jagd viel Energie benötigt. Daher verbringen auch unsere Hauskatzen einen Großteil des Tages mit Schlafen und Dösen, und zwar an die 18 Stunden tagtäglich.

  • Koalas: Die putzigen Koalas sind echte Langschläfer. Bis zu 21 Stunden schlafen die australischen Beuteltiere. Die restlichen drei Stunden des Tages verbringen sie mit Fressen.

  • Löwen: Das Bild eines schlafenden bzw. ruhenden Löwenrudels in der Wildnis Afrikas kennt vermutlich jeder. Tatsächlich schlafen die großen Raubkatzen etwa 13 Stunden täglich.

  • Murmeltiere: Das Murmeltier ist ein Meister des Winterschlafs, der es ihm ermöglicht, lange kalte Winter ohne Nahrung zu überstehen. Doch auch im Sommer schlafen Murmeltiere nicht gerade wenig: in der Regel 12 bis 16 Stunden am Tag - oft während der heißesten Stunden, um der direkten Sonneneinstrahlung zu entkommen.

  • Otter: Otter schlafen insgesamt etwa 11 Stunden pro Tag, aber in mehreren kurzen Phasen, die über den Tag und die Nacht verteilt sind. Diese Schlafstrategie nennt man auch polyphasischer Schlaf. Tatsächlich halten sich Otter im Schlaf oft zu zweit oder in Gruppen an den Händen, dabei geht es jedoch nicht so sehr um körperliche Nähe als vielmehr darum, von der Strömung nicht auseinandergetrieben zu werden.

  • Pferde: Pferde verbringen - wie auch viele andere Tiere - einen Großteil des Tages mit Dösen. Dieser Zustand zwischen Schlafen und Wachsein kann in einen richtigen Schlaf übergehen, muss aber nicht. Pferde schlafen oftmals im Stehen - einrastende Beingelenke verhindern ein Umfallen -, dann aber meist nur leicht. Richtig tief schlafen Pferde im Liegen. Dies tun sie aber nur dann, wenn sie sich besonders sicher fühlen, denn als Fluchttiere sind Pferde immer in Habachtstellung. Insgesamt kommen Pferde auf eine tägliche Schlafdauer von etwa 3 bis 5 Stunden, aufgeteilt in mehrere kürzere Schlafabschnitte.

  • Rentiere: Mit dem Verdauungsschläfchen nehmen es Rentiere beim Wort. Wie ein Team der Universität Zürich mit der Schlafforscherin Melanie Furrer herausfinden konnte, nutze Rentiere ihre Zeit sehr effizient, in dem sie beim Wiederkäuen in einen Zustand verfallen, dessen Gehirnströme denen einer Tiefschlafphase ähneln.

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