Epilepsie ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, die auch Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Viele Frauen mit Epilepsie wünschen sich Kinder, und die meisten von ihnen bringen gesunde Kinder zur Welt. Allerdings besteht bei epilepsiekranken Frauen mit Kinderwunsch ein erhöhter Bedarf an Beratung und Betreuung, da sowohl die Erkrankung selbst als auch die notwendige medikamentöse Behandlung Risiken für Mutter und Kind bergen können. Dieses Artikels bietet einen umfassenden Überblick über die aktuellen Leitlinien und Empfehlungen für die Betreuung von Frauen mit Epilepsie während der Schwangerschaft, um eine sichere Mutterschaft zu gewährleisten.
Beratung vor der Schwangerschaft
Eine umfassende Beratung vor der Empfängnis ist für Frauen mit Epilepsie von entscheidender Bedeutung. Dabei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Risikoprofil der Medikamente: Eine detaillierte Aufklärung über die potenziellen Risiken der verschiedenen Antiepileptika (ASM) für den Fötus ist unerlässlich. Einige ASM, insbesondere Valproat, sind mit einem erhöhten Risiko für Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen verbunden. Andere ASM, wie Lamotrigin und Levetiracetam, gelten als relativ sicher.
- Spiegelveränderungen während der Schwangerschaft: Viele ASM unterliegen während der Schwangerschaft erheblichen Spiegelveränderungen, insbesondere im ersten Trimester. Dies kann zu einem Abfall der Serumkonzentration und damit zu einer Zunahme der Anfallshäufigkeit führen. Eine engmaschige Spiegelkontrolle ist daher erforderlich, um die Dosis entsprechend anzupassen.
- Folsäureprophylaxe: Bereits vor der Empfängnis sollten Frauen, die ASM einnehmen, täglich 5 mg Folsäure einnehmen. Folsäure kann das Risiko für Neuralrohrdefekte beim Fötus verringern. Es ist jedoch zu beachten, dass eine hochdosierte Folsäureprophylaxe (über 1 mg/Tag) während der Schwangerschaft in der Literatur kontrovers diskutiert wird, da eine skandinavische Registerstudie eine Häufung von kindlichen Krebserkrankungen nach Hochdosisexposition in der Schwangerschaft zeigte.
- Verhütung: Da die Planung einer Schwangerschaft für Frauen mit Epilepsie besonders wichtig ist, gehört das Thema Verhütung in jedes Beratungsgespräch. Einige ASM können die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva beeinträchtigen. In diesen Fällen sollten alternative Verhütungsmethoden wie Intrauterinpessare (IUP) in Betracht gezogen werden.
Medikamentöse Therapie während der Schwangerschaft
Die medikamentöse Therapie der Epilepsie während der Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar. Ziel ist es, eine optimale Anfallskontrolle bei minimalem Risiko für den Fötus zu erreichen. Dabei sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
- Monotherapie: Eine Monotherapie mit einem einzigen ASM ist einer Polytherapie mit mehreren ASM vorzuziehen, da das Risiko für Fehlbildungen bei Polytherapien deutlich erhöht ist.
- Niedrige Dosis: Die Dosis des ASM sollte so niedrig wie möglich gewählt werden, um das Risiko für den Fötus zu minimieren.
- Geeignete ASM: Valproat sollte, wenn irgend möglich, im gebärfähigen Alter vermieden werden, da es mit einem hohen Risiko für Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen verbunden ist. Lamotrigin und Levetiracetam gelten als relativ sichere Alternativen.
- Spiegelkontrolle: Während der Schwangerschaft sollte der Serumspiegel des ASM engmaschig kontrolliert werden, insbesondere unter Lamotrigin-, Levetiracetam- und Oxcarbazepingabe, da es häufig zu einem Abfall der Serumkonzentration kommt.
- Dosisanpassung: Bei einem Abfall des Serumspiegels sollte die Dosis des ASM entsprechend angepasst werden, um eine ausreichende Anfallskontrolle zu gewährleisten.
- Gabe in mehreren Tagesdosen: Die Gabe des ASM in mehreren Tagesdosen (z. B. 3x täglich) kann helfen, Spiegelspitzen zu vermeiden.
Spezielle Hinweise zu einzelnen Antiepileptika
- Lamotrigin: Lamotrigin gilt aktuell neben Levetiracetam als eines der günstigsten ASM in der Schwangerschaft. Das Fehlbildungsrisiko ist möglicherweise dosisabhängig, wobei ein Risikoanstieg bei Dosen >200 mg Lamotrigin diskutiert wird. Der Medikamentenspiegel von Lamotrigin fällt in der Schwangerschaft ab, am stärksten im ersten Trimenon. Spiegelkontrollen sind daher in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Eine Dosisanpassung sollte spiegelgesteuert erfolgen.
- Levetiracetam: Für Levetiracetam liegen wenig Daten bezüglich des Fehlbildungsrisikos vor, die bisherigen Ergebnisse deuten jedoch auf eine geringe Fehlbildungsrate hin. Es gibt kaum Hinweise auf eine Dosisabhängigkeit des Risikos. Der Medikamentenspiegel von Levetiracetam fällt ebenfalls in der Schwangerschaft ab, am stärksten in den ersten 3 Monaten. Spiegelkontrollen und eine spiegelgesteuerte Dosisanpassung sind bei Abfall sinnvoll.
- Oxcarbazepin: Die Fehlbildungsrate unter Oxcarbazepin wird auf ca. 3% geschätzt. Auch bei Oxcarbazepin fällt der Medikamentenspiegel in der Schwangerschaft ab, am stärksten in den ersten 3 Monaten. Spiegelkontrollen und eine spiegelgesteuerte Dosisanpassung sind bei Abfall sinnvoll.
- Carbamazepin: Die Fehlbildungsrate unter Carbamazepin wird auf ca. 5,5% geschätzt und ist möglicherweise dosisabhängig. Ein leichter Abfall des Carbamazepinspiegels kann im letzten Trimenon auftreten. Spiegelkontrollen und eine Dosisanpassung sind während der Schwangerschaft jedoch wohl eher nicht sinnvoll, da der Spiegel des "freien Carbamazepins" unverändert bleibt.
- Valproat: Valproat ist mit einer hohen Fehlbildungsrate von ca. 10,3% verbunden, die ebenfalls dosisabhängig ist. Valproat sollte daher, wenn irgend möglich, im gebärfähigen Alter vermieden werden.
Geburt und Stillzeit
Die Geburt bei Epilepsiepatientinnen sollte in einer Klinik mit angeschlossener Kinderklinik erfolgen, um bei möglichen Komplikationen schnell reagieren zu können. Eine normale Geburt ist bei gut eingestellter Epilepsie möglich. Ein Kaiserschnitt ist in der Regel nicht erforderlich.
Nach der Geburt sollten Mütter darauf achten, Verletzungen des Kindes durch Stürze bei Anfällen zu vermeiden. Das Wickeln sollte auf dem Boden erfolgen, und der Kinderwagen sollte mit einer automatischen Bremse ausgestattet sein. Baden sollte nur in flachem Wasser oder unter Aufsicht erfolgen.
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Stillen ist auch unter Antiepileptika in der Regel zu empfehlen. Die meisten ASM gehen nur in geringen Mengen in die Muttermilch über und sind für das Kind unbedenklich.
Verhütung
Epilepsie und Antiepileptika können die Fertilität herabsetzen. Beispielsweise besteht ein Zusammenhang zwischen einer Temporallappen-Epilepsie und einer Valproat-Therapie einerseits und einer anovulatorisch bedingten Fertilitätsminderung mit polyzystischem Ovar-Syndrom (PCOS) andererseits.
Bestimmte Antiepileptika führen zum „Pillenversagen“. Insbesondere Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon, Phenytoin, Felbamat und mit dosisabhängigen Einschränkungen auch Oxcarbazepin und Topiramat können das Cytochrom-P450-Enzymsystem induzieren und über den verstärkten Abbau oraler Kontrazeptiva zu unerwünschten Schwangerschaften führen. Es empfiehlt sich daher, in erster Linie keine systemische Hormontherapie, also auch keine oralen Kontrazeptiva vorzusehen, da selbst die gelegentlich empfohlene Verdopplung der Dosis nicht die gewünschte Sicherheit garantiert. Ein Intrauterinpessar mit lokaler Gestagenabgabe (Mirena®) wäre zu bevorzugen oder bei etwas geringerer Sicherheit ein Intrauterinpessar (IUD). Nur wenn diese Methoden nicht vertragen werden, ist eine höher dosierte hormonelle Kontrazeption - ggf. mit Einschränkungen der Verlässlichkeit - in Betracht zu ziehen. Hierfür kommt eine durchgehende Einnahme von täglich 2 Dosen eines niedrig dosierten monophasischen Präparates infrage und zwar im Langzyklus durchgehend für 3-9 Monate. Andere Empfehlungen zielen auf „Pillen“ mit einer höheren ovulationshemmenden Dosis ab.
Internationale Register
Internationale Register wie das European Registry of Antiepileptic Drugs and Pregnancy (EURAP) dienen zur Sammlung von Daten zur Sicherheit von Antiepileptika in der Schwangerschaft. Schwangerschaften sollten im Sinne aller Schwangeren unbedingt im EURAP-Register gemeldet werden. Die Dokumentation der Schwangerschaft erfolgt mit 5 Erfassungsbögen.
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