Der Nervus ulnaris, auch Ellennerv genannt, ist einer der drei Hauptnerven der oberen Extremität. Er spielt eine entscheidende Rolle für die Motorik und Sensibilität von Unterarm und Hand. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie, den Verlauf und die Funktion des Nervus ulnaris, erklärt das Krankheitsbild des Sulcus-ulnaris-Syndroms und die Loge-de-Guyon-Syndroms und erläutert die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
Anatomie des Nervus ulnaris
Der Nervus ulnaris entspringt dem Fasciculus medialis des Plexus brachialis aus den Rückenmarkssegmenten C8 und Th1. Der Plexus brachialis ist ein Nervengeflecht, das aus den Spinalnerven der Halswirbelsäule entspringt.
Verlauf des Nervus ulnaris
Der Nervus ulnaris zieht zunächst auf der medialen Oberarmseite medial der Arteria brachialis im Sulcus bicipitalis medialis. In der Mitte des Oberarms durchbricht er das Septum intermusculare brachii mediale, um nach dorsal zu laufen. Anschließend verläuft er zwischen den zwei Köpfen des M. flexor carpi ulnaris auf die Beugerseite des Unterarms. Begleitet wird er von der Arteria und Vena ulnaris. Im unteren Drittel des Unterarms gibt er einen Ramus dorsalis ab. Schließlich zieht der Nerv zusammen mit der gleichnamigen Arterie durch die Guyon-Loge in die Hand, wo er sich in den Ramus profundus und superficialis teilt.
Engstellen des Nervus ulnaris
Auf seinem langen Weg kann der Nervus ulnaris an verschiedenen Stellen eingeengt werden:
- Sulcus ulnaris: Hier verläuft der Nerv in einer knöchernen Rinne an der Innenseite des Ellenbogens, dem sogenannten Sulcus ulnaris. Diese Stelle ist besonders anfällig für Druck und Irritationen, da der Nerv hier nur durch wenig Gewebe geschützt ist.
- Guyon-Loge: Die Guyon-Loge ist ein anatomischer Raum am Handgelenk, der vom Retinaculum flexorum und dem Ligamentum carpi palmare begrenzt wird. Hier können Kompressionen des Nervus ulnaris auftreten.
Funktion des Nervus ulnaris
Der Nervus ulnaris hat sowohl motorische als auch sensible Funktionen.
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Motorische Funktion: Der Nervus ulnaris innerviert folgende Muskeln:
- Musculus flexor carpi ulnaris: Dieser Muskel ist für die Beugung und Ulnarduktion (Abspreizen zur Kleinfingerseite) des Handgelenks verantwortlich.
- Musculus flexor digitorum profundus (teilweise): Der Nervus ulnaris innerviert den Teil dieses Muskels, der für die Beugung des Ringfingers und des kleinen Fingers zuständig ist.
- Interossei-Muskeln: Diese kleinen Muskeln zwischen den Fingerknochen ermöglichen das Spreizen und Zusammenführen der Finger.
- Lumbricales (teilweise): Der Nervus ulnaris innerviert die Lumbricales, die für die Streckung der Finger in den Grundgelenken und die Beugung in den Mittel- und Endgelenken zuständig sind, und zwar die Lumbricales des Ringfingers und des kleinen Fingers.
- Hypothenarmuskeln: Diese Muskelgruppe am Kleinfingerballen (Hypothenar) steuert die Bewegungen des kleinen Fingers und erleichtert das Greifen von Gegenständen. Zu den Hypothenarmuskeln gehören der Kleinfingerspreizer, der kurze Kleinfingerbeuger und der Kleinfingergegensteller.
- Musculus adductor pollicis: Dieser Muskel ist für die Adduktion des Daumens (Heranziehen an die Hand) verantwortlich. Es ist der einzige Muskel der Daumenballenmuskulatur (Thenar), der nicht vom Nervus medianus innerviert wird.
Sensible Funktion: Der Nervus ulnaris versorgt sensibel das Handgelenk auf der ulnaren Seite, die Handinnenfläche im Bereich des Kleinfingers und des Ringfingers (ulnarer Anteil).
Klinische Bedeutung: Erkrankungen des Nervus ulnaris
Schädigungen des Nervus ulnaris können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, abhängig von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung.
Sulcus-ulnaris-Syndrom (Kubitaltunnelsyndrom)
Das Sulcus-ulnaris-Syndrom, auch Kubitaltunnelsyndrom genannt, ist eine häufige Erkrankung, bei der der Nervus ulnaris im Bereich des Ellenbogens eingeengt wird. Der Kubitaltunnel ist ein enger Durchgang an der Innenseite des Ellenbogens, durch den der Nerv verläuft.
Ursachen des Sulcus-ulnaris-Syndroms
Die häufigste Ursache ist eine ständige Be- bzw. Überlastung des Ellenbogens, beispielsweise durch permanentes Aufstützen oder Beugen. Baseballspieler sind besonders häufig betroffen, da sie beim Werfen den Arm in besonderer Weise drehen müssen. Weitere Ursachen können sein:
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- Vorschädigungen des Ellenbogens (z. B. Knochenbrüche oder Arthrose)
- Unfallbedingte Quetschungen des Nervs
- Degenerative Prozesse (z. B. Gelenkverschleiß)
- Diabetes mellitus
- Starkes Übergewicht (Adipositas)
- Rheumatische Erkrankungen
Symptome des Sulcus-ulnaris-Syndroms
Typische Symptome sind:
- Kribbelparästhesien ("Ameisenlaufen")
- Taubheit
- Schmerzen im Ringfinger, kleinen Finger und Ellenbogen
- Muskelschwäche in der betroffenen Hand, die selbst einfache Handlungen erschwert
- Im Spätstadium: Lähmung, Muskelschwund (Atrophie) und Bildung einer Krallenhand (Überstreckung der Fingergrundgelenke bei gleichzeitiger Beugung der Mittel- und Endgelenke)
Diagnose des Sulcus-ulnaris-Syndroms
Die Diagnose wird in der Regel anhand der Symptome gestellt. Zur Bestätigung und zur Beurteilung des Schweregrads der Nervenschädigung können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Elektrophysiologische Untersuchung (z. B. Elektroneurographie, EMG)
- Hochauflösende Nervenultraschalluntersuchung
Behandlung des Sulcus-ulnaris-Syndroms
Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung.
- Konservative Therapie: Bei milden Symptomen können entzündungshemmende Medikamente und eine Schiene zur Ruhigstellung des Ellenbogens Linderung verschaffen.
- Operative Therapie: Bei ausbleibender Besserung oder schweren Symptomen kann eine Operation erforderlich sein. Dabei gibt es verschiedene operative Verfahren:
- Neurolyse: Der Nerv wird im Rahmen einer offenen Operation von Verwachsungen und Verklebungen befreit.
- Transposition: Wenn der Nervenkanal sehr eng ist, wird der Nerv aus seinem Bett befreit und in das Unterhautfettgewebe oder eine Muskeltasche verlagert.
Nachbehandlung nach Operation
Je nach Befund wird die operierte Stelle mit einem elastischen Verband oder einer Schiene ruhig gestellt. Bereits am ersten Tag nach der Operation können und sollen die Finger und der Ellenbogen wieder bewegt werden. Nach etwa einer Woche wird der Verband oder die Schiene entfernt und durch ein einfaches Pflaster ersetzt. Krankengymnastik oder Ergotherapie können die Wiederherstellung der Handfunktion und -kraft unterstützen.
Prognose des Sulcus-ulnaris-Syndroms
Bei frühzeitiger Behandlung ist die Chance auf vollständige Heilung sehr hoch. Nach etwa zwei bis drei Wochen ist der Arm wieder für den Alltag und die meisten Tätigkeiten einsatzfähig. Schwere Arbeiten sollten allerdings für bis zu sechs Wochen unterlassen werden. Mit aktivem Sport kann man ca. vier Wochen nach der Behandlung langsam wieder beginnen.
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Loge-de-Guyon-Syndrom
Das Loge-de-Guyon-Syndrom ist eine Kompression des Nervus ulnaris im Bereich des Handgelenks, genauer gesagt in der Guyon-Loge. Es verursacht ähnliche Symptome wie das Sulcus-ulnaris-Syndrom, betrifft aber vor allem die Hand.
Ursachen des Loge-de-Guyon-Syndroms
Ursachen können sein:
- Wiederholte Druckbelastung des Handgelenks (z. B. durch Fahrradfahren, Arbeiten mit Werkzeugen)
- Ganglien (Zysten) in der Guyon-Loge
- Verletzungen des Handgelenks
Symptome des Loge-de-Guyon-Syndroms
Typische Symptome sind:
- Kribbeln und Taubheit im Kleinfinger und Ringfinger
- Muskelschwäche der Handmuskeln, insbesondere der kleinen Muskeln, die für die Fingerbewegungen zuständig sind
Diagnose und Behandlung des Loge-de-Guyon-Syndroms
Die Diagnose und Behandlung ähneln dem Sulcus-ulnaris-Syndrom. Neben konservativen Maßnahmen kann eine operative Dekompression des Nervs in der Guyon-Loge erforderlich sein.
Weitere Ursachen für Schmerzen am Nervus ulnaris
Neben den genannten Kompressionssyndromen können auch andere Faktoren zu Schmerzen am Nervus ulnaris führen:
- Verletzungen des Nervs (z. B. durch Schnitte oder Stiche)
- Tumoren, die auf den Nerv drücken
- Entzündungen des Nervs (Neuritis)
Prävention von Erkrankungen des Nervus ulnaris
Einige Maßnahmen können helfen, Erkrankungen des Nervus ulnaris vorzubeugen:
- Vermeidung von Überlastung und Fehlbelastung des Ellenbogens und Handgelenks
- Ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes
- Regelmäßige Dehnübungen für Arme und Hände
- Vermeidung von lang anhaltendem Druck auf den Ellenbogen oder das Handgelenk