Neurologische Störungen bei Wellensittichen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Wellensittiche sind beliebte Haustiere, die jedoch wie alle Lebewesen von verschiedenen Gesundheitsproblemen betroffen sein können. Neurologische Störungen stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie die Lebensqualität der Vögel erheblich beeinträchtigen können. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten neurologischer Störungen bei Wellensittichen, um Haltern ein umfassendes Verständnis dieser komplexen Erkrankungen zu ermöglichen.

Was ist eine Lähmung?

Eine Lähmung ist ein teilweiser oder vollständiger Funktionsverlust eines Körperteils oder Organsystems. Neurologen bezeichnen eine Lähmung als Funktionsminderung von Nerven, die motorische oder sensible Ausfälle verursacht. Eine partielle Lähmung, die bestimmte Bereiche betrifft, wird oft als Parese bezeichnet, während eine vollständige Lähmung als Plegie bekannt ist.

Symptome neurologischer Störungen

Die Symptome neurologischer Störungen bei Wellensittichen können vielfältig sein und hängen von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung des Nervensystems ab. Häufige Symptome sind:

  • Koordinationsstörungen: Betroffene Vögel zeigen unsichere Bewegungen, Torkeln oder Fallen von der Stange. Sie können Schwierigkeiten haben, das Gleichgewicht zu halten und zu laufen.
  • Lähmungen: Lähmungen können einzelne Gliedmaßen (z.B. Fuß, Zehen, Flügel) oder den ganzen Körper betreffen. Bei einer schlaffen Lähmung hängen die betroffenen Bereiche schlaff herunter und können nicht mehr bewegt werden. Eine spastische Lähmung äußert sich durch Verkrampfungen und Steifheit der Gliedmaßen.
  • Kopfverdrehungen: Einige Vögel zeigen eine Verdrehung des Kopfes, die von leichtem Schiefhalten bis zu starken Drehbewegungen reichen kann (Drehkrankheit).
  • Krampfanfälle: Krampfanfälle können sich durch unkontrollierte Muskelzuckungen, Zittern oder Bewusstseinsverlust äußern.
  • Verhaltensänderungen: Neurologische Störungen können auch zu Verhaltensänderungen wie Apathie, Desorientierung oder Panikreaktionen führen.
  • Sehstörungen: In manchen Fällen treten Sehstörungen in Verbindung mit neurologischen Symptomen auf.

Ursachen neurologischer Störungen

Die Ursachen neurologischer Störungen bei Wellensittichen sind vielfältig. Es ist wichtig, die genaue Ursache zu ermitteln, um eine gezielte Behandlung einleiten zu können. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Trauma: Eine Gehirnerschütterung oder starke Kopfverletzung, beispielsweise durch einen Aufprall, kann zu einer Lähmung führen. Durch den Aufprall kann das zentrale Nervensystem verletzt und irritiert werden, was zu Muskelverkrampfungen führt.
  • Tumore: Tumore im Bereich des Gehirns, der Wirbelsäule oder anderer Organe können auf Nerven drücken und neurologische Symptome verursachen. Hodentumore und Nierentumore sind häufige Ursachen für Lähmungen. Auch Schwellungen im Bereich der Leber können Lähmungserscheinungen zur Folge haben. Eine spastische Lähmung tritt bei einem Tumor fast gar nicht auf, häufiger ist eine schlaffe Lähmung. Die Lähmung tritt schleichend auf. Der Tumor drückt von innen auf einen Nerv entlang der Wirbelsäule und kann somit die Lähmung auslösen.
  • Infektionen: Verschiedene Infektionen des Gehirns mit Viren, Bakterien oder Parasiten können neurologische Schäden verursachen. Die Ornithose (Papageienkrankheit), verursacht durch das Bakterium Chlamydophila psittaci, ist eine Infektionskrankheit, die auch neurologische Symptome hervorrufen kann.
  • Vergiftungen: Vergiftungen mit Insektiziden, Zink oder anderen toxischen Substanzen können zu Lähmungserscheinungen und Krampfanfällen führen.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B kann zu Lähmungen in Beinen und Flügeln führen. Bei plötzlich auftretenden Einschränkungen, die sich meist durch spastische Lähmungen der Zehen äußern, ist ein Vitaminmangel meist nicht die einzige Ursache, sondern eher eine Folgeerscheinung aufgrund anderer Erkrankungen, die den Vitaminmangel verursachen, z. B. Vitaminmangel aufgrund von Tumoren im Verdauungstrakt oder der Leber.
  • Durchblutungsstörungen: Gestörte Durchblutung des Gehirns kann zu neurologischen Ausfällen führen.
  • Parasitenbefall: Der Befall von inneren Parasiten wie Spülwürmern kann zu Lähmungen führen.
  • Schlaganfall: Vögel können Symptome eines Schlaganfalls erleiden und plötzlich Bewegungsunfähigkeit zeigen. Es kann auch zu halbseitigen Lähmungen (Hemiplegie) kommen, die häufig zusammen mit Sehstörungen und Koordinationsstörungen auftreten.
  • Epilepsie: Epilepsie kann bei Vögeln mit Drehen und Krämpfen an Flügeln, Kopf und Beinen auftreten.
  • Genetische Defekte: In seltenen Fällen können angeborene Defekte des Nervensystems zu neurologischen Störungen führen.
  • Verletzungen durch Ringe: Wellensittiche spielen sehr gerne und können sich mit ihrem Fußring oder ihrer Kralle verfangen und sich Bänder und Sehnen im Fuß zerren oder gar reißen, was zu Lahmheit führt.

Diagnose neurologischer Störungen

Die Diagnose neurologischer Störungen bei Wellensittichen erfordert eine gründliche Untersuchung durch einen vogelkundigen Tierarzt. Die Diagnose beginnt mit einer ausführlichen Anamnese, bei der der Tierarzt Fragen zum Verhalten, der Ernährung und der Haltung des Vogels stellt. Anschließend folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung, bei der der Tierarzt den Vogel auf äußere Anzeichen von Verletzungen oder Erkrankungen untersucht.

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Eine neurologische Untersuchung umfasst die Beurteilung von Reflexen, Muskeltonus, Koordination und Gleichgewicht. Je nach Verdacht können weitere diagnostische Maßnahmen erforderlich sein, wie z.B.:

  • Röntgenaufnahmen: Röntgenaufnahmen können helfen, Knochenbrüche, Tumore oder andere Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule oder des Gehirns zu erkennen.
  • Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können Hinweise auf Infektionen, Vergiftungen oder Stoffwechselstörungen liefern.
  • Kotuntersuchungen: Kotuntersuchungen können helfen, Parasitenbefall zu diagnostizieren.
  • Zytologie/Biopsie: Bei Verdacht auf einen Tumor kann eine Zytologie oder Biopsie entnommen werden, um die Zellen unter dem Mikroskop zu untersuchen.
  • Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT): Diese bildgebenden Verfahren können detaillierte Bilder des Gehirns und des Rückenmarks liefern und helfen, Tumore, Entzündungen oder andere Anomalien zu erkennen.

Behandlung neurologischer Störungen

Die Behandlung neurologischer Störungen bei Wellensittichen hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Einige mögliche Behandlungsansätze sind:

  • Medikamentöse Behandlung:
    • Antibiotika: Bei bakteriellen Infektionen können Antibiotika eingesetzt werden. Bei Verdacht auf Ornithose werden meist Tetracycline verschrieben. Es ist wichtig, nicht nur die nachweislich erkrankten Tiere zu behandeln, sondern den gesamten Bestand miteinzubeziehen. Die Medikamente müssen über einen längeren Zeitraum verabreicht werden, da Chlamydien sehr hartnäckig sind.
    • Entzündungshemmer: Bei Entzündungen des Gehirns oder der Nerven können Entzündungshemmer eingesetzt werden.
    • Vitamine: Bei Vitaminmangel können Vitaminpräparate verabreicht werden.
    • Antiepileptika: Bei Epilepsie können Antiepileptika eingesetzt werden, um Krampfanfälle zu reduzieren.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein, um Tumore zu entfernen oder Verletzungen zu behandeln.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Beweglichkeit und Koordination von gelähmten Gliedmaßen zu verbessern. Der Vogelhalter selbst kann gymnastische Übungen mit den gelähmten Gliedmaßen vornehmen, um eine bessere Beweglichkeit zu erzielen.
  • Unterstützende Maßnahmen:
    • Anpassung der Umgebung: Vögel mit neurologischen Störungen sollten möglichst wenigen äußeren Reizen ausgesetzt sein und in einer ruhigen, abgedunkelten Umgebung gehalten werden. Eine weiche Unterlage kann helfen, Verletzungen bei Krampfanfällen zu vermeiden. Der Vogel sollte nicht unter einer Wärmelampe sitzen, da die Wärme die Durchblutung des Gehirns verstärken kann.
    • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, um den Vogel mit allen notwendigen Nährstoffen zu versorgen. Bei Bedarf können spezielle Diäten oder Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden.
    • Anpassung des Käfigs: Für Vögel mit Lähmungen oder Koordinationsstörungen sollte der Käfig so eingerichtet werden, dass er ihren Bedürfnissen entspricht. Sitzstangen sollten niedrig angebracht und mit weichem Material umwickelt werden. Es können auch Sitzbrettchen oder Baumwollseile angeboten werden, die den Vögeln zusätzlichen Halt geben. Trinknäpfe sollten so platziert werden, dass sie leicht zugänglich sind und keine Ertrinkungsgefahr darstellen. Alle Spielsachen, an denen der Vogel hängen bleiben kann, sollten entfernt werden.
    • Entfernung von Ringen: Vorteilhaft wäre es, wenn der vogelkundige Tierarzt den Ring entfernt, sofern sich dieser am betroffenen Fuß befindet.

Vorbeugung neurologischer Störungen

Einige neurologische Störungen bei Wellensittichen lassen sich nicht verhindern. Es gibt jedoch Maßnahmen, die dazu beitragen können, das Risiko zu minimieren:

  • Unfälle vermeiden: Sorgen Sie für eine sichere Umgebung, in der sich der Vogel nicht verletzen kann. Vermeiden Sie Gefahrenquellen wie offene Fenster, Spiegel oder giftige Pflanzen.
  • Gesunde Ernährung: Füttern Sie Ihren Wellensittich mit einer ausgewogenen Ernährung, die alle notwendigen Nährstoffe enthält.
  • Regelmäßige tierärztliche Kontrollen: Lassen Sie Ihren Wellensittich regelmäßig von einem vogelkundigen Tierarzt untersuchen, um mögliche Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
  • Quarantäne: Halten Sie neue Vögel zunächst in Quarantäne und testen Sie sie auf Krankheiten, um eine Ansteckung anderer Vögel zu vermeiden.
  • Hygiene: Achten Sie auf eine gute Hygiene im Vogelkäfig, um das Risiko von Infektionen zu minimieren. Reinigen Sie den Käfig täglich und verwenden Sie geeignete Desinfektionsmittel.
  • Schutz vor Wildvögeln: Minimieren Sie den Kontakt Ihrer Tiere zu Wildvögeln, um das Risiko einer Ansteckung mit Krankheiten zu verringern.

Leben mit einem Wellensittich mit neurologischen Störungen

Auch wenn ein Wellensittich an einer neurologischen Störung leidet, kann er ein erfülltes Leben führen. Mit der richtigen Pflege und Unterstützung können Sie Ihrem Vogel helfen, seine Lebensqualität zu erhalten und Freude am Leben zu haben. Es ist wichtig, geduldig und verständnisvoll zu sein und die Bedürfnisse des Vogels anzupassen.

Die Papageienkrankheit (Ornithose/Psittakose)

Die Ornithose, auch als Psittakose oder Papageienkrankheit bezeichnet, ist eine Infektionskrankheit, die vornehmlich Papageien und Sittiche sowie Tauben befällt. Verursacher der Psittakose oder Ornithose ist das Bakterium Chlamydophila psittaci, das unter geeigneten Bedingungen wochenlang auch außerhalb des Wirtskörpers lebensfähig bleibt. Die Vögel scheiden die Bakterien mit dem Kot aus. Über Kontakt können die Erreger dann auf andere Tiere oder den Menschen übertragen werden. Häufig tragen infizierte Neuzugänge die Krankheit in Bestände hinein. Deshalb sollten Sie neue Vögel immer erst einzeln in Quarantäne halten und tierärztlich auf Chlamydien testen lassen. In Volieren kann eine Infektion auch durch den Kot infizierter Wildvögel erfolgen, der in die Voliere gelangt.

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Symptome: Apathie, Abmagern, gesträubtes Gefieder, Durchfall, Augen- und Nasenausfluss, erschwertes Atmen, Atemgeräusche.

Diagnose: Die klinischen Symptome erlauben nur eine Verdachtsdiagnose, die durch die Ergebnisse bei einer Röntgen- oder endoskopischen Untersuchung erhärtet wird.

Behandlung: Grundsätzlich wird die Papageienkrankheit mit Antibiotika behandelt. Meist verschreibt der Tierarzt sogenannte Tetracycline. Man behandelt nicht nur die nachweislich erkrankten Tiere, sondern man sollte stets den gesamten Bestand miteinbeziehen. Wichtig sind in dieser Zeit verstärkte hygienische Maßnahmen. Zum Beispiel sollten Sie Käfig oder Voliere täglich säubern und mit einem geeigneten Desinfektionsmittel.

Vorbeugung: Halten Sie neue Vögel zunächst in Quarantäne und testen Sie sie auf Chlamydien! Minimiere den Kontakt deiner Tiere zu Wildvögeln.

Zoonose: Ja, auch der Mensch kann sich mit den Erregern der Ornithose infizieren. Die Papageienkrankheit ist als Zoonose bekannt. In der Regel stecken sich Menschen an, die engen Kontakt zu infizierten Vögeln haben. Meist zeigen Erkrankte ein bis zwei Wochen nach der Infektion grippale Symptome wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Betroffene können unter Halsschmerzen und geschwollenen Halslymphknoten leiden. Hautausschläge, Herz-Kreislauf-Probleme oder Lungenentzündungen können auftreten.

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