Autofahren nach Schlaganfall: Regeln und Richtlinien

Das Autofahren ist eine komplexe Tätigkeit, die hohe Anforderungen an die physischen, psychischen und kognitiven Fähigkeiten des Gehirns stellt. Nach einem Schlaganfall können vielfältige Beeinträchtigungen auftreten, die die Fahreignung vorübergehend oder dauerhaft einschränken. Die Beurteilung der Fahrtauglichkeit eines betroffenen Patienten muss immer individuell erfolgen, basierend auf festgelegten Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung.

Beeinträchtigungen nach einem Schlaganfall

Ein Schlaganfall, auch Apoplex oder Hirnschlag genannt, entsteht durch den plötzlichen Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn oder durch eine spontane Blutung eines Hirngefäßes. Beide Ereignisse führen zu einer mangelnden Durchblutung und somit zu vorübergehenden oder dauerhaften Hirnschäden. Diese Schäden können sich je nach Ausmaß und Ort der Schädigung unterschiedlich äußern. Typische Folgen sind:

  • Teillähmungen (Arme oder Beine)
  • Seh- und Sprechstörungen
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Gefühlsstörungen
  • Vergesslichkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Orientierungsprobleme
  • Koordinationsschwierigkeiten

Diese Beeinträchtigungen können die Fähigkeit, komplexe Tätigkeiten wie das Autofahren sicher auszuführen, erheblich beeinträchtigen.

Grundsätzliche Überlegungen zur Fahreignung

Nach einem Schlaganfall ist die Fahreignung oft vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt. Es gibt jedoch keine pauschale Antwort darauf, ob und wann ein Patient wieder Auto fahren darf. Die Entscheidung hängt von der Schwere der Beeinträchtigungen, der Prognose und der individuellen Kompensationsfähigkeit ab.

Karenzzeiten und ärztliches Fahrverbot

Entsprechende Karenzzeiten hängen von der Schwere und Prognose ab. Auf das individuelle ärztliche Fahrverbot wird in der Regel im Entlassungsbrief hingewiesen. Es wird empfohlen, sich unbedingt an das ärztliche Fahrverbot zu halten. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und macht sich bei einem Unfall strafbar. Zudem kann die Kfz-Haftpflichtversicherung bereits ausgezahltes Geld zurückfordern.

Lesen Sie auch: Symptome und Behandlungsmethoden bei eingeklemmtem Nerv

Meldepflicht und Eigenverantwortung

In Deutschland gibt es keine Meldepflicht für neurologische Erkrankungen wie einen Schlaganfall. Dementsprechend gelten Betroffene erst einmal als uneingeschränkt mobil. Ein Führerschein kann nicht einfach eingezogen und ein Fahrverbot erteilt werden. Allerdings trägt jede Person, die Auto fährt, selbst die Verantwortung für die Teilnahme am Straßenverkehr. Wer trotz körperlicher oder geistiger Einschränkungen Auto fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und riskiert im Falle eines Unfalls sogar eine Straftat. Daher ist es wichtig, im ärztlichen Gespräch abzuklären, ob die Folgen des Schlaganfalls das Autofahren beeinträchtigen.

Sonderfall Berufskraftfahrer

Für Berufskraftfahrer (z. B. Bus- oder Lkw-Fahrer) gelten strengere Anforderungen an die Fahreignung. Im Regelfall ist die Fahreignung nach einem Schlaganfall nicht mehr gegeben, da sowohl ein Hirninfarkt als auch eine Hirnblutung mit Leistungsdefiziten und/oder Rückfallrisiken verbunden sind.

Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Fahreignung nach einem Schlaganfall überprüfen zu lassen:

  1. Nichtamtliche Bescheinigung:

    • Geeignet für Patienten ohne sicht- und spürbare Einschränkungen, die keine Fahrzeuganpassung benötigen.
    • Besteht aus einer „Beweissammlung“, um im Schadensfall die eigene Fahrtauglichkeit und die Erfüllung der Vorsorgepflicht nachweisen zu können.
    • Umfasst in der Regel:
      • Fachärztliches Gutachten (Neurologe)
      • Neuropsychologische Untersuchung
      • Augenärztliches Gutachten
      • Fahrverhaltensbeobachtung
    • Bietet keine finale Rechtssicherheit.
  2. Amtliche Bescheinigung:

    Lesen Sie auch: Taubheitsgefühl nach zahnärztlichem Eingriff: Ein Leitfaden

    • Wird über die Fahrerlaubnisbehörde erteilt und ist rechtsverbindlich.
    • Erforderlich, wenn körperliche Einschränkungen vorliegen, die eine Anpassung des Fahrzeugs erfordern.
    • Umfasst in der Regel:
      • Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens von einem Neurologen mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation (nicht der behandelnde Neurologe) oder Erstellung eines Privatgutachtens durch eine amtlich anerkannte medizinische Untersuchungsstelle (z.B. MPU).
      • Information der Führerscheinstelle und Vorlage des fachärztlichen Gutachtens (nicht älter als sechs Monate).
      • Die Fahrerlaubnisbehörde kann weitere Überprüfungen anordnen, z. B. eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) durch eine amtlich anerkannte medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle.
      • Zusätzlich kann ein augenärztliches Gutachten zur Bescheinigung eines intakten Sehvermögens sowie eines ausreichenden Gesichtsfeldes vom Arzt angeordnet werden.
  3. Fahrverhaltensbeobachtung:

    • Kann im Rahmen der Gutachtenerstellung erfolgen, um das Fahrverhalten unter realen Bedingungen zu überprüfen.
    • Dient dazu, Einschränkungen festzustellen und zu beurteilen, wie gut diese durch langjährige Fahrerfahrung ausgeglichen werden können.
    • Wird in Anwesenheit einer Verkehrspsychologin oder eines Verkehrspsychologen durchgeführt.

Fahrzeuganpassung und -umbau

Abhängig von der Art und Schwere der Beeinträchtigungen können individuelle Umbauten am Pkw erforderlich sein. Typische Umbauten für Schlaganfall-Patienten sind:

  • Integration eines Multifunktionslenkknaufs
  • Pedalverlegungen (z.B. Linksgas)
  • Umsetz- und Einstiegshilfen
  • Anbringung von mechanischen Fahrhilfen (z.B. Handbediengeräte, Gasringe)
  • Rollstuhlverladehilfen

Die Umbauten müssen von anerkannten Sachverständigen geplant und geprüft werden. Im Anschluss müssen die Umbauten vom TÜV oder der DEKRA abgenommen und in den Fahrzeugschein eingetragen werden. Der Hinweis auf die Umrüstung wird von der Fahrerlaubnisbehörde mittels Schlüsselzahlen im Führerschein vermerkt.

Finanzielle Unterstützung

Für den Kauf bzw. den Umbau von behindertengerecht umgebauten Fahrzeugen kann Kraftfahrzeughilfe beantragt werden. Die Kraftfahrzeughilfe bezuschusst den Kauf bzw. den Umbau von behindertengerecht umgebauten Fahrzeugen. In der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (Kfz-Hilfe) ist genau definiert, welche Leistungen teilweise bezuschusst und welche komplett übernommen werden. Eine Bezuschussung kann beantragt werden für den Kauf eines Pkws (Neu- oder Gebrauchtwagen). Die maximale Förderung beim Kauf eines Neuwagens beträgt in der Regel bis zu 22.000 Euro und ist abhängig vom Einkommen (Nettoarbeitsentgelt, Nettoarbeitseinkommen und vergleichbare Entgeldersatzleistungen).

Um Anspruch auf Kfz-Hilfe zu haben, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden:

Lesen Sie auch: Verlauf von Parkinson im Endstadium

  • Es muss eine dauerhafte Schwerbehinderung nach den Richtlinien z.B. der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) o.ä. vorliegen.
  • Das Auto muss durch die beantragende Person selbst geführt werden können. Alternativ kann aber auch eine andere Person / ein Fahrer das Auto steuern.
  • Ein wichtiges Kriterium ist die Erwerbstätigkeit: die sollte voll oder zumindest teilweise ausgeübt werden. Aber auch Auszubildende, Studierende und Arbeitslose mit Aussicht auf einen Arbeitsplatz sind unter bestimmten Voraussetzungen förderfähig.
  • Es muss nachgewiesen werden, dass das Auto dauerhaft genutzt wird, vor allem für den Weg zur Ausbildungs- oder Arbeitsstelle.

Welcher Leistungsträger bei der Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs zuständig ist, ist von der persönlichen Situation abhängig. Dies kann beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit, die gesetzliche Rentenversicherung oder das Integrationsamt sein.

Empfehlungen und Tipps

  • Ärztliche Beratung: Halten Sie unbedingt Rücksprache mit Ihrem Arzt, der Ihre Fahrtauglichkeit aus medizinischer Sicht beurteilen kann.
  • Gutachten einholen: Ziehen Sie einen Gutachter zu Rate, um Ihre Fahrtauglichkeit objektiv beurteilen zu lassen. Im Falle eines Unfalls kann dies von Vorteil sein, um die Fahrtauglichkeit nicht von Versicherungen oder Gerichten anzweifeln zu lassen.
  • Fahrsicherheitstraining: Absolvieren Sie ein Fahrsicherheitstraining, um Ihre Fahrsicherheit wiederzuerlangen oder auszubauen.
  • Fahrzeuganpassung: Lassen Sie Ihr Fahrzeug bei Bedarf behindertengerecht umbauen und von anerkannten Sachverständigen prüfen.
  • Kostenübernahme: Informieren Sie sich über mögliche Kostenübernahmen oder Zuschüsse für Fahrzeugumbau oder -anschaffung.
  • Aphasie-Ausweis: Wenn Sie nach einem Schlaganfall Sprachstörungen aufweisen, empfiehlt es sich, einen Aphasie-Ausweis mit sich zu führen, der bei einer Polizeikontrolle oder einem unverschuldeten Unfall vorgezeigt werden kann.

tags: #Autofahren #nach #Schlaganfall #Regeln