Wie das Gehirn wissenschaftliche Erkenntnisse am besten lernt

Das menschliche Gehirn ist ein bemerkenswertes Organ, das ständig lernt und sich anpasst. Es ist in der Lage, komplexe Informationen zu verarbeiten, sich an neue Situationen anzupassen und ein Leben lang zu lernen. Doch wie lernt das Gehirn am besten, insbesondere wenn es um wissenschaftliche Erkenntnisse geht? Dieser Artikel beleuchtet die Mechanismen des Lernens im Gehirn und gibt praktische Empfehlungen, wie man wissenschaftliches Wissen effektiv aufnehmen und behalten kann.

Die Grundlagen des Lernens im Gehirn

Lernen ist im Wesentlichen die Reaktion unseres Gehirns auf Erfahrungen. Eine nachhaltige und langfristige Veränderung im Gehirn durch eine Erfahrung führt zum Lernen. Motivation und Relevanz spielen dabei eine entscheidende Rolle. Das Gehirn nimmt Informationen, die es als wichtig einstuft, besonders gut auf. Emotionen haben eine konstruktive Wirkung auf das Lernen, da das limbische System Informationen emotional bewertet. Bewegung fördert die Vernetzung der Gehirnzellen und verbessert Konzentration und Merkfähigkeit. Positive Bindungs- und Beziehungserfahrungen unterstützen den Lernprozess.

Das Gehirn ist keine Festplatte, auf der Wissen einfach abgelegt und wieder abgerufen wird. Stattdessen werden Informationen in bestehende Wissensstrukturen, sogenannte semantische Netzwerke, eingebunden. Erinnern ist ein aktiver Denkprozess, der geübt und trainiert werden muss.

Neuronale Plastizität: Die Grundlage der Lernfähigkeit

Bis vor wenigen Jahren galt die Vorstellung, dass sich das Gehirn eines Erwachsenen nicht mehr verändert. Heute wissen wir, dass das Gehirn bis ins hohe Alter laufend umgebaut wird. Diese Fähigkeit zur Veränderung wird als neuronale Plastizität bezeichnet. Synapsen, die Verbindungen zwischen Nervenzellen, können ihre Übertragungseffektivität variieren. Durch Langzeitpotenzierung (LTP) können Synapsen verstärkt werden, indem sie mehr Botenstoffe ausschütten oder mehr Botenstoffrezeptoren bilden. Synapsen können auch neu gebildet oder abgebaut werden. In einigen Bereichen des Gehirns, wie dem Riechsystem, können sogar zeitlebens neue Nervenzellen entstehen.

Diese Plastizität ermöglicht es dem Gehirn, sich an neue Erfahrungen anzupassen und zu lernen. Je mehr eine bestimmte Fähigkeit gefordert wird, desto effektiver wird sie erledigt. Zum Beispiel vergrößert sich bei Londoner Taxifahrern der Hippocampus, eine für das Ortsgedächtnis zentrale Region im Gehirn, im Laufe der Jahre.

Lesen Sie auch: Gehirn und Lernen: Tipps für bessere Ergebnisse

Strategien für effektives Lernen wissenschaftlicher Erkenntnisse

Basierend auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es verschiedene Strategien, die das Lernen wissenschaftlicher Erkenntnisse erleichtern können:

  1. Lernzeit in Häppchen einteilen: Anstatt stundenlang am Stück zu lernen, ist es effektiver, die Lernzeit in Einheiten von etwa 30 Minuten aufzuteilen.
  2. Regelmäßige Lernzeiten: Das Gehirn lernt am besten, wenn es zu festen Zeiten lernt.
  3. Karteikarten statt Unterstreichen: Anstatt in Büchern oder Skripten Sätze zu unterstreichen, ist es effektiver, Karteikarten mit den wichtigsten Informationen zu erstellen. Das Aufschreiben der Informationen fördert die intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff.
  4. Feste Ziele pro Lerneinheit: Es ist hilfreich, sich pro Lerneinheit ein festes Ziel zu setzen, z.B. innerhalb von zwei Stunden den Citratzyklus zu lernen.
  5. Erklären, um zu verstehen: Nur wenn man ein Thema jemand anderem erklären kann, hat man es wirklich verstanden. Daher sollte man versuchen, so zu lernen, als ob man das Thema danach jemandem erklären müsste.
  6. Lernen vor dem Schlafen: Informationen, die kurz vor dem Einschlafen aufgenommen werden, werden besser behalten. Im Schlaf werden die Informationen vom Hippocampus abgerufen und in der Großhirnrinde verarbeitet.
  7. Bewegung: Ausdauersport fördert das Wachstum von Nervenzellen im Hippocampus.
  8. Altklausuren und Übungsfragen: Altklausuren und IMPP-Fragen helfen, Wissenslücken zu erkennen und gezielt zu schließen.
  9. Optimaler Lernplatz: Ein gut vorbereiteter Lernplatz, an dem alles Notwendige vorhanden ist, hilft dem Gehirn, in den Lernmodus zu schalten. Ablenkungen wie Handys und Musik sollten vermieden werden.
  10. Motivation und Emotionen: Lernen muss begeistern, Spaß machen und die Inhalte müssen spannend und interessant sein. Positive Emotionen und eine Atmosphäre des Vertrauens und Respekts fördern den Lernprozess.
  11. Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Lernbereitschaft des Gehirns. Der Schlaf nach dem Lernen stärkt die Herausbildung von Gedächtnisinhalten und das Erinnerungsvermögen.
  12. Aerobic: Sport verbessert das Gedächtnis und erhöht Flexibilität und Schnelligkeit bei der Informationsverarbeitung.
  13. Emotionen und moderater Stress: In Situationen, in denen Emotionen im Spiel sind oder bei moderatem Stress, kann die Aktivierung von Hirnstrukturen wie der Amygdala das Lernen und Erinnern erleichtern.
  14. Arbeitsgedächtnis trainieren: Fächer wie Philosophie oder Mathematik fördern das Arbeitsgedächtnis, das eng mit der Fähigkeit verbunden ist, zu überlegen und neue Probleme unabhängig von Vorwissen zu lösen.
  15. Neugier wecken: Eine Vorgehensweise, die die Lernenden motiviert, ihre Aufmerksamkeit fokussiert und sie zu einer Art Detektiv macht, der in jeglicher Informationsquelle die mögliche Antwort auf offene Fragen sucht, ist besonders effektiv.
  16. Erinnerung überprüfen: Das Abfragen von kürzlich gelernten Informationen hilft dem Langzeitgedächtnis.
  17. Mündliche Präsentationen: Vorträge oder mündliche Prüfungen regen zu einer Lerntechnik an, die mehr auf dem Verstehen des Stoffs beruht als auf simplem Auswendiglernen.
  18. Mehrsprachigkeit: Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, entwickeln eine höhere selektive Aufmerksamkeit sowie eine bessere Praxis, mentale Inhalte umzuwandeln.
  19. Lesen: Lesen ist eine der besten Übungen, um das Gehirn in Form zu halten, weil das Lesen eine große Zahl mentaler Prozesse erfordert, wobei Wahrnehmen, Erinnern und Überlegen herausragen.
  20. Eselsbrücken: Eselsbrücken funktionieren besonders gut bei repetitiven Lernaufgaben.
  21. Interesse wecken: Wenn Lernen etwas ist, was uns interessiert, agiert das Gehirn in einem Aktivitätszustand, welcher mit einem intensiven Belohnungsgefühl einhergeht.
  22. Erinnern an den Lernort: Wenn eine gelernte Information entfällt, kann es helfen, sich an den Ort zu erinnern, an dem sie gelernt wurde.
  23. Aktives Training: Anderen beim Denken zusehen kann ein Ausgangspunkt sein, jedoch trainiert es nicht die Fähigkeit, selbst zu denken.
  24. Vorwissen aktivieren: Neuronale Wissensknoten sollten aktiviert werden, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Je mehr angrenzendes Wissen bereits aktiv ist, desto schneller können Studierende auf Wissen zugreifen; Neues findet schneller Zugang zum bestehenden Wissen.
  25. Aufmerksamkeit lenken: Die Aufmerksamkeit richtet sich gerne auf Themen, die interessant sind, die neugierig machen, die offene Fragen beantworten, die eine persönliche Relevanz haben.
  26. Struktur vorgeben: Eine klare Struktur hilft, sich zu orientieren und den Anschluss nicht zu verlieren.
  27. Denkpausen einlegen: Nach 15 - 20 Minuten lässt die Aufmerksamkeit im Durchschnitt nach. Kurze Pausen helfen, die Themen zu verarbeiten.
  28. Methodenwechsel durchführen: Der Wechsel einer Lehrmethode gibt dem Gehirn das Signal, das etwas Neues passiert.
  29. Studierende aktiv arbeiten lassen: Wer sich selbst aktiv mit einer Aufgabe beschäftigt, muss seine Aufmerksamkeit darauf richten.
  30. Informationen portionieren: Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ist begrenzt. Informationen sollten in kleinen Einheiten präsentiert werden, um eine Überlastung zu vermeiden.

Die Rolle der Gehirnregionen beim Lernen

Das Gehirn lässt sich in verschiedene Regionen unterteilen, die unterschiedliche Aufgaben haben. Die Großhirnrinde, insbesondere der Kortex, ist Sitz vieler höherer geistiger Fähigkeiten. Einzelne Bereiche sind darauf spezialisiert, Sprache zu verstehen, Gesichter zu erkennen oder Erinnerungen abzuspeichern. Die Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglicht es Wissenschaftlern, die Verbindungen zwischen verschiedenen Gehirnregionen zu untersuchen.

Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle für das Gedächtnis und das Lernen. Er ist auch für die räumliche Orientierung wichtig. Im Hippocampus können sich bis ins hohe Alter Nervenzellen erneuern. Die Amygdala ist an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt und kann das Lernen und Erinnern beeinflussen.

Frühkindliche Entwicklung und Lernen

Die Gehirnentwicklung spielt eine wichtige Rolle für das Lernen. Das Gehirn reift bis Mitte der Zwanzigerjahre. In den ersten Lebensjahren werden viele neuronale Verbindungen aufgebaut und wieder abgebaut, um effizientere und spezialisierte Netzwerke zu schaffen. Diese sensiblen Perioden sind einzigartige Phasen der Gehirnentwicklung, in denen das Kind in einem bestimmten Bereich enorm viel und enorm schnell lernt. Es ist wichtig, diese sensiblen Perioden zu nutzen, um bestimmte Fähigkeiten vollständig zu erlernen oder ein hohes Niveau zu erreichen.

Lesen Sie auch: Die Rolle der Synapsen im Lernprozess

Lesen Sie auch: Gehirn und Lernen

tags: #wie #lernt #das #gehirn #am #besten