Die Heilung von Nerven nach einer Operation ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt. Eine verzögerte oder falsche Behandlung von peripheren Nervenverletzungen kann zu bleibenden Beeinträchtigungen bis hin zum Funktionsverlust führen. Daher ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit gemeinsam mit neuen technologischen Entwicklungen in der Bildgebung wegweisend für eine rasche und präzise Diagnosestellung und Voraussetzung für chirurgische Behandlungsmöglichkeiten. Der Behandlungserfolg hängt wesentlich von einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit ab - der Faktor Zeit ist für den Therapieerfolg entscheidend.
Grundlagen der Nervenstruktur und -funktion
Um den Heilungsprozess besser zu verstehen, ist es wichtig, die Grundstruktur eines Nervs zu kennen. Wesentliche Einheiten sind das externe Epineurium, das interne Epineurium und Endoneurium sowie das Perineurium. Die Axone bilden zusammen mit den Schwannzellen die Grundeinheit des peripheren Nervensystems. Grundsätzlich wird zwischen myelinisierten und nichtmyelinisierten Axonen unterschieden. Periphere Nervenstämme werden in bestimmten Abständen von Blutgefäßen versorgt. Diese ziehen dann durch eine feine Bindegewebsschicht (das Mesoneurium), die den Nervenstamm lose an das umliegende Gewebe anbindet. Jenes Mesoneurium ermöglicht es dem Nerv auch, während normaler Bewegungen zwischen den Gewebsschichten zu gleiten. Innerhalb eines gemischten sensomotorischen Nervs sind die sensiblen und motorischen Nervenfasern in bestimmten Faszikeln beziehungsweise Faszikelgruppen angeordnet. Die einzelnen Faszikel sind häufig innerhalb des Nervs plexusartig miteinander verbunden. Axone wechseln also im Verlauf des Nervs von einem Faszikel zum anderen. Die Häufigkeit dieser Wechsel liegt proximal höher und nimmt in distaler Richtung ab.
Arten von Nervenverletzungen und ihre Auswirkungen
Verletzungen peripherer Nerven treten zwar nur bei etwa 3 % aller Traumapatienten auf, können bei verzögerter, falscher oder ausbleibender Behandlung aber zu lebenslangen Einschränkungen bis hin zum kompletten Funktionsverlust, z. B. einer Gliedmaße, führen. Der Nervenschaden und seine Konsequenzen hängen von Ausmaß, Art und Lokalisation der Verletzung sowie dem Alter des Patienten ab. Nervenverletzungen werden in drei Schweregrade (nach Seddon) eingeteilt:
- Neurapraxie: Hierbei handelt es sich um einen funktionellen Reizleitungsschaden mit Rückbildung von Sensibilitätsstörungen und motorischen Ausfällen innerhalb von Tagen bis Wochen.
- Axonotmesis: Bei dieser Verletzung bleiben die Bindegewebe bzw. die Nervenhüllstrukturen als Leitschiene für die Regeneration erhalten, die Axone allerdings haben keine Kontinuität mehr. Hier ist trotz Axonverlust eine zufriedenstellende Regeneration möglich. Allerdings kann eine starke intraneurale Fibrose auch zu einer Blockade der Axonregeneration und dadurch zum Ausbleiben der Regeneration führen.
- Neurotmesis: Hier sind nicht nur das Axon (Axonotmesis), sondern auch Myelinscheide und Peri- und Epineurium mehr oder weniger durchtrennt. Es findet keine spontane funktionelle Wiederherstellung statt, dieser Typ ist ausschließlich mit einer Bildung von Narbengewebe verbunden, sodass regeneratives Wachstum von Axonen ohne Operation erfolglos bleibt. In vielen Fällen entwickelt sich stattdessen ein Neurom am proximalen Nervenende oder auch ein Neuroma in continuitatem, das häufig im Zusammenhang mit spontanen neuropathischen Schmerzsymptomen auftritt.
Der Einfluss der Zeit auf die Nervenregeneration
Erhält ein Muskel keine nervale Stimulation mehr, ist mit einem Abbau von ca. 1 % seiner motorischen Endplatten zu rechnen. Nach einer Rekonstruktion addiert sich die Dauer, die der Nerv benötigt, um den Muskel wieder zu erreichen und zu reinnervieren. Summieren sich also der Zeitverlust bis zur Rekonstruktion und die anzunehmende Regenerationszeit (d.h. wie lange der Nerv benötigt, um von der Nahtstelle bis zum Muskel auszuwachsen) auf über 1,5 Jahre, ist eine Funktionswiederkehr sehr unwahrscheinlich, da mindestens 30 % aller motorischen Endorgane reinnerviert sein müssen, um eine adäquate Funktion zu generieren. Zusätzlich kommt es zu reinnervationshemmenden Veränderungen des Perimysiums bzw.
Die Durchtrennung eines Axons kann das Absterben des Neurons innerhalb eines kritischen Zeitfensters nach der Verletzung induzieren, diese geschieht in unterschiedlicher Weise bei sensorischen und motorischen Neuronen. Eine frühzeitige Reparatur des Nervs scheint diesen Verlust von Neuronen zumindest reduzieren zu können. Wird die Regeneration von Axonen jedoch verzögert, hat dies einen Einfluss auf Schwannzellen im distalen Nervenende, die zunehmend die Fähigkeit verlieren, die verschiedenen Zelladhäsionsmoleküle und Wachstumsfaktoren zu exprimieren, die nötig sind, um eine funktionale Wiederherstellung zu unterstützen. Nach einer anhaltenden Denervierung des distalen Nervensegments reagieren Schwannzellen nicht mehr auf auswachsende Axone. Anhaltende Denervierung führt auch zu ZNS-Veränderungen (z. B. Remapping von Kortexarealen), diese Plastizität hat daher maßgeblichen Einfluss auf die Regeneration sowie das Endergebnis nach Rekonstruktionen von Nervenverletzungen und ist zunehmend im wissenschaftlichen Fokus, z.B. Weitere negative Effekte sind z.B. Zweifelsfrei ist die Reparatur von Verletzungen des Neurotmesis-Typs die größte Herausforderung im Bereich der peripheren Nervenrekonstruktion.
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Diagnostische Verfahren zur Beurteilung von Nervenverletzungen
Die rasche Diagnose und richtige Therapie sind essenziell für den Erfolg der Nervenrekonstruktion. Die Prüfung der Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindung schließt Verfahren wie die Zwei-Punkte-Diskrimination und den Semmes-Weinstein-Monofilament-Test zur genaueren Quantifizierung ein. Auch Veränderungen der Hauttrophik (Ausprägung der Leisten, Schweißsekretion, Behaarung etc.) können auf eine sensible Nervenschädigung hinweisen, dies hat allerdings bei frischen Verletzungen keine Aussagekraft. Dieses Zeichen wird allerdings erst einige Wochen nach der Nervendurchtrennung auslösbar. In den letzten Jahren hat sich als wichtiges diagnostisches Instrument der hochauflösende Nervenultraschall herauskristallisiert. In ähnlicher Weise bietet ebenso die MR-Neurografie völlig neue Möglichkeiten der frühzeitigen Diagnostik, sie steht aber nur selten zur Verfügung. Elektrophysiologische Untersuchungen können zusätzliche Hinweise geben, sie spielen aber vor allem im spätprimären und sekundären Abschnitt eine sehr wichtige Rolle, in der Akutphase (den ersten Wochen) ist wenig Information zu erwarten. Initial kann die Elektrodiagnostik eine vorhandene Neurapraxie (spontan und komplett reversibel) nicht verlässlich von einer strukturellen Nervenschädigung wie der Neurotmesis oder Axonotmesis unterscheiden. Im Gegensatz dazu kann der hochauflösende Ultraschall hier meist präzise Aussagen über die Struktur und Pathologie des Nervs treffen. Aufgrund der hohen Auflösung moderner Ultraschallsonden können sogar die Kontinuität und Qualität einzelner Nervenfaszikel zuverlässlich beurteilt werden (Abb. 1-3). Abb. Abb. Abb. Als besonderer Vorteil kann der betreffende Nerv ultraschallkontrolliert mit minimalen Mengen an Lokalanästhesie und sehr differenziert probeweise blockiert werden. Der genaue Verlauf kann auch auf der Haut markiert werden, was dem Operateur das Auffinden von Läsionen und Neuromen wesentlich erleichtert und die Operationszeit verringert (Abb.
Chirurgische Optionen zur Nervenrekonstruktion
Die primäre Rekonstruktion richtet sich nach Art und Ausmaß eines Nervenschadens. Bei sichtbaren morphologischen Schäden am Nerv, aber erhaltener Kontinuität (In-continuitatem-Läsion) ist je nach Ausmaß der Veränderung eine Epineurotomie oder die sparsame, aber suffiziente Anfrischung bis ins sichtbar vitale Nervengewebe indiziert. Kommt es zu einer Durchtrennung einzelner Faszikel oder des gesamten Nervs, ist die spannungsfreie Wiederherstellung der Kontinuität durch mikrochirurgische epineurale Nähte das Ziel. Dies kann entweder im Sinne einer Direktnaht oder bei Substanzverlust mittels Nerventransplantaten erfolgen. Körpereigene Spendernerven stellen weiterhin den Goldstandard in der Rekonstruktion von Nervendefekten dar, sind jedoch ein limitiertes Gut. Bei kurzstreckigen Defekten an Fingernerven oder einem sensiblen Hautnerv kann die Rekonstruktion auch mittels autologer Vene erfolgen. Ebenso existiert eine Vielzahl an synthetischen Nervenersatzmaterialien, die eine Rekonstruktion ohne Hebedefekt versprechen. Selbst der Einsatz von allogenen Nerventransplantaten aus menschlichen Organspendern ist heute möglich.
Nicht immer kann eine primäre Nervenrekonstruktion erfolgen. Zum Beispiel bleiben im Rahmen eines Polytraumas oder bei schweren Begleitverletzungen sehr oft Nervenverletzungen primär unversorgt. Ein weiteres Problem kann auch sein, dass die Nervenläsion primär nicht erkannt worden ist oder dass weder das technologische noch das chirurgische Know-how vorhanden ist. Als weiterer Grund kann natürlich auch angesehen werden, dass die primäre Rekonstruktion zum Beispiel aufgrund von ausgedehnten Quetschverletzungen oder zu großen Weichteilschäden nicht von Erfolg gekrönt gewesen wäre.
Als Methoden für die Sekundäroperationen kommen in geeigneten Fällen para- und epineurale Neurolysen zur Anwendung, um funktionsbehinderndes Narbengewebe zu entfernen. Interfaszikuläre Neurolysen führen häufig zu neuerlichen Vernarbungen und werden daher kaum mehr angewandt. An möglichen Nerventransplantaten stehen hier entbehrliche sensible Hautnerven zur Verfügung, z.B. Endäste des Nervus interossius anterior und posterior (vom Handgelenk), der Nervus cutaneus antebrachii medialis und lateralis am beugeseitigen Ober- und Unterarm oder für langstreckige Defekte der Nervus suralis vom Unterschenkel. Der schon angesprochene Einsatz von allogenen Nerventransplantaten (z.B. dezellularisierte Leichennerven von menschlichen Organspendern) ist theoretisch möglich, um eine weitere Spendermorbidität (mit erneutem Neuromrisiko) zu vermeiden. Die Kosten sind allerdings sehr hoch, sodass der autologen Nerventransplantation meist der Vorzug gegeben wird.
Einen steigenden Stellenwert in der sekundären Therapie haben auch die verschiedenen Formen des Nerventransfers (Nervenumlagerungen), die in den letzten 20 Jahren zunehmend in die Standardtherapie der Nervenchirurgie aufgenommen worden sind. Das Prinzip ist, durch extra-anatomischen „Kurzschluss“ (zwischen einem unverletzten motorischen oder sensiblen Spendernerv) eine geschädigte Nervenstrecke zu umgehen. Optimalerweise liegt der Spender näher am Zielorgan, sodass die proximale Nervenläsion in eine weiter distale verwandelt wird, um die Regenerationsstrecke und -zeit zu verkürzen und die Erfolgsaussichten der Rekonstruktion zu erhöhen. Nerventranspositionen wurden v.a. bei weit proximal gelegenen Läsionen der Stammnerven an der oberen Extremität angewendet. Typisches Beispiel ist die proximale Ulnarisläsion, bei der durch anatomische Rekonstruktion beim Erwachsenen realistisch keine Wiederherstellung der intrinsischen Handmuskulatur erwartet werden kann, weil aufgrund der langen Strecke bis zum Eintreffen der Axone die motorischen Endplatten verschwunden und die Muskeln nicht mehr reinnervierbar sind. Hier kann der Transfer des Endastes des Nervus interosseus anterior (versorgt den Musculus pronator teres) auf den motorischen Ramus profundus nervi ulnaris die Regenerationsstrecke von beispielsweise 60cm (Regenerationszeit 600 Tage) auf 5cm (Regenerationszeit 50 Tage) verringern und die Erfolgsaussichten wesentlich erhöhen (Tab.1). an der unteren Extremität (z.B. motorische Fasern des N. tibialis auf den N. bei Lähmungen von Hirnnerven (Fasern des N. hypoglossus oder N. massetericus auf den N. Wiederherstellung sensibler Qualitäten, reichend vom Schutz vor Verletzung, Infekt und Organverlust (z.B. Cornea, Hand, Fußsohle) bis hin zu erogener Empfindsamkeit (z.B. Brust, Genitalbereich). Tab.
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Liegt jedoch die Verletzung länger als ein Jahr zurück (je nach Strecke zwischen Spendernerv und Endorgan) oder sind bereits Zeichen der Muskelatrophie vorhanden, ist es meist nicht mehr sinnvoll, einen Nerventransfer durchzuführen. In diesen Fällen verbleiben jedoch nach wie vor der Sehnentransfer (motorische Ersatzoperation) von gesunden Muskelsehneneinheiten auf die ausgefallenen Muskeleinheiten und eine freie funktionelle Muskelverpflanzung die einzigen Möglichkeiten für die Rekonstruktion.
Mögliche Komplikationen und ihre Behandlung
Bei jedem chirurgischen oder interventionellen Eingriff kann es zu Nervenschädigungen kommen, etwa durch eine Durchtrennung von Hautnerven beim Zugang, eine intraoperative akzidentielle Nervenschädigung oder eine ungünstige postoperative Vernarbung mit nachfolgenden Traktionsschmerzen. Besonders häufig sind Eingriffe an der oberen und unteren Extremität (Tab. 2 und 3). Entsprechend gehören Verletzungen von Nerven mit nachfolgenden chronischen Schmerzen als potenzielle Operationskomplikationen natürlich zur routinemäßigen präoperativen Aufklärung.
Die auswachsenden Axone finden nicht immer ihr eigentliches Ziel, sondern können auch fibrotische Nervenfaserknäuel (Neurome) bilden. Diese können schmerzlos, kaum störend oder aber extrem schmerzhaft sein. Tab. Tab. Neuromschmerzen lassen sich mittels genauer Anamnese und Untersuchung (inklusive Testblockade mit Lokalanästhesie) vom postoperativen Wundschmerz unterscheiden. Das Auftreten solcher neuropathischen Schmerzen sollte die entsprechende Kaskade der Diagnostik in Gang setzen, um möglichst zeitnah eine suffiziente Behandlung einzuleiten. Zunächst erfolgen konservative Maßnahmen, angefangen bei ergotherapeutischer Desensibilisierung und Spiegeltherapie bis hin zu professioneller Schmerztherapie durch erfahrene Neurologen oder Schmerztherapeuten bzw. Anästhesisten. In der Literatur gibt es verschiedenste Möglichkeiten, Neurome chirurgisch zu behandeln. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen kritischen Nerven mit unverzichtbarer, z.B. motorischer Funktion, die erhalten oder rekonstruiert werden sollten, und nicht kritischen Nerven, deren rein sensible Funktion zugunsten einer Schmerzreduktion aufgegeben werden kann. Bei Neuromen motorischer Nerven ist eine autologe Nervenrekonstruktion gerechtfertigt, in manchen Fällen reicht auch nur ein partieller Ersatz einzelner funktionsloser Faszikel („split repair“) im Anschluss an eine interfaszikuläre Neurolyse. Bei Kontinuitätsneuromen mit aufgehobener Funktion und fehlender Regeneration erfolgen die Resektion des Neuroms und die Kontinuitätswiederherstellung mit autologen Nerveninterponaten. Bei „nicht kritischen“ (ve…
Wachstumsgeschwindigkeit und Faktoren, die die Heilung beeinflussen
Nerven wachsen von der Verletzungsstelle zum anderen durchtrennten Ende ca. 0,5 bis 1 mm pro Tag. Die Nervenregeneration kann bis zu 2 Jahre dauern. Mehrere Faktoren können die Heilungsgeschwindigkeit beeinflussen:
- Art und Schwere der Verletzung: Eine teilweise Durchtrennung heilt besser als eine vollständige.
- Alter des Patienten: Jüngere Patienten haben oft eine schnellere Regeneration.
- Gesundheitszustand: Grunderkrankungen wie Diabetes können die Heilung verlangsamen.
- Frühzeitige Behandlung: Eine rasche Diagnose und Operation verbessern die Chancen auf eine erfolgreiche Regeneration.
- Nachbehandlung: Intensive Physiotherapie und ergotherapeutische Maßnahmen sind entscheidend für den Erfolg.
Bedeutung der Nachbehandlung
Die wesentliche Nachbehandlung besteht in der Durchführung einer intensiven Physiotherapie mit aktiven und passiven Bewegungsübungen und ergotherapeutische Maßnahmen, sowie einer Reizstrombehandlung (Exponentialstrom) der denervierten Muskulatur. Im Intervall von ca. Wiederherstellungs- oder Ersatzoperationen (z.B. Die wesentliche Nachbehandlung besteht in der Durchführung einer intensiven Physiotherapie mit aktiven und passiven Bewegungsübungen und ergotherapeutische Maßnahmen, sowie einer Reizstrombehandlung (Exponentialstrom) der denervierten Muskulatur.
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Engpasssyndrome und ihre Behandlung
Bei den sogenannten Engpasssyndromen gilt es, den eingeklemmten oder gequetschten Nerven aus seiner misslichen Lage zu befreien, damit er keinen weiteren Schaden nimmt. Solche Engpasssyndrome treten meist in bestimmten Bereichen wie am Handgelenk oder Fußknöchel auf, wo aufgrund der anatomischen Enge schon geringe Schwellungen oder Massenzunahmen zu einer Quetschung des Nerven führen können. Auslöser können z.B. Bei Nervenverletzungen wird der verletzte Nerv unter Lupen- oder Mikroskopsicht zuerst freigelegt und - falls möglich - die beiden Enden spannungslos wieder zusammengenäht. Sind die beiden Nervenenden durch die Verletzung soweit voneinander entfernt worden, dass sie nicht mehr spannungsfrei zusammengefügt werden können, erfolgt eine Nerventransplantation. Hierzu wird je nach Länge und Dicke das fehlende Nervenstück durch einen entbehrlichen Hautnerven ersetzt, der vorher an anderer Stelle entnommen wurde, wo der Nerv entbehrlich ist. Zu den Engpasssyndromen mit Einklemmungen der Nerven gehören z.B.
Innovative Ansätze in der Nervenregeneration
Am MPI für Polymerforschung wird geforscht, ob sich Nervenzellen nicht mittels maßgeschneiderter Materialien zum Wachstum stimulieren lassen. Dies würde den Zellen helfen, eine Lücke im Nerv wieder zu schließen. In unserer Forschung versuchen wir, geschädigte Nerven durch ein von uns entwickeltes Material aus körpereigenen Bausteinen zum Wachsen zu bewegen. Denn: Nerven sind durchaus in der Lage, eine durchtrennte Stelle wieder selbst zu überbrücken. Bei Verletzungen wird jedoch neben der Nervenbahn selbst auch oft das Gerüst, welches diese Bahnen trägt, zerstört. Diese sogenannte extrazelluläre Matrix bildet den Haftgrund für Nervenbahnen - ähnlich wie Tomatenpflanzen ein Rankgitter benötigen, benötigen Nervenzellen diese Matrix, um daran entlangzuwachsen. Chemisch gesehen besteht die Matrix aus speziellen Arten von Proteinen, langen Molekülketten, die wie ein Wollknäuel zusammengefaltet sind. Viele dieser winzig kleinen Wollknäuel lagern sich nebeneinander an und formen lange Fasern. Damit sich solche Fasern bilden, finden im Körper viele komplexe biomolekulare Prozesse statt. Um diese künstlich im Reagenzglas nachzubilden, sind sie jedoch zu komplex. Daher gehen wir in unserer Forschung einen etwas anderen Weg: Wir verwenden die gleichen Grundmaterialien, setzen sie jedoch anders zusammen. Hierbei nutzen wir kurze Molekülketten, sogenannte Peptide, die aus den gleichen körpereigenen Bausteinen wie Proteine bestehen. Diese Peptide stellen wir chemisch gezielt her, sodass sich die Position jedes einzelnen Bausteins genau festgelegen lässt. Im übertragenen Sinne erzeugen wir auf diese Weise an den Molekülen etwas Analoges wie die Noppen und zugehörigen Löcher, die wir von Legosteinen kennen: Ein so synthetisiertes Peptid-Molekül lagert sich am liebsten so mit anderen Peptiden zusammen, dass Noppen und Löcher aufeinandertreffen; nur dann entsteht eine neue stabile Struktur. Wie verhalten sich Nervenzellen nun, wenn sie auf dieser künstlich erzeugten extrazellulären Matrix wachsen sollen? Und wie verändern sich diese Wachstumseigenschaften, wenn die ursprünglich zur Herstellung der Matrix verwendeten Peptide chemisch verändert werden? Diese Fragen haben wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Bernd Knöll, Professor am Institut für Physiologische Chemie der Universität Ulm, untersucht. Hierzu haben wir viele verschiedene Peptid-Strukturen hergestellt, auf Glassubstrate aufgebracht und hierauf Nervenzellen kultiviert. Diejenige Faserstruktur, die sich hierbei als am effizientesten erwies, wurde in eine chirurgisch erzeugte Nervenlücke an einem Gesichtsnerv einer Maus injiziert, der für die Bewegung der Schnurrhaare verantwortlich ist. Die verwendeten Peptide sind chemisch den natürlichen Proteinen, welche die extrazelluläre Matrix der Zelle bilden, sehr ähnlich. Bisher lassen sich mit unserer künstlichen Matrix bereits erste Schädigungen an Nervenbahnen reparieren, wie das Laborexperiment mit einer Maus gezeigt hat. Bis zum Einsatz am Menschen werden noch weitere Optimierungen nötig sein, um das Nervenbahnwachstum noch effizienter zu gestalten. So wachsen Nervenzellen auf unserem Material noch nicht so gut wie in der natürlichen Matrix und zudem recht ungeordnet in alle Richtungen. Ziel für die Zukunft ist daher, in die künstliche Matrix noch sogenannte Wachstumsfaktoren einzubetten, um die Heilung weiter zu beschleunigen.