Das menschliche Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das für die Steuerung und Koordination nahezu aller Körperfunktionen verantwortlich ist. Eine zentrale Rolle in diesem System spielen die Nervenzellen, auch Neuronen genannt. Sie sind die fundamentalen Bausteine des Nervensystems und ermöglichen die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau eines Neurons und die Funktionen seiner einzelnen Bestandteile.
Die Nervenzelle (Neuron): Baustein des Nervensystems
Neuronen sind hochspezialisierte Zellen, die auf die Signalübertragung spezialisiert sind. Schätzungen zufolge befinden sich im menschlichen Gehirn etwa 86 Milliarden Neuronen. Sie sind miteinander durch Synapsen verbunden, an denen Signale in Form von Botenstoffen übertragen werden. Unser Nervensystem besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die untereinander vernetzt sind und dadurch zu komplexen Rechenleistungen in der Lage sind. Die komplexen Funktionen des Nervensystems, wie Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Bewegungskoordination und viele andere kognitive und motorische Prozesse, werden durch Neuronen ermöglicht.
Wenn wir etwas berühren, sehen oder riechen, werden Reize erzeugt. Der Körper ist in der Lage, diese Reize, auch Erregungen genannt, erfahrbar zu machen. Jede Erregung wird zum menschlichen Gehirn geleitet, dort entschlüsselt und interpretiert. So sind wir in der Lage zu riechen, sehen, schmecken, hören und zu fühlen. Ganz entscheidend für diesen Vorgang sind die Nervenzellen, die man auch unter dem Begriff Neuronen kennt. Diese sind für die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung aller Reize und ihrer Informationen verantwortlich.
Aufbau eines Neurons: Vom Zellkörper bis zur Synapse
Ein Neuron besteht aus einem Zellkörper (Soma) und seinen Fortsätzen. Empfangende Fortsätze nennen sich Dendriten, sendende Axone. Das Neuron lässt sich in unterschiedliche Abschnitte gliedern.
1. Soma (Zellkörper): Das Stoffwechselzentrum
Der Zellkörper, auch Soma genannt, ist das runde beziehungsweise ovale Zentrum der Zelle und das Stoffwechselzentrum der Zelle. Er trägt neben den Zellorganellen - zum Beispiel die Mitochondrien - auch den Zellkern mit den Erbanlagen. Mitochondrien sind Organellen im Inneren einer Zelle, sie werden auch als „Kraftwerk“ der Zellen bezeichnet, da sie diese mit Energie versorgen. Sie haben eine eigene DNA, die nur über die Mutter vererbt wird. Vom Zellkörper gehen die Dendriten und das Axon (langer faserartiger Fortsatz von Nervenzellen) ab.
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2. Dendriten: Die "Antennen" des Neurons
Die Nervenzellen besitzen eine Antennenregion, die durch den Zellkörper und deren Fortsätze (Dendriten) gebildet wird. Dendriten sind kurze, verästelte Fortsätze, die vom Soma ausgehen. Sie dienen als Empfänger für Signale von anderen Neuronen oder sensorischen Rezeptoren. Die Dendriten sind die verästelten Ausläufer des Somas und Kontaktstelle zu Zellen oder anderen Neuronen. Bei ihnen kommt ein Reiz zuerst an. Ihnen kommt dann die Aufgabe zu, diese Erregungen an das Soma weiterzuleiten. Die Dendriten der Nervenzelle leiten den Reiz zum Zellkörper weiter.
3. Axonhügel: Entscheidungszentrum für die Weiterleitung
Der Bereich zwischen dem Soma und dem Axon wird als Axonhügel bezeichnet. Die Dendriten und das Soma werden an einer Stelle gebündelt und dort wird der Übergang zum Axon gebildet. Am diesem sogenannten Axonhügel werden die Erregungen, die die Dendriten aufgenommen haben, gesammelt und an das Axon weitergeleitet. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn die Reize gemeinsam ein bestimmtes elektrisches Potenzial überschreiten. Wenn jeder einzelne Reiz, der unseren Körper trifft, weitergeleitet und verarbeitet werden müsste, wäre das für den Organismus nicht machbar und wir wären nicht lebensfähig. Man spricht von einem Schwellenpotenzial, das erreicht werden muss, damit ein Reiz weitergeleitet wird. Die elektrischen Signale werden hier solange gesammelt und summiert, bis eine bestimmte Schwelle oder ein Schwellenpotential überschritten wird. Erst dann wird ein Signal an das Axon weitergeleitet. Diese Signale nennt man Aktionspotentiale. Das verhindert, dass unser Körper jedes kleinste Signal weiterleitet.
4. Axon (Neurit): Die "Datenleitung"
Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Das Axon schließlich ist ein langer Fortsatz, der vom Soma ausgeht und Signale von diesem weg transportiert. Es dient gewissermaßen als Übertragungskabel für elektrische Impulse, die vom Neuron erzeugt werden und kann sich über große Entfernungen erstrecken. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n). Das Axon ist der Bereich der Nervenzelle, der die Erregungen weitergibt. Dieses kann in unterschiedlichen Längen vorliegen, beim menschlichen Körper ist es teilweise bis zu einem Meter lang. Die Aufgabe des Axons ist die Weiterleitung der Aktionspotentiale zu Nerven- oder Muskelzellen.
5. Myelinscheide und Ranviersche Schnürringe: Für schnelle Signalübertragung
Damit die Weiterleitung der elektrischen Signale möglichst schnell und ohne Verluste funktioniert, ist das Axon sozusagen wie ein elektrisches Kabel isoliert. Dazu wird der Fortsatz durch Stütz- oder Hüllzellen umhüllt. (außerhalb von Gehirn und Rückenmark) nennst du sie auch Schwann’sche Zellen. Um die Axone. Das Axon ist meistens von einer Myelinscheide umgeben, die überwiegend aus Lipiden und Proteinen besteht. Sie bildet, ähnlich wie bei einem Stromkabel, eine Art Isolierschicht um das Axon und ermöglicht somit die Saltatorische Erregungsleitung. Dabei werden elektrische Signale in schnellen Sprüngen entlang des Axons weitergeleitet. Die Umhüllung ist immer wieder durch freiliegende Axonbereiche unterbrochen. Den nicht-umhüllten Bereich eines Axons nennst du Ranvierschen Schnürring. Die Erregungen werden an den unisolierten Stellen, also den Ranvierschen Schnürringen, sprunghaft weitergegeben (saltatorische Erregungsleitung) bis zum Endköpfchen (der Synapse). Da die Reizweitergabe nur an den unisolierten Stellen erfolgen muss, ergibt sich eine hohe Geschwindigkeit.
6. Synapse (Endknöpfchen): Die Signalübergabe
Am Ende der Nervenzelle befinden sich die Übergangsstellen zu weiteren Neuronen oder zu bestimmten Zielzellen. Diese Übergangsstellen nennt man Endknöpfchen oder auch Synapsen. Die synaptischen Endknöpfchen bilden das Ende eines Neurons. Das elektrische Signal wird hier auf die nächste Nervenzelle oder zum Beispiel auf eine Sinnes- oder Muskelzelle übertragen. Dazu wird das elektrische Signal meist in ein chemisches Signal umgewandelt. Die Verbindung am Ende einer Nervenzelle mit einer anderen Zelle nennst du Synapse. In den meisten Fällen sind das chemische Synapsen. Das Endknöpfchen setzt chemische Moleküle in den synaptischen Spalt - die Lücke zwischen den zwei Zellen - frei. Dort binden sie an Rezeptoren und geben die Erregung weiter. An den Synapsen werden die Erregungen in chemische Reaktionen übertragen, die es ermöglicht, diese Erregungen weiterzugeben.
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Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich - dem Endknöpfchen des Senderneurons - und einem postsynaptischen Bereich - dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren.
Die synaptische Übertragung: Ein komplexer Prozess
Die synaptische Übertragung ist ein hochkomplexer und schneller biologischer Vorgang. Zwischen dem Eintreffen des Impulses bis zur Spannungsänderung auf der anderen Seite des synaptischen Spalts vergeht nur etwa eine tausendstel Sekunde. Die präsynaptischen Nervenenden enthalten die als Neurotransmitter bezeichneten Signalmoleküle, die in kleinen membranumschlossenen Vesikeln gespeichert sind. Jedes Nervenende im zentralen Nervensystem enthält durchschnittlich mehrere 100 synaptische Vesikel. Dennoch gibt es hier große Unterschiede: So gibt es beispielsweise Spezialisten unter den Synapsen, die mehr als 100.000 Vesikel enthalten. Dazu zählen die Synapsen, die unsere Muskeln steuern.
Wenn ein elektrisches Signal im Nervenende eintrifft, werden Calcium-Kanäle in der Plasmamembran aktiviert, durch die Calcium-Ionen vom Außenraum in das Innere der Synapse strömen. Sie treffen auf eine molekulare Maschine, die sich zwischen der Membran der Vesikel und der Plasmamembran befindet und die durch die hereinströmenden Calcium-Ionen aktiviert wird. Diese Maschine bewirkt, dass die Membran der Vesikel, die sich in der Startposition befinden, mit der Plasmamembran verschmilzt.
Auf der anderen Seite des synaptischen Spaltes treffen die Botenstoffe auf Andockstellen in der Membran des Empfänger-Neurons, die die elektrischen Eigenschaften dieser Membran regulieren. Dadurch ändert sich der Membranwiderstand. Die Empfängerzelle kann die Spannungsänderung, die dadurch entsteht, in einem rasanten Tempo verarbeiten.
Die synaptischen Vesikel sind keineswegs nur eine Art membranumhüllte „Konservendose“ zur Speicherung der Botenstoffe. In ihrer Membran befindet sich eine ganze Reihe von Proteinen, die sich seit Millionen von Jahren durch die Evolution kaum verändert haben. Eine Gruppe dieser Proteine, die Neurotransmitter-Transporter, ist dafür verantwortlich, die Botenstoffe aus dem Zellplasma in die Vesikel hineinzupumpen und dort anzureichern. Dazu ist viel Energie erforderlich. Diese wird von einem weiteren Proteinmolekül bereitgestellt, einer Protonen-ATPase (V-ATPase), die unter Verbrauch von Adenosintriphosphat (ATP) Protonen in die Vesikel hineinpumpt. Neben diesen für das „Auftanken“ erforderlichen Proteinen enthalten die Membranen synaptischer Vesikel weitere Komponenten, die dafür sorgen, dass die Vesikel mit der Plasmamembran verschmelzen können (darunter das SNARE-Protein Synaptobrevin und den Calcium-Sensor Synaptotagmin) und nach der Membranfusion wieder in das Nervenende zurücktransportiert werden. Die synaptische Vesikel werden anschließend im Nervenende über einige Zwischenschritte wieder recycelt und neu mit Botenstoffen befüllt.
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Für die Fusion selber sind SNARE-Proteine verantwortlich - kleine Proteinmoleküle, die in der Plasmamembran wie in der Vesikelmembran sitzen. Kommen die Membranen nahe aneinander, lagern sich die dieser Proteine aneinander, wobei sie sich in Richtung der Membran wie Taue miteinander verdrillen. Bei dieser Zusammenlagerung wird Energie freigesetzt, die für das Verschmelzen der Membranen benutzt wird.
Klassifikation von Neuronen
Neuronen können anhand verschiedener Kriterien klassifiziert werden. Eine Möglichkeit ist die Einteilung nach ihrer Funktion:
- Sensorische Neuronen: Leiten Informationen von Sinnesrezeptoren zum Zentralnervensystem. Typisch für das periphere Nervensystem sind pseudounipolare Nervenzellen, die sensorische Signale von den Rezeptoren zum Zentralnervensystem weiterleiten.
- Motorische Neuronen: Steuern die Muskeln und Drüsen. Motorische Nervenzellen sind für die Steuerung von Bewegungen verantwortlich, sowohl im somatomotorischen Bereich als auch im vegetativen Bereich, wo sie viszeromotorisch wirken und den sympathischen oder parasympathischen Zweig des autonomen Nervensystems regulieren.
- Interneuronen: Verbinden andere Neuronen miteinander und ermöglichen komplexe Verarbeitungsprozesse. Der am häufigsten vorkommende Typ von Neuronen sind jedoch multipolare Nervenzellen. Diese sind für komplexe Verarbeitungsprozesse und motorische Steuerung verantwortlich.
Eine andere Möglichkeit ist die Klassifikation nach ihrer Morphologie:
- Unipolare Neuronen: Haben nur einen Fortsatz.
- Bipolare Neuronen: Haben zwei Fortsätze.
- Multipolare Neuronen: Haben viele Fortsätze (ein Axon und viele Dendriten). Apolare Nervenzellen hingegen weisen weder ein Axon noch Dendriten auf. Diese sind noch nicht entwickelt und haben daher noch keine Polarität.
Neuronale Plastizität: Die Anpassungsfähigkeit der Nervenzellen
Ein bemerkenswerter Aspekt der Neuronen ist ihre Plastizität. Diese bezeichnet die Fähigkeit der Neuronen, sich an Veränderungen anzupassen. Plastizität ermöglicht es den Neuronen, sich durch wiederholte Aktivierung und Lernprozesse zu verändern und Verbindungen zu verstärken / abzuschwächen oder neue Verbindungen auszubilden.
Bedeutung der Forschung für das Verständnis der Nervenzellen
Die Funktionsweise der synaptischen Vesikel auf molekularer Ebene zu verstehen, ist eine aufwendige Arbeit. Um zu verstehen, wie die Zusammenlagerung die Verschmelzung der Membranen bewirkt, wurden die SNARE-Proteine in künstliche Membranen eingebaut, an denen man die Fusion mit hochauflösenden Methoden, darunter der Kryo-Elektronenmikroskopie, untersuchen konnte. Dabei wurden erstmalig Zwischenstufen der Fusionsreaktion identifiziert. Fortschritte sind ebenfalls bei der Frage erzielt worden, wie die einströmenden Calcium-Ionen die Fusionsmaschine aktivieren.
Trotz großer Fortschritte sind die komplexen molekularen Prozesse immer noch nicht vollständig verstanden: Umso erstaunlicher ist es, wie reibungslos Nervenzellen miteinander kommunizieren, wie effektiv die Fusionsmaschinerie in der Synapse funktioniert, bei jeder unserer Bewegungen, in unserem Fühlen und Denken. Deshalb forschen Wissenschaftler auf der ganzen Welt weiterhin daran, diese Prozesse noch besser zu verstehen.