Fußball ist eine der beliebtesten Sportarten der Welt, aber wie viele andere Kontaktsportarten birgt er Risiken für die Gesundheit des Gehirns. Insbesondere Kopfbälle, bei denen Spieler den Ball absichtlich mit dem Kopf spielen, sind Gegenstand intensiver Forschung und Debatten. Studien deuten darauf hin, dass wiederholte Kopfbälle zu subtilen, aber potenziell schädlichen Veränderungen im Gehirn führen können. Dieser Artikel untersucht die aktuellen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Kopfbällen auf das Gehirn, die Risikogruppen und die Präventionsmaßnahmen, die ergriffen werden können.
Einführung
Fußball, Eishockey und American Football sind Sportarten, bei denen der Kopf oft besonders gefährdet ist. Kopfbälle im Fußball oder Zusammenstöße, wie sie im American Football vorkommen, können zu unbemerkten Hirnschäden führen. In den letzten Jahren haben mehrere Studien die Auswirkungen von Kopfbällen auf das Gehirn untersucht, insbesondere bei Amateur- und Profifußballern.
Studien zu den Auswirkungen von Kopfbällen
Mehrere Forschungsteams haben sich mit den Auswirkungen von Kopfbällen auf das Gehirn beschäftigt. Eine Studie im Journal "Neurology" untersuchte 352 Amateurfußballer mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren sowie 77 Athleten aus Sportarten ohne Kollisionen im Durchschnittsalter von 23 Jahren. Die Forscher führten Gehirnscans durch, um das Gewebe in der Mitte der weißen Substanz und an deren Grenze zur grauen Substanz, der sogenannten Großhirnrinde, zu untersuchen.
Ergebnisse der Studien
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass je mehr Kopfbälle die Probanden absolviert hatten, desto stärkere Störungen zeigte die Mikrostruktur des Gewebes, vor allem in den Tiefen der Hirnfalten. Die Anordnung der Nervenfasern veränderte sich dort ebenso wie die Bewegung der Wassermoleküle. Die Forscher zeigten somit nach eigenen Angaben erstmals am lebenden Menschen die Bedeutung von Stößen für die tiefen Regionen der Hirnfalten.
Ein zweites Team um Lipton entdeckte in einer ähnlich aufgebauten Studie, dass die eigentlich klare Grenze zwischen weißer und grauer Substanz im Hirn von Amateurfußballern mit der zunehmenden Zahl an Kopfbällen immer mehr verwischt. In diesem Fall war auch der Bereich über der Augenhöhle besonders betroffen. Eine geringere Schärfe der Trennlinie in diesem orbitofrontalen Bereich war mit schlechteren Leistungen in Gedächtnistests assoziiert.
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Ein drittes US-Team analysierte die Auswirkungen von wiederholten starken Stößen auf den Kopf, wie sie beim Boxen, American Football oder Zusammenprallen von zwei Fußballern vorkommen. Eine der auffälligsten Entdeckungen war ein im Schnitt 56-prozentiger Verlust spezieller Nervenzellen in Furchen der Großhirnrinde bei allen untersuchten Football-Spielern, egal ob sie bereits eine Enzephalopathie entwickelt hatten oder nicht. Diese Region ist bei Stößen auf den Kopf den größten mechanischen Kräften ausgesetzt. Zudem gehen die Forscher von einem sich verstärkenden Kreislauf innerhalb des Hirns aus.
Einschränkungen und Interpretationen
Es ist wichtig zu beachten, dass die Studien lediglich einen Zusammenhang zwischen Kopfbällen und Gehirnveränderungen aufzeigen, aber nicht beweisen, dass Kopfbälle diese Veränderungen verursachen. Eine zentrale offene Frage ist die Dauerhaftigkeit der beobachteten Veränderungen in der weißen Substanz.
Peter Berlit, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), betonte, dass die Vor- und Nachteile von sportlicher Betätigung und wiederholten Kopftraumata schwer gegeneinander aufzuwiegen sind und in jedem Fall individuell betrachtet werden müssen. Sport sei nachgewiesenermaßen vorteilhaft für die Hirngesundheit mit Vermeidung von Krankheiten wie Demenz und Schlaganfällen. Sportarten ohne Risiko für Kopftraumata seien dabei grundsätzlich die gesündere Alternative.
Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE)
Wiederholte Mikrotraumen, wie sie durch Akzelerations-/Dezelerations-Mechanismen in Kontaktsportarten entstehen, können zu einer chronisch-traumatischen Enzephalopathie (CTE) führen. CTE ist eine seltene fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns, die durch eine abnorme Anhäufung des Tau-Proteins im Gehirn gekennzeichnet ist. Die sogenannte Tauopathie ist auch bei Morbus Alzheimer und weiteren degenerativen Erkrankungen des Gehirns kennzeichnend.
Eine Studie an American-Football-Spielern zeigte einen erheblichen Verlust eines spezifischen Neuronentyps bei jungen Personen, der allein durch wiederholte Stöße auf den Kopf verursacht wird. Die Forscher betonen, dass die umschriebenen Hirnveränderungen die Initialzündung für das Entstehen einer CTE sein können und deshalb ernst genommen werden müssen.
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Risikogruppen
Es gibt Hinweise darauf, dass das sich entwickelnde Gehirn von Kindern anfälliger für Schäden in Folge von Schädel-Hirn-Traumata ist. Daher sind Kinder und Jugendliche, die regelmäßig Kopfbälle ausführen, möglicherweise stärker gefährdet. Auch Profifußballer, die im Laufe ihrer Karriere bis zu 1500 Kopfbälle pro Jahr absolvieren, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Feldspieler, insbesondere Verteidiger, scheinen gefährdeter zu sein als Torleute.
Präventionsmaßnahmen und Empfehlungen
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bereits auf mögliche Hirnschäden bei Kindern reagiert und empfiehlt unter anderem einen reglementierten Trainingsplan und leichtere Bälle für das Kopfballtraining sowie bei älteren Jugendlichen einen geringeren Balldruck. Aus neurologischer Sicht wären etwaige Einschränkungen auch bei erwachsenen Laien wünschenswert.
Es gibt verschiedene Techniken, die angewendet werden können, um Kopfbälle sicherer zu machen:
- Im Jugendsport können kleine und leichtere Bälle eingesetzt werden.
- Flanken können aus kürzerer Distanz und weniger scharf geschossen werden.
- Kopfbälle sollten nur sehr dosiert trainiert werden, also nicht zu viele auf einmal und mit ausreichenden Pausen dazwischen.
Einige Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um das Risiko von Kopfverletzungen im Fußball zu minimieren. In den USA gilt seit 2015 ein Kopfballverbot für junge Fußballerinnen und Fußballer bis zum Alter von zehn Jahren. In England und Schottland ist Kopfballtraining vor dem zwölften Lebensjahr untersagt. In Schottland gibt es auch Einschränkungen für Profis: Am Tag vor und nach einer Partie dürfen sie im Training keine Kopfbälle spielen.
Aktuelle Studien und Entwicklungen
Eine aktuelle Studie eines großen australischen Forscherteams hat nachgewiesen, dass Kopfbälle akute Veränderungen an der Chemie, Struktur und Funktion des Gehirns hervorrufen können, obwohl die Betroffenen das gar nicht oder kaum spüren. Die Studie umfasste 15 erfahrene, männliche Fußballer, die innerhalb von 20 Minuten 20 Kopfstöße an einer speziell für dieses Training konstruierten Kopfballmaschine absolvierten. Die Forscher fanden heraus, dass sich Chemie und Stoffwechsel im Hirn, die Zellstruktur und auch Funktionen veränderten.
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Eine schwedische Studie mit männlichen Profifußballern ergab, dass sie ein rund anderthalb mal so hohes Risiko für Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen haben wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Als Ursache seien Kopfbälle anzunehmen, schreiben die Forschenden im Fachmagazin Lancet Public Health.
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