Die erstaunliche Anzahl der Nervenzellen im menschlichen Gehirn

Das menschliche Gehirn, ein Wunderwerk der Natur, ist das komplexeste Organ, das wir kennen. Es steuert nicht nur lebenswichtige Körperfunktionen, sondern ist auch die Grundlage für unser Denken, Fühlen, unsere Intelligenz und unser Gedächtnis. Ein zentrales Element dieses komplexen Organs sind die Nervenzellen, auch Neuronen genannt. Doch wie viele Nervenzellen hat der Mensch tatsächlich im Gehirn? Diese Frage ist Gegenstand intensiver Forschung und hat in den letzten Jahren zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt.

Die Herausforderung der Zählung

Die genaue Anzahl der Nervenzellen im menschlichen Gehirn zu bestimmen, ist eine enorme Herausforderung. Im Gegensatz zu Computern, die von Menschen mit einem klaren Plan entworfen und gebaut werden, wachsen Gehirne organisch. Ihre Struktur ist unglaublich komplex, und die Informationen werden nicht auf dieselbe Weise gespeichert wie in einem digitalen Gerät.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Computer binär funktionieren - Strom fließt oder fließt nicht. Im Gehirn ist die Aktivität der Nervenzellen jedoch abgestuft. Sie können in unterschiedlichen Intensitäten feuern, was die Messung und Interpretation der Daten zusätzlich erschwert. Hinzu kommt, dass nicht jede Aktivität im Gehirn mit der Speicherung von Informationen verbunden ist. Ein Großteil dient der Filterung und Verarbeitung von Reizen.

Aktuelle Schätzungen und Forschungsergebnisse

Lange Zeit ging man von der Annahme aus, dass das menschliche Gehirn etwa 100 Milliarden Nervenzellen enthält. Diese Zahl findet sich noch immer in vielen Fachartikeln und Publikationen. Neuere Forschungen haben jedoch zu einer genaueren Schätzung geführt.

Die brasilianische Neurowissenschaftlerin Suzana Herculano-Houzel und ihr Team entwickelten eine neue Methode, um die Anzahl der Nervenzellen im Gehirn genauer zu bestimmen. Sie homogenisierten Gehirne von männlichen Leichen, wodurch sämtliche Hirnstrukturen gleichmäßig miteinander verquirlt wurden. Dies ermöglichte es ihnen, repräsentative Proben zu entnehmen und die Zellzahlen auf das gesamte Hirnvolumen hochzurechnen.

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Ihre Ergebnisse, die 2009 veröffentlicht wurden, ergaben eine Zahl von etwa 86 Milliarden Nervenzellen. Diese Zahl gilt heute als die beste Näherung. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich immer noch um eine Schätzung handelt, da die Zelldichte innerhalb der verschiedenen Hirnareale variiert.

Die Bedeutung der Vernetzung

Die reine Anzahl der Nervenzellen ist jedoch nicht der alleinige Faktor, der die Leistungsfähigkeit des Gehirns bestimmt. Vielmehr ist entscheidend, wie gut die einzelnen Nervenzellen und Gehirnbereiche miteinander vernetzt sind.

Jede Nervenzelle steht im Schnitt mit 1.000 bis 10.000 anderen Nervenzellen in Verbindung. Diese Verbindungen, die sogenannten Synapsen, sind die Orte, an denen Informationen ausgetauscht werden. Durch wiederholten Informationsaustausch können sich die Verknüpfungen verstärken, was die Grundlage für Lernen und Gedächtnis bildet.

Die Hauptverbindungen im Gehirn entwickeln sich bereits vor der Geburt. Aus der Gehirnforschung weiß man aber, dass sich neue Kontakte zwischen Nervenzellen über das gesamte Leben ausbilden können. Auch alte Verknüpfungen können sich verändern. Diese Plastizität ermöglicht es dem Gehirn, sich an neue Situationen anzupassen und zu lernen.

Die Rolle der Gehirnregionen

Das Gehirn ist in verschiedene Regionen unterteilt, die jeweils auf bestimmte Aufgaben spezialisiert sind. Dazu gehören:

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  • Der Hirnstamm: Er verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark und steuert lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung und Blutdruck.
  • Das Zwischenhirn: Es ist für überlebenswichtige Empfindungen und Instinkte wie Hunger, Durst und Schlaf verantwortlich.
  • Das Kleinhirn: Es ist wichtig für das Gleichgewicht und die Koordination von Bewegungen.
  • Das Großhirn: Es ermöglicht höhere Hirnfunktionen wie Motivation, Lernen, Denken und Verstehen.

Die Großhirnrinde, die äußere Schicht des Großhirns, enthält fast drei Viertel aller Nervenzellen des Gehirns. Hier werden Sinneseindrücke verarbeitet, Informationen gespeichert und zielgerichtetes Handeln ermöglicht. Die Großhirnrinde ist in verschiedene Lappen unterteilt, die jeweils spezifische Aufgaben haben.

Die Plastizität des Gehirns

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften des Gehirns ist seine Plastizität. Das bedeutet, dass sich das Gehirn im Laufe des Lebens verändern und anpassen kann. Neue Nervenzellen können gebildet, Verbindungen zwischen Nervenzellen verstärkt oder geschwächt und sogar ganze Hirnregionen umstrukturiert werden.

Diese Plastizität ermöglicht es uns, neue Fähigkeiten zu erlernen, uns an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und uns von Verletzungen des Gehirns zu erholen. Studien haben beispielsweise gezeigt, dass sich der Hippocampus, eine für das Ortsgedächtnis zentrale Region im Gehirn, bei Londoner Taxifahrern im Laufe der Jahre vergrößert. Dies deutet darauf hin, dass ein trainiertes Orientierungsvermögen mehr Raum im Gehirn benötigt.

Neue Erkenntnisse durch Zellatlanten

Dank riesiger Forschungsprojekte können Wissenschaftler heute mehr als 3000 Zelltypen im Gehirn unterscheiden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es, die Funktionen der verschiedenen Zelltypen besser zu verstehen und neue Therapien für neurologische Erkrankungen zu entwickeln.

Mehrere Forscherteams haben zusammen den bislang umfangreichsten Zellatlas des menschlichen Gehirns erstellt. Sie untersuchten etwa, wie Nervenzellen im Gehirn in ihren Funktionen voneinander abweichen. Die Wissenschaftler klärten mit einer neuen Methode auf, welche RNA-Abfolgen in den einzelnen Hirnzellen vorhanden waren. RNA (Ribonukleinsäure) dient unter anderem als Überträger der Information aus dem Erbgut, um Proteine herzustellen. Je nach den Aufgaben von Zellen unterscheiden sich die RNA-Sequenzen in ihnen, woraus die Forscher 3313 verschiedene Typen von Zellen ableiten konnten.

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Aus diesen Studien ist ein Hirnzellenatlas entstanden, der einzelne Hirnzelltypen charakterisiert und sie einzelnen Gehirnregionen zuordnet. Der Atlas ist für alle Wissenschaftler frei zugänglich und ermöglicht es, die Entwicklung, das Altern und die Beeinträchtigung des Gehirns durch Krankheiten besser zu verstehen.

Die Zukunft der Hirnforschung

Die Erforschung des menschlichen Gehirns ist ein fortlaufender Prozess. Neue Technologien und Forschungsmethoden ermöglichen es uns, immer tiefer in die Geheimnisse dieses komplexen Organs einzutauchen.

Zukünftige Forschungsarbeiten werden sich darauf konzentrieren, die Funktionen der verschiedenen Zelltypen im Gehirn besser zu verstehen, die Verbindungen zwischen den Gehirnregionen zu kartieren und neue Therapien für neurologische Erkrankungen zu entwickeln. Ein besseres Verständnis des Gehirns wird uns helfen, Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Schizophrenie zu bekämpfen und die kognitiven Fähigkeiten des Menschen zu verbessern.

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