Bis heute stellt die Alzheimer-Demenz eine enorme Herausforderung dar, da es keine wirksame Therapie gibt. Viele Experten sind der Ansicht, dass dies vor allem daran liegt, dass die Krankheit erst in einem späten Stadium diagnostiziert wird, wenn bereits irreversible Gehirnschädigungen vorliegen und Symptome wie Vergesslichkeit auftreten.
Die Bedeutung der Früherkennung
Die Demenzforschung arbeitet weltweit daran, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen. Ein wichtiges Ziel ist es, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen, da die Entwicklung neuartiger Therapieansätze von einem frühzeitigen Bluttest enorm profitieren wird. Ein weiteres Forschungsfeld ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen. Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung, zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen. Die Forschung arbeitet daran, auch diese Diagnosen frühzeitig und eindeutig zu ermöglichen.
Ein einfacher und kostengünstiger Bluttest könnte die Erkrankung bereits in einem noch symptomlosen Stadium aufspüren und Personen identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, Alzheimer zu entwickeln. Medikamente, die derzeit in klinischen Studien erprobt werden, könnten das Fortschreiten der Krankheit möglicherweise aufhalten, wenn sie in diesem frühen Stadium angewandt würden.
Neue Bluttests zur Früherkennung von Alzheimer
Verschiedene Forschungsteams haben Bluttests entwickelt, mit denen Alzheimer zuverlässig erkannt werden kann. Die beiden Bluttests „Precivity AD-Bloodtest“ sowie "Elecsy pTau181-Test" haben eine EU-Zulassung und werden nun für den Einsatz in der Praxis vorbereitet. Dank der Fortschritte in der Forschung ist es mittlerweile möglich, die Alzheimer-Krankheit auch per Bluttest zu erkennen. Allerdings können Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen.
Der Precivity AD-Bloodtest
Der US-amerikanische Precivity AD-Bloodtest misst beispielsweise das Verhältnis zweier unterschiedlicher Beta-Amyloid-Peptide namens Beta-Amyloid-40 und Beta-Amyloid-42 im Blut. Das Peptid Beta-Amyloid-42 kommt häufiger in den Plaques und Zusammenlagerungen vor, wodurch sich das lösliche Verhältnis der beiden Peptide bei Menschen mit Alzheimer-Demenz verändert. Dieser Test richtet sich laut Hersteller an Menschen über 55 Jahren mit Anzeichen für eine leichte kognitive Einschränkung.
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Der Elecsys pTau181-Test
Der Elecsys pTau181-Test der Firma Roche in Zusammenarbeit mit Eli Lilly misst ein chemisch verändertes Tau-Protein, das sogenannte pTau181. Es gilt als Indikator für die Alzheimer-Erkrankung. Mit Hilfe des Tests kann laut Hersteller früh und einfach der Grund für die kognitiven Defizite bestimmt werden. Erhärtet sich der Verdacht durch den Test, werden weitergehende Untersuchungen durch Spezialist*innen durchgeführt. Fällt der Test negativ aus, muss nach anderen Ursachen als Alzheimer für die kognitive Einbuße gesucht werden. Der Test könnte in der Zukunft flächendeckend zum Einsatz kommen.
Immuno-Infrarot-Sensor zur Messung der Beta-Amyloid-Fehlfaltung
Einen Nachweis weit vor dem Auftreten der ersten Symptome liefert der Bluttest, den Prof. Dr. Gerwert und sein Team der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit dem Forscher Prof. Dr. Scheltens von der Universität Amsterdam entwickelt haben. Der Test misst mit Hilfe des Immuno-Infrarot-Sensor die für Alzheimer charakteristische Fehlfaltung des Peptids Beta-Amyloid, die der Bildung von Plaques vorausgeht und bereits vor dem Auftreten von Symptomen messbar ist.
Lumipulse G pTau217/β-Amyloid 1-42 Plasma Ratio
Mit dem Lumipulse G pTau217/β-Amyloid 1-42 Plasma Ratio hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) erstmals einen Bluttest zur Unterstützung der Alzheimer-Diagnostik zugelassen. Der Test dient der Detektion von Amyloid-Plaques im Gehirn bei Erwachsenen ab 55 Jahren mit kognitiven Symptomen. Der Test bestimmt das Verhältnis zweier Proteine im Blutplasma: phosphoryliertes Tau-Protein (pTau217) und β-Amyloid 1-42. Ein verändertes Verhältnis weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Amyloid-Ablagerungen im Gehirn hin - ein zentrales pathologisches Merkmal der Alzheimer-Erkrankung.
Im Vergleich mit Amyloid-PET und CSF-Tests erreichte der Bluttest eine Sensitivität von 91,7 % und eine Spezifität von 97,3 %. Etwa 20 % der Ergebnisse waren unklar oder nicht eindeutig interpretierbar. Der Test ist nicht für das Screening vorgesehen und darf nur im Rahmen einer differenzialdiagnostischen Abklärung bei begründetem Verdacht verwendet werden. Ergebnisse sollten stets in Kombination mit klinischen Befunden interpretiert werden.
Beta-Synuclein als Biomarker für frühe Nervenschäden
Menschen mit einer erblichen Veranlagung für Alzheimer haben bereits etwa 11 Jahre vor dem erwarteten Ausbruch von Demenzsymptomen auffällige Blutwerte, die auf beschädigte Nervenzellkontakte hinweisen. Maßstab ist die Konzentration des Proteins „Beta-Synuclein“. Die Konzentration dieses Proteins im Blut spiegelt Nervenschäden wider und lässt sich relativ einfach bestimmen. Die Schädigung der Synapsen setzt sehr früh ein, bevor kognitive Beeinträchtigungen auftreten. Somit ist Beta-Synuclein ein Marker, der präsymptomatisch anschlägt.
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Neurofilament-Leichtkette als Marker für Neurodegeneration
Jahre bevor erste Symptome einer Alzheimer-Erkrankung auftreten, verändert sich das Gehirn und Nervenzellen werden langsam abgebaut. Wissenschaftler zeigen nun, dass sich anhand eines im Blut vorkommenden Eiweißstoffes der Krankheitsverlauf lange vor dem Auftreten der ersten klinischen Anzeichen genau verfolgen lässt. Dieser Bluttest bietet neue Möglichkeiten in der Therapieforschung. Der Bluttest misst nicht das Amyloid, sondern das, was es im Gehirn anrichtet, nämlich Neurodegeneration. Wenn Hirnzellen absterben, lassen sich ihre Überreste im Blut nachweisen. Eine Ausnahme bildet jedoch ein kleines Stückchen eines sogenannten Neurofilaments, das gegen diesen Abbau erstaunlich resistent ist. Auf diesem Eiweißstoff basiert der Bluttest. Bis zu 16 Jahre vor dem errechneten Eintreten von Demenzsymptome gab es im Blut auffällige Veränderungen. Es ist nicht der absolute Wert der Filament-Konzentration, sondern deren zeitliche Entwicklung, die wirklich aussagekräftig ist und Vorhersagen über den weiteren Krankheitsverlauf erlaubt.
GFAP als potenzieller Biomarker für die Alzheimer-Risikoprognose
Auch das saure Gliafaserprotein (Glial fibrillary acidic protein GFAP) kann als Indikator für Demenz-assoziierte Veränderungen herangezogen werden. Erhöhte Werte im Blut zeigen eine Aktivierung der Astrozyten an und wurden bisher als Nachweis für Hirntumore genutzt. Neuere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Spiegel auch aufgrund von Aβ-Ablagerungen ansteigen können. Dr. Hannah Stocker identifizierte zusammen mit anderen Forschenden GFAP als potenziellen Biomarker für die Alzheimer-Risikoprognose. Sie stammen von Frauen und Männern, die zum damaligen Zeitpunkt zwischen 50 und 74 Jahre alt waren, und von denen ein Drittel im Verlauf der folgenden 17 Jahre eine Alzheimer-Diagnose erhielt. „Wir haben gesehen, dass die GFAP-Werte der später Erkrankten erhöht waren, auch wenn die Diagnose teilweise erst 14 bis 17 Jahre später gestellt wurde“, erläutert die Epidemiologin.
MicroRNAs im Blut als Diagnosemöglichkeit
Eine Alzheimer-Demenz und auch ihre Vorstufe lassen sich durch Messung sogenannter MicroRNAs im Blut erkennen. Die aktuellen Ergebnisse könnten den Weg für bessere Früherkennung bereiten. Die Diagnose erfolgt in der Regel auf der Grundlage neuropsychologischer Tests, die das Gedächtnis und andere geistige Fähigkeiten auf die Probe stellen und bei Auffälligkeiten idealerweise durch Untersuchungen des Gehirns und der Rückenmarksflüssigkeit ergänzt werden. Die aktuellen Befunde zeigen nun das Potenzial für einen neuartigen Bluttest.
MicroRNAs sind Moleküle mit regulierender Wirkung: Sie beeinflussen die Herstellung von Proteinen und damit zentrale Abläufe des Stoffwechsels. Aus dem Gesamtmuster ihrer Konzentrationen haben wir mit Hilfe von Machine Learning, also künstlicher Intelligenz, eine Art molekularen Fingerabdruck erstellt. Anhand dieser Signatur konnten wir Menschen mit Alzheimer-Demenz und auch solche mit hohem Demenzrisiko identifizieren.
Einschränkungen und Herausforderungen
Bluttests zur Alzheimer-Diagnostik werden ergänzend zu etablierten Verfahren wie der Liquoruntersuchung oder bildgebenden Verfahren eingesetzt. Sie dürfen jedoch nur von ausgewiesenen Expertinnen und Experten der Biomarker-Diagnostik durchgeführt werden. Aktuell gibt es in Deutschland keinen allgemein verfügbaren Bluttest zur Alzheimer-Diagnose. Die hier beschriebenen Verfahren befinden sich noch in der Forschung oder werden nur in spezialisierten Zentren eingesetzt.
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Zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit sind sogenannte p-Tau-Proteine im Blut nicht so krankheitsspezifisch wie bisher angenommen: Auch bei Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) sind die Biomarker im Blut erhöht. Für ein effektives Alzheimer-Screening der Allgemeinbevölkerung müssen demnach erst genauere Tests entwickelt und validiert werden.
Die Rolle der Bluttests in der Zukunft
Bluttests, vor allem mit prognostischer Qualität, können eine wichtige Rolle bei der Erforschung neuer Wirkstoffe in klinischen Studien spielen. Zum einen könnten so leichter Probandinnen und Probanden im symptomfreien Stadium gefunden werden. Es befinden sich auch Bluttests in der Entwicklung, die den Erkrankungsbeginn bei symptomfreien Menschen mit Alzheimer über mehr als zehn Jahre vorhersagen können.
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