Anästhesie bei Parkinson: Risiken und perioperative Vorgehensweise

Morbus Parkinson, auch bekannt als Schüttellähmung, betrifft in Deutschland etwa 400.000 Menschen. Diese neurodegenerative Erkrankung, bei der Dopamin-produzierende Hirnzellen absterben, führt zu Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit und Schluckbeschwerden. Etwa zwei Prozent der Bundesbürger über 65 Jahren und bis zu fünf Prozent der über 80-Jährigen sind betroffen. Bei Parkinson-Patienten, die sich einer Operation unterziehen müssen, sind besondere Vorkehrungen bei der Anästhesie zu treffen, um Komplikationen zu vermeiden.

Herausforderungen bei der Anästhesie von Parkinson-Patienten

Die Anästhesie bei Parkinson-Patienten stellt eine besondere Herausforderung dar. Einerseits dürfen die Narkosemittel die Parkinson-Symptomatik nicht verstärken, andererseits sollen sie die Wirkung der Parkinson-Medikamente nicht beeinflussen. Hochpotente Opioide, die zur Schmerzausschaltung während der Operation eingesetzt werden, können beispielsweise die Muskulatur zusätzlich versteifen. Zudem kann die Wirkung der Parkinson-Medikamente während der Narkose nachlassen, insbesondere wenn diese in kurzen Abständen eingenommen werden.

Mögliche Komplikationen

Bei der Narkose von Parkinson-Patienten können verschiedene Komplikationen auftreten:

  • Vermehrte Speichelbildung und Schluckprobleme: Diese können in Einzelfällen zu lebensbedrohlicher Atemnot führen.
  • Postoperatives Delir: Ein Verwirrtheitszustand, der sich in Ängstlichkeit, Aggressivität, Apathie oder Halluzinationen äußern kann.
  • Postoperative kognitive Dysfunktion (POCD): Eine seltener auftretende, aber meist dauerhafte kognitive Beeinträchtigung.
  • Akinetische Krise: Eine deutliche Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik mit Zunahme der Muskelsteifheit, die zu Schluck- und Atemstörungen führen kann.
  • Malignes neuroleptisches Syndrom: Eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation, die durch Dopamin-Antagonisten ausgelöst werden kann.

Es besteht die Gefahr eines sogenannten Durchgangssyndroms. Dies kann vor allem durch eine unterbrochene Tabletteneinnahme, durch eine ungenügende Darmfunktion während und nach einer Operation, oder durch eine schlechte Kreislaufsituation mit niedrigen Blutdruckwerten bedingt sein. Im ungünstigsten Fall ist der Patient nach der Operation bei vollem Bewusstsein, jedoch nicht in der Lage seine Umgebung adäquat wahrzunehmen. Er erkennt unter Umständen sogar seine Angehörigen und Freunde nicht. Nach einer eventuell auch längeren Erholungszeit tritt dann meist ein normaler Wahrnehmungszustand wieder ein. Jedoch in einigen Fällen mit veränderten Emotionen oder sogar veränderter Persönlichkeit.

Medikamenteninteraktionen

Ein weiteres Risiko stellen mögliche Wechselwirkungen zwischen den Parkinson-Medikamenten und den Narkosemitteln dar. Insbesondere bei einer Fortführung der Medikation besteht ein erhöhtes Risiko für Interaktionen, deren Ausmaß und Auswirkungen für viele Substanzen bisher nicht vollständig geklärt sind.

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Bestimmte Medikamente, insbesondere hochpotente und schlafanstoßende Neuroleptika, aber auch z.B. das Magen-Darm-Mittel Metoclopramid, können Parkinson-Symptome verschlimmern und sollten vermieden werden. Alle Dopamin-Antagonisten, die u. a. von PONV eingesetzt werden (Haloperidol, Metoclopramid), sind kontraindiziert.

Bei Patienten mit Morbus Parkinson und einer Therapie mit L-Dopa besteht eine besondere Empfindlichkeit des Herzmuskels gegenüber Adrenalin. Aus diesem Grund sollte auf Mittel mit einem Adrenalin-Zusatz verzichtet werden. Viele Patienten werden zudem mit einem COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon, Opicapon) behandelt. Diese führen zu einer vorübergehenden Blockade der Catechol-O-Methyltransferase, welche verschiedene Botenstoffe im Körper abbaut, u.a. auch Dopamin. Da Adrenalin ebenfalls über dieses Enzym abgebaut wird, kann die Adrenalinkonzentration im Blut steigen.

Perioperative Vorgehensweise

Um Komplikationen zu vermeiden, ist eine sorgfältige perioperative Vorgehensweise erforderlich. Diese umfasst die präoperative Planung, die intraoperative Überwachung und die postoperative Betreuung.

Präoperative Planung

Vor jeder Operation findet eine Aufklärungsgespräch mit dem Narkosearzt (Anästhesist) statt, in dem Patienten ihre Fragen vorbringen können. Sehr hilfreich für den Anästhesisten wäre eine schriftliche Übersicht über alle wesentlichen Vorerkrankungen und die aktuelle Medikation. Eine solche Übersicht bei Patienten mit Morbus Parkinson wäre ohnehin zu empfehlen, auch für jeden anderen Erstkontakt mit einem Arzt. Der Narkosearzt klärt sie über Risiken der Operation und mögliche Komplikationen auf.

Generell empfiehlt Rundshagen Anästhesisten, ihr Vorgehen mit einem Neurologen abzustimmen. Experten diskutieren neuste Erkenntnisse zu diesem Thema auf dem Hauptstadtkongress der DGAI vom 16. bis 18.

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  • Detaillierte Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich aller Vorerkrankungen, Medikamente und Allergien.
  • Neurologische Konsultation: Abstimmung des Vorgehens mit einem Neurologen, um die Parkinson-Medikation optimal anzupassen.
  • Medikamentenmanagement: Klärung, welche Parkinson-Medikamente vor der Operation abgesetzt oder angepasst werden müssen. Wenn die Operation nicht notfallmäßig erfolgt, sondern geplant werden kann, sollten MAO-B-Hemmer (Rasagilin, Selegilin) 14 Tage vor der Operation abgesetzt werden. Die Halbwertszeit von L-Dopa ist kurz und eine Unterbrechung der L-Dopa-Therapie über 6 - 12 Stunden kann zu einer deutlichen Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik mit Zunahme der Muskelsteifheit bis hin zur Parkinson-Krise (akinetische Krise) mit lebensbedrohlichen Symptomen wie Schluck- und Atemstörungen führen. Daher sollten die Parkinson-Medikamente bis zum Morgen der Operation und unmittelbar postoperativ kontinuierlich eingenommen werden. Die letzte Einnahme der Parkinson-Medikamente erfolgt aus diesem Grund mit wenig Wasser am Morgen vor der OP.
  • Risikoabschätzung: Beurteilung des individuellen Risikoprofils des Patienten, um die Anästhesie entsprechend anzupassen.

Intraoperative Maßnahmen

Während der Operation sind folgende Maßnahmen wichtig:

  • Kontinuierliche Überwachung: Überwachung der Vitalfunktionen, wie Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung.
  • Anpassung der Anästhesie: Auswahl geeigneter Anästhetika und Dosierung unter Berücksichtigung der Parkinson-Medikation.
  • Vermeidung von Komplikationen: Proaktive Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen wie Muskelsteifheit, Atemproblemen und Blutdruckabfall.
  • Fortführung der Parkinson-Medikation: Sicherstellung einer kontinuierlichen Zufuhr der Parkinson-Medikamente, entweder oral oder parenteral. Die Medikamente sollten möglichst während des gesamten Eingriffs wirken, um Komplikationen wie etwa eine Brustkorbstarre mit Luftnot zu vermeiden. Der Parkinson-Patient sollte möglichst zügig (als erster) operiert werden.

Postoperative Betreuung

Nach der Operation ist eine engmaschige Überwachung und Betreuung erforderlich:

  • Schmerzmanagement: Eine adäquate Schmerztherapie ist wichtig, um das Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten und Komplikationen zu vermeiden. Intra- und postoperativ gehört die Gabe von Opioiden zur Schmerzlinderung zum Narkosestandard. Eine Interaktion zwischen einem solchen Opioid (z.B. Amantadinsulfat intravenös (z.B. PK-Merz Infusionslösung 200 mg i.v. Apomorphin subkutan über einen Pen (z.B. 3 mg s.c.
  • Frühzeitige Mobilisierung: Förderung der frühzeitigen Mobilisierung, um Komplikationen wie Lungenentzündung und Thrombose vorzubeugen. Die sogenannte postoperative Erholungsphase (Rekonvaleszenz) nach einer Operation dauert bei Parkinson-Patienten meist etwas länger. Dies sollte zunächst nicht beunruhigen und zu täglichen Bewegungs- und Atemübungen in Eigenregie anregen.
  • Kontinuierliche Parkinson-Medikation: Fortsetzung der Parkinson-Medikation gemäß dem präoperativen Plan. Nach der Operation/Narkose sollte besonders streng auf die Einhaltung der Einnahmeintervalle (z.B. aller 3 Stunden) geachtet werden.
  • Behandlung von Komplikationen: Schnelle Intervention bei auftretenden Komplikationen wie Delir, POCD oder akinetischer Krise.

Ist es der Familie möglich, hat es sich als ausgesprochen hilfreich erwiesen, den Patienten zumindest in den ersten drei postoperativen Tagen in der Klinik über den Tag zu begleiten, um insbesondere die regelmäßige Einnahme der Medikation und eine ausreichende Trinkmenge sicherzustellen.

Um das zu vermeiden, achtet das Team im Krankenhaus darauf, dass Hubert K. nach dem Eingriff begleitet wird, dass seine Schmerztherapie wirkt, dass er seine Brille wieder aufsetzt, um sich zu orientieren, und bald etwas isst. „Es ist wichtig, dass seine Medikamente keine Wechselwirkungen haben.

Apomorphin-Therapie bei Parkinson-Patienten

Einige Parkinson-Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit Wirkungsfluktuationen und damit verbundenen langen Off-Phasen, welche sich mit einer oralen oder transdermalen Medikation nur unzureichend kontrollieren lassen, werden zusätzlich mit Apomorphin behandelt. Apomorphin wird parenteral verabreicht, also unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes, da dieser bei Parkinson-Patienten sehr verzögert arbeitet.

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Die perioperative medikamentöse Therapie mit oralen Parkinson-Medikamenten sollte nach einer individuellen Einschätzung des Risikoprofils des Patienten und unter Berücksichtigung der Empfehlungen zu den einzelnen Substanzen in den Hinweisen zur Anästhesie bei M. Par-kinson (siehe dort) erfolgen. Idealerweise kann Apomorphin Narkose-begleitend (intraoperativ) verabreicht werden, da es über eine dünne Nadel subkutan (unter die Haut) verabreicht wird. Aufgrund seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme (als Tablette geschluckt), eignet es sich nur für eine diese Art der Verabreichung (parenteral) [1]. Es kann entweder als subkutane Bolusinjektion über einen Pen-Injektor oder als Dauerinfusion über ein Pumpensystem verabreicht werden [2]. Durch die Vielfalt der möglichen operativen Eingriffe und die unterschiedlichen Faktoren, die das Anwenden von Apomorphin über einen Pen oder eine Pumpe beeinflussen, ist jedoch eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. So ist die Lokalisation der Operation eine Einflussgröße. Handelt es sich um eine Katarakt-Operation (grauer Star), kann die Apomorphin-Therapie wie bisher unverändert weitergeführt werden. Liegt die Operation dagegen im Infusionsgebiet der Nadel (Pumpensystem), muss diese entweder versetzt werden oder es erfolgt intraoperativ ersatzweise eine subkutane Injektionsbehandlung mit Apomorphin über den Pen.

Die Wirkung von Apomorphin auf die Beweglichkeit ähnelt sehr der von L-DOPA, im Unter-schied dazu ist sie jedoch unabhängig von der Magenfunktion, sie tritt sie wesentlich schneller ein (nach ca. 2 - 16 Minuten), hält jedoch nur 45 bis 60 Minuten an [4]. Die Halbwertszeit von Apomorphin beträgt 45 Minuten, und das Minimum, die empfohlene kürzeste Zeit zwischen den Injektionen beträgt 60 Minuten. Wird während der Operation auf die orale Parkinson-Medikation verzichtet, kann die nötige Apomorphindosis wie folgte berechnet werden: die Levodopa-Äquivalenzdosis soll durch 240 geteilt werden, um die mg-Dosierung von Apomor-phin/h zu erhalten [5]. Idealerweise wird dafür ein Neurologe hinzugezogen, da die nötige Apomorphin-Dosis hohe interindividuelle Unterschiede aufweist. Meist wird man mit 20 - 40 mg/Tag ausreichend hoch dosieren, maximal 10 mg pro Bolus [5]. Auch eine Neuanlage einer bisher nicht genutzten Pumpe als vorübergehender Ersatz der oralen Medikation ist möglich. Diese sollte bereits 1 - 2 Tage präoperativ angelegt werden. Die Flussrate richtet sich nach der zu ersetzenden dopaminergen oralen Medikation und liegt zwischen 0,1 - 15,0 mg/Stunde, mögliche Bolusgaben sind von 0,1 - 10,0 mg möglich. Beispiel: Flussrate 1 - 4 mg/h, Bolus 3 mg.

Kontraindikationen bei Apomorphin

Verboten ist die gemeinsame Gabe mit Dopamin-Gegenspielern (Antagonisten), wie z. B. Me-toclopramid (MCP) oder Phenothiazine, z.B. Prochloperazin. Auch die Kombination mit dem Serotonin-Rezeptor-Antagonisten Ondansetron ist kontraindiziert, weil es aufgrund von Wechselwirkungen zu starkem Blutdruckabfall und Bewusstseinsverlust kommen kann [7]. Allerdings verbieten sich diese Medikamente ohnehin bereits aufgrund der Grunderkrankung M. Parkinson. Gegen periphere dopaminerge Nebenwirkungen oder postoperative Übelkeit bei Gastropare-se kann Domperidon unter EKG-Überwachung (QT-Zeit) zum Einsatz kommen (10 - 20 mg dreimal täglich bzw. prä- und postoperativ). Der perioperative Einsatz von Apomorphin kann zu einer Verbesserung der Symptomkontrol-le bei Patienten mit Parkinson-Syndromen führen.

Lokalanästhesie bei Parkinson

Unter Lokalanästhesie versteht man eine örtliche Betäubung, auch Teilnarkose genannt. Dabei wird die Schmerzwahrnehmung in einem begrenzten Gebiet der Haut oder eines Arm- oder Bein-Nerven durch Ausschaltung der Schmerzempfindung und - weiterleitung unterbrochen. Dies geschieht durch bestimmte Medikamente, sogenannte Lokalanästhetika, die direkt an den Nerv oder unter die Haut gespritzt werden. Bei einer Lokalanästhesie ist der Patient bei Bewusstsein, aber schmerzfrei. In Abhängigkeit von der Größe des zu betäubenden Körperbereiches und der Art der Injektion unterscheidet man zwischen Oberflächenanästhesie, Infiltrationsanästhesie, Leitungsanästhesie, intravenöse Regionalanästhesie und Spinal- und Periduralanästhesie. Je nach Größe des betäubten Haut- oder Nervenbereiches ist nicht nur die Schmerzwahrnehmung aufgehoben, sondern auch das Tast- und Temperaturempfinden und die Muskelkraft.

Beispiel: Verwendung von Lösungen, Sprays, Gel oder Salben, um z.B. die Haut oder Schleimhaut für eine kurze Zeit zu betäuben, z.B. Probleme bei Parkinson: Nach Einspritzen des Lokalanästhetikums unter die Haut verteilt sich das Mittel im Gewebe und kommt so in die Nähe der Nerven. Um das schnelle Abfluten des Medikamentes in die Blutbahn und damit eine Wirkung im ganzen Körper zu verhindern und die Wirkung vor Ort zu verlängern, werden diese Lokalanästhetika oft mit Medikamenten kombiniert, welche die Blutgefäße eng stellen, z.B.

Beispiel: Leitungsanästhesie: Blockade eines großen Nerven im Arm oder Bein. Plexusanästhesie: Das Wort „Plexus“ steht für Nervengeflecht. Bei dieser Form der Anästhesie wird also nicht nur ein Nerv, sondern ein ganzes Nervengeflecht betäubt. Spinal- und Periduralanästhesie: Hier wird das LA in die Nähe von Nervenwurzeln im Rückenmark gespritzt. Sie unterscheiden sich durch die Eindringtiefe im Rückenmarkkanal. Bei der Spinalanästhesie dringt die Kanüle bis in das Nervenwasser im Kanal vor und vermischt sich mit diesem. Dadurch wird die komplette darunter liegende Körperhälfte betäubt. Bei der Peridualanästhesie liegt die Nadel nicht so tief, sondern im Fettgewebe, welches die Kanalhülle umgibt.

Besondere Vorsicht bei L-Dopa-Therapie

Bei Patienten mit Morbus Parkinson und einer Therapie mit L-Dopa besteht eine besondere Empfindlichkeit des Herzmuskels gegenüber Adrenalin. Aus diesem Grund sollte auf Mittel mit einem Adrenalin-Zusatz verzichtet werden. Viele Patienten werden zudem mit einem COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon, Opicapon) behandelt. Diese führen zu einer vorübergehenden Blockade der Catechol-O-Methyltransferase, welche verschiedene Botenstoffe im Körper abbaut, u.a. auch Dopamin. Da Adrenalin ebenfalls über dieses Enzym abgebaut wird, kann die Adrenalinkonzentration im Blut steigen.

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