Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das täglich eine immense Menge an Informationen verarbeitet. Doch wie viele Informationen kann das Gehirn tatsächlich gleichzeitig verarbeiten? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler seit langem und die Antworten sind vielfältig und überraschend.
Die Kapazität des Gehirns: Ein Überblick
Mit mehr als 100 Milliarden Nervenzellen ist das Gehirn die leistungsfähigste Schaltzentrale unseres Organismus. Im Vergleich zu einem WLAN-Anschluss, der im Schnitt 92 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) überträgt, scheint das Gehirn vermeintlich viel schneller zu sein. Doch eine aktuelle Studie hat ergeben, dass das menschliche Gehirn nur etwa 10 Bit pro Sekunde verarbeiten kann. Diese Zahl mag überraschend niedrig erscheinen, insbesondere wenn man bedenkt, dass unsere Sinneszellen und unser Nervensystem Informationen mit einer Billiarde Bit pro Sekunde aufnehmen.
Die Filterfunktion des Gehirns
Die Diskrepanz zwischen der Aufnahmekapazität und der Verarbeitungskapazität des Gehirns wirft die Frage auf, wie das Gehirn die gigantischen Mengen an Informationen filtert und auf das Wesentliche reduziert. Schließlich trifft der Mensch jeden Tag schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Entscheidungen. Eine mögliche Erklärung liegt in der evolutionären Vergangenheit des Menschen. Früheste Lebewesen mit Nervensystem nutzten das Gehirn primär zur Navigation zwischen Nahrungsquellen und Raubtieren. Die meiste Zeit veränderte sich die Umgebung in gemächlicherer Geschwindigkeit, sodass die Verarbeitung von 10 Bit pro Sekunde ausreichend war.
Multitasking: Ein Mythos?
Die begrenzte Verarbeitungskapazität des Gehirns deutet darauf hin, dass Multitasking ein Mythos sein könnte. Multitasking wird oft als die Fähigkeit definiert, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Tatsächlich wechselt das Gehirn jedoch permanent zwischen den einzelnen Aufgaben hin und her. Dies führt dazu, dass die Konzentration leidet und die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt.
Studien zum Multitasking
Eine Studie der Deutschen Hirnstiftung hat gezeigt, dass Multitasking Stressreaktionen im Körper auslöst, indem es das sympathische Nervensystem aktiviert. Eine weitere Studie ergab, dass Menschen, die häufig Multitasking betreiben, größere Schwierigkeiten haben, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und sich Dinge zu merken.
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Die Grenzen des Multitasking
Das menschliche Gehirn kann nur eine geringe Anzahl an Aufgaben parallel erledigen, insbesondere wenn die Aufgaben ähnliche Hirnregionen beanspruchen. Eine ältere Untersuchung konnte zeigen, dass maximal zwei Aufgaben nebeneinander für das Gehirn noch zu bewältigen sind. Zudem ist es ein gängiges Vorurteil, dass Frauen Multitasking besser beherrschen als Männer. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Fähigkeit zum Multitasking gibt.
Informationsverarbeitung im digitalen Zeitalter
In der heutigen Zeit sind wir einer ständigen Flut von Informationen ausgesetzt, insbesondere durch das Internet und digitale Medien. Dies stellt unser Gehirn vor neue Herausforderungen.
Hypermedien und Informationsverarbeitung
Kognitionspsychologen untersuchen, wie Menschen in Hypermedien wie Lern-CDs oder im Internet Informationen suchen und zu Wissen verarbeiten. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die meisten Experimente zu Informationsverarbeitung unter eingeschränkten Bedingungen stattfinden, um aussagekräftig zu sein.
Vorwissen und metakognitive Fähigkeiten
Studien haben gezeigt, dass Menschen mit geringem Vorwissen es oft schwierig finden, bei einem reichhaltigen Angebot Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Sie lernen mehr, wenn sie sich den Inhalt auf vordefinierten Pfaden erarbeiten. Menschen mit gutem Vorwissen gewinnen dagegen durch vielfältige Angebote. Ebenso hilfreich wie das Vorwissen sind metakognitive Fähigkeiten, also die Fähigkeit, über das eigene Wissen und Denken zu reflektieren.
Das Internet als externes Gedächtnis
Viele Menschen nutzen das Internet bereits als externes Gedächtnis. Studien haben gezeigt, dass Studenten sich Fakten besser merken, wenn sie wissen, dass der Computer sie nicht speichert. Menschen mit guten Lesestrategien und metakognitiver Kompetenz nutzen das Internet auf ähnliche Weise, wie Gelehrte es mit ihren Büchern tun: Sie suchen, bewerten und kombinieren die Informationen und schaffen daraus neues Wissen.
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Strategien zur Verbesserung der Informationsverarbeitung
Um die Informationsverarbeitung im Gehirn zu verbessern, gibt es verschiedene Strategien:
- Konzentration auf eine Aufgabe: Vermeiden Sie Multitasking und konzentrieren Sie sich stattdessen auf eine Aufgabe.
- Pausen einlegen: Legen Sie regelmäßig Pausen ein, um das Gehirn zu entlasten.
- Vorwissen aufbauen: Erweitern Sie Ihr Vorwissen, um Informationen besser einordnen zu können.
- Metakognitive Fähigkeiten trainieren: Reflektieren Sie über Ihr eigenes Wissen und Denken, um den Wissenserwerb besser zu steuern.
- Lesestrategien entwickeln: Entwickeln Sie gute Lesestrategien, um Informationen effizienter aufzunehmen.
- Stress reduzieren: Vermeiden Sie Stress, da Stress die Informationsverarbeitung beeinträchtigen kann.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Hirnleistung verbessern.
Die Rolle des Gedächtnisses
Das Gedächtnis spielt eine entscheidende Rolle bei der Informationsverarbeitung. Es ermöglicht uns, Informationen zu speichern und wieder abzurufen.
Gedächtnisbereiche
Es gibt verschiedene Gedächtnisbereiche, die für das Lernen von Bedeutung sind:
- Ultrakurzzeitgedächtnis: Hier bleiben Informationen nur für wenige Sekunden.
- Arbeits- oder Kurzzeitgedächtnis: Hier werden Informationen bis zu 20 Minuten gespeichert.
- Langzeitgedächtnis: Hier werden Informationen langfristig gespeichert.
Prozesse der Gedächtnisbildung
Um Informationen langfristig zu speichern, ist es wichtig, dass sie die Phase der Konsolidierung durchlaufen. In dieser Phase werden die Informationen im Langzeitgedächtnis verankert.
Gedächtnis und Emotionen
Emotionale Momente bleiben besonders lange im Gedächtnis gespeichert. Wenn zu diesen emotionalen Ereignissen noch Gerüche hinzukommen, werden die Erinnerungen besonders lange behalten.
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Gedächtnis trainieren
Das Gedächtnis lässt sich trainieren. Studien haben gezeigt, dass bereits leichte körperliche Aktivität die Hirnleistung verbessern kann.
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse
Die Neurowissenschaft hat in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse über die Informationsverarbeitung im Gehirn gewonnen.
Synaptisches Tagging
Forscher haben herausgefunden, dass betroffene Bereiche der Synapsen einen Marker produzieren, der dafür sorgt, dass die notwendigen Proteine nur an eben diesen markierten Synapsen wirksam sind. Dieses "synaptische Tagging" ermöglicht es dem Gehirn, Informationen effizient zu speichern.
Die Rolle von NogoA
Das Protein NogoA stabilisiert die Funktion und Struktur von Nervennetzen und hilft so, Erinnerungen zu speichern. Die Erkenntnisse über NogoA könnten in einigen Jahren zur Entwicklung neuer Medikamente führen, beispielsweise zur Behandlung von Schäden im zentralen Nervensystem.