Einführung
Demenzerkrankungen, insbesondere die Alzheimer-Krankheit, stellen eine globale Herausforderung dar, die mit einer alternden Weltbevölkerung immer dringlicher wird. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle weltweite Situation bezüglich Alzheimer, analysiert statistische Daten und wirft einen Blick auf zukünftige Entwicklungen und mögliche Präventionsansätze.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Sammelbegriff für chronische Erkrankungen des Gehirns, die mit einem schleichenden Verfall kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einhergehen (ICD-10-Code F00-F03). Demenz-Patienten leiden insbesondere unter Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und einer damit einhergehenden erhöhten Vergesslichkeit, die sich im weiteren Krankheitsverlauf bis zum Verlust der Sprach- und Rechenfähigkeiten ausweiten kann. Im fortgeschrittenen Stadium sind die betroffenen Personen auf fremde Hilfe angewiesen, weil sie sich im Alltag nicht mehr alleine zurechtfinden. Sie sind dann pflegebedürftig. Es gibt nicht DIE Demenz, sondern tatsächlich viele Formen davon. Demenz ist ein Überbegriff: Diverse Erkrankungen, die sich auf das Gehirn auswirken, können Demenz auslösen. Die bekannteste und bei weitem häufigste dieser Demenzerkrankungen ist Alzheimer. Sie macht bis zu 2/3 aller Demenzerkrankungen aus. Weitere sind zum Beispiel die Lewy-Körperchen-Demenz, die Vaskuläre Demenz und die Frontotemporale Demenz. Bei einer Parkinson-Erkrankung können zusätzlich zu motorischen Beeinträchtigungen auch Symptome von Demenz auftreten und bei Menschen mit Down-Syndrom ist die Entwicklung von Demenz aufgrund genetischer Veranlagung nahezu unausweichlich. Die verschiedenen Demenzerkrankungen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie das Gehirn und dessen Funktion beeinträchtigen.
Globale Prävalenz und Inzidenz von Demenz
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben derzeit weltweit mehr als 57 Millionen Menschen mit einer Demenz. Jährlich kommen etwa 10 Millionen neue Fälle hinzu. Alle drei Sekunden erkrankt ein Mensch an Demenz. Allein im Jahr 2015 ist weltweit mit 9,9 Millionen Neuerkrankungen zu rechnen. Der von der Dachorganisation „Alzheimer‘s Disease International“, London, herausgegebene Bericht, hat aktuelle Erkenntnisse zur Epidemiologie zusammengestellt. Demnach leiden derzeit weltweit 46,8 Millionen Menschen an einer Demenz. Bis 2030 wird die Zahl auf 74,7 Millionen steigen und bis 2050 auf 131,5 Millionen. Die meisten Demenzkranken leben dem Report zufolge derzeit in Ostasien, Westeuropa, Südasien und Nordamerika.
Mit rund 60 bis 70 Prozent aller Fälle ist die Alzheimer-Krankheit die häufigste Demenzform. Weitere häufige Formen sind die Vaskuläre Demenz (15 Prozent), die Lewy-Körperchen-Demenz sowie die Frontotemporale Demenz, eine Degeneration des frontalen Hirnlappens. Eine Demenz kann sich auch nach einem Schlaganfall, nach langjährigem Alkoholmissbrauch sowie nach wiederholten körperlichen Hirnverletzungen entwickeln.
Regionale Unterschiede
Weltweit sind etwa 55 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen, zwei Drittel davon in Entwicklungsländern. Bis 2050 wird die Zahl voraussichtlich auf 139 Millionen steigen, besonders dramatisch in China, Indien, Südamerika und den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.
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Betrachtet man allerdings den Anteil an Demenz erkrankter Menschen an der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Bundesländern, ergibt sich ein anderes Bild. Am höchsten ist der Anteil von Menschen mit Demenz in Sachsen und Sachsen-Anhalt (2,6 Prozent), gefolgt von Sachsen und Thüringen (je 2,5 Prozent). Am niedrigsten ist er in Berlin (1,7 Prozent) und Hamburg (1,8 Prozent). Je höher der Altersdurchschnitt in den Ländern ist, desto häufiger treten Demenzerkrankungen auf.
Laut Daten von Alzheimer’s Disease International zählt die Bundesrepublik zu den OECD-Ländern mit der höchsten Prävalenz von Demenz - auf 1.000 Einwohner:innen kommen in Deutschland rund 21,8 Erkrankte. Noch häufiger kommt Demenz etwa in Italien (23,7 Erkrankungen pro 1.000 Einwohner:innen) und Japan (26,7 Erkrankungen pro 1.000 Einwohner:innen) vor. Bis 2050 soll die Verbreitung von Hirnkrankheiten nach Einschätzungen der Forscher:innen in nahezu jedem Land deutlich ansteigen. Besonders stark wird demnach China betroffen sein - bis 2050 wird sich die Prävalenz voraussichtlich verdreifachen. Auch in Spanien rechnen die Expert:innen mit einer Verdopplung auf 41,3 Erkrankungen je 1.000 Einwohner:innen. Weltweit prognostiziert die OECD für das Jahr 2050 rund 42 Millionen Fälle von Demenz. Der deutliche Anstieg ist dabei vor allem durch die stark alternde Bevölkerung in den Industrieländern bedingt.
Demenz in Deutschland: Zahlen und Fakten
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft schätzt die Anzahl der Demenzkranken in Deutschland 2021 auf etwa 1,8 Millionen. Laut Prognose könnten gegen Mitte des Jahrhunderts in der Bundesrepublik rund 3,8 Prozent der Bevölkerung von einer Demenzerkrankung betroffen sein. Im Jahr 2023 lebten hierzulande - nach Abschätzungen auf der Grundlage von Literaturdaten und der aktuellen Altersstruktur der Bevölkerung - rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es etwa 1,7 Millionen. Nach Prognosen könnte die Anzahl der Betroffenen (im Alter ab 65 Jahren) im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen ansteigen, im Jahr 2040 auf bis zu 2,3 Millionen und im Jahr 2050 bis zu 2,7 Millionen erreichen. Im Jahr 2023 sind in der Altersgruppe ab 65 Jahren nach Berechnungen zwischen 364.000 und 445.000 Menschen neu an einer Demenz erkrankt.
Immer mehr Menschen in Deutschland müssen wegen einer Alzheimer-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden. Im Jahr 2020 traf dies auf 19 356 Menschen zu. Davon waren 41,5 % Männer und 58,5 % Frauen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Welt-Alzheimertag am 21. September 2022 weiter mitteilt, hat sich die Zahl der stationären Behandlungen damit binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt (+ 138,5 %). Im Jahr 2000 hatte es noch 8 116 Behandlungen gegeben. Das Risiko einer Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter: Rund 95 % der im Jahr 2020 betroffenen Patientinnen und Patienten waren 65 Jahre und älter. Im Jahr 2020 starben in Deutschland insgesamt 9 450 Menschen an Alzheimer - so viele wie nie zuvor. Die Zahl der Todesfälle war mehr als doppelt (+108,4 %) so hoch wie im Jahr 2000 mit 4 535.
Mit 10.100 Toten im Jahr 2023 wurde ein neuer Höchstwert registriert - das ist auf die vergangenen 20 Jahre hinweg betrachtet, eine Verdopplung.
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Risikofaktoren und Prävention
Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schwerhörigkeit, Luftverschmutzung, geringe Bildung und soziale Isolation. Demnach wären bei Beseitigung dieser 14 Risiken rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen vermeidbar oder könnten hinausgezögert werden - theoretisch. Denn Fachleute sind der Ansicht, dass eine Reduzierung in dieser Größenordnung in der Praxis nicht realistisch ist.
Demenzerkrankungen haben unterschiedliche Ursachen. Da Demenz nicht kurativ therapiebar ist, kommt der Prävention von demenzrelevanten Faktoren über die gesamte Lebensspanne besondere Bedeutung zu. Zu diesen Faktoren gehören: soziale und umweltassoziierte Determinanten der Gesundheit (niedrige Bildung, soziale Isolation, Luftverschmutzung), gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (Bewegungsmangel, riskanter Alkoholkonsum, Rauchen) und bestimmte Vorerkrankungen (Adipositas, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Depression, Diabetes Mellitus, Sehstörung, Hörverlust, Schädel-Hirnverletzungen).
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Demenz sind enorm. Weltweit beliefen sich die Krankheitskosten von Demenzerkrankungen zuletzt auf rund eine Billion US-Dollar, im Jahr 2030 könnten es schätzungsweise rund zwei Billionen sein. Berechnungen des DZNE beziffern die Kosten für Demenz in Deutschland für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro - das entspricht mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach Prognosen könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro, im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen. Im Jahr 2019 betrugen die weltweiten Kosten für Demenz rund 1,3 Billionen (Tausend Milliarden) US-Dollar.
Herausforderungen und Ausblick
Die steigende Zahl von Demenzerkrankungen stellt Gesellschaften weltweit vor große Herausforderungen. Dazu gehören die Sicherstellung einer angemessenen medizinischen Versorgung, die Unterstützung von pflegenden Angehörigen und die Entwicklung von Präventionsstrategien.
Ob die vorliegenden Prognosen tatsächlich zutreffend sind, gilt allerdings keineswegs als gesichert. Die Auswertung von fünf Kohortenstudien in Lancet Neurology (2015; doi: 10.1016/S1474-4422 (15)00092-7) deutet für Europa sogar einen Rückgang an. Die Autoren führen dies auf die erfolgreiche Vermeidung von kardiovaskulären Risikofaktoren zurück.
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In die Erforschung von Alzheimer-Präparaten ist nach Jahren der Stagnation in der letzten Zeit einiges an Bewegung gekommen. In den USA wurde 2023 ein Antikörper zugelassen, dem die Fähigkeit zugesprochen wird, kausal gegen die Erkrankung zu wirken - eine Zulassung in Europa hat die zuständige Behörde EMA bisher abgelehnt. Das Votum der Behörde wird seitdem kontrovers diskutiert: „Was haben die USA, Israel, Japan, China und Südkorea gemeinsam?“, fragte die Ärzte Zeitung. „Hier können Menschen mit einer frühzeitigen Alzheimerdemenz eine wirksame Therapie bekommen. In Europa ist das nicht der Fall.“ Ein Sonderweg, so der Autor, der reichlich seltsam anmute und „ins Abseits führt“. Ob Europa auf diesem Weg bleibt? In den USA wurde im vergangenen Juli nun der nächste Antikörper zugelassen - Europa prüft noch.