Viele Menschen mit Polyneuropathie stehen vor der Frage, ob ihre Erkrankung als Behinderung anerkannt werden kann. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Anerkennung einer Polyneuropathie als Behinderung in Deutschland. Er erklärt, was der Grad der Behinderung (GdB) aussagt, wie er ermittelt wird und welche Vorteile ein anerkannter GdB mit sich bringen kann.
Was ist der Grad der Behinderung (GdB)?
Der GdB gibt an, wie stark die körperliche, geistige oder seelische Funktion eines Menschen im Vergleich zum altersüblichen Zustand eingeschränkt ist. Er wird in Zehnergraden von 20 bis 100 gemessen. Ein GdB von 20 entspricht einer geringen Beeinträchtigung, während ein GdB von 100 eine schwerste Beeinträchtigung darstellt. Um einen GdB zu erhalten, muss die Beeinträchtigung voraussichtlich länger als sechs Monate andauern.
Schwerbehinderung
Ab einem GdB von 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert. Allerdings können auch Menschen mit einem GdB zwischen 30 und 50 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie aufgrund ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten.
Antragstellung und Ermittlung des GdB
Zuständige Stelle
Für die Feststellung des GdB ist das Versorgungsamt zuständig. Der Antrag kann formlos gestellt werden, es ist jedoch ratsam, ein entsprechendes Formular zu verwenden, das beim Versorgungsamt erhältlich ist.
Verfahren
Nach Eingang des Antrags holt das Versorgungsamt ärztliche Gutachten und Befundberichte ein, um den Gesundheitszustand des Antragstellers zu beurteilen. Es ist wichtig, dem Antrag alle relevanten medizinischen Unterlagen beizufügen, um den Prozess zu beschleunigen.
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Medizinische Untersuchung
Zur individuellen Ermittlung des GdB ist stets eine medizinische Untersuchung erforderlich. Dem Antrag können Sie ein entsprechendes Gutachten beifügen.
Bewertung
Die Bewertung des GdB erfolgt anhand der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze", die in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) festgelegt sind. Diese enthalten Anhaltswerte für verschiedene Krankheiten und Beeinträchtigungen. Es ist wichtig zu beachten, dass die in der Tabelle angegebenen Werte lediglich eine Orientierungshilfe darstellen und der tatsächliche GdB von der individuellen Ausprägung der Erkrankung abhängt.
Polyneuropathie und GdB
Mögliche Auswirkungen der Polyneuropathie
Polyneuropathie kann den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Typische Symptome sind Schmerzen, Taubheitsgefühle, Kribbeln und Muskelschwäche, insbesondere in den Füßen und Beinen. Dies kann zu Einschränkungen beim Gehen, Stehen und Greifen führen. Auch die Sinnesorgane können betroffen sein, was zu einer sensorischen Behinderung führen kann.
Bewertung der Polyneuropathie
Die Bewertung des GdB bei Polyneuropathie hängt von der Schwere der Symptome und den daraus resultierenden Funktionseinschränkungen ab. Bei leichten Beschwerden kann ein GdB von 20 festgestellt werden, während bei schweren Beeinträchtigungen auch ein höherer GdB möglich ist.
Zusätzliche Beeinträchtigungen
Es ist wichtig zu beachten, dass auch Begleiterkrankungen und psychische Belastungen bei der Feststellung des GdB berücksichtigt werden können. So können beispielsweise Depressionen oder Angststörungen, die aufgrund der Polyneuropathie entstanden sind, den GdB erhöhen.
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Vorteile eines anerkannten GdB
Ein anerkannter GdB kann verschiedene Vorteile mit sich bringen, darunter:
- Nachteilsausgleiche im Beruf: Ab einem GdB von 30 gibt es Hilfen und Nachteilsausgleiche im Beruf, z.B. Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung oder der Beschaffung von Hilfsmitteln.
- Besonderer Kündigungsschutz: Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz.
- Zusatzurlaub: Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage im Jahr bei einer 5-Tage-Woche.
- Steuerliche Vorteile: Schwerbehinderte Menschen können einen höheren Behindertenpauschbetrag geltend machen.
- Vergünstigungen: Mit einem Schwerbehindertenausweis können vergünstigte Eintritte z.B. in Museen und Theater oder bei Konzerten in Anspruch genommen werden, ebenso vergünstigte Mitgliedsbeiträge z.B. in Sportvereinen.
- Parkerleichterungen: Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es Parkerleichterungen für Menschen mit Schwerbehinderung.
- Frühzeitige Rente: Schwerbehinderte Menschen können unter bestimmten Voraussetzungen früher in Rente gehen.
Rückkehr an den Arbeitsplatz mit Polyneuropathie
Für viele Menschen mit Polyneuropathie stellt sich die Frage, wie sie wieder ins Berufsleben zurückkehren können. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die von einer Anpassung des Arbeitsplatzes bis hin zu einer Umschulung reichen.
Unterstützung durch den Arbeitgeber
Wenn Sie länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, Sie bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben bestmöglich zu unterstützen.
Beratung und Anlaufstellen
Vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz empfiehlt es sich, eine umfassende persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Hilfreiche Anlaufstellen sind der Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung, die Krankenkasse oder der Integrationsfachdienst.
Anpassung des Arbeitsplatzes
Um das Arbeiten mit Polyneuropathie so angenehm wie möglich zu gestalten, können verschiedene Anpassungen am Arbeitsplatz vorgenommen werden. Dazu gehören beispielsweise bequeme Kleidung und Schuhe, die den Fuß komplett umschließen. Auch Stolperfallen sollten beseitigt werden.
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Umgang mit Kollegen
Scheuen Sie sich nicht, Arbeitskollegen um Unterstützung zu bitten. Sprechen Sie mit Ihren Kollegen über Ihre Erkrankung, damit sie Verständnis für Ihre Situation entwickeln können.
Auto fahren mit Polyneuropathie
Mit einer Polyneuropathie kann das Auto fahren unter Umständen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie noch sicher am Straßenverkehr teilnehmen können.
Chronische Schmerzen und GdB
Bei chronischen Schmerzen kann vom Versorgungsamt ein GdB festgestellt werden. Er richtet sich in der Regel nach der Grunderkrankung. Bei chronischen Schmerzen, die nicht oder nur in geringem Maße durch körperliche Schädigungen erklärt werden können und durch ein Zusammenspiel von körperlichen, seelischen und sozialen Ursachen entstehen, wird der GdB interdisziplinär, also in Zusammenarbeit von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, festgestellt.
Chronische Schmerzen als eigenständige Erkrankung (ICD-11)
Seit 2022 wird die ICD-11 schrittweise eingeführt. In der ICD-11 werden chronische Schmerzen nicht mehr nur als Symptom gesehen, wie in der ICD-10, sondern als eigenständige Erkrankung anerkannt. Die chronischen Schmerzen werden in der ICD-11 unterteilt in primäre und sekundäre chronische Schmerzen.
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