Wirkung von Amphetaminen auf die Synapse: Ein detaillierter Mechanismus

Die Frage, warum manche Menschen Drogen kontrolliert konsumieren können, während andere eine Sucht entwickeln, beschäftigt die Wissenschaft seit Langem. Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat möglicherweise einen wichtigen Mechanismus im Gehirn von Mäusen entdeckt, der einige Antworten liefern könnte.

Einleitung

Amphetamine sind synthetische Psychostimulanzien, die eine anregende Wirkung auf das Zentralnervensystem haben. Sie werden oft zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, zur Unterdrückung von Müdigkeit und zur Verbesserung der Stimmung eingesetzt. Der Konsum von Amphetaminen kann jedoch auch zu einer Reihe von negativen Auswirkungen führen, insbesondere bei wiederholtem oder hochdosiertem Gebrauch. Eine der Hauptwirkungen von Amphetaminen besteht darin, die Funktion der Synapsen im Gehirn zu beeinflussen.

Die Rolle von Dopamin und Synapsen

Drogen mit Suchtpotential beeinflussen im Gehirn die Aktivität des Neurotransmitters Dopamin. Eine Synapse bildet die Verbindung einer Nervenzelle zur nächsten. Die Übertragung eines elektrischen Impulses von einer Nervenzelle zur nächsten erfolgt über chemische Substanzen, die als Neurotransmitter bezeichnet werden. In der präsynaptischen Endigung einer Nervenzelle wird der Neurotransmitter ausgeschüttet und von den Rezeptoren im postsynaptischen Bereich der nächsten Nervenzelle aufgenommen. Von dort setzt sich der elektrische Impuls fort. Der Neurotransmitter wird anschließend in den präsynaptischen Bereich wieder aufgenommen.

Wie Amphetamine die Dopamin-Ausschüttung fördern

Amphetamin fördert die Ausschüttung von Dopamin in den synaptischen Spalt, so dass der nachfolgende Rezeptor besonders stark aktiviert wird. Amphetamine bewirken nicht nur eine besonders starke Entleerung der Dopaminspeicher, sondern unterdrücken auch die Wiederaufnahme von Dopamin in die Speicher der Nervenendigung. Die Folge ist eine sehr hohe Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt und eine entsprechend starke Reizung der nachgelagerten Nervenzelle. Kokain verstärkt ebenfalls die Aktivität dopaminerger Rezeptoren, dies allerdings vorwiegend durch die Hemmung der Wiederaufnahme von Dopamin in die präsynaptische Endigung. Andere Drogen mit Suchtpotential wie Cannabis oder Opioide vermitteln ebenfalls zumindest einen Teil ihrer Wirkung über das Dopaminsystem.

Auswirkungen auf das Belohnungssystem

Dieser Mechanismus betrifft vor allem das mesolimbische System, auch bekannt als Belohnungssystem. Die starke Stimulation kann den Dopaminhaushalt jedoch nachhaltig stören und Nervenzellen zerstören. Eine Reihe von Studien hat sich damit befasst, wie Amphetamine dem Gehirn schaden. Bei einigen wurde Amphetamin, in anderen Methamphetamin untersucht. Beide Substanzen haben ein ähnliches Risikoprofil und werden hier als Amphetamine zusammengefasst. Mehrere Mechanismen scheinen an der neurotoxischen, also nervenschädigenden Wirkung der Amphetamine beteiligt zu sein. Amphetamin und besonders Methamphetamin aktivieren das Dopamin-vermittelte Belohnungssystem und führen zu starker psychischer Abhängigkeit.

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Oxidativer Stress und Zelltod

Von herausragender Bedeutung für die neurotoxische Wirkung gilt ein Mechanismus, der als oxidativer Stress bezeichnet wird. Amphetamine produzieren so genannte freie Radikale. Das sind besonders reaktionsfreudige Moleküle, denen ein Elektron fehlt. Freie Radikale „stressen“ Zellen, indem sie ihnen Elektronen entreißen. Im Rahmen von Reparaturprozessen würde der Körper diese Moleküle neutralisieren. Nehmen freie Radikale überhand, wie beim Konsum von Amphetaminen, reichen die körpereigenen Mechanismen jedoch nicht mehr aus. Die durch Amphetamine produzierten freien Radikale schädigen auch die „Kraftwerke“ der Nervenzelle, die als Mitochondrien bezeichnet werden. Sie sind für den Energiestoffwechsel einer Zelle zuständig. Unter dem Einfluss von Amphetaminen arbeiten die Mitochondrien aber ohnehin am Limit. Werden Mitochondrien zusätzlich durch oxidativen Stress geschädigt, kann ein Vorgang ausgelöst werden, der als programmierter Zelltod oder Apoptose bezeichnet wird. Die Apoptose ist für eine normale Entwicklung eines Organismus wichtig, um defekte Zellen zu entsorgen. Durch Amphetamine werden Nervenzellen aber gewissermaßen in die Apoptose „getrieben“, sterben also übermäßig ab. Zwar kann das Gehirn Nervenzellen in begrenztem Maße neu bilden, es gibt aber Hinweise aus der Forschung, dass Amphetamine die Entstehung neuer Nervenzellen unterdrückt. Die durch Amphetamine ausgelösten Gehirnschäden können daher sehr langanhaltend sein. Studien zufolge können Schäden im Dopaminsystem noch mehrere Jahre nach dem Konsumausstieg nachgewiesen werden.

Glutamat und Überstimulation

Ein weiterer nervenschädigender Mechanismus hängt mit dem Neurotransmitter Glutamat zusammen. Glutamat gilt als wichtigster Neurotransmitter mit erregender Wirkung auf Nervenzellen im Gehirn. Amphetamine verursachen eine verstärkte Ausschüttung von Glutamat, was zu einer Überstimulation im Gehirn führen kann. Die Überstimulation ist ebenfalls Stress für Nervenzellen, vor allem für die Mitochondrien, was letztlich Apoptose, also das Absterben von Nervenzellen auslösen kann. Die durch Amphetamine hervorgerufenen Schäden betreffen vor allem Nervenzellen im Hippocampus, im Striatum und im präfrontalen Cortex. Diese Bereiche des Gehirns sind wichtig für das Gedächtnis, die Bewegungssteuerung und andere geistige Leistungen wie die Entscheidungsfindung oder die Impulskontrolle.

Schädigung der Blut-Hirn-Schranke

Studien zufolge steht insbesondere der Konsum von Methamphetamin auch mit einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke in Zusammenhang. Die Blut-Hirn-Schranke besteht aus einem Wall dicht gepackter Zellen. Die so genannten Endothelzellen bilden eine Barriere, die nur besonders kleine Partikel durchdringen können. Wird dieser Schutzmechanismus außer Kraft gesetzt, können giftige Substanzen, die im Blut zirkulieren, in das Gehirn vordringen und Entzündungen verursachen. Wie genau die Blut-Hirn-Schranke geschädigt wird, ist noch nicht gänzlich geklärt. In der Forschung gibt es Hinweise, dass die durch Methamphetamin ausgelöste erhöhte Körpertemperatur beteiligt ist, die als Hyperthermie bezeichnet wird. In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass hohen Dosen Methamphetamin Hyperthermie verursacht und in der Folge die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke erhöht. Zudem scheint Methamphetamin die Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke direkt zu schädigen. Dieser Vorgang wird vermutlich durch oxidativen Stress und durch die Schädigung der Mitochondrien der Endothelzellen vorangetrieben.

Entzündungen im Gehirn

Amphetamine fördern darüber hinaus Entzündungsreaktionen im Gehirn. Das Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke zwar relativ gut gegen Krankheitserreger geschützt, aber nicht völlig isoliert. Daher verfügt es über ein eigenes Immunsystem: die Mikroglia. Das sind spezialisierte Zellen, die Krankheitserreger aufspüren und abtöten. Gelangen Amphetamine ins Gehirn, schlagen die Mikroglia Alarm und setzen weitere Abwehrmaßnahmen in Gang. Dabei werden unter anderem Zytokine freigesetzt. Das sind spezialisierte Proteine, die neben Krankheitserregern, auch körpereigenes Gewebe wie Nervenzellen schädigen können. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion im Gehirn, in deren Folge Nervenzellen absterben.

Auswirkungen auf andere Organe

Ein weiterer Mechanismus, der Nervenzellen im Gehirn zerstören kann, geht von anderen Organen aus. Studien haben zeigen können, dass besonders Methamphetamin Organe wie die Leber oder die Nieren angreift. In der Folge erhöht sich die Konzentration von Ammoniak im Blut. Normalerweise wird Ammoniak über die Leber und die Nieren verstoffwechselt und über den Urin ausgeschieden. Sind diese Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt, können Nervenzellen im Gehirn in Mitleidenschaft gezogen werden, da Ammoniak ebenso wie Methamphetamin neurotoxische Effekte hat.

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Neuronale Verbindungen und Suchtverhalten

Ein Forschungsteam der Universität Genf hat mit einer speziellen Technik gearbeitet, um das Dopaminsystem bei gentechnisch veränderten Mäusen manipulieren zu können. Mittels Laserlicht, das über eine Glasfaser in das Gehirn der Mäuse gelangte, konnte das Team direkt die Aktivität von Dopaminneuronen beeinflussen und so das Belohnungsempfinden auslösen. In den Versuchen konnten die Mäuse das Laserlicht selbst durch Drücken eines Hebels auslösen. Drückten sie den Hebel, wurde nach kurzer Verzögerung Dopamin ausgeschüttet, ähnlich dem Effekt von Drogenkonsum. Diese Aktion führten die Tiere zunächst über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen durch, damit sich der Lerneffekt - Hebel drücken zieht Dopaminauschüttung nach sich - bei den Tieren einprägen konnte. An den folgenden Tagen erhielten die Mäuse bei einem Drittel der Hebelbetätigungen zufällig einen zwar nicht gefährlichen, aber unangenehmen Stromschlag. Dabei konnte das Team beobachten, dass einige, aber nicht alle Tiere das Hebelpressen reduzierten. 40 Prozent der Mäuse drückten den Hebel deutlich seltener, während die restlichen 60 Prozent Schmerzen in Kauf nahmen, um weiterhin ihre Dopaminneuronen stimulieren zu können. Die Beobachtung, dass ein Teil der Mäuse ihr Verhalten trotz negativer Folgen aufrechterhält, würde dem Verhalten von Menschen ähneln, die ihren Drogenkonsum trotz nachweislich schädlicher Folgen fortsetzen.

Der Orbitofrontale Kortex und das Dorsale Striatum

Es zeigte sich, dass eine synaptische Verbindung zwischen einer wichtigen Instanz für die Entscheidungsfindung, dem orbitofrontalen Kortex, und dem so genannten dorsalen Striatum besonders aktiv war. Das dorsale Striatum ist für willkürliche Bewegungsabläufe von Bedeutung und ist zudem Teil des Belohnungssystems. Das Team konnte nun beobachten, dass die Aktivität dieser neuronalen Verbindung kurz vor dem Hebeldrücken und der Inkaufnahme eines elektrischen Schocks zunahm. Wurde die Verbindung künstlich gehemmt, stellten auch die zuvor ausdauernd hebeldrückenden Tiere ihre Aktivität ein. Wurde die Hemmung aufgehoben, fingen die Mäuse wieder an, den Hebel zu drücken. Tatsächlich konnte das Forschungsteam nachweisen, dass die Stärke der synaptischen Verbindung zwischen den Neuronen des orbitofrontalen Kortex und dem dorsalen Striatum bei den Mäusen, die trotz Schmerzen weiter den Hebel drückten, zugenommen hatte. Mäuse, die das Hebeldrücken einstellten, zeigten eine weniger starke Verbindung beider Hirnareale. Wurde die Verbindung abgeschwächt, reduzierte sich das Hebeldrücken bei Mäusen, die einen Stromschlag bislang tolerierten. Umgekehrt konnten Mäuse, die angesichts des Schmerzreizes auf eine Hebelbetätigung verzichteten, durch die Stärkung der synaptischen Verbindung dazu gebracht werden, dies trotzdem zu tun.

Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten

Durch die Identifikation einer neuronalen Verbindung, der süchtigem Verhalten zugrunde liegt, würden sich möglicherweise neue Behandlungsmöglichkeit ergeben, sei es durch Medikamente oder durch die gezielte Stimulation von Hirnregionen.

Fazit

Amphetamine wie Speed und Crystal Meth verursachen eine massive Ausschüttung der Neurotransmitter Dopamin und Glutamat. In der Folge werden eine Reihe von Prozessen ausgelöst, die Nervenschäden insbesondere in jenen Bereichen des Gehirns verursachen, die wichtig sind für das Gedächtnis, die Bewegungssteuerung und andere geistige Leistungen wie die Entscheidungsfindung oder die Impulskontrolle. Diese Schäden können noch mehrere Jahre nach Einstellung des Konsums anhalten. Es ist wichtig zu beachten, dass Amphetamine und Metamphetamine die Plazentaschranke durchdringen und in die Muttermilch gelangen.

Stimulanzien und ihre spezifischen Wirkungen

Zu den Stimulanzien zählt man die von der natürlichen Substanz Ephedrin (einem Alkaloid) abgeleiteten Amphetamine und das Methylphenidat, daneben das pharmakologisch, aber nicht strukturell ähnliche Cocain und das auch heute noch nicht klar einordenbare Modafinil. Neben peripheren sympathomimetischen Effekten, die besonders bei Ephedrin ausgeprägt sind, führen die Substanzen zu einer dosisabhängigen spezifischen Aktivierung des ZNS mit Unterdrückung von Müdigkeit und Hungergefühl, Leistungssteigerung, verbesserter Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, aber auch zu Wohlbefinden, Euphorie und psychotischen Effekten mit dem Risiko der Abhängigkeit.

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Die Wirkungen gehen auf eine unterschiedliche Hemmung des neuronalen Rücktransports von Noradrenalin und Dopamin zurück und besonders bei den Amphetaminen auf eine Störung der Speicherfähigkeit der synaptischen Vesikel. Während das natürliche Vorbild Ephedrin noch sehr viel stärker den Noradrenalintransporter (NET) als den Dopamintransporter (DAT) hemmt, hemmen die Amphetamine den DAT fast so stark wie den NET, was zusammen mit der extrem schnellen Aufnahme ins Gehirn aufgrund der hohen Lipophilie das wesentlich größere Abhängigkeitspotenzial erklärt. Der Effekt auf den DAT ist bei Dexamfetamin deutlicher als bei den anderen Amphetamin-Isomeren, sodass diese Substanz heute in der Therapie bevorzugt wird. Es steht auch Lisdexamfetamin zur Verfügung, ein Prodrug mit protrahierter Wirkung durch den langsamen Abbau der Muttersubstanz im Blut zu Dexamfetamin.

Methylphenidat (MPH) ist nicht nur hydrophiler als Amphetamin und wird deshalb deutlich langsamer ins ZNS aufgenommen, sondern es unterscheidet sich auch pharmakologisch deutlich von den Amphetaminen. Bei MPH steht eine Beeinflussung des Dopamintransporter (DAT) im Vordergrund, den es stärker hemmt als den Noradrenalintransporter (NET). Die Blockade des DAT führt hier in direkter Korrelation zur Plasmakonzentration und zur Okkupation des DAT im Gehirn zu den positiven Effekten auf alle Komponenten der Psychopathologie von ADHS. MPH unterscheidet sich aber noch in einem anderen Aspekt von den Amphetaminen: Während diese deutlich die Speicherfähigkeit der synaptischen Vesikel reduzieren können, wobei eine direkte Hemmung des vesikulären Transporters, aber auch noch andere Mechanismen eine Rolle spielen, zeigt MPH diese Effekte deutlich weniger, sodass es weniger die Impuls-unabhängige Transmitterfreisetzung stimuliert.

Alternativen zu Stimulanzien sind Atomoxetin aus der Gruppe der selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer und der Alpha2-Agonist Guanfacin. Atomoxetin ist aus der Entwicklung Transporter-selektiver Antidepressiva hervorgegangen und zeichnet sich als spezifischer Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmstoff aus, der im Unterschied zu den älteren Verbindungen wie Desipramin aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva (die auch bei ADHS eingesetzt wurden) keine zusätzlichen und UAW-relevanten Rezeptor-antagonistischen Eigenschaften aufweist.

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