DMT und seine Auswirkungen auf das Gehirn: Eine umfassende Analyse

Seit Jahrzehnten versuchen Forschende, die Rolle von N,N-Dimethyltryptamin (DMT) im menschlichen Gehirn zu entschlüsseln. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass DMT nicht nur ein halluzinogenes Molekül ist, sondern auch eine wichtige Rolle bei der Neurotransmission und dem Schutz des Gehirns vor Stress spielen könnte. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aspekte von DMT, von seiner chemischen Struktur und Vorkommen bis hin zu seinen potenziellen therapeutischen Anwendungen und Risiken.

Was ist DMT?

DMT, kurz für N,N-Dimethyltryptamin, ist ein natürlich vorkommendes Psychedelikum, das zur Gruppe der Tryptamine gehört. Es ist strukturell eng mit anderen Neurotransmittern wie Serotonin und Melatonin verwandt. DMT kommt in zahlreichen Pflanzen und Tieren vor, einschließlich des menschlichen Körpers.

Chemische Struktur und Vorkommen

DMT ist ein relativ kleines Molekül, das auf der Aminosäure Tryptophan basiert. Es kann in verschiedenen Teilen der Natur gefunden werden, von Pflanzenarten bis hin zu den Zellen von Säugetieren. In Pflanzen dient DMT möglicherweise als Abwehrmechanismus gegen pflanzenfressende Tiere.

Historischer und kultureller Kontext

Menschen extrahieren DMT seit Jahrhunderten aus Pflanzen. Im Amazonasgebiet verwenden Schamanen DMT-haltige Lianen in Kombination mit MAO-Hemmern (Monoaminooxidase-Hemmern), um Ayahuasca herzustellen, ein Gebräu, das in rituellen und spirituellen Kontexten verwendet wird. Ayahuasca ist eng mit der Mythologie und Spiritualität indigener Stämme verbunden.

DMT in der westlichen Gesellschaft

DMT hat auch in der westlichen Gesellschaft an Bedeutung gewonnen und findet sich in Literatur und Philosophie wieder. Seine biologischen Eigenschaften faszinieren Wissenschaftler seit seiner ersten Synthese im Jahr 1931.

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DMT als Neurotransmitter

Aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit Serotonin wurde lange vermutet, dass DMT auf natürliche Weise als Neurotransmitter im menschlichen Körper vorkommt. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die im Nervensystem freigesetzt werden, um Informationen zwischen Neuronen zu übertragen.

Die Zirbeldrüse und DMT

Die Zirbeldrüse, eine kleine Struktur im Vorderhirn, reguliert den Schlafrhythmus durch die Produktion von Melatonin. Im alten Ägypten wurde die Drüse als das Auge des Himmelsgottes Horus dargestellt, während sie in Indien mit dem "dritten Auge" in Verbindung gebracht wurde - einem mythischen Zugang zu höheren Bewusstseinszuständen. Seit dem Aufkommen von Strassmans Theorie sind das Vorhandensein und der Zweck von DMT in der Zirbeldrüse Gegenstand hitziger Debatten.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn von Ratten DMT enthält und dessen Konzentration nach einem induzierten Kreislaufstillstand erhöht ist. Es wurde jedoch nicht festgestellt, ob die Konzentrationszunahme mit einer exogenen psychedelischen Dosis vergleichbar ist. Einige Forscher halten dies für wahrscheinlich, während andere darauf hinweisen, dass sowohl unklar ist, wie geringe Mengen von endogenem DMT gespeichert werden könnten, um sie auf einen Schlag freizusetzen, als auch welche biologische Funktion von dieser Freisetzung ausgelöst werden könnte.

Biosynthese von DMT

Die Biosynthese von DMT erfolgt in zwei Schritten:

  1. Decarboxylierung von Tryptophan zu Tryptamin: Dieser Schritt wird durch das Enzym Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) katalysiert.
  2. Doppelte Methylierung von Tryptamin zu DMT: Dieser Schritt wird durch das Enzym Indolethylamin-N-Methyltransferase (INMT) katalysiert.

Das Vorhandensein dieser Enzyme im Gehirn deutet darauf hin, dass das Gehirn potenziell in der Lage ist, DMT zu produzieren.

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Die Suche nach DMT im Gehirn

In den 1970er Jahren demonstrierten Julius Axelrod und Juan Saavedra, dass DMT in Rattengehirnen produziert werden kann, indem sie den DMT-Vorläufer Tryptamin direkt in die Hirne von Ratten injizierten. Später wurde DMT auch im Hirn von neugeborenen und aktiven erwachsenen Ratten nachgewiesen, ohne weiter nachzuhelfen. Darüber hinaus wurde DMT in menschlichen Proben von Blut, Urin und Cerebrospinalflüssigkeit (CFS) entdeckt.

Kontroverse und offene Fragen

Trotz dieser Erkenntnisse gab es widersprüchliche Ergebnisse dazu, ob INMT überhaupt im Hirn vorkommt oder ob es nur anderswo im Körper gebildet wird. Es war auch unklar, ob die beiden notwendigen Enzyme überhaupt an den gleichen Stellen vorkommen. Zudem enthielten die Proben in menschlichen Köperflüssigkeiten stets sehr kleine Mengen an DMT.

Neueste Forschungsergebnisse

Im Jahr 2019 veröffentlichten Jon Dean, Jimo Borjigin und ihr Team die Studie "Biosynthesis and Extracellular Concentrations of N,N-dimethyltryptamine in the Mammalian Brain". Sie fanden Nachweise für das Enzym INMT im Hirngewebe von Ratten und Menschen und konnten erstmals zeigen, dass es im Hirn von Ratten Nervenzellen gibt, die beide Enzyme gleichermaßen produzieren und somit eindeutig in der Lage zur DMT-Produktion wären. Mit der Methode der Mikrodialyse fanden sie DMT im Hirn erwachsener und gesunder Ratten in Konzentrationen, die nicht weit von denen des bekannten Neurotransmitters Serotonin entfernt sind.

Vorbehalte und Einschränkungen

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Ergebnisse noch nicht in einem zweiten unabhängigen Labor wiederholt wurden. Zudem ist es fraglich, wie direkt die Ergebnisse von Ratten auf menschliche Gehirne übertragen werden können. Unklar sind zudem die Funktionen, die DMT im Hirn übernehmen könnte.

DMT und der Sigma-1-Rezeptor (Sig1R)

Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Sigma-1-Rezeptor (Sig1R) eine wichtige Rolle bei den Wirkungen von DMT spielen könnte. Sig1R ist ein ungewöhnlicher Rezeptor, der Signale von Neurotransmittern über die Zellmembran, innerhalb der Zelle oder im Zellkern weiterleiten kann.

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Funktion von Sig1R

An der Membran ist Sig1R in der Lage, mit anderen Neurotransmitter-Rezeptoren zu interagieren und deren Funktion zu verändern, indem er Komplexe mit ihnen bildet. Innerhalb der Zelle bindet es Anti-Stress-Proteine und unterstützt sie bei der Ausführung ihrer Funktionen. Im Zellkern rekrutiert Sig1R andere Proteine, die an die DNA binden und über epigenetische Mechanismen verschiedene Gene aktivieren oder deaktivieren.

DMT als Sig1R-Regulator

Forschungsergebnisse mit Zellkulturen haben gezeigt, dass DMT an Sig1R binden kann. Untersuchungen an Mäusen konnten diese Ergebnisse untermauern und zeigten, dass sich das Verhalten von Mäusen unter DMT-Einfluss nicht veränderte, wenn Serotonin- und Dopamin-Rezeptoren blockiert wurden. Wurde jedoch Sig1R inaktiviert, zeigten die Mäuse keine Reaktion mehr auf das DMT.

Auswirkungen der Sig1R-Aktivierung durch DMT

Studien haben eine Rolle für DMT sowohl in der Immunantwort als auch in der Anti-Stress-Reaktion einzelner menschlicher Zellen gefunden. In einer Studie wurde menschlichen Neuronen in Zellkultur der Sauerstoff entzogen. Eine Behandlung mit DMT und die anschließende Aktivierung von Sig1R ermöglichte einem höheren Anteil der Zellen zu überleben.

Spekulationen über die Rolle von DMT bei Nahtoderfahrungen

Wenn DMT gestressten Zellen hilft, könnte es nicht auch ganzen Organismen in Stresszuständen helfen - wenn sie dem Tod nahe und starkem Sauerstoffmangel ausgesetzt sind? Es mag verlockend sein diese Spekulationen anzustellen, aber dennoch ist es notwendig zu bedenken, dass Neuronen im Gehirn auf komplexe, umgebungsabhängige Weise funktionieren.

DMT und Gedächtnisverarbeitung

Dr. Antonio Inserra von der Flinders University in Adelaide formulierte eine faszinierende Hypothese über die Rolle, die Sig1R bei Gehirnaktivitäten spielen könnte, insbesondere bei der Verarbeitung von Traumata. Er spekuliert, dass Sig1R Komplexe mit anderen Rezeptoren bildet und die Signalübertragung sowie die neuronale Plastizität in Gedächtniszentren verstärken könnte, welches beim Abrufen und Verarbeiten traumatischer Erinnerungen helfen könnte.

Epigenetische Regulation durch Sig1R

Dr. Inserra weist außerdem darauf hin, dass Sig1R im Zellkern als epigenetischer Regulator fungiert. Das heißt, der Rezeptor rekrutiert Enzyme, die verschiedene Modifikationen an der DNA und Histonen (Proteine, um die die DNA in der Zelle gewickelt ist) vornehmen, um Gene an- oder auszuschalten. Eine neue Studie von Dr. Simon Ruffell vom King’s College Londonstellt ebenfalls eine Verbindung zwischen DMT, Sig1R und epigenetischer Regulation her.

Therapeutischer Nutzen von DMT

Es gibt Hinweise darauf, dass DMT therapeutische Vorteile haben könnte, insbesondere bei der Behandlung von Depressionen und Suchterkrankungen. Einige Studien legen nahe, dass Ayahuasca Depressionen lindern und Suchterkrankungen behandeln könnte. Mediziner sind sich allerdings nicht sicher, ob diese therapeutischen Effekte schlicht den MAO-Hemmern zu verdanken sind, die bereits als Wirkstoff in Antidepressiva vorkommen. Es fehlen derzeit systematische klinische Studien mit DMT an Menschen mit psychischen Erkrankungen, bei denen man einen Placeboeffekt ausschließen kann.

Psychedelisch unterstützte Psychotherapie

Psychedelisch unterstützte Psychotherapie kombiniert die Psychologie der Gesprächstherapie mit der Kraft der psychedelischen Erfahrung. Beispielsweise erlebten Patienten, die sich Sorgen um das Fortschreiten ihrer Krebserkrankung machten, rasch Erleichterung und eine unerwartete Akzeptanz des bevorstehenden Endes.

Auswirkungen auf die neuronale Plastizität

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Psychedelika wie DMT die Bildung neuer Verbindungen zwischen Neuronen fördern können, was zu Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten führen kann.

Risiken und Nebenwirkungen von DMT

Während eines DMT-Rauschs kann es zu erhöhter Herzfrequenz, erhöhtem Blutdruck, erweiterten Pupillen, schnellen Augenbewegungen und Schwindel kommen. DMT macht - wie viele andere psychedelische Drogen - körperlich nicht abhängig. Eine psychische Abhängigkeit von der Droge zu entwickeln, ist auch unwahrscheinlich. Für gesunde Menschen besteht das größte Risiko von DMT darin, einen schlechten Trip (»Bad Trip«) durchzumachen. Menschen, die unter Psychosen leiden, laufen zudem Gefahr, ihre Symptome durch Halluzinogene zu verschlimmern. Eine besondere Gefahr besteht außerdem für Menschen, die Antidepressiva, Johanniskraut oder andere serotoninhaltige Mittel einnehmen.

Serotoninsyndrom

Bei gefährlicher Anhäufung des Neurotransmitters Serotonin kann es zum so genannten Serotoninsyndrom kommen. Dabei treten starke Muskelzuckungen auf, die in schlimmen Fällen die Atemmuskulatur einbeziehen und so zum Tod führen können.

Rechtliche Aspekte von DMT

In Deutschland gehört DMT zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Besitz von und Handel mit DMT oder DMT-haltigen Zubereitungen sind somit unter Strafe gestellt.

Fazit

DMT ist ein faszinierendes Molekül mit komplexen Auswirkungen auf das Gehirn. Während es seit langem für seine halluzinogenen Eigenschaften bekannt ist, deuten neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass es auch eine wichtige Rolle bei der Neurotransmission, dem Schutz des Gehirns vor Stress und der Gedächtnisverarbeitung spielen könnte. Obwohl noch viele Fragen offen sind, eröffnen die laufenden Forschungsarbeiten neue Perspektiven für das Verständnis des menschlichen Bewusstseins und die Behandlung psychischer Erkrankungen.

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