Die Wirkung von Giften an der Synapse: Mechanismen und Beispiele

Synapsengifte, auch Nervengifte genannt, sind Substanzen, die gezielt in den natürlichen Ablauf der Erregungsübertragung zwischen Nervenzellen eingreifen. Sie werden sowohl von einigen Pflanzen- als auch Tierarten produziert. In der Tierwelt werden diese Gifte zur Verteidigung, zum Töten von Beutetieren oder zum Schutz eingesetzt. Die Wirkungsweise dieser Neurotoxine ist dabei so vielfältig wie ihre Herkunft. Die Wirkung von Nervengiften kann je nach Substanz völlig unterschiedlich sein: Manche blockieren die Ausschüttung von Botenstoffen, andere verhindern deren Abbau oder blockieren die Rezeptoren. An der Synapse findet die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen statt - genau hier setzen Nervengifte an.

Angriffspunkte von Synapsengiften

Synapsengifte entfalten ihre Wirkung an unterschiedlichen Orten: Sie können an der Präsynapse, der Postsynapse oder dem synaptischen Spalt wirken. Die Wirkungsweise eines Neurotoxins im Körper hängt vom Wirkort in der Synapse ab.

Präsynaptische Wirkung

In der präsynaptischen Membran befinden sich Calciumionenkanäle. Erreicht ein Aktionspotential ein Axonendknöpfchen, sprich die präsynaptische Membran, werden im Normalfall kurzzeitig Calciumkanäle geöffnet und Calciumionen strömen in das Zellinnere des präsynaptischen Axonendknöpfchens hinein. In der Folge wandern mit Acetylcholin (Neurotransmitter) gefüllte Vesikel zum synaptischen Spalt, verschmelzen dort mit der präsynaptischen Membran (Vesikelfusion) und geben so Acetylcholin in den synaptischen Spalt ab. Der Austritt des Neurotransmitters Acetylcholin bewirkt, dass im weiteren Verlauf das Nervensignal weitergegeben werden kann.

Botulinumtoxine, Gifte der Bakterien der Gattung Clostridium, verhindern die beschriebene Vesikelfusion und somit die Ausschüttung von Acetylcholin. Das bekannteste Beispiel ist das Botulinumtoxin, das die Exozytose der synaptischen Vesikel blockiert. Interessanterweise wird genau diese lähmende Wirkung in der Kosmetik ausgenutzt.

Das Alpha-Latrotoxin aus dem Gift der Schwarzen Witze zeigt eine komplett andere Wirkweise als Botox. Durch die Latrotoxin Wirkung an der Synapse werden ständig Neurotransmitter ausgeschüttet, was zu einer Dauerreizung führt.

Lesen Sie auch: Synaptische Auswirkungen von Strychnin

Das Gift der schwarzen Witwe (α-Latrotoxin) führt zum Beispiel dazu, dass übermäßig viele Calciumionen einströmen. Dadurch kommt es zur Entleerung aller vorhandenen Vesikel in den synaptischen Spalt. So wird die nachfolgende Nervenzelle dauerhaft aktiviert (= Dauererregung). Es kommt zu Muskelkrämpfen. Die Gift der Schwarzen Witwe Wirkung an der Synapse demonstriert eindrucksvoll, wie auch eine Überaktivierung der Signalübertragung fatale Folgen haben kann.

Neurotoxine wie Alpha-Latroxin, welches beispielsweise von Tieren wie der Schwarzen Witwe (Spinne) produziert wird, sorgt dafür, dass in der Präsynapse geöffnete Calciumkanäle dauerhaft geöffnet bleiben. Dies führt zu einer Signalüberflutung, da die Zelle immer wieder unkontrolliert Neurotransmitter in den synaptischen Spalt frei lässt. Somit kommt es zu Muskelkrämpfen.

Wirkung im synaptischen Spalt

Im synaptischen Spalt gibt es Enzyme, die die Neurotransmitter abbauen, um deren Wirkungsdauer zu regulieren. Ein konkretes Beispiel ist das Enzym Acetylcholinesterase, das Acetylcholin abbaut. Synapsengifte aus der Gruppe der Alkylphosphate hemmen die Aktivität dieses Enzyms. Alkylphosphate sind beispielsweise Bestandteil von Pflanzenschutzmitteln. Das Insektizid E605 hemmt die Acetylcholinesterase, was zu einer Anreicherung von Acetylcholin im synaptischen Spalt führt.

Das Insektizid Parathion sorgt dafür, dass die Enzyme, die für die Spaltung der Neurotransmitter verantwortlich sind, gehemmt werden. Dies hat zur Konsequenz, dass die Neurotransmitter nicht von den Rezeptoren getrennt werden und das Signal länger als vorgesehen weitergeleitet wird. Durch diese Überflutung an Reizen kommt es zu Muskelkrämpfen.

Postsynaptische Wirkung

In der postsynaptischen Membran gibt es Acetylcholinrezeptoren, an die im Regelfall Acetylcholin bindet. Infolgedessen öffnen sich Natriumkanäle und Natriumionen strömen ein, ein neues Aktionspotenzial wird ausgelöst und somit wird das Nervensignal weitergeleitet. Die Natriumkanäle bleiben so lange geöffnet, wie das Acetylcholin an den Rezeptoren gebunden ist.

Lesen Sie auch: Überblick: Medikamente & Nervensystem

Die Postsynapse ist ein weiterer wichtiger Angriffspunkt für Synapsengifte. In der postsynaptischen Membran befinden sich spezielle Rezeptoren, an die Neurotransmitter binden können. Einige Gifte wirken, indem sie an den Acetylcholin-Rezeptor in der Zellmembran binden und verhindern, dass Acetylcholin selbst binden kann. Dies hat zur Folge, dass die Ionenkanäle geschlossen bleiben und keine Natriumionen in die Zelle einströmen können. Beispiel: Die Curare-Wirkung an der Synapse basiert auf diesem Mechanismus.

Das Gift des Kugelfischs, Tetrodotoxin (Abk. TTX), blockiert die Natriumkanäle dauerhaft. So wird eine Weiterleitung des Aktionspotenzials verhindert, Muskelzellen werden nicht aktiviert. Lähmungserscheinungen sind die Folge. Curare, ein Pflanzengift, blockiert hingegen die Acetylcholinrezeptoren. So kann Acetylcholin aus dem synaptischen Spalt nicht binden und eine Weiterleitung des Aktionspotenzials wird ebenfalls unterbunden. Auch hier sind Lähmungen die Folgeerscheinung. Da das Curare mit Acetylcholin um die gleiche Bindungsstelle am Rezeptor konkurriert, spricht man von kompetitiver Hemmung.

Das Gift des Schrecklichen Pfeilgiftfroschs, Batrachotoxin, hat hingegen eine gegenteilige Wirkung. Es bindet zwar ebenfalls an die Acetylcholinrezeptoren der postsynaptischen Membran, führt allerdings zu einer permanenten Aktivierung. Die Natriumkanäle bleiben durchgehend geöffnet und die Muskelzellen werden übermäßig aktiviert.

Atropin zeigt eine vierte Wirkweise von Nervengiften: Es konkurriert mit natürlichen Neurotransmittern um die Rezeptoren an der postsynaptischen Membran. Der entscheidende Unterschied: Atropin löst keine Öffnung der Natriumkanäle aus. Es blockiert lediglich die Rezeptoren und verhindert so, dass der eigentliche Botenstoff wirken kann. Atropin findet sich in der schwarzen Tollkirsche und anderen Nachtschattengewächsen.

Beispiele für Synapsengifte und ihre Wirkungen

Botulinumtoxin (Botox)

Botox enthält den Wirkstoff Botulinumtoxin, das stärkste natürliche Nervengift der Welt. Trotz seiner extremen Giftigkeit hat Botulinumtoxin heute einen festen Platz in der medizinischen Anwendung gefunden. Das Neurotoxin Gesichtbehandlungen haben in den letzten Jahrzehnten stark an Popularität gewonnen. Das Bakterium Clostridium botulinum kommt natürlich in Erdboden, Sedimenten und manchmal in Konserven vor. Botulismus als gefährliche Lebensmittelvergiftung tritt besonders bei unsachgemäß hergestellten Fleisch- und Wurstkonserven auf. Die Symptome beginnen oft mit Mundtrockenheit und geweiteten Pupillen, gefolgt von Schluck-, Sprech- und Sehstörungen.

Lesen Sie auch: Eine Analyse von DMT und dem Gehirn

Botulinumtoxin gehört zu den Nervengiften, die nicht direkt an der Synapse selbst wirken. Stattdessen wirkt es indirekt: Es spaltet nämlich das Protein SNAP-25. Dadurch kann dieses nicht mehr seine Aufgabe, Acetylcholin in den synaptischen Spalt freizusetzen, ausführen. Die Folge: Der synaptische Spalt „bleibt leer“. Da sich keine Neurotransmitter an den Rezeptoren der Postsynapse binden, kann die Erregungsübertragung nicht weiterlaufen. So werden Nervenzellen und damit auch Muskeln gelähmt.

Die Geschichte des Botulinumtoxins begann zwischen 1820 und 1870, als der Arzt Justinus Kerner die Krankheit Botulismus beschrieb und bereits erkannte, dass sie die Nervenleitung hemmt. Ein wichtiger Meilenstein war die Entwicklung des ersten Antiserums 1897. In den 1970er Jahren begann die medizinische Nutzung des Toxins, doch erst 2002 wurde es auch für kosmetische Zwecke zugelassen.

Die Anwendungsgebiete von Botox sind erstaunlich vielfältig. In der Neurologie hilft Botox bei verschiedenen Bewegungsstörungen wie Dystonien oder Spastik. Weitere medizinische Anwendungen umfassen die Migräneprophylaxe, die Behandlung von Muskelkrämpfen und die Korrektur von Schielen.

Alpha-Latrotoxin

Die Schwarze Witwe gehört zu den gefürchteten Spinnenarten. Ihr Gift ist ein Cocktail aus sieben verschiedenen Toxinen, die das Nervensystem angreifen. Diese sogenannten Latrotoxine lähmen gezielt Insekten und Krebstiere, allerdings zielt eines von ihnen, das α-Latrotoxin, auf Wirbeltiere ab und ist auch für den Menschen giftig. Es greift in die Signalübertragung des Nervensystems ein. Sobald α-Latrotoxin an spezifische Rezeptoren der Synapsen bindet - die Kontakte zwischen Nervenzellen oder zwischen Nervenzellen und Muskeln -, strömen Kalzium-Ionen unkontrolliert in die präsynaptischen Membranen der signalübermittelnden Zellen. Dies verursacht eine dauerhafte Freisetzung von Neurotransmittern, was starke Muskelkontraktionen und Krämpfe auslöst.

Um den Mechanismus des Kalzium-Einstroms in die präsynaptische Membran besser zu verstehen, haben Experten des Centers für Soft Nanoscience der Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Christos Gatsogiannis (Institut für Medizinische Physik und Biophysik) und Prof. Dr. Andreas Heuer (Institut für Physikalische Chemie) zusammengearbeitet. Sie setzten Hochleistungs-Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) und Molekulardynamik- (MD-) Computersimulationen ein. Sie zeigten: Beim Binden an den Rezeptor durchläuft das Toxin eine bemerkenswerte Umwandlung. Ein Teil des giftigen Moleküls formt sich zu einem Stiel, der wie eine Spritze in die Zellmembran eindringt. Als eine Besonderheit bildet dieser Stiel in der Membran eine kleine Pore, die als Kalzium-Kanal fungiert.

Wenn das α-Latrotoxin an den Rezeptor der präsynaptischen Membran der signalübermittelnden Zelle bindet, durchläuft es eine Umwandlung: Ein Teil des Moleküls formt sich zu einem Stiel, der in die Zellmembran eindringt („Membran-Insertion“, Abb. rechts). Als eine Besonderheit bildet dieser Stiel in der Membran eine kleine Pore, die als Kalzium-Kanal fungiert. MD-Simulationen legten offen, dass Kalzium-Ionen (Ca2+-Ionen) durch einen seitlich gelegenen selektiven Eingang direkt oberhalb der Pore in die Zelle strömen. Dank dieser Ergebnisse lässt sich nun den Wirkmechanismus von α-Latrotoxin verstehen. „Das Toxin ahmt auf hochkomplexe Weise die Funktion natürlicher Calcium-Kanäle der präsynaptischen Membran nach“, erklärt Christos Gatsogiannis.

Atropin

Atropin ist ein Neurotoxin, das natürlicherweise in der Tollkirsche vorkommt und giftig für den Menschen ist. Um die Wirkung von Neurotoxinen wie Atropin und dem Insektizid Parathon zu verstehen, sollte man zunächst wissen, wie das vegetative Nervensystem funktioniert. Es besteht aus zwei Teilen: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Diese stehen sich als Gegenspieler gegenüber. Das sympathische Nervensystem sorgt dafür, den Körper in einer Stressreaktion auf die „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ (engl.: „fight-or-flight-response“) einzustellen. Damit man also flüchten oder kämpfen kann, erhöht sich der Herzschlag, die Verdauungsleistung wird in den Hintergrund gestellt und die Pupillen werden weit. Kurzum, der Körper bereitet sich darauf vor, Höchstleistungen zu vollbringen.

Das parasympathische Nervensystem dagegen versetzt den Körper in den Ruhemodus. Der Herzschlag ist langsamer, die Muskeln entspannen sich und die Verdauung wird angeregt.

Gelangt nun das Neurotoxin Atropin in den Körper, so hemmt dieses das parasympathische Nervensystem. Im Gegenzug werden die Wirkungen des sympathischen Nervensystems stärker. Der Körper wird also ungewollt in diesen „Kampf-oder-Flucht“- Zustand versetzt.

Betrachtet man die Art der Wirkung von Giften wie Atropin, so handelt es sich bei ihnen um Neurotransmitter, die mit anderen an den Rezeptoren an der postsynaptischen Membran um die Bindungsstelle konkurrieren (so funktioniert übrigens auch Nikotin). Anders als die dafür vorgesehenen Transmitter leiten diese Neurotoxine allerdings nicht das Signal an die Postsynapse weiter, weswegen die Erregungsübertragung ausfällt. Ähnlich wie bei Giften wie Botulinumtoxin kommt es so zu einer Lähmung von Nervenzellen und Muskeln.

Insektizid Parathion (E605)

Parathion, auch als E605 bekannt, ist ein Pflanzenschutzmittel, das Insekten abtötet. Neurotoxine wie das Insektizid Parathion können als Gegenspieler von Neurotoxinen wie Atropin betrachtet werden, denn diese Art von Giften regen das parasympathische Nervensystem stark an. Dadurch können sie auch als Gegengift zu Neurotoxinen, die das sympathische Nervensystem anregen, eingesetzt werden.

Neurotoxine als Nervenkampfstoffe

Nervenkampfstoffe sind Nervengifte, die als chemische Waffen eingesetzt werden. Man teilt sie nach ihrem Ursprung in die Gruppen G-Reihe, V-Reihe und Nowitschok-Reihe ein. Nervenkampfstoffe wirken, ähnlich wie das Insektizid Parathion, hemmend auf die Enzyme, die Neurotransmitter spalten.

tags: #wirkung #von #giften #an #der #synapse